Die 10 größten Führungsfehler und wie Sie sie vermeiden - Maren Lehky - E-Book

Die 10 größten Führungsfehler und wie Sie sie vermeiden E-Book

Maren Lehky

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Beschreibung

Überlassen Sie Fehler doch den anderen! Wieder nicht richtig zugehört? Das Potenzial der Mitarbeiterin, die jetzt bei der Konkurrenz brilliert, zu spät erkannt? Oder falsche Informationspolitik betrieben? Aus Fehlern kann man lernen - zum Glück auch, indem man die der anderen vermeidet! Die erfahrene Managementberaterin Maren Lehky benennt die zehn häufigsten Führungsfehler, erklärt, was sie bei den Mitarbeitern, im Unternehmen und bei einem selbst anrichten, und zeigt mit vielen konkreten Tipps und praktischen Werkzeugen auf, wie es anders geht. So lässt sich das eigene Führungsverhalten kritisch überprüfen und systematisch verbessern. Führungsfehler und ihre Vermeidung sind immer wieder großes Thema in der Presse

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Maren Lehky

Die 10 größten Führungsfehler

– und wie Sie sie vermeiden

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Wieder nicht richtig zugehört? Das Potenzial der Mitarbeiterin, die jetzt bei der Konkurrenz brilliert, zu spät erkannt? Oder falsche Informationspolitik betrieben? Aus Fehlern kann man lernen - zum Glück auch, indem man die der anderen vermeidet! Die erfahrene Managementberaterin Maren Lehky benennt die zehn häufigsten Führungsfehler, erklärt, was sie bei den Mitarbeitern, im Unternehmen und bei einem selbst anrichten, und zeigt mit vielen konkreten Tipps und praktischen Werkzeugen auf, wie es anders geht. So lässt sich das eigene Führungsverhalten kritisch überprüfen und systematisch verbessern.

Vita

Maren Lehky ist seit 2002 Inhaberin einer Unternehmensberatung für Führung und Kommunikation und trainiert und coacht Führungskräfte zu Leadership-Themen. Zuvor war sie viele Jahre als Personalleiterin tätig, zuletzt als Geschäftsleitungsmitglied eines internationalen Industrieunternehmens.

Inhalt

Vorwort

Kapitel Fehler 1 Man interessiert sich nicht besonders für Menschen

Worum geht es?

Aus einem anderen Winkel betrachtet

Was Mitarbeiter motiviert

Die zwölf Fragen des Gallup-Instituts

Was heißt das für die Führungsrolle?

Warum Kommunikation so wichtig ist

Heile Welt von gestern?

Persönlicher Kontakt als Grundlage von Überzeugungskraft

Woran erkennt man einen Chef, der keine Freude an seiner Führungsaufgabe hat?

Ihre eigentliche Arbeit: Führung

Führen statt »schaffen«

Warum kaum jemandem vorher bewusst ist, was Führung bedeutet

Der beliebte Wurf ins kalte Wasser

Lieber Spezialist statt Führungskraft?

So füllen Sie die Führungsrolle aus – auf jeder Hierarchieebene anders

Das Modell der »Leadership Pipeline«: Was sich mit der Karriere ändert

Instrumente der aktiven Führung

Interesse für Menschen entwickeln

Erreichbarkeit

Management by Walking Around (MBWA)

Abteilungs- und Firmenrituale

Vorleben, was Ihnen wichtig ist

Gute Manieren

Begeisterung

Positive Briefings und Lösungsorientierung

Authentizität versus Rollenspiel

Kapitel Fehler 2 Man überstrapaziert oder leugnet die Hierarchie

Worum geht es?

Aus einem anderen Winkel betrachtet

Autorität statt autoritär

Auswege aus der »Ober sticht Unter«-Falle

Wasser predigen und Wein trinken

Die richtigen Zeichen setzen

Verleugnung der Führungsrolle

Keine Vogel-Strauß-Politik

Harmoniebedürfnis hinterfragen

Führungsbild reflektieren

Eigenen Führungsstil entwickeln

Der Chef als Coach?

Die drei Komponenten von Führung

Führungskomponente 1: Der Mitarbeiter

Führungskomponente 2: Das Unternehmen

Führungskomponente 3: Sie selbst

Die äußere Verpackung: Optik und Outfit unterstreichen Ihre Autorität

Business-Kleidung

Körpersprache

Wichtige Signale: Statussymbole

Unverzichtbar: Business-Knigge

Kapitel Fehler 3 Man erzeugt kein vertrauensvolles Klima

Worum geht es?

Aus einem anderen Winkel betrachtet

Was heißt Vertrauen?

Vertrauen und das eigene Menschenbild

Wie Sie eine Vertrauenskultur schaffen

Spielregeln für loyale Vorgesetzte

Bestehen Sie Belastungsproben

Führen Sie sicher durch Veränderungen und Krisen

Transparenz und Offenheit pflegen

Für Klarheit sorgen

Zuversicht vermitteln

Warum es sich auszahlt, Vertrauen zu haben – die Vorteile

Delegation funktioniert leichter

Und wenn doch etwas schiefgeht – Umgang mit Fehlern

Mitarbeiterförderung und Vertrauen

Was tun bei Vertrauensbrüchen? Kein Pardon bei Illoyalität

Kapitel Fehler 4 Man gibt weder Feedback noch Wertschätzung

Worum geht es?

Aus einem anderen Winkel betrachtet

Wertschätzung – Zaubermittel in der heutigen Arbeitswelt

Wertschätzung und der Bezug zur Gesundheit

Wertschätzung als stärkender Faktor

Wertschätzung als neue Währung

Wertschätzung und Generationen

Feedback – verschiedene Facetten und Techniken

Feedback nehmen können

Feedback zum Lernen – zeigen Sie ein imaginäres Video

Der Unterschied zwischen Fortschrittsbetrachtung und Beurteilung

Das kleine Wort »aber«

Vor dem Feedback den Empfangskanal des Gegenübers öffnen

Briefing und Rebriefing – Erwartungsmanagement mit Klartext

Das Kritikgespräch – wenn Feedback allein nicht weiterhilft

Wann, wo und wie: Grundregeln für Kritik

Fünf-Stufen-Plan für wirksame Kritikgespräche

Wenn es emotional wird

Wertschätzendes Trennungsgespräch – wenn Kündigungen nötig sind

Kündigungsgespräche führen

Kapitel Fehler 5 Man verkennt die Potenziale seiner Mitarbeiter und fördert sie nicht

Worum geht es?

Aus einem anderen Winkel betrachtet

Erstklassige Chefs haben erstklassige Mitarbeiter

Macht man bei Ihnen Karriere?

Die Angst vor der Säge am eigenen Stuhl

Die Angst, Leistungsträger zu verlieren

Potenziale erkennen

Wie identifiziert man Talente?

Fünf Fragen an anstehende Projekte oder Aufgaben

Eine Frage an sich selbst

Potenziale entwickeln

Das Grundprinzip: Stärken stärken

Herausfordernde Aufgaben

Instrumente für das Talentmanagement

Systeme zur Leistungsbeurteilung

Regelmäßige Mitarbeitergespräche

Das Leistungs-Potenzial-Portfolio für Ihr gesamtes Team

Bildungsbedarfsanalyse als logischer Folgeschritt

Kapitel Fehler 6Man überlässt Teams sich selbst

Worum geht es?

Zugehörigkeitsgefühle steigern die Leistung von Menschen

Aus einem anderen Winkel betrachtet

Teamzusammensetzung – verschiedene Rollen, verschiedene Stärken

Teamrollen nach Belbin

Was können Sie bei ungünstigen Teamkonstellationen tun?

Agile Teams

Teamführung

Wie führt man ein Team?

Teamkrisen: Phasen der Gruppenentwicklung

Phase 1: Orientierung

Phase 2: Frustration

Phase 3: Beschluss

Phase 4: Produktion

Sich selbst beobachten: Wie »teamfähig« sind Sie?

Wie kreiert man den berühmten »Teamgeist«?

Teammanagement heißt auch, Gerechtigkeit sicherzustellen

Virtuelle Teams

Worauf sollten Sie bei der Führung virtueller Teams achten?

Die Teammitglieder der Situation entsprechend auswählen

Ganz ohne »richtigen« Kontakt geht es nicht

Geeignete Führungsinstrumente entwickeln

Vertrauen aufbauen und erzeugen

An sich selbst arbeiten

Kapitel Fehler 7 Man kommuniziert unangemessen

Worum geht es?

Aus einem anderen Winkel betrachtet

Die Unterschiedlichkeit der Menschen

Die verschiedenen Kommunikationstypen

Der Sinnsucher

Der Gründliche

Der Pragmatiker

Der Visionär

Die Untiefen der Alltagskommunikation – Werkzeuge für erfolgreiche Führungskommunikation

»Da haben Sie mich missverstanden!« oder: Die vier Seiten einer Botschaft

»Wie kommen Sie bloß darauf?!« oder: Warum wir immer kommunizieren

»Ich habe Ihnen schon hundertmal gesagt, dass …« oder: Sach- und Beziehungsebene

»Ja, ja, schon klar …« oder: Aktives Zuhören

»Sie haben unser Anliegen schlecht verkauft!« oder: Ich-Botschaften

»Wieso boykottieren Sie das Projekt?« oder: Offene Fragen

»Warum ist das nicht möglich?« oder: Konstruktive, lösungsorientierte Fragen

Downsizing und Synergien: Wie Sie die richtigen Worte finden

Je kürzer, desto besser

Kompliziertes einfach ausdrücken

Die richtigen Bilder prägen

Kapitel Fehler 8Man informiert weder adressaten- noch anlassgerecht

Worum geht es?

Aus einem anderen Winkel betrachtet

Informationsroutinen – was geregelt sein sollte

Informationsdichte: Grobe Linie oder Details?

Erreichbarkeit: Terminvergabe, offene Tür oder rund um die Uhr?

Unterschriften: Wer unterzeichnet was?

Abwesenheit: Welche Regelungen gelten?

(Selbst-)Organisation: Wie behalten Sie den Überblick?

Informationsinstrumente – was taugt wofür?

Meetings und Führung

Jour fixe

Zweier- und Gruppengespräche

Strategiesitzungen/Grundsatzthemen

Schriftlich informieren

E-Mails und ihre Nebenwirkungen

Der gute alte Brief

Berichte, Anweisungen und Regelungen

Mitarbeiterzeitung

Schwarzes Brett

Betriebs- oder Abteilungsversammlungen

Monitore an zentralen Plätzen

Informationsmarkt

Ansprechbarkeit

Interne Chatrooms

Videobotschaft

Flugblätter verteilen

Informationsbedürfnisse – worauf Sie insbesondere bei Veränderungen achten sollten

Vorangehen statt abtauchen

»Wo Informationen fehlen, wachsen die Gerüchte«

Wer wirklich etwas bewegen will, informiert offen

Informieren, obwohl noch nicht klar ist, wohin die Reise geht?

Was tun, wenn das Topmanagement Dinge geheim halten möchte?

Wer Infos will, muss Infos geben

Kapitel Fehler 9Man vernachlässigt internes und externes Networking

Worum geht es?

Aus einem anderen Winkel betrachtet

Wozu Kontakte gut sind

Wer zu Ihrem Netzwerk gehören sollte

Wie Sie Netzwerke knüpfen und pflegen

Networking heißt Geben und Nehmen

Routinen entwickeln

Strategisch vorgehen

Kardinalfehler vermeiden

Interne Vernetzung und Loyalität nach oben

Warum Vorgesetzte sensibel auf Illoyalität reagieren (müssen)

Loyalität gegenüber Management und Organisation

Augen auf, Mund zu

Verschwiegenheit ist Trumpf

Das richtige Stressventil suchen

Entscheidungen engagiert mittragen

Den Vorgesetzten einbinden

Besonders heikel: Kritik am Vorgesetzten

Grenzen der Loyalität

Kapitel Fehler 10 Man vernachlässigt Selbstreflexion, Selbstmarketing und Selbstfürsorge

Worum geht es?

Aus einem anderen Winkel betrachtet

Selbsterkenntnis: Wer sind Sie?

Identifizieren Sie Ihre inneren Antreiber

Erkennen Sie Ihre Kernwerte

Kommunizieren Sie Ihre Kernwerte

Managementpotenzialanalyse, Feedback und Teamrollen

Feedback durch Dritte

Toleranz zeigen: »anders« heißt nicht unbedingt »schlechter«

Entwickeln Sie Toleranz

Selbstmarketing – wie Sie Ihr Image proaktiv gestalten

Das eigene Image pflegen

Stärken identifizieren

Stärken kommunizieren

Das Umfeld berücksichtigen

Kardinaltugenden für erfolgreiche Führungskräfte

Tue Gutes und rede darüber – Selbstmarketing für sich und Ihr Team

Das Glas ist halb voll!

Die eigene Abteilung promoten

Meetings als Bühne nutzen

Die Bühne der Social Media

Selbstfürsorge – wie Sie Kraft für die Führungsaufgabe erhalten oder gewinnen

Gesundheit

Grenzen setzen

Baustellen angehen

Energie tanken

Ein paar Worte zum Schluss

Anmerkungen

Danksagung

Register

Vorwort

Liebe Leserin und lieber Leser,

viele neue Schlagworte prasseln zurzeit auf Führungskräfte ein: Arbeiten 4.0, Digitalisierung, Generation Y, agile Teams und unzählige andere. Eine der neuen Begrifflichkeiten fasst gut zusammen, was unsere Welt heute (nicht nur im Arbeitsleben) ausmacht. Wir leben in der sogenannten »VUCA World«. VUCA steht für Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity: also Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit. Alles ist in Bewegung, und das immer schneller. Für Führungskräfte stellt sich die Frage: Was bedeutet das für mich? Fokussiert man sich dann auf die Frage, welche die zehn größten Führungsfehler sind, die sich ständig – mit den entsprechenden negativen Auswirkungen – wiederholen, dann wird es auf einmal ganz schlicht: Am Ende arbeiten wir noch immer mit Menschen, wir führen Teams und (noch) keine Roboter. Moderne Zeiten erfordern zwar eine noch größere Bandbreite von Werkzeugen und Fähigkeiten, letztlich dreht es sich aber weiterhin um die klassischen Instrumente wie Wertschätzung, Kommunikation, das Erkennen von Potenzialen von Mitarbeitern oder grundsätzliches Vertrauen. Insofern kommt es auch in der Welt von Arbeiten 4.0 nach wie vor auf Sie an, auf die Führungskraft.

Eine grundsätzliche Anmerkung zum Titel dieses Buches: Woran misst man eigentlich Führungsfehler und wer sagt, dass die hier beschriebenen Verhaltensweisen falsch sind? Gemessen wird erfolgreiche Führungsleistung an Produktivität von Teams, an der Höhe der Krankenquote, an der Frage, wie lange Leistungsträger im Unternehmen bleiben, wie viele Nachwuchskräfte im Verantwortungsbereich einer Führungskraft entwickelt werden, wie loyal die Teammitglieder sind und wie wirtschaftlich erfolgreich ein Unternehmensbereich ist. Aber auch daran, wie positiv das Image einer Führungskraft im Unternehmen ist, wie gut jemand als Magnet auf neue Mitarbeiter wirkt und wie erfolgreich jemand das Unternehmen nach außen repräsentiert. Das beruht zum einen auf Mitarbeiterbefragungen, die immer wieder zu denselben Kritikpunkten kommen, und zum anderen auf Beobachtungen, die beispielsweise HR-Manager durch ihren Kontakt mit Führungskräften machen. Und natürlich fließen hier auch meine inzwischen in über 30 Jahren erworbenen Managementerkenntnisse mit ein. Handhaben Sie als Führungskraft es mit den hier geschilderten zehn typischen Führungsfehlern doch einfach wie Churchill empfiehlt: »Ein kluger Mann macht nicht alle Fehler selbst, er gibt auch anderen eine Chance.«

Apropos »kluge Männer«: Selbstverständlich sind in diesem Buch auch alle weiblichen Führungskräfte angesprochen und manchmal gesondert hervorgehoben. Ansonsten wird aus Gründen der guten Lesbarkeit die männliche Form verwendet. Danke für Ihr Verständnis.

Meine Tätigkeit als Beraterin, Coach oder auch Leadership-Trainerin und Dozentin zeigt mir immer wieder, dass es stets die gleichen Fehler sind, die Führungskräfte unglücklich, gestresst oder wenig erfolgreich sein lassen, obwohl sie manchmal die besten Absichten hegen, sich mit dem Unternehmen identifizieren und sich sehr engagieren. Es sind häufig die banalen Dinge, die nicht funktionieren und zu unzufriedenen Mitarbeitern und zweifelndem Topmanagement führen. Ich möchte Sie daher mit verschiedenen typischen Fehlern vertraut machen und Ihnen zeigen, wie man sie vermeiden oder sogar zum Positiven verändern kann.

Jedes Kapitel beginnt mit ein paar Fragen, die Sie veranlassen werden, kurz über sich selbst zu reflektieren. Da niemand Ihre Gedanken lesen kann, dürfen Sie an der Stelle ruhig ehrlich mit sich sein. Nach den konkreten Inhalten, zahlreichen Beispielen und sehr konkreten Praxistipps folgen dann zum Abschluss jedes Kapitels im Sinne einer gedanklichen Checkliste ein paar Denkanstöße, die Ihnen die Wahl lassen, bestimmte Punkte in Ihrem bisherigen Verhalten zu überdenken, zu optimieren oder – weil Sie sehr zufrieden mit sich sind – so zu belassen, wie sie sind.

Sie können Kapitel für Kapitel durcharbeiten und anschließend jedes der zehn Themen für sich und Ihre eigene Abteilung, Ihre Teammitglieder und Ihren Chef anwenden. Genauso gut eignet es sich aber auch für die entspannte Liegestuhllektüre im Urlaub, wo die Arbeit dann eher in Gedanken erfolgt und beim Eindösen nach jedem Kapitel in tiefere Schichten Ihres Bewusstseins dringen kann. Sie müssen nicht der Reihe nach vorgehen, Querverweise auf andere Kapitel fangen Sie an jeder Stelle auf.

Sie dabei ein Stück zu begleiten, Ihnen gedanklich gegenüberzusitzen und als Sparringspartnerin für Ihre Fragen rund um das Thema Führen zu dienen, das ist mir Freude und Ehre zugleich. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen erfolgreiche und gleichermaßen unterhaltsame oder auch nachdenkliche Stunden mit diesem Buch.

Hamburg, im Sommer 2017 

Maren Lehky

Kapitel Fehler 1 Man interessiert sich nicht besonders für Menschen

Einführung

Nehmen Sie Ihre Führungsrolle bewusst an!

Ertappen Sie sich manchmal bei dem Gedanken, dass Ihre Mitarbeiter Sie nur Zeit kosten und Sie von Ihrer »eigentlichen« Arbeit abhalten?

Trommeln Sie schon mal mit den Fingern auf die Tischplatte, wenn Mitarbeiter ausführlich von Problemen berichten?

Erzählen Kollegen oder Vorgesetzte Ihnen hin und wieder Dinge über Ihre Mitarbeiter, die Sie selbst gar nicht wussten?

Sind Sie heimlich erleichtert, ein dringendes Meeting zu haben, wenn einer Ihrer Mitarbeiter zum Geburtstag auf einen kleinen Imbiss einlädt?

Wünschten Sie sich manchmal, die Arbeit in Ihrem Verantwortungsbereich auch ohne Menschen erledigen zu können?

Haben Sie sich schon öfter nach einem ruhigen Home-Office gesehnt – nur Sie und Ihr Computer –, um so richtig was wegschaffen zu können?

Worum geht es?

Führung heißt, sich mit Menschen auseinanderzusetzen. Ein Leitsatz meiner persönlichen Arbeit lautet: »Wer Menschen beschäftigt, kommt nicht umhin, sich mit Menschen zu beschäftigen.« Nur ein schönes Bonmot? Dass mehr dahintersteckt, zeigt ein Blick in die Praxis.

Beispiel

M. ist Informatiker und mit Mitte 30 Chef einer kleinen Software-Firma, die er selbst aufgebaut hat. Im Coaching stellt sich schnell heraus: Er weiß wenig über seine Mitarbeiter, und sie wissen von ihm allenfalls, welche Automarke er bevorzugt – dazu genügt schließlich der Blick auf den Firmenparkplatz. Nach dem Motto »Geschäft ist Geschäft« vermeidet M. jedes persönliche Wort. Auch wenn er nicht außer Haus unterwegs ist, leitet er sein Unternehmen, wie er meint, höchst effizient: Knappe E-Mails halten den Laden am Laufen. Trotzdem gibt es Sand im Getriebe. Die Fluktuation ist hoch, gerade hat sein »bester Mann« gekündigt. Die dritte Assistentin in zwei Jahren ist kürzlich in Tränen ausgebrochen und hat ihm »Kaltschnäuzigkeit« vorgeworfen. Im Coaching möchte er »effektive Führungsinstrumente entwickeln«.

Effektive Führungsinstrumente sind sicher hilfreich, um die Komplexität der heutigen Business-Welt zu managen und die Fäden in der Hand zu behalten. Sie sind aber nicht alles, denn diejenigen, die die Arbeit erledigen und Ideen liefern, die umsetzen, was Sie anregen, die auf Probleme hinweisen, mit feinem Gespür Trends oder Missstimmungen bei Kunden entdecken und vieles mehr, sind nach wie vor Menschen. Und so modern unsere Welt auch geworden ist, so viel Technik auch in unser Arbeitsleben eingezogen ist: Wir bleiben ganz archaische Wesen, die immer noch die gleichen emotionalen Bedürfnisse haben wie vor 50 oder weit mehr Jahren.

Was veranlasst Menschen, tagtäglich aufzustehen und zur Arbeit zu gehen? Man muss Geld verdienen, natürlich, doch dass der Mensch nicht vom Brot alleine lebt, ist sprichwörtlich. Menschen suchen Anerkennung, Wertschätzung und persönlichen Kontakt. Und genau damit war der Inhaber der oben genannten Firma äußerst zurückhaltend.

Das wirft die Frage auf: Muss eine gute Führungskraft ein Menschenfreund sein? Vielleicht nicht unbedingt, jedoch bin ich mir sicher, dass es die Führungsaufgabe erleichtert; weil sie mehr Spaß macht, wenn man Freude daran hat, sich mit den unterschiedlichsten Charakteren, Neurosen, Bedürfnissen und Ticks auseinanderzusetzen, wenn man vielleicht sogar den Menschen an sich als »kleines Wunder« verstehen kann. Dann schmerzt auch so manche Verhaltensweise etwas weniger, da man einen anderen Blick darauf werfen kann. Menschen zu »mögen« macht Führung einfacher und vor allem für die Geführten wirksamer und angenehmer.

Dies belegen auch Umfragen, wie sie das renommierte Gallup-Institut aus den USA regelmäßig durchführt. Es geht hier allerdings nicht darum, aus rein humanistischen Gründen den Menschen in den Vordergrund zu stellen – obwohl das ein durchaus wünschenswerter »Nebeneffekt« ist. Es geht vielmehr darum, dass eine Führungskraft, die die Beziehung zu ihren Mitarbeitern positiv und konstruktiv gestaltet, wirksamer führt.

Kenneth Blanchard brachte dieses Thema anlässlich eines Vortrags auf die einfache Formel: »Leadership is love – loving customers, people and yourself.« Einer der Zuhörer fragte, wie man denn Ergebnisse sichern sollte, wenn man gleichzeitig die Menschen lieben soll. Kenneth Blanchard erwiderte erfreut: »You should love them, you do not have to like them.« Ein wesentlicher Unterschied.

Aus einem anderen Winkel betrachtet

Erkennen Sie sich in M. wieder? Es sind häufig die eher introvertierten, zahlenorientierten, sachbezogenen Manager, die dazu neigen, die menschliche Seite zu vernachlässigen. Unter Ingenieuren oder Naturwissenschaftlern ist diese Haltung nicht selten. Dem stehen oft ausgeprägte analytische Fähigkeiten und Kompetenzen gegenüber – eine hohe Problemlösungskompetenz, ein scharfer Intellekt, bestechende Sachkompetenz. Die sozialen Kompetenzen sind weniger stark ausgeprägt, doch daran kann man arbeiten. Ich bin überzeugt davon, dass man nicht als »charismatischer Leader« geboren sein muss, um eine überzeugende und glaubwürdige Führungskraft zu sein. Viele Techniken für überzeugende Führung sind lernbar und anwendbar, ohne dass man ein anderer Mensch im Innern werden muss. Darum wird es auch in diesem Buch gehen.

Welche Möglichkeiten Sie haben, um den Kontakt zu Ihren Mitarbeitern zu verbessern, lesen Sie ab Seite 32. Und dass sich eine solche Verhaltensänderung auch im privaten Leben auszahlt und positive Nebenwirkungen mit sich bringt, macht es vielleicht noch attraktiver, ein wenig »menschlicher« zu werden.

Was Mitarbeiter motiviert

Über Motivation ist viel geschrieben und diskutiert worden. Dass es einen starken Zusammenhang zwischen Motivation und persönlichem Engagement und damit Erfolg in Unternehmen gibt, belegen sehr eindrucksvoll seit vielen Jahrzehnten Studien des Gallup-Instituts. Das US-amerikanische Institut, gegründet in den 1930er Jahren, hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Langzeitstudien den Eigenschaften erfolgreicher Führungskräfte und erstklassiger Arbeitsplätze auf den Grund zu gehen, und untersucht in namhaften Unternehmen weltweit immer wieder den Zusammenhang zwischen Mitarbeitermotivation und Produktivität. In Deutschland wird dieses Thema von Gallup seit 2001 jedes Jahr untersucht. Dabei haben sich im Laufe der Zeit zwölf Fragen als besonders relevant herauskristallisiert, die in standardisierter Form weltweit gestellt werden. Werfen wir einen Blick darauf. So viel schon vorweg: Es kommt auf die Führungskräfte an!

Die zwölf Fragen des Gallup-Instituts

Folgende Fragen setzt das Gallup-Institut zur Messung der Qualität und Vitalität eines Arbeitsplatzes ein:1

Weiß ich, was bei der Arbeit von mir erwartet wird?

Habe ich die Materialien und Arbeitsmittel, um meine Arbeit richtig zu machen?

Habe ich bei der Arbeit jeden Tag die Gelegenheit, das zu tun, was ich am besten kann?

Habe ich in den vergangenen sieben Tagen für gute Arbeit Anerkennung und Lob bekommen?

Interessiert sich mein/e Vorgesetzte/r oder eine andere Person bei der Arbeit für mich als Menschen?

Gibt es bei der Arbeit jemanden, der mich in meiner Entwicklung unterstützt und fördert?

Habe ich den Eindruck, dass bei der Arbeit meine Meinungen und Vorstellungen zählen?

Geben mir die Ziele und die Unternehmensphilosophie meiner Firma das Gefühl, dass meine Arbeit wichtig ist?

Sind meine Kollegen bestrebt, Arbeit von hoher Qualität zu leisten?

Habe ich innerhalb der Firma einen sehr guten Freund?

Hat in den vergangenen sechs Monaten jemand in der Firma mit mir über meine Fortschritte gesprochen?

Hatte ich bei der Arbeit Gelegenheit, Neues zu lernen und mich weiterzuentwickeln?

Vielleicht lassen Sie diese Kernfragen einmal kurz Revue passieren: Wie viele dieser Aspekte sind in Ihrer eigenen Arbeitssituation gegeben? Und wie viele davon fließen in Ihren Führungsalltag ein? Denn wer, wenn nicht Sie als Führungskraft, sollte Erwartungen vermitteln, für produktive Arbeitsbedingungen sorgen, loben, Interesse signalisieren und fördern?

Das Erstaunliche daran: Diese Instrumente kosten nichts, es handelt sich nicht um teure Incentives oder umfangreiche Budgets. Nicht zufällig fehlen Fragen nach Gehalt und Ausstattung von Positionen. Die Gallup-Forscher stellten im Laufe ihrer Arbeit schlicht fest, dass diese Kriterien zu vernachlässigen sind. Dass ein Unternehmen angemessene Entlohnung bietet, ist selbstverständlich, jedoch kein Alleinstellungsmerkmal oder ein wirkliches Argument für Mitarbeiter, bei diesem Arbeitgeber zu bleiben.

Im Laufe von über 30 Jahren haben mehr als eine Million Arbeitnehmer diese zwölf Schlüsselfragen auf einer Skala von 1 (= starkes Nein) bis 5 (= starkes Ja) beantwortet. Gallup belegte mit einer Befragung von mehr als 100 000 Mitarbeitern aus 24 Unternehmen und insgesamt 2 500 Geschäftseinheiten gezielt den Zusammenhang zwischen der Beantwortung der Kernfragen einerseits und Faktoren wie Produktivität, Rentabilität und Mitarbeiterloyalität andererseits. Die Auswertungen zeigten: Die positive Beantwortung einer hohen Anzahl von Fragen korreliert sehr stark mit hoher Produktivität (zehn Fragen), in hohem Maße mit Rentabilität (acht Fragen) und stark mit Mitarbeiterbindung (fünf Fragen). Maßgeblich für Loyalität der Mitarbeiter waren dabei vor allem die Fragen 1, 2, 3, 5 und 7 aus der Liste – und damit klar diejenigen Faktoren, die vor allem durch den direkten Vorgesetzten gestaltet werden. Die naheliegende Schlussfolgerung: Mitarbeiter entscheiden sich für ein Unternehmen wegen des Firmenimages, der Stellenbeschreibung und des Gehalts. Die Entscheidung zu bleiben fällt man jedoch wegen des Chefs.

Ausführlich nachlesen können Sie all das übrigens in dem Buch Erfolgreiche Führung gegen alle Regeln, wo die Gallup-Forscher Marcus Buckingham und Curt Coffman ihre Erkenntnisse zusammenfassen.2

Was heißt das für die Führungsrolle?

Wer kein Kontaktmensch ist und stattdessen die Überzeugung pflegt, es gehe im Business allein um die Sache, der greift zu kurz und wird in seiner Führungsrolle wahrscheinlich weder zufrieden noch erfolgreich sein. Die Ebene hinter der Sache, die sogenannte Beziehungsebene (siehe auch Seite 191 ff.), wird durch diese Annahme vernachlässigt, wodurch ein großes Konfliktpotenzial entsteht. Die häufig vertretenen Managementansichten, dass »Menschen eher Mittel zum Zweck«, »kostenintensives Humankapital« oder sogar »nötiges Übel« seien, und das Bedauern darüber, dass es »ohne leider (noch) nicht gehe«, werden von der Belegschaft im Unternehmen entsprechend wahrgenommen. Kritik von Mitarbeitern zielt dementsprechend häufig darauf, dass Führungskräfte keinen Kontakt zu ihren Mitarbeitern suchen, ihnen aus dem Weg gehen, sich nicht zeigen, nie etwas Privates von sich geben, kein Interesse am Gegenüber haben und irgendwie unpersönlich sind.

Warum Kommunikation so wichtig ist

Oft höre ich in Workshops die Frage, ob Führung früher nicht viel einfacher war. Ganz sicher, ja! Ein strenges Regiment von Befehl und Gehorsam sorgte für klare Verhältnisse: Der Vorgesetzte sagte, wo es langgehen sollte, die Mitarbeiter hatten zu folgen. »Motivation« war – im doppelten Wortsinne – ein Fremdwort, und über die richtige Kommunikation brauchte man sich als Chef keine Gedanken zu machen: Man war einfach der Chef. Man hatte eine kleinere Führungsspanne, eine eigene Assistentin, und in den 1970er Jahren erreichten einen Manager rund 1 000 Nachrichten jährlich, heute sind es 30 000. Die Ansprüche an Führungskräfte sind gestiegen: Es gibt Mitarbeiterzufriedenheitsuntersuchungen in den Unternehmen, Chefs werden bewertet, manchmal gewählt, oft beurteilt durch sogenannte 360-Grad-Feedbacks, und inzwischen wird die Führungsleistung sogar Bonusbestandteil und in immer mehr Unternehmen gemessen. Mitarbeiter sind anspruchsvoller geworden, im Internet haben sich Arbeitgeberbewertungsforen ausgebreitet, wo man seinen Frust über den Chef posten und das Unternehmen benoten kann. Das wiederum spricht sich am Bewerbermarkt herum und kann ein Unternehmen schwächen. So sind heute ganze Bibliotheken mit Büchern zu diesen Themen gefüllt. Führungskräfte werden geschult, trainiert und gecoacht. Statt in Ruhe ihrem »eigentlichen Business« nachzugehen, sitzen sie in Zielvereinbarungs- oder Jahresgesprächen und verbringen ihre Zeit in Seminaren, in denen man ihnen die »vier Seiten einer Nachricht« beibringt. (Wenn Sie noch nicht in einem solchen Seminar waren: Lesen Sie ab Seite 188). Der Unterschied ist gravierend.

Heile Welt von gestern?

Bevor Sie sich in die gute alte Zeit zurückträumen, denken Sie daran: Bis Sie selbst ganz oben stünden, hätten auch Sie immer jemanden »über sich«, der Sie herumkommandierte. Würde Ihnen das gefallen? Das autoritäre Modell hat noch einen weiteren Haken: Wer »befehlen« will, muss bis ins Detail wissen, wo es langgehen soll – denn Kommunikation wird hier zur Einbahnstraße. Für »allwissende« Führungskräfte ist die heutige Arbeitswelt jedoch viel zu komplex. Projektarbeit und Arbeitsgruppen, mitdenkende und selbstständige Mitarbeiter sind kein modischer Luxus, sondern schlicht notwendig, damit komplizierte, arbeitsteilige und schnelle Prozesse überhaupt gelingen können. Den mündigen Mitarbeiter einerseits zu fordern, ihn andererseits aber nicht als Persönlichkeit individuell zu behandeln, passt schlecht zusammen. »Wollen, was wir sollen« hat das Wirtschaftsmagazin Brand Eins schon im April 2005 die Situation beschrieben, die erfolgreiche Führungskräfte für ihre Mitarbeiter kreieren müssen – und die wird nicht durch einen autoritären Führungsstil erreicht.

Persönlicher Kontakt als Grundlage von Überzeugungskraft

Es ist kein Zufall, dass charismatischen Führungskräften häufig nachgesagt wird, sie seien im positiven Sinne Menschenfänger, könnten andere anstecken, hörten wirklich zu, suchten den Kontakt und das Gespräch mit anderen Menschen, um sich auszutauschen, gegenseitig zu befruchten und sich hinterfragen zu lassen. Nicolas G. Hayek, der Gründer der Swatch Group und »Retter der Schweizer Uhrenindustrie«, meint etwa, »der größte, wunderbarste, zufriedenste Unternehmer ist der, der es fertig bringt, die Leute um sich so zu motivieren, dass ihn alle lieben, auch wenn er sie kritisiert«. Was nicht heißt, dass man darüber die Arbeitsinhalte vergessen könne: »Es genügt aber nicht, nur zu kommunizieren, um die Menschen zu begeistern – sie müssen auch schnell umsetzen, was Sie kommuniziert haben.«3

Nun liegt es nicht jedem gleichermaßen, im persönlichen Kontakt zu überzeugen und diesen für Unternehmensinteressen gewinnbringend einzusetzen. Das ist aber nicht nur im Talent und in der Fähigkeit zur Führung begründet, sondern beginnt schon früher: nämlich beim Interesse für Menschen. Dieses Interesse beinhaltet verschiedene Facetten, die das Leben als Führungskraft in vielfältiger Hinsicht bereichern können und dazu führen, dass die Ausübung der Führungsrolle als weniger anstrengend empfunden wird. Die einzelnen Facetten sind folgende:

den Menschen als solchen wertschätzen;

neugierig darauf sein, wie andere »ticken«;

aus der Nähe zu Menschen Energie schöpfen können;

aus dem Kontakt zu anderen inhaltliche Inspiration ziehen können;

mehr Spaß an Erfolgen haben, wenn man sie gemeinsam genießt;

froh sein, Frust und Ärger mit anderen teilen zu können;

anerkennen, dass Menschen Schwächen haben und nicht einfach nur funktionieren.

Wenn Sie diese Eigenschaften für sich persönlich bejahen können, haben Sie eine wesentliche Grundvoraussetzung für erfolgreiche Führung erfüllt.

Woran erkennt man einen Chef, der keine Freude an seiner Führungsaufgabe hat?

Erinnern Sie sich an die Vorgesetzten, die Ihren eigenen Weg kreuzten? Sicher finden Sie dann innere Bilder dazu. Häufig erkennt man Vorgesetzte, die keine Freude an Menschen haben, daran, dass sie sich in ihre Büros oder Meetings flüchten, dass man sie nie sieht und selten persönlich hört. Wenn man dann mit ihnen spricht, sind sie innerlich oder gar äußerlich auf dem Sprung, suchen keinen Augenkontakt oder wenden sich ab. Das gilt bis in die höchsten Ebenen: Vorgesetzte sind tagelang unerreichbar und lassen sich hervorragend von ihrer Assistenz abschirmen. Manche kommunizieren ausschließlich über Dritte, die dann »sein Wort« weitertragen. Auch die Managerin, die, wenn sie nicht gestört werden will, ihr »Revier« mit dem gestreiften Plastikband absperrt, das man sonst nur von Baustellen kennt, ist leider keine Erfindung von mir, sondern das Beispiel einer Teilnehmerin eines meiner Seminare – auch wenn das ein Extremfall ist. In der Regel sind Barrieren zwischen Führungskraft und Mitarbeitern unauffälliger in den Arbeitsalltag integriert.

Arbeitsaufgaben und Feedback gibt es von solchen Vorgesetzten fast nur in Form schriftlicher Anweisungen oder durch Übermittlungen von Assistenten. Heute macht es das E-Mail-System solchen Chefs zusätzlich leicht, sich abzuschotten: Eine Mail ist schnell geschrieben, und man muss sich zudem nicht mit lästigen Nachfragen oder gar Bedenken des Mitarbeiters herumschlagen und ihm schon gar nicht dabei ins Gesicht schauen (über die Nebenwirkungen von E-Mails siehe Kapitel 8).

Chefs, die keine »Lust auf Führung« haben, erkennt man auch daran, dass sie den Kontakt zu Menschen nicht suchen und nicht an Hintergründen oder Geschichten interessiert sind. Sie wissen kaum etwas von ihren Mitarbeitern, weder, dass im vergangenen Monat die Mutter der Assistentin starb, noch, dass der Junior der Abteilung demnächst Vater wird. Kurz: Sie sehen nicht den Menschen im Mitarbeiter. Doch genau das spüren die Mitarbeiter: Nicht erkannt zu werden in ihrer Einzigartigkeit, nicht gesehen zu werden, das demotiviert Menschen.

Ihre eigentliche Arbeit: Führung

Gar nicht selten ertappen sich Führungskräfte am Ende eines langen Arbeitstages bei der Frage: »Was habe ich eigentlich heute den ganzen Tag getan?« Sie auch? Das Büro war immer voller Menschen, irgendjemand wollte immer etwas von Ihnen, Sie waren dauernd im Gespräch – aber »geschafft« haben Sie eigentlich nichts. Bis Sie eines Tages erkennen: Sie haben nichts »geschafft«, Sie haben geführt.

Führen statt »schaffen«

Das ist es, wofür Sie als Manager eigentlich bezahlt werden: zu führen. Diesen Schalter im Kopf umzulegen, wird Teil Ihres Erfolges sein. Und dies gilt umso mehr, je weiter Sie in der Hierarchie nach oben gelangen, denn es besteht ein starker Zusammenhang zwischen steigender Managementebene und abnehmendem Gefühl des »Wegschaffens«. Je weiter Sie in der unternehmensinternen Hierarchie nach oben kommen, umso abstrakter wird selbst die Aufgabe »Führung«. Dieser Zusammenhang wird sehr schön am Modell der Leadership Pipeline (siehe Seite 26 ff.) sichtbar.

Je weiter Sie also nach oben kommen, umso abstrakter, weil strategischer und zukunftsweisender, wird die Aufgabe. Wenn Sie am Anfang Ihrer Karriere stehen – zum Beispiel auf dem ersten Managementlevel –, haben Sie noch mehr mit dem eigentlichen Tages- und Fachgeschäft zu tun und bewältigen die manchmal so befriedigenden »Berge von Arbeit«, die man sehen oder anfassen kann. Und das wiederum können wir als Menschen einfach besser fassen und uns deshalb auch leichter erklären, warum wir manchmal davon erschöpft sind, als wenn wir den ganzen Tag »nur« gedacht, geplant, angeregt, auf hohem Niveau mit anderen gerungen und am Ende entschieden haben. Zumal die Vorlaufzeiten wesentlich länger sind, bis ein »großer Deal« abgeschlossen ist, als wenn es um die tatkräftige Entscheidung über einen konkreten Fall geht.

Aber wir greifen vor – kommen wir noch einmal zu der Frage, ob Sie sich wirklich mit vollem Herzen für die Führungsrolle entschieden haben und es heute wieder tun würden.

Warum kaum jemandem vorher bewusst ist, was Führung bedeutet

Im Laufe des Coachings berichten mir manche Manager, dass sie selbst nie darüber nachgedacht hätten, ob sie eigentlich »Lust auf Führung« hätten. Und es habe sie auch nie jemand danach gefragt, geschweige denn darüber aufgeklärt, was eine Führungsaufgabe an Kontakten, Kommunikation und Menschlichkeit mit sich bringen würde. Genau diesen Aspekt der Führung kann man schwer messen und jemand anderem erzählen. Wie müsste ein solches Aufklärungsgespräch aussehen?

Beispiel

»Also, Herr Paul, stellen Sie sich mal darauf ein: Sobald Sie die Abteilung übernehmen, werden in Ihrem Büro dauernd Menschen stehen, die mit ihren ganz unterschiedlichen Bedürfnissen zu Ihnen kommen. Sie werden mit ihren Geschichten und der Suche nach Aufmerksamkeit bei Ihnen sein und ab und zu einfach nur mal reinschauen, um zu gucken, ob sie noch wohlgelitten sind; sie werden Sie von Ihrer Arbeit abhalten, werden von morgens bis abends etwas von Ihnen wollen. Am Ende des Tages werden Sie sich manchmal fragen, was Sie eigentlich gemacht haben. Manchmal werden Sie diese Ansammlungen schrecklich finden und in die Flucht schlagen wollen, weil Sie einfach keine Zeit haben, sich jetzt auch noch um andere zu kümmern, weil Sie nämlich genügend eigene Probleme und Fragezeichen im Kopf haben. Und manchmal werden Sie Spaß an diesen Auseinandersetzungen und Aufregungen haben. Aber das wird wahrscheinlich seltener sein. Sie werden eine Menge Verantwortung tragen, so manche Nacht schlaflos auf dem Flur verbringen, weil Sie Ihre Sorgen nicht mit Ihren Mitarbeitern teilen können. Sie werden oft einen Informationsvorsprung haben, den Sie bei aller Nähe zu Ihrem Team nicht teilen dürfen. Sie werden unter Strom stehen und sich manchmal fragen, ob Ihnen nicht alles entgleitet. Und dann werden Sie sich wieder zufrieden zurücklehnen und am Ende einer Woche auf die Themen schauen, die Sie mitgestalten durften, auf die Erfolge, die man auch Ihnen zu verdanken hat; Sie werden schmunzeln und so manches gute Erlebnis Revue passieren lassen, werden sich über gelungene Mitarbeitergespräche freuen, sich bewusst sein, dass Sie Menschen mitnehmen konnten und dankbar für das Vertrauen sein, das man Ihnen so vorbehaltlos entgegenbrachte, bevor Sie sich dann mit sinnbildlichen Bergen zum Lesen und Durcharbeiten und einem überquellenden Posteingang erschöpft nach Hause ins Wochenende begeben.«

Ein solches Briefing hat wohl niemand vor seiner Entscheidung bekommen, den ersten Führungsjob anzutreten. Es wäre wünschenswert und hilfreich, denn wenn ich an meine erste Führungsaufgabe im Alter von 28 Jahren und die Verantwortung als Personalleiterin für einen Betrieb mit 750 Mitarbeitern zurückdenke: Ich hätte mich weniger oft verzweifelt fragen müssen, wie man das alles hinkriegen soll, und ich hätte gewusst, dass es normal ist, ab und zu fristlos bis zum nächsten Morgen kündigen zu wollen. Mir wäre klar gewesen, dass die Aufgabe einfach nicht in 45 Stunden zu schaffen ist; dass auch andere Berge von Arbeit mit nach Hause schleppen und manchmal mit schlechtem Gewissen ungelesen wieder zurück; dass viele Sorgen auch bei schwerer Gartenarbeit nicht so leicht von einem abfallen. Man hätte mir gesagt, dass es sich mit den Jahren wesentlich leichter anfühlt und man sich merklich entspannt; dass man nicht jeden Fehdehandschuh aufgreift; dass es sinnvoll ist, sich auf diejenigen Mitarbeiter oder Kollegen zu konzentrieren, die richtig Spaß daran haben, mit einem gemeinsam etwas zu bewegen. Ich hätte mir bei vielen anstrengenden oder konfliktreichen Tagen entspannt gedacht: »Das wird besser.«

Natürlich geht es auch anders, man wächst auch ohne Aufklärungsgespräch in seine Führungsrolle hinein, denn die Zeit bringt die Erkenntnisse irgendwann von alleine. Gespräche mit anderen Gleichgesinnten helfen, das Mäntelchen der Perfektion zu lüften und zu erkennen, dass andere auch manchmal fix und fertig sind; und in Seminaren lernt man das eine oder andere hilfreiche Werkzeug kennen.

Allerdings denke ich heute: Junge Nachwuchsführungskräfte darüber aufzuklären, was wir von ihnen im Unternehmen erwarten, wie wir wollen, dass sie führen, und was wir unter Führung verstehen – das ist nicht nur sinnvoll, sondern auch eine Voraussetzung für erfolgreiche Unternehmen beziehungsweise Organisationen, wie wir später im Kontext des Modells der Leadership Pipeline sehen werden. Insofern finden alle Mentoring- oder Patenprogramme meine volle Unterstützung, wenn sie mit Offenheit gelebt werden (dürfen).

Der beliebte Wurf ins kalte Wasser

Die Praxis sieht leider häufig so aus: Die meisten Manager berichten, dass sie kaum gefragt wurden, sondern eines Tages im relativ kurzen Gespräch mit der neuen Aufgabe »beglückt« und dann ins kalte Wasser geworfen wurden. Die erste Orientierung erfolgt dann meist an den eigenen Erfahrungen. So haben die meisten Manager ein gutes Gefühl dafür, wie sie nicht behandelt werden wollen, und leiten daraus ihr eigenes Führungsverhalten ab: Man vermeidet, was einem selbst nicht gefällt. Dazu kommen dann die meist klaren eigenen Erwartungen daran, wie ein Chef sein sollte, und das dient ebenfalls der Orientierung.

Diese Richtschnur trägt eine ganze Weile. Oft bekommt sie jedoch den ersten Riss bei den auftauchenden Konflikten mit Mitarbeitern oder bei Fällen von schwacher Performance im Team. Plötzlich wird man mit der wenig spaßvollen Seite von Führung konfrontiert und ertappt sich das erste Mal bei dem Gedanken: »Das hat mir keiner gesagt, dass es so sein würde.«

Lieber Spezialist statt Führungskraft?

So stellt sich die Frage: Würden Sie heute wieder aus voller Überzeugung Ja sagen zur Verantwortung für Menschen? Und würden Sie in Kenntnis der Ausgestaltung einer klassischen Führungsrolle auch dann Ja sagen, wenn es gleichwertig entlohnte, ausgestattete und anerkannte Positionen in Unternehmen gäbe, die ohne Führung von Menschen auskämen?

Die klassische Spezialistenkarriere ist in vielen Unternehmen eine Herausforderung für die Zukunft, die bisher noch immer nicht zufriedenstellend gelöst ist. Spezialisten, die hoch anerkannt im Unternehmen den gleichen Status und die gleiche Ausstattung ihrer Position genießen wie die »typischen Führungskräfte«, sind sehr selten. Häufiger bringt Karriere die Ausdehnung der Führungsspanne und die Verantwortung für immer mehr Menschen mit sich. So stellt sich für viele die Frage eher mit einem anderen Schwerpunkt: Würden Sie heute wieder die Verantwortung für die Auseinandersetzung mit Menschen auf sich nehmen, um Karriere zu machen? So herum ist die Frage realitätsnah, denn so beinhaltet sie bereits die Einschränkung, dass es ohne Menschen nicht geht.

Zum Trost bleibt festzuhalten: Auch jenseits von Status und Einkommen ist das Expertentum ein fragwürdiger Ausweg aus der »Kommunikationsfalle«: Kaum ein Spezialist kann sich heute tatsächlich noch in seinem Labor, in der Entwicklungsabteilung oder im Büro verkriechen, um es nur zum Kantinengang zu verlassen: Es wird in Teams und projektbezogen gearbeitet. Kommunizieren, im Unternehmen für seine Ideen werben und Projektmitglieder anderer Abteilungen überzeugen, das muss heute jeder. Warum dann nicht gleich den Stier bei den Hörnern packen und die Führungsrolle annehmen – und engagiert angehen?

So füllen Sie die Führungsrolle aus – auf jeder Hierarchieebene anders

Bis hierher dürfte klar geworden sein: Eine Führungsposition erfolgreich auszufüllen – seine Mitarbeiter dazu zu bewegen, »zu wollen, was sie sollen« –, fordert Einsatz. Wer führt, tritt aus der Gruppe heraus und wird sichtbar. Und er (oder sie) agiert viel stärker und in viel größerem Umfang in der direkten Auseinandersetzung mit anderen Menschen. Der Alltag besteht ab jetzt überwiegend aus Kontakten – in Form von Instruktionen, Delegationsgesprächen, Erklärungen, Meetings, Feedback, dem Beantworten von Fragen, Zielvereinbarungen, Mitarbeitergesprächen oder Konfliktschlichtungen.

Interessant ist, dass Führung nicht auf allen Hierarchieebenen das Gleiche bedeutet. Ich erlebe im Coaching häufig das Phänomen, dass Führungskräfte nach einer Beförderung plötzlich anfangen zu schwimmen. Was bisher noch galt, was sie bisher getan und wie sie agiert haben, passt nicht mehr so richtig. Dazu ein Beispiel:

Beispiel

Als Verantwortlicher einer Produktionslinie hat W. bisher einen sehr guten Job gemacht. Er hat seine Mitarbeiter begeistert, kannte sich aus, war der Guru, der alle voranbrachte und auf alles eine Antwort hatte. Er hat für Tempo gesorgt, alle mit seinem Elan angesteckt, sinnbildlich haben alle zusammen die Ärmel hochgekrempelt und entwickelt, gebaut, verkauft. Es gab Nachbarabteilungen, die nicht so erfolgreich waren und neidisch herüberschauten, was wiederum den Ehrgeiz seines Teams steigerte, sich noch mehr reinzuhängen, um wie eine eingeschworene Mannschaft besser als alle anderen zu werden. W. wurde aufgrund seiner erfolgreichen Führungsleistung als nächstes zum Leiter des ganzen Standorts befördert. Nun war er verantwortlich für sieben Produktionslinien, darunter auch seine ehemaligen »Wettbewerber« und einige Stabs- und Planungsabteilungen sowie einen Betriebsrat. Tempo, Begeisterung, Mitwirken und auf alles eine Antwort zu wissen, war plötzlich nicht mehr ausreichend. Es mussten alle mitgenommen werden. Die Herausforderung bestand nun eher darin, Ruhe und Souveränität auszustrahlen, zuzuhören statt vorzumachen, Teamgeist in das ganze Unternehmen auszudehnen und den Blick aufs große Ganze zu werfen, langfristiger zu denken und sich aus dem Tagesgeschäft herauszuhalten.

Die Frage, die ich im Coaching dann stelle, lautet: »Wird Sie das, was Sie bis hierhin gebracht hat, auch weiterbringen?« In fast allen Fällen lautet die Antwort: nein. Wie sich die Anforderungen an Fähigkeiten, Verhaltensweisen, Themen und sogar Werte auf jeder Stufe der Karriereleiter ändern, hat sehr schön ein Modell aus den USA auf den Punkt gebracht, das wir uns jetzt näher anschauen.

Das Modell der »Leadership Pipeline«: Was sich mit der Karriere ändert

Während in Europa häufig noch die Idee von der geborenen Führungspersönlichkeit vorherrscht und viele Unternehmen den Führungsnachwuchs deshalb einfach ins kalte Wasser werfen, sieht man das Thema Führung jenseits des Atlantiks pragmatischer. Besonders hilfreich ist in diesem Zusammenhang das Modell der »Leadership Pipeline«, das drei ehemalige Topmanager amerikanischer Konzerne entwickelt und 2000 in einem Buch gleichen Titels publik gemacht haben.4 Das Modell der Leadership Pipeline geht davon aus, dass Unternehmen dann Erfolg haben, wenn drei Faktoren gegeben sind:

Wenn Führungskräfte wissen, worauf es ankommt und was von ihnen erwartet wird,

wenn Nachfolger gezielt entwickelt und aufgebaut werden und

wenn bei einer Beförderung von einer zur nächsten Karrierestufe jeweils drei Dinge angepasst werden: die eigenen Werte, die eigenen Zeitprioritäten und die eigenen Fähigkeiten.

Hier wird das Thema Leadership eindeutig als etwas angesehen, das man entwickeln und an dem man lebenslang arbeiten muss. Man geht davon aus, dass Führung erlernbar ist und dass jede neue Stufe neue Kompetenzen erfordert. Ich vergleiche das immer mit einem Rucksack, der einem mit der ersten Beförderung feierlich übergeben wird. Zum Start der Führungslaufbahn ist dieser noch leer. Hinein müssen jetzt jede Menge Fähigkeiten, die man für die Erledigung der Führungsaufgabe benötigt. Bei der ersten Beförderung zum Team- oder Gruppenleiter ist der Lernschritt der größte und es kommen die meisten Kompetenzen hinein, die man erst einmal lernen und üben muss, wie Mitarbeitergespräche führen, Urlaubsplanung für alle machen, Prioritätenmanagement mit Mitarbeitern betreiben und viele andere mehr, die Sie in Ihrer bisherigen Aufgabe als Mitarbeiter und Experte noch nicht besaßen (siehe dazu weiter unten)

Eine weitere Kernbotschaft des Modells lautet: Für Führungsaufgaben muss Zeit eingeräumt werden, und mit jeder Ebene verändert sich die jeweilige Verteilung der Zeit. Schließlich lenkt der Ansatz die Aufmerksamkeit darauf, dass beim erfolgreichen Weg nach oben eine Veränderung der eigenen Werte stattfindet, zum Beispiel der Wertetransfer von »etwas wegschaffen« zu »andere arbeiten lassen«.

Das Modell unterscheidet insgesamt sieben Hierarchiestufen und geht dabei von einem typischen internationalen Konzern als Musterbetrieb aus. In eher mittelständischen Betrieben endet die Leadership Pipeline nach unseren Definitionen mit dem Business Manager. Die Erklärung der Hierarchiestufen erfolgt auf einer gedachten Karriereleiter von unten her mit folgenden Stationen:

Managing Self (Mitarbeiter oder Experte) Man hat keine Führungsverantwortung, sondern ist für einen Arbeitsbereich zuständig. Hier geht es darum, seine Arbeit von hoher Qualität und zeitnah abzuliefern, sich selbst zu managen, mit seiner Zeit auszukommen und die Dinge zu wissen, die für diesen Job nötig sind. Der Expertenstatus kann in vielen Fällen trotz erfolgreicher Karriere beibehalten werden und wäre dann die klassische Spezialistenkarriere ohne Führungsverantwortung.

Managing Others (Gruppen- oder Teamleiter) Die Aufgabe besteht zum Teil aus Führung, zum Teil aber noch aus der bisherigen Fach- oder Sacharbeit. Das heißt, neben den zahlreichen Fähigkeiten, die hier erstmals für eine Führungsrolle erworben und trainiert werden müssen (siehe unten), geht es hier darum, die Balance zu finden zwischen Tagesgeschäft und neuer Führungsrolle. Der wichtigste Schritt hier ist unter anderem die Erkenntnis, jetzt zu »denen da oben« zu gehören und sich nicht als bester Sachbearbeiter/Verkäufer/Ingenieur zu beweisen, sondern als guter Chef.

Managing Managers (Abteilungsleiter) Ein Abteilungsleiter führt ein Team von Gruppenleitern oder Meistern, die wiederum selbst Führungsverantwortung haben; die Arbeit besteht fast ausschließlich aus Führung. Hier liegt die Kunst darin, die Fähigkeit zu erwerben, andere nicht mehr daran zu messen, wie sie arbeiten und wie viel sie »wegschaffen«, sondern genau hinzuschauen, wie sie führen. Sie müssen sicherstellen, dass in Ihrem und im Unternehmenssinne geführt wird, ohne dass Sie direkten Einfluss haben. Führungskräfte zu führen bringt daher einen anderen Führungsstil mit sich, der trainiert werden muss: mehr Delegation, also auf der Werteebene auch wesentlich mehr Vertrauen, dass die Dinge in Ihrem Sinne, wenn auch nicht auf Ihre Art gelöst werden. Gleichzeitig müssen Sie Ihre Führungskräfte entwickeln und die Kontrolle dabei nicht ganz abgeben – das gilt es hier auszubalancieren.

Functional Manager (Bereichsleiter) Er verantwortet einen Funktionsbereich, hat in der Regel zwei Führungsebenen unter sich, darunter auch »fachfremde Bereiche«, bei denen er nicht im Thema steckt. Die Aufgabe umfasst jetzt neben Führung auch Strategie: Es werden die strategische Kompetenz und der breite Horizont gefordert, das Unternehmen als Ganzes zu sehen, die Grenzen der Fürstentümer einzureißen und den Gesamtkontext nach vorn zu stellen. Daneben wird die Fähigkeit verlangt, einen thematisch fremden Bereich verantwortlich zu führen. Auch hier ist also eine besondere Art von Vertrauen gefordert sowie eine spezielle Fragetechnik und analytischer Verstand, die Sie logische Widersprüche und Argumentationsschwächen aufdecken lassen, ohne das Thema inhaltlich ausfüllen zu können. Denken Sie an den kaufmännischen Leiter, der vielleicht Jurist ist und nun neben Finanzen und Controlling auch noch für IT zuständig ist: Er muss die Entscheidung seines IT-Leiters über die millionenschwere Ablösung der Systemlandschaft mittragen und im Vorstand argumentieren, obwohl er nicht wirklich versteht, worum es genau geht. Genau das ist bei zunehmender Karriere die Herausforderung.

Business Manager (Geschäftsführer/Vorstandsmitglied) Er leitet Geschäftsbereiche oder ganze Unternehmenseinheiten, im Mittelstand wäre dies bereits die Spitze der Hierarchie; diese Position hat einen starken strategischen Fokus und keine funktionale Verantwortung mehr. Hier hat man sich vollkommen von den Fachbereichen und ihren inhaltlichen Themen gelöst und beschäftigt sich mit dem Großen und Ganzen, also mit der Zukunft, mittel- und langfristigen Fragen der Geschäftsausrichtung, mit der Repräsentation des Unternehmens an wichtigen Stellen, mit der Marktabsicherung oder -erweiterung und so weiter. Bezogen auf die Führungsaufgabe geht es hier vor allem darum, dafür zu sorgen, dass die Funktionsmanager miteinander arbeiten statt gegeneinander, darauf zu achten, dass alle zusammen die Unternehmensleitlinien leben, dass Sie das Unternehmen voranbringen, weniger sich als das Unternehmen in den Vordergrund stellen und möglichst ein Team aus Ihrer Führungsmannschaft formen.

Group Manager (Konzerngruppenchef) Er leitet eine Unternehmensgruppe im Konzern; die Position beinhaltet fast ausschließlich Strategie und ganzheitliche Aufgaben, adressiert die gesamte Belegschaft. Hier besteht die Kunst darin, beispielsweise die Europagruppe eines weltweiten Konzerns zu leiten, strategisch an deren Erfolg zu arbeiten, die Standortfrage immer wieder zu stellen und Standorte gegeneinander zu rechnen, zu schauen, wo neue Märkte oder Fusionspartner sein könnten, wie der interne Wettbewerb aussieht und wie Sie Ihre Gruppe in den Konzern hinein und gegenüber dem Enterprise Manager repräsentieren. Darüber hinaus werden Sie sehr politische Fragen mit hochrangigen politischen Gesprächspartnern diskutieren, von Stakeholdern bis hin zur jeweiligen Landes- und Arbeitsmarktpolitik; Sie werden den größten Teil Ihrer Zeit eher außerhalb als innerhalb des Unternehmens verbringen. Ihre Fragen werden so analytisch-abgehoben (im positiven Sinne) sein, dass auf diesem Level auch deutlich wird, warum man Topmanager (ab Business Manager aufwärts) austauschen kann, ohne dass das Unternehmen leidet oder die Veränderung überhaupt bemerkt. Oder warum es hier gar nicht mehr um Fachkompetenz geht und warum Branchenwechsel an der Spitze nicht mehr so schwer wiegen wie weiter unten.

Enterprise Manager (Vorstandsvorsitzender eines weltweiten Konzerns) Visionen und Langfriststrategie sind gefragt, und die Aufgabe ist mehr nach außen als nach innen gerichtet. Dies ist die einsame Spitzenposition im weltweit agierenden Konzern. Hier geht es um Allianzen, um Langfriststrategien, um die Absicherung aller Unternehmensinteressen nach außen, um die Stakeholder und Shareholder, um das Image des Unternehmens, die Markensicherung, die Repräsentation auf höchstem Level. Dass man für diese Aufgabe ganz andere Fähigkeiten als weiter unten in der Hierarchie benötigt, erschließt sich von selbst.

Spätestens im Angesicht dieser Topmanagementaufgaben sollte sich jeder Manager auf seinem Karriereweg fragen: Hätte ich dazu eigentlich Lust, wäre die Aufgabe, ein Unternehmen auf höchstem Level zu repräsentieren, mir nicht viel zu weit von meinem »geliebten« Produkt, von den praktischen Dingen des Lebens, von der echten Führung und Zusammenarbeit mit Menschen entfernt? Das ist eine Frage, die man sich sicherlich stellen sollte, bevor man die große Karriere startet. In Kapitel 10 werden Sie noch vertieft über sich nachdenken.

Eine andere Erkenntnis steckt in der Logik dieses Modells: Konflikte zwischen Führungskräften verschiedener Ebenen entstehen auch dadurch, dass nicht jeder das tut, was er auf seiner Stufe tun sollte. Topmanager nerven durch Mikromanagement, denn dafür werden sie nicht bezahlt und das können andere besser. Teamleiter wirken anmaßend, wenn sie die Gesamtstrategie des Unternehmens mitgestalten und entscheiden wollen, um mal zwei Pole aufzuzeigen. Wenn sich jede Führungskraft auf ihrer Stufe um ihre eigentlichen Aufgaben kümmerte, ginge es den Unternehmen und damit der Belegschaft besser.

Wenn wir dem Modell der »Leadership Pipeline« und damit der Annahme folgen, dass man für jede Managementstufe auch seine eigenen Fähigkeiten erweitern muss, dann wird etwas Weiteres sehr deutlich: Die meisten zunächst neuen Fähigkeiten müssen bei der ersten Beförderung vermittelt beziehungsweise trainiert werden. Zeiten nicht nur für sich zu planen, sondern auch für andere, Menschen zur Arbeit zu motivieren, mit Mitarbeitern Führungsgespräche zu führen, Mitarbeiter einzustellen oder zu entlassen, Potenziale einzuschätzen, Arbeitsergebnisse zu kontrollieren, Konflikte fair zu schlichten, zuhören und anleiten zu können, geduldig zu sein und so weiter. Für die nächste Stufe, die Beförderung zum Abteilungsleiter, müssten dann weitere Kompetenzen in den imaginären Rucksack hinein (siehe oben), und so ginge es bis zum Vorstandsvorsitzenden weiter. Das heißt zusammengefasst: Man ist als Führungskraft nie »fertiggebacken«, sondern muss für jede Stufe dazulernen.

Vielleicht erinnern Sie sich noch daran, was Sie alles gelernt haben – und vor allem: wie eigentlich? Ich unterstelle einmal, dass es so ähnlich war wie bei mir: mit gesundem Menschenverstand Schritt für Schritt, durch Trial und Error, viele Bücher, Abgucken, Gespräche mit erfahrenen Kollegen, Feedback in unterschiedlichster Form von Ihren Mitarbeitern und das eine oder andere Seminar. Und am Anfang war es für fast jede Führungssituation »das erste Mal«, und dann kam nach und nach die Routine.

Mit jedem weiteren Karriereschritt werden auch Sie erlebt haben, dass es tatsächlich immer noch neue Dinge zu lernen gibt, auch wenn der Rucksack doch schon mit so vielen Dingen gefüllt ist, wie das Beispiel oben zeigt. Aber es müssen immer neue Fähigkeiten hinein: eine Business-Strategie zu erstellen, eine Vision zu entwickeln, einen Blick für »schlechte Risiken« und Marktgefahren zu entwickeln, die Shareholder zu beglücken oder die Analysten zu überzeugen, auf Hauptversammlungen zu sprechen, in Talkshows Rede und Antwort zu stehen, vielleicht mit Vertretern der Bundesregierung auf Reisen zu gehen.

Dass sich die Führungsaufgabe auf dem Weg nach oben also weiterhin verändert und an Komplexität gewinnt, ist somit einleuchtend. Dass man demzufolge aber weiter an sich und seinen Kenntnissen und Fähigkeiten arbeiten muss, ist in den meisten Unternehmen leider keine Selbstverständlichkeit. Sonst würden auch die klassischen Führungstrainings nicht im mittleren Management enden – und damit auch häufig die Lernbereitschaft des Topmanagements. Sich also über die neuen Prioritäten im Klaren zu sein, ist eine gute Voraussetzung für den Erfolg. Und dazu passt es auch, hin und wieder seinen Werkzeugkasten mit Führungsinstrumenten zu überprüfen, ob noch alles vorhanden ist, was man in seiner jetzigen Rolle brauchen könnte, und ob alles noch gut in Schuss ist. Insofern ist ein Blick auf die Instrumente der aktiven Führung unser nächster Schritt.

Instrumente der aktiven Führung

Widerstehen Sie der Versuchung, sich in Ihrem Büro zu verkriechen und »Sachaufgaben« zu lösen, damit Sie abends das Gefühl haben, »etwas geschafft« zu haben. Sie sollten stattdessen für Ihre Mitarbeiter präsent und ansprechbar sein. Dazu im Folgenden einige praktische Instrumente, die vor allem einem Aspekt dienen: sich um die anvertrauten Menschen zu kümmern.

Interesse für Menschen entwickeln

Auch wenn es nicht Ihrem eigentlichen Talent oder Ihrer Neigung entspricht: Man kann lernen hinzuschauen, zuzuhören oder mehr Geduld zu haben. Ein Interesse für Menschen zu entwickeln, bekommt aus zweierlei Gründen immer mehr Bedeutung für die Führungsrolle. Zum einen wächst mit der Generation Y und Z eine Belegschaft heran, die anspruchsvoller ist, was die Anteilnahme ihrer Mitmenschen anbelangt, dazu auch mehr im Kapitel 4 zu Wertschätzung und Feedback. Menschen möchten zunehmend in ihrer Einzigartigkeit wahrgenommen werden und dieses auch gespiegelt bekommen.

Zum anderen ist in der Führungsrolle heute auch das »Corporate Health Management« verankert, das heißt, der Vorgesetzte übernimmt eine Verantwortung für die – insbesondere psychische – Gesundheit seiner Mitarbeiter. Das umfasst zum einen, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das Mitarbeiter nicht krank macht, und zum anderen genau hinzuschauen, um zu erkennen, wenn jemand überlastet ist. Darüber habe ich ein eigenes Kapitel in meinem Buch »Leadership 2.0«5 geschrieben, in dem Sie Infos finden, wie man Burnout erkennt, es von Stress unterscheidet und wie man mit diesen Mitarbeitern umgeht. Hier an dieser Stelle geht es lediglich darum, zu realisieren, dass wir nicht umhin kommen, genau hinzuschauen und uns mit Menschen und ihren Zwischentönen zu beschäftigen, wenn wir erkennen wollen oder müssen, wenn jemand überlastet ist, droht, abzurutschen, am Limit ist. Denn wenn eine Führungskraft mit der eindeutigen Diagnose konfrontiert wird, ist es in der Regel schon zu spät und längere Ausfallzeiten drohen. Es geht daher darum, genau hinzusehen, um Zwischentöne und veränderte Verhaltensweisen rechtzeitig feststellen zu können, wie verschwindender Elan, ein stärker Rückzug, weniger Lachen am Arbeitsplatz, eine höhere Fehlerquote oder ein geringeres Arbeitstempo.

Folgende Dinge sollten Sie also beachten, denn sie zahlen sich langfristig aus:

Halten Sie Blickkontakt, wenn jemand mit Ihnen redet.

Hören Sie erst einmal zu, wenn jemand Ihnen etwas erzählen will, statt gleich zu unterbrechen und nachzuhaken.

Geben Sie jemandem Gelegenheit, seine Sorgen einfach mal loszuwerden, ohne gleich eine konkrete Lösung anzubieten, wenn sie Ihr Gegenüber noch gar nicht hören will.

Schauen Sie hin, wie es um Ihre Mitarbeiter bestellt ist. Hat sich plötzlich etwas geändert? Ist jemand oft krank oder neuerdings sehr unkonzentriert? Fragen Sie ihn, wie es ihm geht.