17,99 €
Böse Hexen, Unholde, machtgierige Zauberer, gefräßige Dinosaurier, gefährliche Riesen und feuerspeiende Drachen treiben im und um den Hexenwald ihr Unwesen. Sie versetzen Menschen und Tiere in Angst und Schrecken und haben kleine Kinder zum Fressen gern. Ein schrecklicher Ort – wäre da nicht die kleine Hexe Murmele. Mit ihrem Mut, ihrem Einfallsreichtum und ihren magischen Kräften tritt sie den Bedrohungen entgegen und kämpft immer wieder für das Gute und den Frieden im Hexenwald. Um gegen das Böse zu bestehen, muss sie in der Hexenschule noch viel lernen und sogar eine Reise weit in die Vergangenheit wagen. Zum Glück ist sie dabei nie allein. Treue und mächtige Freunde begleiten sie auf ihren Abenteuern, stehen ihr mit Rat und Tat zur Seite und retten ihr mehr als einmal das Leben.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 233
Veröffentlichungsjahr: 2025
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.
© 2025 novum publishing gmbh
Rathausgasse 73, A-7311 Neckenmarkt
ISBN Printausgabe: 978-3-7116-0711-9
ISBN e-book: 978-3-7116-0712-6
Lektorat: Katharina Kirchner
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
www.novumverlag.com
Widmung
Für meine lieben Enkelkinder Lina und Lukas, die mich zu den Geschichten inspiriert haben.
1
Die kleine Hexe Murmele
Tautropfen hingen in den Spinnennetzen. Die Sonnenstrahlen erreichten kaum den Boden zwischen den hochaufragenden Bäumen. Hier, tief im Wald, lebte die kleine Hexe Murmele. Sie wohnte in einem kleinen Häuschen, umgeben von einem wunderschönen Garten. Ihre großen, bösen Hexenverwandten hausten dagegen in den dunklen Höhlen des Waldes.
Murmele war so gar keine typische Hexe. Sie sah überhaupt nicht hexenmäßig aus, eher nett, niedlich und jung.
Als kleine, junge Hexe musste sie noch viel lernen. Aber auf ihrem Hexenbesen war sie bereits eine Meisterin. Hui, flog sie damit durch die Luft, schlug Saltos und landete in den höchsten Baumwipfeln. Wenn ein Mensch das hörte, dachte er: „Heute geht aber wieder ein kräftiger Wind.“
Und die kleine Hexe mochte Kinder – ganz im Gegensatz zu ihren großen, bösen Verwandten. Die hatten Kinder höchstens zum Fressen gerne.
Eines Abends verirrten sich ein Mädchen und ein Junge im Hexenwald. Beide waren erst fünf Jahre alt. Sie hatten große Angst. In der Dämmerung sahen die Bäume wie unheimliche schwarze Wesen aus. Sie knarrten und ächzten im eisigen Wind. Das dornige Dickicht wurde immer dichter und zerfetzte ihre Mäntel und Strümpfe.
Zu allem Überfluss hatten die großen, bösen Hexen die beiden schon entdeckt. Mit funkelnden, gelben Augen spähten sie zwischen den Zweigen nach ihnen. „Wir müssen sie fangen und braten, dann gibt es ein Festmahl, hihihi“, sagten sie und fuhren sich mit ihren langen Zungen über die schrecklichen Lippen und Zähne. Mit ihren krummen Beinen konnten die großen Hexen aber nicht schnell genug laufen, um die Kinder zu fangen.
„Wir dürfen sie nicht entwischen lassen.“ So berieten die Hexen, wie sie die Kinder am besten in eine Falle locken konnten. „Wir wollen eine Grube bauen und mit Zweigen bedecken. Wenn die Kinder auf die dünnen Zweige treten, fallen sie in die Grube und sind gefangen, hihihi.“
Der Plan schien ihnen gut und mit ihren Hexenkräften gruben sie eilig ein großes Erdloch auf dem Weg, den die Kinder entlang gingen. Sorgfältig schichteten sie die Zweige darüber, sodass die Grube nicht zu erkennen war. Zufrieden versteckten sie sich in ihren Höhlen.
Die kleine Hexe Murmele hatte alles mit verfolgt. Oje! Was sollte sie nur tun, um die Kinder zu retten. Diese waren schon so nahe bei der Falle. Nur noch ein paar Schritte und sie würden hineinstürzen. Selber konnte sie die beiden nicht warnen, schließlich gehörte auch sie zur Hexenfamilie und die großen Hexen wären sicher sehr böse auf sie.
„Vielleicht kann mir ja mein bester Freund helfen“, dachte Murmele und lief, so schnell sie konnte, zum Bau des schlauen Füchsleins.
Das kluge Tier wusste auch gleich, was zu tun war. Es lief zu der Grube und sprang hinein. Die Zweiglein zerbrachen und das Erdloch war nun gut zu sehen.
Gerade noch rechtzeitig! Hand in Hand kamen die Kinder des Weges. Erschrocken blieben sie am Rand der Falle stehen. Das Füchslein begann zu jaulen und lief in der Grube hin und her. „Der arme Fuchs“, sagte der Junge, „wir wollen ihn retten.“ Rasch holte er eine Liane vom Baum und warf das eine Ende in das Erdloch. Der Fuchs biss fest hinein und mit vereinten Kräften zogen die Kinder ihn aus der Falle.
Als die großen, bösen Hexen zur Grube kamen, fanden sie darin nur ein paar rötliche Haare. Da tobten sie und ersannen einen neuen Plan. „Wir locken sie auf den höchsten Felsen im Wald, sodass sie weder vor- noch zurückgehen können. Dann haben wir sie gefangen, hihihi!“ Eilig bereiteten sie den Weg zum Felsen. Jetzt war es der einzige Pfad, dem die Kinder durch das Dornengestrüpp noch folgen konnten.
Die kleine Hexe hatte, versteckt hinter Büschen, alles mit angesehen. Auch den Tieren des Waldes war das schreckliche Treiben der großen Hexen nicht verborgen geblieben. Aufgeregt kam eine Tannenmeise geflogen und setzte sich neben Murmele auf einen Ast: „Die Eltern suchen schon verzweifelt nach ihren Kindern“, zwitscherte sie. „Aber sie suchen im schattigen Tal weit weg von hier.“ „Dann müssen wir ihnen den richtigen Weg zeigen“, sagte Murmele. „Mein lieber Freund“, bat sie den Fuchs, „du kennst alle geheimen Pfade im Wald. Bitte hole die Eltern.“
Im schattigen Tal irrten Vater und Mutter verzweifelt umher. „Maxi! Mimi!“, riefen sie immer wieder, aber ihre Stimmen verhallten ungehört.
„Ach“, sprach der Vater, „wie sollen wir sie nur finden in diesem Dickicht. Der Wald ist so groß und dunkel und es ist so kalt! Hoffentlich kommen wir noch rechtzeitig, bevor ihnen ein Unglück geschieht.“
„Schau“, rief die Frau „ein Fuchs! Er ist gar nicht scheu!“ Sie deutete aufgeregt auf das Füchslein. „Er schaut sich immer wieder nach uns um, als ob er uns etwas zeigen will. Folgen wir ihm. Wir wissen ja ohnehin nicht mehr, wohin wir gehen sollen!“
Die beiden folgten dem Fuchs. Er führte sie über verschlungene Wege, die nur die Tiere des Waldes kannten, vorbei an rauschenden Bächen, riesigen alten Eichen und dichtem, dornigen Himbeergestrüpp, immer tiefer in den Wald hinein.
Da – plötzlich auf einer kleinen Lichtung – ihre Kinder! Überglücklich schlossen die Eltern sie in die Arme. Maxi und Mimi weinten vor Freude, Mutter und Vater wiederzusehen.
Die großen, bösen Hexen erkannten, dass ihr Plan gescheitert war. Sie konnten den Kindern nichts mehr anhaben. Wütend fuhren sie mit ihren Besen durch die Baumwipfel, dass diese sich fast bis zum Boden bogen. Drohende dunkle Wolken zogen auf.
Schnell nahmen die Eltern die Kinder an den Händen und liefen mit ihnen durch den Wald nach Hause. Gerade als sie die Türe hinter sich schlossen, begann ein heftiges Unwetter mit Blitz, Donner und peitschendem Regen.
Die Familie aber saß wohlbehalten in ihrem Häuschen um ein kleines Feuer. Die Kinder tranken heiße Schokolade und erzählten von ihren Abenteuern. Davon, wie sie den Fuchs gerettet hatten und von den vielen gelben Lichtern zwischen den Zweigen.
2
Wie die kleine Hexe Murmele zu ihrem Namen kam
Die kleine Hexe kannte viele Tiere im Wald: Hasen, Igel, Rehe, Wildschweine und die kleinen flinken Mäuse, die immer sehr vorsichtig waren, damit sie kein Uhu erwischte. Auch die Kühe auf der Weide vom Bauernhof am Waldrand kannte sie – sogar mit Namen. Und natürlich ihren besten Freund, den Fuchs. Dieser wohnte in einem gemütlichen Bau nahe ihrem Häuschen. Wann immer sie Zeit hatte, besuchte sie ihn. Dann spielten sie die lustigsten Spiele und jagten sich ausgelassen um die Baumstämme herum.
Eines Tages belauschte die kleine Hexe zwei Wanderer, die es sich auf einer Bank auf der Waldlichtung gemütlich gemacht hatten. Einer erzählte begeistert von seiner letzten Bergtour. „Stell dir vor, die Murmeltiere waren so zahm, dass sie mir Kekse aus der Hand gefressen haben.“ „Das ist ja putzig“, sagte sein Freund und sie unterhielten sich noch ein Weilchen über diese niedlichen Tiere.
„Murmeltiere, was ist denn das?“, dachte die kleine Hexe. „Wie sehen die aus? Etwa wie ein Dachs, ein Hirsch oder ein Vogel?“ Die kleine Hexe beschloss, sich die Murmeltiere einmal selber anzusehen.
Im Dämmerlicht des Abends bestieg sie ihren Hexenbesen und flog in Richtung der hoch aufragenden Berge am Horizont. Es war ein langer Ritt. Ab und zu umschwirrten sie große Nachtfalter, bevor diese lautlos wieder in der Dunkelheit verschwanden.
Endlich war sie am Fuße der Berge angelangt. Hoch und steil ragten sie in den Himmel empor. Die kleine Hexe sah beeindruckt nach oben.
Der Morgen graute bereits und die ersten Sonnenstrahlen erleuchteten die Gipfel. Die kleine Hexe bestieg wieder ihren Hexenbesen und begann, den steilen Hang emporzufliegen. Unten am Hang wuchsen noch Bäume, dann Sträucher und dann nur noch Gras zwischen den nackten Felsen. Dort, so hatten die Wanderer erzählt, lebten die Murmeltiere.
Auf einmal streikte ihr Hexenbesen. Um nichts in der Welt wollte er höher fliegen. Die Luft war einfach zu dünn. Wohl oder übel musste die kleine Hexe zu Fuß weiter gehen. Es wurde immer steiler und steiniger. Ein paar Blumen, die sie noch nie gesehen hatte, duckten sich zwischen den Steinen. Sie dufteten so süß.
Ganz außer Atem setzte sich die kleine Hexe auf ein Moospolster. Sie war schon so lang unterwegs. Plötzlich verdunkelte sich der Himmel über ihr und ein schwarzer Schatten fiel auf sie. „Sind mir am Ende die großen, bösen Hexen gefolgt und kreisen nun über mir?“, dachte sie erschrocken.
Vorsichtig spähte sie nach oben. Ein riesiger Vogel mit weit ausgebreiteten Schwingen flog direkt über ihr. Plötzlich legte er die Flügel an und kam im Sturzflug zur Erde geschossen. Unmittelbar neben der kleinen Hexe landete er. Scharfe Augen über einem krummen Schnabel schienen sie zu durchbohren, spitze Krallen umklammerten den Felsen. Der Vogel sah etwa aus wie ein Falke – den kannte Murmele aus dem Wald. Aber er war viel größer, majestätischer.
Nachdem sich die kleine Hexe von ihrem Schrecken erholt hatte, fragte sie: „Guten Tag, lieber Vogel, bist du vielleicht ein Murmeltier?“ Wie alle Hexen konnte sie die Sprache der Tiere. „Pah, Murmeltier“, sagte der Vogel. „Ich bin ein Adler und der König der Lüfte!“ „Entschuldigung, Eure Majestät“, stammelte Murmele und machte einen artigen Knicks. Da war sie ja gehörig ins Fettnäpfchen getreten! „Ausnahmsweise“, sagte der Adler, „du bist ja nicht von hier.“ Dann breitete er seine Schwingen aus und flog pfeilschnell in den Himmel. Die kleine Hexe sah ihm bewundernd nach.
Als sie wieder ein Weilchen gesessen war, hörte sie leise Tritte hinter sich. Schlich sich eine große, böse Hexe an? Vorsichtig drehte sie sich um. Da schritt ein mächtiges Tier mit braunem Fell und langen, gebogenen Hörnern an ihr vorbei. Das Tier sah etwa aus wie ein großer Hirsch – den kannte die kleine Hexe aus dem Wald. Aber es war noch stolzer, majestätischer.
„Guten Tag, liebes Tier“, sagte die kleine Hexe, „bist du vielleicht ein Murmeltier?“ Das Tier warf ihr einen hochmütigen Blick zu. „Pah, Murmeltier“, sagte es. „Ich bin ein Steinbock und der König der Berge!“ „Entschuldigung, Eure Majestät“, stammelte Murmele und machte einen artigen Knicks. Wieder ein Fettnäpfchen!
„Ausnahmsweise“, sagte der Steinbock „du bist ja nicht von hier.“ Dann drehte er sich um und sprang mit großen Sprüngen die steile Felswand empor. Die kleine Hexe sah ihm bewundernd nach.
Erst jetzt bemerkte sie, dass die Sonne verschwunden war. Von einem Moment auf den anderen zog dichter Nebel auf und es wurde stockdunkel. Schwere Regentropfen fielen zur Erde. Erst wenige, dann schüttete es wie aus Kannen. Die kleine Hexe war zwar nicht wasserscheu, aber das war doch sehr ungemütlich. Sie sah sich nach einem trockenen Platz um. In der Nähe entdeckte sie ein Loch, das in die Erde führte. „Dort ist es sicher trocken“, dachte sie und kroch in das Erdloch.
Ein schriller Pfiff fuhr ihr durch Mark und Bein. Ehe sie sich versah, war sie von einer ganzen Schar pelziger Gesellen umgeben. Diese schienen ganz zutraulich zu sein. Sie betrachteten die kleine Hexe aus freundlichen Knopfaugen und beschnüffelten sie neugierig.
„Guten Tag“, sagte diese, „entschuldigt bitte, aber ich bin vor dem Regen geflohen.“ „Ist schon gut. Wir haben auch noch Platz für dich“, sagte das größte und dickste Pelztier und ließ seine Vorderzähne aufblitzen. „Wer seid ihr denn?“, erkundigte sich Murmele nun vorsichtig, um nicht wieder in ein Fettnäpfchen zu treten. „Wir sind Mimmo, Mimmi und das sind die kleinen Minnis“, sagte das größte Pelztier und deutete auf die Kinderschar. „Aber die Menschen sagen einfach Murmeltiere zu uns.“ „Dann habe ich euch ja gefunden!“ Die kleine Hexe freute sich sehr und umarmte die Wuscheltiere. Ein Minni nach dem anderen kam heran und stupste die kleine Hexe. „Spiel mit uns“, riefen sie. Bald war eine ausgelassene Balgerei durch die Höhle im Gange, Murmele mittendrin.
Vom vielen Spielen müde geworden, rollte sich die kleine Hexe, umgeben von den Minnis, wohlig warm auf dem weichen Gras in der Höhle zusammen und schlief augenblicklich tief und fest ein.
„Wie ein Murmele“, sagte Vater Murmeltier gerührt und dieser Name ist ihr geblieben. Die Minnis erzählten es den Bergraben. Diese flogen zum Hexenwald und sagten es den Rehen. Diese flüsterten es den Igeln und den Hasen zu, die es wiederum ganz aufgeregt dem Fuchs mitteilten. Und bald wusste der ganze Wald, dass die kleine Hexe „Murmele“ hieß.
3
Der Teich im Hexenwald
Mitten im Hexenwald lag ein kleiner, wunderschöner Teich. Sein Wasser war glasklar und Vögel, Schlangen und Rehe nahmen gerne ein Bad in ihm. In den seichten Buchten zogen die Frösche ihre Jungen auf. Manche der kleinen Kaulquappen sahen schon wie richtige Minifrösche aus und würden den Teich wohl bald verlassen.
Auch die kleine Hexe Murmele ging gerne zum Teich. Sie schwamm mit der Ringelnatter, tauchte mit den Fischen und wettete mit dem Frosch, wer lauter quaken konnte.
Es war absolut untypisch für Hexen, baden zu gehen. Die großen, bösen Hexen hassten den Teich. Es war nicht nur, dass sie nicht nass werden wollten. Sie verabscheuten auch das klare Wasser des Teiches. Denn wann immer sie sich über das Wasser beugten, sahen sie ihr eigenes Spiegelbild. Das war so schrecklich, dass sie sich selber davor fürchteten.
Also beschlossen die großen, bösen Hexen: „Der Teich muss weg!“
In einer dunklen Sturmnacht, in der kein Mond am Himmel zu sehen war, kein Stern blinkte, versammelten sie sich am Teich. Sie bildeten einen großen Kreis um das Wasser. Gemeinsam pusteten sie ihren schrecklichen, heißen Atem auf den Teich. Nach kurzer Zeit blubberte das Wasser. Dann kochte es und schließlich stieg es als riesige Dampfwolke in den Himmel. Der Teich blieb ausgetrocknet zurück. In winzigen Pfützen drängten sich Kaulquappen und Fische verzweifelt zusammen. Die großen Hexen lachten schaurig, schwangen sich auf ihre Besen und flogen davon.
Vater Frosch hatte aus dem Dickicht heraus alles beobachtet. Er wusste, dass seine Kinder in den kleinen Lacken nicht mehr lange überleben konnten. Eilig hüpfte er davon und machte sich auf den Weg zur kleinen Hexe Murmele. Vielleicht konnte sie seinen Kindern helfen.
Die kleine Hexe Murmele schlief gerade tief und fest wie ein Murmeltier in ihrem Bettchen und träumte vom lustigen Fangenspielen mit ihrem Freund, dem Fuchs. Nur im Traum gewann sie immer. In Wirklichkeit trickste der schlaue Fuchs die kleine Hexe jedes Mal wieder aus. Er verbarg sich, sodass sie ihn nicht finden konnte. Dann jagte sie zwischen den Bäumen umher und suchte ihn. Dabei merkte sie gar nicht, dass er die meiste Zeit hinter ihr herlief. Drehte sie sich einmal um, grinste er sie fröhlich an und war flugs wieder verschwunden. Dann begann das Spiel von vorne.
„Quak, quak, quak“, tönte es laut neben dem Bett. „Ist schon Morgen?“, dachte die kleine Hexe verschlafen und rieb sich die Augen. Aber es war noch stockdunkel. „Quak, quak, quak.“ Vor ihrem Bett saß Vater Frosch und erzählte ihr aufgeregt, was die großen, bösen Hexen getan hatten.
Die kleine Hexe war sofort hellwach. Sie musste ihren Freunden helfen! Sie schnappte sich ihren Besen und folgte dem springenden Frosch zum Teich. Oje! Sofort erkannte sie, wie gefährlich die Lage für die Teichbewohner war. Schnell zauberte sie sich einen Eimer heran, flog zum nahen Bächlein und füllte ihn mit Wasser. Dieses schüttete sie in den ausgetrockneten Tümpel. Sie musste viele, viele Male hin und herfliegen, bevor wieder genügend Wasser im Teich war. Müde, aber zufrieden, flog sie nach Hause.
Als die großen, bösen Hexen am nächsten Morgen ihr Spiegelbild im Wasser sahen, erschreckten sie sich und wurden fürchterlich wütend. In der nächsten Nacht kamen sie erneut zusammen und wiederholten ihre dunkle Zeremonie. Das Wasser brodelte, kochte und stieg als Dampfwolke in den Himmel. Nur winzige Wasserpfützen blieben übrig und die Wassertiere drohten, elendig zu sterben.
Als eine Schar Enten zum Teich kam, um zu baden, sahen sie das Unheil. „Quak, quak, quak.“ Aufgeregt schnatternd machten sie sich auf, um die kleine Hexe zu wecken. Erneut füllte Murmele den ausgetrockneten Weiher. Doch diesmal musste sie noch viel öfter hin und herfliegen. Ganz erschöpft fiel sie in ihr Bett.
Als die großen Hexen sahen, dass wieder Wasser im Teich war, tobten sie und wurden misstrauisch. „Das kann nur die kleine Hexe gewesen sein“, krächzten sie wütend. „Wer sonst mag den Teich wieder befüllen.“
Sie schlichen zum Haus der kleinen Hexe und spähten mit gelben Augen durch die Fenster. „Sie soll das Haus nicht mehr ungesehen verlassen können“, sagten sie und bewachten die Tür.
Die kleine Hexe lag in ihrem Bett und stellte sich schlafend. „Was sollte sie nur tun? Die großen Hexen ließen sie nicht mehr aus den Augen!“ Murmele wusste genau, dass diese in der nächsten dunklen Nacht das Wasser wieder aus dem Weiher wegzaubern würden.
Wie zufällig kam das Füchslein auf Besuch. Natürlich hatte das kluge Tier schon bemerkt, dass die kleine Hexe ihr Haus nicht mehr verlassen konnte.
Als es die großen Hexen um das Haus schleichen sah, sagte es, wie zu sich selber: „Die armen, verirrten Kinder im Wald, wie sollen sie je wieder nach Hause finden.“ Als die bösen, großen Hexen das hörten, schnappten sie ihre Besen und stoben in alle Richtungen davon. „Kinder, was für ein köstliches Festmahl.“ Das konnten sie sich nicht entgehen lassen.
Der Trick des Füchsleins hatte gewirkt. Kaum waren die großen Hexen weg, umarmte die kleine Hexe den Fuchs und verließ das Haus.
Zuvor aber hatte sie das Polster so unter die Decke gesteckt, dass es aussah, als ob sie noch schlief. Als die großen Hexen nach vergeblicher Suche nach den Kindern wieder zum Haus der kleinen Hexe kamen, spähten sie durch die Fenster. „So ein Faulpelz“, kicherten sie, „Murmele macht ihrem Namen alle Ehre.“
Die kleine Hexe Murmele aber war schon auf ihrem gefährlichen Weg zum Dunkelwald. Dort lebte der große Hexenmeister. Ihn wollte sie um Rat und Hilfe bitten.
4
Murmeles gefährliche Reise zum Dunkelwald
Nachdem die großen Hexen weggeflogen waren, um die verirrten Kinder zu suchen, warf sich die kleine Hexe Murmele den grauen Hexenmantel um. Mit ihm war sie für die bösen Hexen fast unsichtbar. Aufpassen musste sie aber trotzdem. Sie verabschiedete sich vom Fuchs mit einer langen Umarmung. „Sei vorsichtig“, sagte dieser „man hört von mancherlei Gefahren auf dem Weg zum Dunkelwald.“
Die kleine Hexe bestieg ihren Besen. Wie ein grauer Schatten bewegte sie sich langsam im Dunkel der Bäume. Die großen Hexen durften sie nicht sehen. Sie konnten überall im Wald sein auf ihrer Suche nach den Kindern. Immer wieder hörte die kleine Hexe pfeifende Geräusche, wenn eine der großen Hexen nahe an ihr vorbeiflog. Dann versteckte sie sich schnell hinter einem Baum und presste sich eng an den Stamm. Eine der großen Hexe flog so dicht an Murmele vorbei, dass sie ihren fauligen Atem riechen konnte.
Langsam und vorsichtig erreichte sie das Ende des Waldes. Jetzt musste sie besonders achtgeben, da die Bäume ihr keine Deckung mehr gaben. Sie stieg vom Hexenbesen und schlich durch Gräben und entlang von Hecken bis zu ihren Freunden, den Kühen auf der Weide. „Liebe Liesibeth“, sagte Murmele zu einer schönen, gefleckten Kuh, „bitte gehe mit mir bis zum Ende der Weide, damit ich mich hinter dir verstecken kann.“ Liesibeth tat das gerne für Murmele, schließlich steckte die kleine Hexe ihr immer wieder die besten Gräser durch den Weidezaun zu.
Am Ende der Weide war Murmele sicher, dass die großen, bösen Hexen sie nicht mehr sehen konnten.
Die kleine Hexe schwang sich auf ihren Besen. Sie wusste, dass der Dunkelwald im Norden lag. Je weiter sie flog, umso kälter wurde es. Eisiger Wind pfiff ihr durch den Umhang. Ihre Finger, mit denen sie den Besen umklammerte, waren schon ganz klamm. „Ich hätte mir meine Hexenhandschuhe mitnehmen sollen“, dachte sie, „in denen wird mir nie kalt. Aber da ich mich so überstürzt aus dem Haus schleichen musste, habe ich sie vergessen.“
Die Wolken wurden dichter und der Wind stärker und stärker. Plötzlich packte ein Windstoß die kleine Hexe und wirbelte sie unhaltbar aufwärts in den Himmel. Immer höher und höher zog der Aufwind die kleine Hexe.
Ihr Hexenbesen verlor zunehmend an Kraft. So hoch konnte er nicht fliegen. Die Luft war zu dünn. Schließlich war der Besen am Ende seiner Kraft. Er war zum Fliegen nun so unbrauchbar wie jeder Hausbesen auf der Erde. Entsetzt merkte Murmele, wie er nach vorne wegkippte und mit rasender Geschwindigkeit unaufhaltsam dem Boden entgegenstürzte. „Jetzt ist es vorbei“, dachte die kleine Hexe. „Diesen Sturz kann auch ich nicht mehr stoppen.“ Sie schloss die Augen.
Plötzlich fühlte sie, dass sie durch die Luft getragen wurde. Sie öffnete die Augen und sah über sich ihren neuen Freund aus den Bergen, den Adler, den König der Lüfte. Er hatte sie fest an ihrem Umhang gepackt und trug sie mit weit ausgebreiteten Schwingen sicher und sanft bis zum Boden. Die kleine Hexe Murmele wusste gar nicht, wie sie sich bedanken sollte. „Ihre Majestät sind zu gütig“, war schließlich alles, was ihr einfiel. Der Adler nickte gnädig und erhob sich in die Luft.
Nun funktionierte auch der Hexenbesen wieder. Die kleine Hexe wusste nicht mehr, wo sie war. Doch sie orientierte sich am Nordstern. Unter ihr tat sich eine große, glänzende Wasserfläche auf. Das Spiegelbild des Mondes leuchtete zu ihr hinauf. Inmitten des Sees entdeckte sie eine kleine Insel, auf der mächtige Bäume standen. „Ist das der Dunkelwald?“, dachte die kleine Hexe und flog auf die Insel zu.
Als sie in die Dämmerung der Bäume eintauchte, umkreisten sie munter kleine, schillernde Wesen mit durchsichtigen Flügeln. Sie tanzten um die kleine Hexe herum, kitzelten sie an der Nase und trieben allerlei Schabernack mit ihr. „Wir sind Waldelfen“, riefen sie vergnügt und ehe die kleine Hexe es verhindern konnte, hatten sie ihren langen Hexenzopf auseinander gezupft und gehörig zerzaust. Kichernd betrachteten sie ihr Werk. „Ihr kleinen frechen Plagegeister“, schimpfte Murmele.
Plötzlich erstarrten die Elfen in ihren Bewegungen. Angestrengt lauschten sie in den Wald. „Weg, du musst weg!“, riefen sie und verschwanden eilig in alle Richtungen. Die kleine Hexe blieb erstaunt zurück. Da hörte sie schwere Schritte auf sich zukommen. Hinter ihr teilten sich die Bäume. Krachend brach ein Riese durch das Unterholz. Noch nie hatte die kleine Hexe etwas Schrecklicheres gesehen: Der Riese war fast so groß wie die Tannen. Der Kopf war kahl und mitten auf der Stirne thronte das einzige Auge. Messerscharfe Zähne blitzten aus dem Mund. Die Eckzähne waren lang und spitz und reichten bis zum Kinn hinunter. Der riesige Körper war mit schwarzen Haaren bedeckt. Die Finger endeten in langen Krallen.
Ohne Vorwarnung griff der Riese nach der kleinen Hexe. Nur ein Baum, der zwischen ihnen stand, verhinderte, dass er sie packen konnte. Erneut versuchte er, sie zu fangen. Durch einen gewagten Salto mit ihrem Hexenbesen konnte sie gerade noch rechtzeitig ausweichen. Die langen Krallen fuhren neben ihr ins Leere. Er streckte beide Arme weit über ihr aus, dass sie nicht mehr nach oben fliehen konnte. Es gab nur noch einen Weg. Die kleine Hexe presste sich eng an ihren Hexenbesen. Pfeilschnell flog sie zwischen seinen Beinen hindurch und hinter seinem Rücken steil in die Luft. Der Riese streckte sich und versuchte, sie zu erhaschen. Doch die kleine Hexe war schon außer seiner Reichweite.
„Puh, das war knapp“, dachte sie und der Schreck steckte ihr noch in allen Gliedern. „Dagegen sind die großen, bösen Hexen im Hexenwald ja geradezu lieb.“
Die kleine Hexe Murmele flog weiter. Noch lange hörte sie das wütende Brüllen des Riesen. Nun hatte sie die Orientierung ganz verloren. Unter ihr reihten sich Wälder an Wälder, nur ab und zu unterbrochen von kleinen Lichtungen und Seen. Als sie gerade überlegte, welche Richtung sie einschlagen sollte, sah sie eine Schar schnatternder Gänse auf sich zukommen. Die Gänse flogen in einer wunderschönen, keilförmigen Formation, angeführt von einer Leitgans. „Liebe Gänse“, rief die kleine Hexe Murmele, „kennt ihr vielleicht den Weg zum Dunkelwald?“
„Ja, freilich“, antwortete die Leitgans. „Auf unserem Weg fliegen wir direkt darüber. Schließe dich uns an und wir bringen dich hin.“ Und so folgte die kleine Hexe Murmele den Gänsen zum Dunkelwald, um den großen Hexenmeister um Hilfe zu bitten.
5
Murmele und der große Hexenmeister
Der Dunkelwald war dicht und in ein dämmriges Licht getaucht. Nebel wallte zwischen den Bäumen. Die kleine Hexe stieg von ihrem Hexenbesen ab und ging zu Fuß weiter, um den großen Hexenmeister zu suchen. Das Moos war weich und gab unter ihren Füßen nach. Irrlichter tanzten über den dunklen Wasserstellen des Moores. Die kleine Hexe musste vorsichtig gehen, um nicht darin zu versinken.
Wie sollte sie den großen Hexenmeister finden? „Großer Hexenmeister, hier ist die kleine Hexe Murmele und erbittet deinen Rat“, rief sie, aber der Nebel verschluckte ihre Stimme. Sie irrte im Wald umher und wusste bald nicht mehr weiter. Müde lehnte sie sich an einen knorrigen Baumstamm. Da fühlte sie, wie die Äste des Baumes sie wie Arme umschlangen und sich immer enger zusammenzogen. Sie bekam kaum Luft. „So wie die armen Tiere im trockenen Teich, so fühle ich mich jetzt“, stöhnte sie mit letzter Kraft. Auf einmal wurde der Ring um ihre Brust weit und sie konnte wieder frei atmen.
„Tiere im trockenen Teich“, tönte der Baum mit mächtiger Stimme. Der große Hexenmeister!
„Ja“, keuchte die kleine Hexe. „Erzähle!“, befahl der große Hexenmeister. Er stand jetzt direkt vor ihr. Nun hatte er die Gestalt eines Zauberers angenommen. Sein Mantel hatte noch die Farbe des Holzes. Sein langer weißer Bart reichte fast bis zum Boden. Auf dem Kopf thronte ein spitzer Zauberhut. Seine Augen blickten scharf und prüfend unter den buschigen Augenbrauen hervor.
Die kleine Hexe erzählte, wie die großen, bösen Hexen das Wasser aus dem Teich zauberten und viele arme Wasserbewohner schon sterben mussten.
Der große Hexenmeister wiegte sein weises Haupt. „Ich habe schon von dir gehört, kleine Hexe Murmele“, sagte er. „Du bist so gar keine typische Hexe. Du magst Kinder und Wassertiere. Die meisten Hexen sind wie deine großen Verwandten. Sie sind böse und setzen ihre Zauberkräfte ein, um Unheil und Verderben anzurichten. Menschen und Tiere fürchten sie. Aber“, er betrachtete die kleine Hexe, „es ist an der Zeit, zu zeigen, dass es auch gute Hexen gibt. Ich werde dir helfen.“
Er öffnete sein großes Zauberbuch und ließ die kleine Hexe eine Zauberformel auswendig lernen. Dann verwandelte er sich wieder in einen Baum. „Das möchte ich auch können“, dachte die kleine Hexe Murmele bewundernd und bedankte sich für die Hilfe. Sie schlang ihren grauen Hexenmantel fest um sich, schwang sich auf ihren Hexenbesen und sauste über die Baumwipfel des Dunkelwaldes Richtung Heimat.
Sie kam gerade rechtzeitig. Die großen Hexen hatten sich wieder um den Teich versammelt und bliesen ihren schrecklichen, heißen Atem auf das Wasser, sodass es in einer Dampfwolke aufstieg.
Versteckt hinter einem Baum flüsterte die kleine Hexe die Zauberformel, die der große Hexenmeister sie gelehrt hatte:
„Brauset auf ihr wilden Stürme,
bildet hohe Wolkentürme!
Steigt das Wasser aus dem Teich,
fangt es auf und regengleich
lasst es fallen zur Erde nieder.
Gebt dem Teich das Wasser wieder.“
Dunkle Wolken bildeten sich über dem Teich und es begann wie aus Kannen zu schütten. Die großen Hexen hassten es, nass zu werden. Sie versuchten, ihre Besen in Schirme zu verwandeln. Aber in der Eile verwechselten sie die Zaubersprüche und das Wasser schoss hindurch wie durch ein löchriges Sieb. Da packten sie ihre nutzlosen Schirme und stoben auseinander, um sich in ihren Höhlen zu verkriechen. Nie wieder haben sie versucht, den Teich trocken zu legen.
Die kleine Hexe Murmele aber schwamm fröhlich mit den Enten und Fröschen im glasklaren Wasser. Ab und zu kam auch ein kleiner Junge mit seinem Vater zum Baden.
6
Der Fisch im Hexenwald
Noch immer ärgerten sich die großen Hexen fürchterlich, dass es ihnen nicht gelungen war, den Teich im Hexenwald für immer und ewig auszutrocknen. Wieder zeigte ihnen das klare Wasser ihr eigenes, schreckliches Spiegelbild, vor dem sie sich selber fürchteten.
„Wenn wir den Teich schon nicht vernichten konnten“, sagten sie, „so soll auch niemand anderer eine Freude daran haben.“