Die abenteuerliche Reise des Marco Polo - Roland Mueller - E-Book
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Die abenteuerliche Reise des Marco Polo E-Book

Roland Mueller

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Beschreibung

Mitreißend und spannend: „Die abenteuerliche Reise des Marco Polo“ von Roland Mueller jetzt als eBook bei jumpbooks. Es ist eine waghalsige Reise, die 1271 in Venedig ihren Anfang nimmt. Kostbare Handelsware und sogar gesalbtes Öl aus dem Jesusgrab sollen ihren Weg zum großen Kublai Khan in China finden. Vier Jahre Abenteuer liegen vor dem jungen Kaufmann Marco Polo, als er staunend Karawanenwege bereist, die kein Europäer je zuvor betrat. Der Orient der Araber, Kirgisen, Tibeter und Mongolen ist voller Geheimnisse und exotischer Stätten – und voller Gefahren … Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Die abenteuerliche Reise des Marco Polo“ von Roland Mueller. Wer liest, hat mehr vom Leben: jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

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Über dieses Buch:

Es ist eine waghalsige Reise, die 1271 in Venedig ihren Anfang nimmt. Kostbare Handelsware und sogar gesalbtes Öl aus dem Jesusgrab sollen ihren Weg zum großen Kublai Khan in China finden. Vier Jahre Abenteuer liegen vor dem jungen Kaufmann Marco Polo, als er staunend Karawanenwege bereist, die kein Europäer je zuvor betrat. Der Orient der Araber, Kirgisen, Tibeter und Mongolen ist voller Geheimnisse und exotischer Stätten – und voller Gefahren …

Über den Autor:

Roland Mueller, geboren 1959 in Würzburg, lebt heute in der Nähe von München. Der studierte Sozialwissenschaftler arbeitete in der Erwachsenenbildung, als Rhetorik- und Bewerbungstrainer und unterrichtet heute an der Hochschule der Bayerischen Polizei. Er veröffentlichte zahlreiche Romane, Kurzgeschichten, Kinder- und Jugendbücher.

Bei jumpbooks erschienen bereits Roland Muellers historisches Kinderbuch Der Kundschafter des Königs.

***

eBook-Neuausgabe April 2016 

Copyright © der Originalausgabe 2007 cbj, München

Copyright © der Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Copyright © 2016 jumpbooks Verlag. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung und Titelbildabbildung: Tanja Winkler, Weichs

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-96053-072-5

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Roland Mueller

Die abenteuerliche Reise des Marco Polo

Roman

jumpbooks

PROLOG

Wie die Geschichte begann ...

»Schütze, o Herr, Deine gläubigen Seeleute vor Stürmen,

schütze sie vor Schiffbruch und den Übeltaten ihrer gerissenen Feinde!«

Die Bitte des Dogen von Venedig bei der alljährlichen Feier der »Vermählung mit dem Meer«

ÜBER DAS MEER weht eine kühle Brise.

Aber mir ist nicht kalt. Dazu bin ich viel zu aufgeregt. Jetzt dreht der Wind auf einmal und es riecht nach Holz und Pech, Feuerrauch und Schweiß.

Diese Gerüche stammen von unserer Kriegsflotte, die sich seit gestern Morgen entlang der kroatischen Küste nach Süden bewegt. Das Holz der Galeeren, auf denen wir vor zwei Tagen von Venedig aufgebrochen sind, riecht noch ganz frisch. Das Pech kommt von den heißen Feuerstellen, auf denen das gefürchtete griechische Feuer vorbereitet wird, und der Schweiß stammt von den zahlreichen Ruderern, die unsere schlanken Kriegsgaleeren antreiben. Jeder an Bord weiß um einen Angriff, der bald beginnen wird, denn es herrscht Krieg zwischen Genua und Venedig. Genua ist in den letzten Jahren immer mächtiger geworden. Seine Besitzungen reichen bis zu den Inseln in der Ägäis. Wenn Venedig weiter Handel treiben will, muss es Genua besiegen.

Im Augenblick ist nichts von der feindlichen Flotte zu sehen, und ich, Marco Polo, Kapitän dieser Galeere, habe Zeit, um nachzudenken. Eigentlich dürfte ich gar nicht hier sein, sondern zu Hause, bei meiner Familie. Wir Polos sind Kaufleute. Schon mein Großvater handelte seine Waren in alle Welt. Mein Vater Niccolò und mein Onkel Maffeo wurden ebenfalls Kaufleute. So habe auch ich diesen Beruf gewählt und er hat mich mit 17 Jahren das erste Mal bis nach China geführt. Vier Jahre dauerte diese Reise, und ich lebte dann beinahe zwanzig Jahre lang am Hof des mächtigen Kublai Khan, bis ich auf abenteuerlichem Weg in meine Heimat zurückkehren konnte. Daran muss ich oft denken, so wie jetzt in dieser Nacht, kurz vor einem möglichen Angriff der feindlichen Flotte.

Doch anstatt in unserem Handelshaus stehe ich hier neben dem Steuerplatz einer Galeere und führe sie in den Kampf. Zum Kapitän eines Kriegsschiffs, einer Galeere oder einer Galeasse kann in Venedig nur bestimmt werden, wer sich als guter Seefahrer bewährt hat und aus einer angesehenen Familie stammt. Beides trifft bei mir zu, aber ganz ehrlich, ich habe mich um diesen Posten nicht gerissen. Man hat mir das Amt übertragen. Natürlich ist das eine große Ehre. Wie hätte ich da Nein sagen können? So wurde ich Kapitän über mehr als 300 Mann an Bord. Soldaten und Seeleute.

»Wir sollten nicht mehr rudern lassen, Exzellenz.«

Wer da gerade zu mir spricht, ist mein Steuermann Fabio Pernello. Er steht neben mir, hält unser Steuer, den Kolderstock, mit beiden Händen fest und lenkt damit das Schiff.

»Nenn mich einfach Kapitän«, antworte ich ihm, »lass das Exzellenz ruhig weg.«

»Si, Kapitän.«

Der gute Fabio ist Venezianer und eine liebe Seele. Ein ausgezeichneter Seemann und Fischer. Wie alle Männer in seiner Familie.

Eine Weile sagen wir beide nichts mehr.

Ich muss meine Augen anstrengen, um überhaupt etwas erkennen zu können. Wir haben kein Licht an Bord. Besonders vor einer Seeschlacht dürfen auf einem Schiff keine Laterne und kein Wachfeuer angezündet werden. So sehen wir die übrigen Schiffe der Flotte vor uns nur, wenn der Mond durch die Wolken scheint. Ich lausche, aber ich höre nur das Geräusch der Ruder, die ein Deck unter uns gleichmäßig ins Wasser getaucht werden. Unsere Galeere ist die letzte in einem kleinen Konvoi. Vor uns gleiten drei weitere Schiffe durchs Wasser.

»Wir sollten lieber Segel setzen«, sagt Fabio noch einmal.

»Der Wind ist viel zu schwach«, antworte ich, »ohne die Ruderer sind wir zu langsam.«

»Aber Exzellenz, äh verzeiht, Kapitän«, beginnt Fabio neben mir eifrig, »die Männer rudern fast ohne Pause seit gestern früh. Wenn uns der Feind angreift, sind sie müde. Wir sollten sie jetzt besser ausruhen lassen und so lange nur unter Segel fahren.«

»Fabio, wenn man uns angreift, müssen wir beweglich sein. Das können wir nur mit den Ruderern«, sage ich zu ihm, und da lacht er auf einmal leise.

»No, no, Kapitän Polo. Niemand greift uns an, sondern wir greifen an. Venedig beginnt mit dem Kampf.«

Der Mond am Himmel wird immer blasser. Es dämmert bereits in der Ferne, dort wo der Morgen beginnt. Ich kann Fabios Gesicht erkennen. Er lacht erneut, als er mich anschaut, schüttelt den Kopf und sagt: »Niemand greift uns zuerst an. Wir sind Venezianer, die besten Seefahrer der Welt.«

Ich antworte ihm nicht. So viele Bilder sind auf einmal in meinem Kopf. Ja, ich habe viel erlebt und gesehen, und deshalb weiß ich, dass Fabio nicht Recht hat mit dem, was er sagt.

»Ja, Fabio, wir sind Venezianer«, antworte ich ihm dann. »Aber die besten Seefahrer der Welt sind wir nicht.«

»Was?«, braust er fast ein wenig gekränkt auf. »Kapitän, wollt Ihr etwa sagen, die Genueser wären die Besten?«

»Nein«, antworte ich ihm.

»Dann die Spanier?«

»Nein«, sage ich.

»Die Portugiesen?«, fragt er, und da muss ich lachen.

»Nein, Fabio. Nein.«

»Ja, aber wer dann?«

Wieder antworte ich ihm nicht gleich, sondern blicke aufs Wasser hinaus. Der Morgendunst ist so dicht geworden, dass die vorausfahrenden Galeeren kaum noch zu erkennen sind. Ein Steuermann muss jetzt höllisch aufpassen, dass kein Schiff zu dicht auf die anderen auffährt. Wenn zwei Galeeren zusammenstoßen, dauert es eine ganze Weile, bis beide wieder fahrtüchtig sind. In dieser Zeit sind sie hilflos gegen einen Angriff. Aber Fabio passt genau auf.

»Du weißt, ich bin in China gewesen«, sage ich zu ihm, »und dort habe ich Schiffe gesehen, voller Soldaten, und jedes war stärker und schwerer bewaffnet als unsere Galeeren. Ja, die Flotte der Chinesen war größer als die unsere und die aller Schiffe Genuas zusammen. Ich sage dir ...«

Weiter komme ich nicht, denn vor uns ruft eine Stimme ganz laut: »Alarm!«

Wir hören dieselben Rufe noch ein paar Mal von den anderen Schiffen.

»Alarm!«, höre ich nun die Stimme meines ersten Offiziers, Signor Chato Lunga. »Feind in Sicht!«

Im Nu springen unsere Soldaten auf und greifen nach ihren Waffen. Kurze Wurfspeere, Schwerter, Messer, Kriegsbeile, Morgensterne. Und Taue, mit Enterhaken daran. Die Armbrust- und Bogenschützen greifen nach ihren Pfeilen. Jeder an Deck drängt an die Reling.

»Wo? Wo sind sie?«

Vor uns geht langsam die Sonne auf Obwohl man nun gut sehen kann, weil es immer heller wird, ist es über dem Wasser noch immer dunstig. Nur die Umrisse unserer drei eigenen Galeeren sind zu sehen. Wir hören auch dort die Befehle der Offiziere, sich für einen Kampf bereitzuhalten. Das will ich besser auch tun.

»Capitano Lunga!«, rufe ich zum Oberdeck hinunter.

Er sieht zu mir herauf

»Schiff kampfbereit machen!«, befehle ich.

»Ayay Kapitän, wir sind bereit! Aber ich hatte gehofft, der Feind lässt uns wenigstens noch Zeit für ein Frühstück! «, ruft er mir zu.

Darauf antworte ich ihm nichts. Wie alle anderen auch starre ich angestrengt in den morgendlichen Dunst. Wenn es noch ein bisschen wärmer werden würde, könnte die Sonne diese graue Suppe ganz verschwinden lassen, und wir würden endlich genug sehen.

Auf einmal höre ich ein pfeifendes Geräusch.

Gleich darauf noch einmal. Es ist unheimlich, aber ich weiß gleich, was es bedeutet. Auf einer Galeere vor uns blitzt es kurz auf, dann schießt eine hohe Flammensäule gleich neben dem Hauptmast in die Höhe und das eingerollte Segel samt Takelage beginnt zu brennen.

»Griechenfeuer!«, schreit jemand, und bald brüllen viele Stimmen durcheinander. »Vorsicht Griechenfeuer!«

Jetzt sehen wir es alle.

Aus dem Dunst vor uns kommen ganz seltsame Geschosse durch die Luft auf uns zugeflogen. Es sind Bündel aus zusammengewickelten Lumpen, Stroh und Reisig, mit Pech und stinkendem Schwefelpulver gefüllt. Wenn sie auf eine der Galeeren treffen, platzen diese Lumpenbündel auseinander und beginnen sofort lichterloh zu brennen. Das zähe Pech lässt sich nur ganz schwer löschen.

Bevor wir uns versehen, sind die zwei Galeeren vor uns in Flammen gehüllt. Sie rudern nicht mehr, denn die Besatzungen beginnen, durch die Luken zu klettern, um ins Meer zu springen. Ich schau mich um, um eine Lücke zu entdecken, durch die ich mit unserem Schiff durchschlüpfen kann, um in den Kampf einzugreifen. Aber von feindlichen Galeeren ist nichts zu sehen. Nur immer dieses unheimliche, pfeifende Geräusch, wenn wieder ein Griechenfeuer auf eine Galeere trifft und brennend auseinanderplatzt. Wenn doch dieser Nebeldunst endlich verschwinden würde! Wir hören das Geschrei der Soldaten vor uns und die Hilferufe unserer armen Kameraden.

»Da ist was«, sagt Fabio auf einmal und deutet nach Backbord unseres Schiffes.

»Wo?«, frage ich, denn ich sehe nichts.

»Da, da ist was. Es kommt auf uns zu!«

Ich starre in den nebligen Morgendunst, der uns immer noch umgibt wie ein grauer Schleier. Ich sehe nur das dunkle Meerwasser, und als einmal ein Lichtstrahl darauf fällt, blitzt und funkelt es. Ich sehe auch ein paar Möwen übers Wasser segeln. Dann beuge ich mich noch ein wenig vor und da, ja tatsächlich, da ist was Großes, Dunkles und es kommt aus dem Nebeldunst genau auf uns zu!

»Steuerbord!«, rufe ich Fabio zu, und der nimmt den langen Kolderstock und drückt ihn mit aller Kraft nach rechts.

»Ruder auf!«, rufe ich auf die rechte Seite der Galeere hinunter.

Ein Leutnant dort unten wiederholt schnell meinen Befehl und die ganze Ruderreihe hebt die Ruderblätter gleichzeitig aus dem Wasser. Nun wird nur noch auf der linken Seite gerudert. Der Bug unserer Galeere beginnt, nach rechts zu drehen. Aber es ist bereits zu spät. Aus dem Dunst kommt in voller Fahrt eine große Galeere auf uns zu und ich erkenne die weiße Standarte mit dem blutroten Kreuz darauf. Die Flagge der Republik Genua.

»Verdammt«, ruft Fabio wütend, »die werden uns rammen!«

Er hat Recht. Wir können ihnen gar nicht mehr ausweichen. Mit einem krachenden Geräusch fährt der Bug der feindlichen Galeere mit dem Rammsporn voran in unseren Rumpf hinein. Der gewaltige Stoß wirft uns alle um. Ich falle zu Boden und höre, wie das Meerwasser im Unterdeck durch das Leck im Rumpf hineinströmt.

»Genua!«, schreien die Angreifer und klettern schwer bewaffnet auf unsere Galeere herüber.

»Venedig!«, brüllen unsere Soldaten zurück.

Im Nu bin ich auf den Beinen und will mein Schwert ziehen. Aber dazu komme ich nicht mehr, denn vor mir klettert ein feindlicher Soldat über die Reling. Als er mich sieht, hebt er seinen Schild und greift nach seinem Schwert. Dabei versucht er, mit dem anderen Fuß über die Reling zu steigen. Aber ich springe auf ihn zu und ramme ihm meine Schulter gegen seinen Schild. Der Stoß ist so heftig, dass er sein Schwert fallen lässt und dann rückwärts ins Wasser hinunter, fällt. Er taucht gleich wieder auf, spuckt Salzwasser aus und schimpft irgendwas zu mir herauf. Aber ich habe keine Zeit, weiter nach ihm zu schauen, denn erst einmal muss ich mich um mein Schiff kümmern. Der Kampf hat begonnen, aber wir müssen sehen, dass wir von dieser feindlichen Galeere wegkommen.

»Hackt den Rammsporn weg!«, rufe ich ein paar Matrosen zu.

Sie haben mich gleich verstanden und nehmen Beile und eine Axt zur Hand. Einer trägt sogar eine große Säge und so klettern sie an der Außenseite unserer Galeere zu dem Sporn hinunter, der wie ein mächtiger Baum in unserem Schiff steckt. Sie beginnen sofort, ihn abzuhacken. Die Männer arbeiten wie die Wilden, aber die Genueser schießen mit Pfeilen auf sie. Zum Glück treffen sie nicht. Aber die Angreifer schießen auf einmal Brandpfeile in unser Unterdeck, und ich sehe, wie die Ruderbänke zu brennen anfangen. Unsere Ruderer beginnen, ins Wasser zu springen.

»Galeere zurück!«, rufe ich. »Rudert zurück!«

Aber niemand hört mehr auf mich. Wir liegen bereits tief im Wasser, und ich weiß, was das bedeutet. Wir sinken.

Es ist schlimm für einen Seemann, wenn sein Schiff untergeht. Aber jetzt gilt es zu retten, was zu retten ist, und das ist als Erstes unser Leben.

»Ergebt Euch, Signor Kapitän!«, ruft jemand, und als ich mich umdrehe, ist ein Schwert auf mich gerichtet.

Als ich nach meiner Klinge am Gürtel greifen will, hält mir der andere, ein Offizier wie ich, sein Schwert an den Hals. Ich spüre die Eisenspitze an meiner Haut.

»Ergebt Euch!«, befiehlt er mir erneut.

»Nur wenn Ihr meine Leute verschont«, antworte ich.

Er überlegt einen Moment lang, dann nickt er. »Einverstanden!«

»Versprecht es!«, fordere ich ihn auf.

»Ich verspreche es vor dem Andenken der Heiligen Mutter Gottes.«

Da rufe ich, so laut ich kann: »Ergebt euch, Männer! Legt die Waffen nieder!«

Bei jedem Wort spüre ich die kalte Schwertspitze an meinem Hals. Doch meine Leute gehorchen und lassen einer nach dem anderen ihre Waffen fallen. Ich sehe zwei venezianische Galeeren vor uns im Wasser treibend, beide ohne Ruderer, lichterloh brennend. Die Seeleute springen gerade über Bord ins Meer, um sich dann an im Wasser treibenden Fässern und Holzbrettern festzuhalten. Jetzt öffne ich meinen Gürtel mit einer Hand und lasse ihn, mit dem Schwert daran, zu Boden fallen. Der Offizier vor mir lässt ebenfalls sein Schwert sinken. Er tritt einen Schritt vor und stellt einen Fuß auf meine Klinge.

»Sagt mir bitte Euren Namen«, verlangt er höflich.

Bevor ich antworten kann, tritt Fabio zu uns. Er wirft seine Waffe, einen dicken Holzprügel, auf den Boden und sagt: »Das ist Seine Exzellenz Signor Marco Polo, weitgereister Kaufmann aus Venedig.«

»Kapitän«, sage ich, »nenn mich einfach nur Kapitän, Fabio.«

Mein Steuermann zuckt nur die Schultern, aber ich freue mich, dass er unverletzt ist.

»Ist das wahr?«, fragt der Offizier erstaunt, der noch immer vor mir steht. »Ihr seid der berühmte Marco Polo?«

»Ja«, sage ich nur, »der bin ich.«

»Welch eine Ehre, aber nun seid Ihr mein Gefangener.«

Ich war froh, dass fast alle Männer meiner Galeere unversehrt auf das Schiff der Genueser hinübersteigen konnten. Dort hat man sie gleich gefangen genommen. Auch ich klettere hinüber. Als der letzte Mann von Bord gegangen war, versank unser Schiff, und ein großer Schaumfleck und ein paar im Wasser treibende Fässer waren alles, was davon übrig blieb.

So wurde ich Gefangener der Republik Genua.

Den weiteren Verlauf der Schlacht habe ich nicht mehr mitbekommen. Als die letzten Trümmer unseres Schiffes gesunken waren, nahm die Kriegsgaleere aus Genua ihre Fahrt wieder auf und folgte der Spur der zahlreich sinkenden venezianischen Schiffe.

Der Anblick an diesem Morgen war schrecklich.

Zwischen all dem Rauch des Griechenfeuers und dem Geschrei der Kämpfer bahnte sich die Galeere ihren Weg. Sie griff nicht mehr in die Schlacht ein, denn wir waren mit der geretteten Besatzung meines Schiffes und den Überlebenden der anderen Galeeren völlig überladen. Wir Gefangene standen so dicht auf dem Deck, dass wir uns kaum bewegen konnten. Die Galeere nahm Kurs zurück in ihren Heimathafen.

An die folgenden Tage erinnere ich mich nur mit Schrecken.

Das hoffnungslos überfüllte Schiff konnte die vielen Verwundeten gar nicht alle versorgen und es starben viele Venezianer. Es gab zu wenig Wasser an Bord, und einen Teil der Vorräte mussten wir über Bord werfen, um Platz für die Gefangenen zu haben. Außer einer Hand voll Getreidekörner und fünf Schluck Wasser für jeden Mann pro Tag gab es nichts zu essen und zu trinken. Bald knurrten uns allen die Mägen vor Hunger.

Eine Woche nach diesen Ereignissen liefen wir in den Hafen von Genua ein.

Zum Zeichen des Sieges hatte man die Kriegsflagge von Venedig ins Wasser geworfen und zog sie nun an einem langen Tau, wie einen alten Fetzen, hinter dem Schiff her. Überall am Ufer standen jubelnde Menschen und feierten den Sieg über das mächtige Venedig. Meine Männer waren darüber wie am Boden zerstört. Ich versuchte, sie zu trösten. Schließlich waren wir alle noch am Leben, im Gegensatz zu den vielen unglücklichen Kameraden, die ihr Ende im Meer und im Feuer gefunden hatten oder ihren Verletzungen erlegen waren.

Kaum waren wir alle an Land gegangen, sperrten uns die Genueser erst einmal ein. Dabei verlor ich Fabio aus den Augen. Doch ihn und auch andere Soldaten und Matrosen ließen die Sieger nach ein paar Tagen wieder frei. Sie durften alle nach Venedig heimkehren. Aber die Offiziere blieben eingesperrt.

Meinem bekannten Namen habe ich es wohl zu verdanken, dass man mich nicht irgendwo in einer feuchten Kellerzelle verschimmeln ließ. Sie brachten mich und noch ein paar weitere Gefangene in einem großen Haus unter. Dort war es ganz komfortabel, auch wenn ich viele Annehmlichkeiten von zu Hause natürlich vermisste. Doch die Wände und der Boden waren trocken und das Essen, das man uns gab, genießbar.

Keiner von uns wusste, was mit uns weiter geschehen sollte. Man sagte uns, dass wir freikommen würden, wenn unsere Familien Lösegeld an die Stadt Genua bezahlten. Meine Familie war durchaus wohlhabend. Damit war mir klar, das Lösegeld für mich würde sehr hoch werden. Ich ahnte, dass meine Lieben das Geld dafür erst auftreiben mussten. Einen Teil konnten sie von den Geldverleihern und aus Zahlungen anderer Handelshäuser besorgen. Aber das würde eine Weile dauern. Bis dahin konnten viele Monate vergehen. So lange sollte ich hier schmoren. Daran wollte ich besser gar nicht denken!

Eines grämte mich anfangs: der Verlust meines Schwerts. Das kam daher, weil es eine ganz besondere Waffe war, an der viele Erinnerungen hingen. Bisher hatte ich dieses Schwert nie benutzen müssen. Und jetzt, wo ich es in einem Kampf einsetzen sollte, musste ich es meinem Gegner übergeben.

In der Gefangenschaft freundete ich mich mit einem Mann aus Pisa an. Er hieß Rustichello und war Schriftsteller. Um uns die Zeit zu verkürzen, bat er mich, ihm und den übrigen Gefangenen Geschichten von meinen Reisen zu erzählen. Das hab ich auch getan, und bald fragte mich Rustichello, ob er die Erlebnisse meiner Reise nicht aufschreiben durfte. Er meinte, daraus könnte er ein Buch machen, und jedermann könnte so von meinen Erlebnissen erfahren. Nun, erst zögerte ich, und in einer stillen Stunde habe ich dem Mann aus Pisa dann erzählt, wie sehr mich der Verlust meines Schwertes schmerzte. Ich erzählte ihm, dass mir diese Waffe bisher immer Glück gebracht hatte und dass ich sie all die Jahre immer bei mir hatte.

Am Ende meiner Worte meinte er, dass mich dieses Schwert in meinem Glück doch auch jetzt nicht im Stich gelassen hatte. Denn, war ich nicht hier? Satt, gesund und unverletzt? Und eines Tages würde ich wieder nach Venedig heimkehren können. Andere hatten in diesem Krieg kein solches Glück gehabt. Da stellte ich fest, Signor Rustichello hatte Recht.

Er hat dann alles aufgeschrieben, was ich ihm und den übrigen Gefangenen in den nächsten Wochen und Monaten erzählt habe. Aber mein Schwert habe ich nie mehr wieder zurückbekommen. So bleiben mir nur die Erinnerungen daran.

I. TEIL

Etwa 22 Jahre zuvor, als die Reise in das Reich des Khans begann.

»Die Flasche enthielt geweihtes Öl aus der Grabeskirche von Jerusalem ... Sie war mit Wachs verschlossen und mit dem Siegel des Heiligen Vaters versehen. Erst der große Kublai Khan durfte sie öffnen.«

Marco Polo »Die Beschreibung der Welt«1. Kapitel

»MARCO!«

Das war Tirza, die nach mir rief. Sie war die älteste Dienstmagd bei uns und, seit meine Mutter vor einigen Jahren gestorben war, für unser Haus verantwortlich. Sie suchte nach mir, denn Vater und Onkel Maffeo wollten aufbrechen. Ich wollte ja auch in den Hof hinunterkommen, aber nicht jetzt gleich. Denn ich hatte gerade geweint und dafür schämte ich mich ein bisschen. Ein junger Mann wie ich, gerade siebzehn Jahre alt geworden, der weint doch nicht, oder?

Aber ich konnte nichts dagegen machen. Die Tränen kamen ganz plötzlich, gerade als ich noch einmal für mich allein durch unser Haus gehen wollte, um mich zu verabschieden. Für eine sehr lange Zeit, wie mein Vater gesagt hatte. Heute, an diesem Tag, wollte ich zusammen mit ihm und meinem Onkel in ein fernes Land weit im Osten aufbrechen.

Ich wischte mir mit dem Ärmel übers Gesicht. Wie lange wird es dauern, dachte ich, bis ich beim Blick aus dem Fenster all das wiedersehen werde? Den Kanal, der vor unserem Haus vorbeifließt, mit den Booten und Kähnen darauf. Den blauen Himmel über der Lagune. Am besten kann ich ihn sehen, wenn ich aufs Dach hinaufsteige. Dann sieht man sogar die Kuppeln von San Marco, ja, sogar den Kirchturm von Santa Maria Assunta, an dem noch immer gearbeitet wird.

»Marco! Wo steckst du denn? Es ist Zeit!«

Jetzt hatte ich auf einmal auch noch einen dicken Kloß im Hals. Weil ich daran denken musste, wie lange es dauern würde, bis ich Venedig wiedersah. Ja, wann würde ich meine Stadt wieder hören? Das Geräusch der vielen Hämmer und Sägen in den Werkstätten, das Singen der Fischer und Händler in ihren Booten, die Scherze der Arbeiter hinter den Mauern des Arsenale, wo wir Venezianer unsere Schiffe bauen. Wann würde ich die Gerüche dieser Stadt wieder riechen? Meerwasser, Salz, Gewürze, frisches Brot und Fisch. Würde ich je wieder das Licht der vielen Laternen am Abend und die Fackeln der Fischerboote am frühen Morgen sehen? Ja, es würde dauern, bis ich wieder in meiner kleinen Kammer stand. Hier, in meinem kleinen Reich, wo mein weiches Bett steht und meine prächtig geschnitzte Truhe. Ja, es würde lange dauern. Sehr lange.

»Marco? Wo bist du denn?«

Erneut hatte Tirza nach mir gerufen. Schnell fuhr ich mir mit dem Ärmel noch einmal übers Gesicht und dann erst antwortete ich ihr. »Ich komme, Tirza!«

Als ich mich umwandte, stand sie in der Tür. Sie trug ein blaues Kleid, die lange Schürze darüber, und beides reichte ihr bis auf den Boden. Auf ihrem Kopf trug sie eine Leinenhaube, wie die meisten Frauen in der Stadt sie trugen. Ihre Haare waren kaum zu sehen. Sie blickte mich an, und ich wusste gleich, dass sie mich längst durchschaut hatte. Schließlich kannte sie mich ja von Kindesbeinen an. Nun trat sie zu mir und nahm mich in den Arm, als ich ob ich noch ein kleiner Junge wäre.

»Ich wünsche mir, dass Ihr gesund zurückkehrt, junger Herr.«

Wenn sie mich nicht mehr duzte, sondern junger Herr nannte, wusste ich, dass sie sich Sorgen machte. Sie hatte keine eigenen Kinder und ich war ihr wie ein Sohn gewesen.

Verflixt, jetzt hatte ich schon wieder diesen dicken Kloß im Hals. Aber noch einmal würde ich nicht zu heulen anfangen. Nein, bestimmt nicht. Sie drückte mich noch einmal fest an sich, und dann sagte sie: »Es ist Zeit, die Herren warten.«

Tirza küsste mich auf die Stirn, wie sie es immer getan hatte, damit ich einschlafen konnte. Da drückte ich sie dieses Mal fest an mich, dann drehte ich mich um und lief hinaus.

2. Kapitel

UNSER HAUS HATTE, wie viele Handelshäuser in Venedig, einen Innenhof, und als ich die steile, enge Treppe hinunterlief, musste ich an einem kleinen Fenster vorbei. Durch das konnte ich sehen, wie die Lastenträger bereits warteten. Sie sollten unser restliches Gepäck aufs Schiff schaffen. Unsere Handelswaren hatten sie bereits gestern zum Hafen gebracht.

Auf einer Seite war der Innenhof meines Elternhauses zum Kanal hin offen. Von dort brachte uns ein Ruderboot zu dem Schiff, auf dem unsere Reise beginnen sollte. Es war ein großes, dickbauchiges Segelschiff, das aus Bremen, einer Hafenstadt aus dem Land der Teutschen, weit im Norden, stammte. Diese Handelsschiffe heißen Koggen und mit ihrem breiten Rumpf und dem genauso breiten Deck liegen sie ganz ruhig im Wasser. Diese Schiffe galten als sehr sicher. An Bord ging es ruhig, beinahe behäbig zu. Außerdem war es auf ihnen nicht so eng wie auf den venezianischen Handelsschiffen.

Mein Vater, Onkel Maffeo und ich waren die einzigen Passagiere, die der Kapitän mitnahm. Das kam daher, dass er gar nicht mehr Platz hatte, denn das gesamte Schiff war bis in den letzten Winkel mit unserer Handelsware, Wein- und Essigfässern, beladen. Dazu kamen eine große Menge Tuchballen aus schwerer Leinwand, die im ersten großen Hafen wieder ausgeladen werden sollten. Diese Handelsware sollte uns genug einbringen, um vom Erlös neue Ware kaufen zu können. Aber wir hatten noch mehr dabei: bunte Seidentücher, Goldschmuck aus der Lombardei, Öllampen und eine große Anzahl Küchengeräte aus schwerem Kupfer. Eisernes Werkzeug für Steinmetze und Schmiede, Holzwerkzeug für Tischler und Fassmacher. Dazu viele Beutel mit geschmiedeten Eisennägeln.

Wir trugen auch Edelsteine bei uns, die wir tauschen wollten. Aber das wusste außer uns dreien natürlich niemand. Schließlich gab es genug Spitzbuben, die auf Kaufleute wie uns nur warteten, wie mein Vater sagte. Also galt es, kein Wort über unsere Juwelen zu verraten, die wir sorgsam in unserer Kleidung versteckt hatten.

Kaum waren wir an Bord gegangen, als der Kapitän seine Kommandos gab. Er hieß Hein und war ein freundlicher, gemütlicher Mann, mit einem dichten Bart und Backen, rot wie reife Äpfel. Als wir ablegten, trat ich an die Reling neben meinen Vater und meinen Onkel, und gemeinsam winkten wir Tirza und meiner Tante und einem Teil des Gesindes zu, das uns zum Abschied bis zum Schiff begleitet hatte. Jetzt bemerkte ich, dass mein Vater und auch mein Onkel auffallend oft nach ihren Leibtüchern griffen. Sie haben diese neue Mode gerne, sich lange Seidentücher in die weiten Ärmel zu stecken, um sich damit das Gesicht oder gar die Nase abzuwischen. Obwohl man sich doch mit der Hand schnäuzt oder sich einfach mit dem Ärmel über die Nase fährt, wenn sie läuft.

Hinter uns wurde Venedig immer kleiner, bis es verschwand.

Es kam mehr Wind auf, der die Segel blähte. Das Handelsschiff begann, Fahrt aufzunehmen. Allerdings ganz gemächlich, denn der Schiffsname sagte alles: »Seekuh«. Beinahe ruhig und ohne Aufregung begann sich das Schiff leicht zur Seite zu neigen, um dann durchs Wasser zu gleiten. Der Wind wurde noch ein wenig stärker und die Wellen klatschten an den Rumpf. Dann tauchte das Schiff mit dem Bug voran in ein Wellental hinein, ließ sich davontragen, um dann, wieder mit dem Bug voran, aus dem Wellental herauszuklettern.

So ging das andauernd.

Immer rauf und wieder runter, auf und ab. Je länger ich das alles beobachtete, umso deutlicher stellte ich fest, dass auch der Horizont in der Ferne sich stetig rauf und runter bewegte. Ich glaubte beinahe, er folgte den Bewegungen des Schiffes. Als ich mich umwandte, um noch einmal einen Blick auf Venedig zu werfen, war die Stadt verschwunden. Selbst die Küste war nur noch ein schmaler dunkler Strich. Der wurde immer dünner und dann verschwand auch er ganz in der Ferne. Jetzt sah ich ringsum nur noch Wasser. Ich hielt mich an einem Tau fest und dachte, seltsam. Ja, genau, das war der richtige Ausdruck. Auf einmal stand mein Onkel Maffeo neben mir.

»He, du bist ja ganz grün im Gesicht!«, lachte er.

Ich sah ihn nur an, denn sagen konnte ich nichts, weil mir tatsächlich ein wenig seltsam zumute war.

»Sag, geht es dir gut?«, fragte er jetzt doch ein wenig besorgt, und mein Vater, der gerade mit dem Kapitän gesprochen hatte, trat zu uns.

»Marco, was ist mit dir?«, wollte er wissen.

»Kann denn niemand diese Schaukelei beenden?«, sagte ich nur.

Da mussten beide lachen. Also ich fand das gar nicht komisch, denn mir war auf einmal schlecht. Aber die beiden lachten noch mehr, als ich ihnen sagte, dass mein Frühstück nicht da bleiben wollte, wo es jetzt gerade war, nämlich in meinem Magen. Dann spürte ich auf einmal, wie mir richtig übel wurde. Ich schaffte es gerade noch bis zur Reling und dann ... ohje! Das Gelächter hinter mir wollte gar nicht mehr aufhören. Genau wie meine Übelkeit. Allmächtiger Herr im Himmel, war mir auf einmal schlecht. Mein Vater ist gemein, musste ich denken. Genau wie mein gemeiner Onkel.

Gemeinsam brachten sie mich in meine Koje unter Deck. lieber Gott, war mir schlecht! Ich lag da und wäre am liebsten gestorben. Doch zum Glück konnte ich bald darauf einschlafen.

3. Kapitel

»HÖRET! Sieben vorbei und acht verweht! Gott schütze dieses Schiff! Amen!«

Von diesem langen, singenden Ruf erwachte ich. Er stammte vom Uhrwächter auf der Brücke. Mit diesen Worten sagte er der Besatzung und uns Reisenden, wie lange es noch bis zum Morgen dauerte. Dabei half ihm eine große Sanduhr. Sie stand auf einem Podest gleich hinter dem Ruderplatz. Reich geschnitzt und verziert, waren da zwei Gläser, eines oben und eines unten. Beide waren miteinander verbunden. Durch das obere Glas rieselte feiner Sand in das untere Glas. Der Wächter musste diese ganze Vorrichtung immer wieder umdrehen, bis er abgelöst wurde. Eine andere Uhr gab es auf dem Schiff nicht.

Acht verweht bedeutete, dass es bis zum Tagesanbruch nicht mehr weit sein konnte. Das war mir recht, denn ich konnte sowieso nicht mehr einschlafen. Aber es ging mir gut. Meine Übelkeit war wie weggeblasen und das sanfte Schaukeln der »Seekuh« fand ich gar nicht mehr schlimm. Also blieb ich noch liegen und lauschte.

Onkel Maffeo schnarchte unter seinem Strohsack. Das Geräusch der Wellen am Schiffsrumpf wechselte sich mit dem Knarren der Holzbalken in unserer Kajüte ab. Leise und vorsichtig kletterte ich aus meiner Koje. Hier war es stockfinster, denn es gab kein Fenster und auch keine Kerze oder Laterne. Jedes offene Licht war hier verboten, aus Furcht, es könnte ein Brand ausbrechen. Das einzige Feuer an Bord glühte im Herd der Schiffsküche.

Zweimal stieß ich mir den Kopf an, bis ich die schmale Tür fand, hinter der das Unterdeck begann. Draußen war es etwas heller, auch wenn die Frachtballen dicht gestapelt lagen und ich zwischen ihnen hindurchmusste, wie durch einen engen Gang. Es roch nach Teer, Salz und gebleichtem Leinen. Diabolo, wenn dieses Schiff nur nicht so schaukeln würde! So musste ich mich dauernd mit beiden Armen abstützen, damit ich nicht irgendwo dagegen rumpelte. Als ich endlich die schmale Leiter auf das Oberdeck hinaufgeklettert war, umfing mich dort kühle, frische Morgenluft. Ich tastete mich bis zum Hauptmast vor und dann weiter, bis zur Reling, wo ich aufs Wasser hinuntersah. Ein Streifen schaumige Gischt lief am Rumpf nebenher und schien fast zu leuchten, als ob das Meer brennen würde. Es sah schön aus. Das kam vom Morgenlicht, das alles so hell scheinen ließ.

»Na, wieder auf den Beinen?«, fragte eine Stimme hinter mir, und ich wandte mich um.

Es war der Kapitän, Signor Hein. Ich nickte und wünschte ihm einen guten Morgen.

»Der Smutje ist schon auf und kocht«, sagte er. »Du solltest was essen, dann ist es leichter zu ertragen.«

Ich verstand nicht gleich, was er meinte.

»Was zu ertragen?«, wollte ich wissen.

»Na, die Seekrankheit. Fast jeder hat sie einmal gehabt.«

Er lachte und griff nach einer Laterne. Mit einer glühenden Lunte zündete er sie an. Dann hob er die Laterne hoch und schwenkte sie, ließ seinen Arm wieder sinken und zog ein Tuch über die Laterne. Und da, neben unserem Schiff, vielleicht drei Steinwürfe weit entfernt, blitzte es drei Mal hintereinander auf. Der Kapitän antwortete wieder, indem er erneut die Laterne hob, das Tuch dreimal hintereinander wegzog, um es gleich wieder darüberzulegen. Dann nickte er zufrieden und blies das Wachslicht wieder aus.

»Sind da noch weitere Schiffe?«, fragte ich verblüfft.

»Ja, zwei«, entgegnete der Kapitän. »Das da gleich neben uns ist die ›Gote Frau‹ und gleich hinter uns fährt die ›Altmark‹; Handelsschiffe aus Bremen, wie wir. Wir segeln immer zusammen mit anderen Koggen und immer dicht unter Land.«

Er senkte den Kopf und sagte etwas leiser: »Wegen der Piraten.«

Das hatte mir mein Vater schon erzählt. Piraten waren auf See in dieser Zeit eine ständige Gefahr und große, reich beladene Schiffe wie unseres eine begehrte Beute. Einmal im Jahr ging die venezianische Kriegsflotte auf die Suche nach diesen Räubern zur See und manchmal hatten sie Glück. Dann spürten sie die Banden in ihren Schlupfwinkeln an der dalmatinischen oder griechischen Küste auf und griffen sie an. Meist besiegten sie die Seeräuber und dann war für eine Weile Ruhe. Aber es gab ja auch noch osmanische Piraten und sogar tunesische Seeräuber wagten sich manchmal bis hierher.

Das war auch der Grund, warum venezianische Handelsschiffe immer als großer Konvoi unterwegs waren. Dreißig bis vierzig Schiffe umfasste so eine Flotte. Wir Venezianer nannten sie Muda. Aber die nächste Muda wäre erst im Herbst wieder ausgelaufen und so lange wollten weder mein Vater noch Onkel Maffeo warten.

Jetzt verspürte ich tatsächlich Hunger. So befolgte ich den Rat des Kapitäns und ging in die kleine Kombüse zum Frühstücken. Der Koch schnitt mir frisches, warmes Brot auf, das ich mit einem Brei aus Schmalz, Zwiebeln, Pfeffer und viel Knoblauch bestrich. Das schmeckte mir gut, so sehr, dass ich darüber meine Seekrankheit endgültig vergaß. Ich verdrückte vier dicke, große Scheiben und trank dazu Wasser mit etwas Essig darin. Das Trinkwasser auf allen Schiffen schmeckte immer nach Essig. Der wurde in die Wasserfässer gegeben. So konnte das Wasser nicht so leicht faulen. Ja, und seit diesem ersten Morgen damals auf dem Meer wurde ich nie mehr seekrank.

4. Kapitel

WIR SEGELTEN die ganze Küste hinunter, und in den nächsten zwei Tagen glitten in der Ferne die Landschaften vorbei, die zu Venedig, zu Rom oder dem Königreich Neapel gehörten.

Unser Schiff, die »Seekuh«, kam, wie die beiden anderen Schiffe in Sichtweite, gut voran. Kapitän Hein meinte, weil es mir gleich am ersten Tag schlecht geworden war, hatte ich dem Meer ja ein Opfer gebracht. Seitdem würde ich dem Schiff Glück bringen.

Ich wusste nicht genau, ob ich das glauben sollte. Vater lachte nur und Onkel Maffeo schmunzelte. Doch die Seereise gefiel mir gut. Einmal streiften wir die Ausläufer eines kleinen Sturms. Der plötzliche Wind und der peitschende Regen waren zwar heftig, aber das störte uns nicht weiter. Das Schiff verminderte seine Fahrt nur wenig und wir kamen trotzdem vorwärts. Aber es regnete lange und das Regenwasser lief wie ein Sturzbach unter das Deck. Ein großer Teil unserer Tuchballen wurde völlig nass. Das war ärgerlich, denn das Wasser konnte den Stoff zerstören, wenn man das Tuch nicht bald wieder trocknen konnte.

Doch wir hatten Glück, denn als der Sturm endlich vorbeigezogen war, hörte auch der Regen auf, und die Sonne kam hervor. Es wurde angenehm warm und Vater, mein Onkel und ich holten Ballen für Ballen auf das Oberdeck herauf. Wir breiteten den Stoff aus und trockneten ihn. Einige Matrosen halfen uns dabei, und als auch das Unterdeck wieder trocken und sauber war, waren unsre Tuchballen getrocknet, und nichts war beschädigt worden.

Ich muss an dieser Stelle noch berichten, warum wir als Kaufleute überhaupt so eine weite Reise machen wollten. Den Handel mit der Welt betrieben wir in unserer Familie schon lange. Bereits mein Großvater hat mit allen möglichen Waren gehandelt. Mein Vater und mein Onkel haben dann den Handel mit den fernen Ländern immer mehr ausgeweitet. So sind beide bereits einmal bis in das Reich des mächtigen Khans gekommen. Der Weg dorthin war aufregend und gefährlich gewesen, aber mit den Menschen dort ließen sich sehr gute Geschäfte machen. Nur wenige christliche Händler kamen damals überhaupt so weit, denn eine Handelsreise dauerte immer einige Jahre. Vater hatte mir bei seiner Rückkehr oft erzählt, wie der große Khan sie persönlich in seinem Sommerlager empfangen hatte. Bei der Abreise musste ihm mein Vater versprechen, wiederzukommen. Er versprach es. So reisten er und mein Onkel heim und kamen dabei durch Konstantinopel*. Der damalige Papst lud beide zu sich ein, wo sie von der Reise und ihren Erlebnissen berichten sollten. Das taten sie, und als sie von Kublai Khan, dem Herrscher der Mongolen, erzählten, hat das den Papst besonders beeindruckt.

Jetzt aber haben wir auf der Fahrt erst in Konstantinopel Halt gemacht. Das kam so: Als wir das Königreich von Cypern*, ebendiese Insel mit diesem Namen, erreichten, wollte Kapitän Hein nur frisches Wasser auffüllen. Doch kaum hatten wir angelegt, erfuhren wir eine große Neuigkeit. Nach langem Warten gab es endlich einen neuen Papst! Er hieß Gregor. Wir sollten schnellstens nach Konstantinopel segeln, weil er einen besonderen Auftrag für uns hätte.

Kapitän Hein zögerte erst, aber Vater sagte, dem Wunsch des Heiligen Vaters müsse man folgen. Er bot dem Kapitän eine hübsche Prämie an und wir kehrten um. Auch die »Gote Frau« und die »Altmark« folgten uns. Und wieder hatten wir Glück. Das Wetter blieb schön, und der Wind half uns, diesen Umweg in nur vier Tagen zu schaffen.

Kaum hatten wir in Konstantinopel angelegt, kehrten wir in ein Handelshaus ein, wo wir auch übernachteten. Vater hatte noch am selben Abend einen Boten zu Papst Gregor geschickt, um von unserer Ankunft zu berichten. Und tatsächlich bat uns der Papst bereits am nächsten Tag zu sich. Er residierte in einem prächtigen Stadtpalast und wir wurden jeder in einer Sänfte bis zum Palast getragen.

Ich war sehr aufgeregt, denn ich kannte den neuen Papst ja gar nicht. Was ich wusste, war nur, dass er der Vertreter aller Christen war. Mein Vater und mein Onkel hatten früher für den vorherigen Papst öfters Aufträge in fernen Ländern erledigt. Das war wohl der Grund, warum uns Gregor sehen wollte, denn wir sollten für ihn einen Auftrag übernehmen.

Der Papst war ein etwas kleiner, würdig und ernst dreinblickender Mann, der uns freundlich willkommen hieß. Wir knieten vor ihm nieder und jeder von uns küsste den prächtigen Ring an seiner Hand. Dann hieß er uns aufstehen und wir durften in seiner Gegenwart jeder auf einem Sessel Platz nehmen. Das, so hat es mir Vater später erklärt, war eine ganz besondere Ehre.

Der Papst erklärte uns, dass wir auf der Reise in das Land des großen Khan Briefe und Geschenke mitnehmen und dem Herrscher dort überreichen sollten. Das haben wir ihm versprochen. Außerdem sollten uns einhundert Priester begleiten, die in dem fernen Land bleiben sollten, um die Menschen dort zum Christentum zu bekehren. Als wir dann auf die Priester, die uns begleiten sollten, zu sprechen kamen, erklärte man uns, dass der Papst uns nicht weiterhin seine kostbare Zeit schenken konnte. Das verstanden wir ja, andererseits drängte auch uns die Zeit. Vater wollte weiter, denn man erzählte sich, dass ein schwerer Sturm unweit der Küste tobte, der viele Handelsschiffe in die sicheren Häfen gezwungen hatte. Vater wollte nicht so lange warten, bis uns dieser Sturm erreichte. Aber es begann heftig zu regnen und das Wetter blieb kühl und grau.

Ungeduldig warteten wir in unserer Unterkunft, einem Fondaco*, dem Handelshaus der Venezianer. Da ließ uns der Papst durch einen Boten ausrichten, dass er leider keine frommen Männer entbehren konnte. Schließlich brauche man alle Priester im Abendland. Aber zwei Dominikanermönche würden uns begleiten. Ich weiß noch, wie verblüfft mein Vater war und Onkel Maffeo sich sein typisches Lächeln erlaubte. So schnell wurden aus einhundert Begleitern nur noch zwei Männer!

Die beiden Mönche wurden uns vorgestellt. Sie wirkten beide griesgrämig. Onkel Maffeo meinte, dass sie aussehen würden, als hätten sie wenig Lust auf die bevorstehende Reise. Als wir uns dann später mit ihnen unterhalten wollten, blieben sie wortkarg. Nun gut, sagten wir uns, wenn wir uns erst näher kennen lernen, wird das schon anders werden. So brachen wir wieder auf und reisten auf der ›Seekuh‹ des Signor Hein weiter bis zu einem Ort mit dem Namen Batumi. Hier nahmen wir noch einmal frisches Wasser an Bord, kauften mehrere Säcke voller Sesam und Salz und segelten weiter.

5. Kapitel

EINE WOCHE NACH unserer Abreise aus Konstantinopel tauchte eine Küste mit einer Stadt vor uns auf.

Das war Akkon und die Stadt bot einen prächtigen Anblick. Sie lag am Fuß einer Festung, einem Krak*, den die Kreuzritter einst errichtet hatten. Der Kapitän behauptete, Akkon wäre mindestens so groß wie Venedig. Ich weiß nicht, ob das stimmte, aber tatsächlich erstreckten sich die Häuser die ganze Küste entlang, so weit man mit den Augen schauen konnte. Eine Unmenge von Schiffen aller Art kreuzten hin und her und es erinnerte mich sehr an meine Heimatstadt.

Je näher wir an die Küste kamen, umso mehr Schiffe gab es. Zuletzt war der Verkehr auf dem Wasser vor uns so dicht, dass wir uns ganz behutsam den Weg durch all die kreuzenden Segler, Galeeren, Koggen, Fischerkähne und Flöße bahnen mussten. Viele Handelsschiffe ankerten bereits hier draußen im Wasser. Sie lagen auf Reede*, wie Signor Hein erklärte. Das kam daher, weil der Hafen von Akkon gar nicht groß genug war, dass all die Schiffe gleichzeitig dort ankern konnten, die jeden Tag hier ankamen. Wir hatten zusammen mit den beiden begleitenden Koggen einen guten Ankerplatz, nicht weit vom Ufer entfernt, gefunden. Kaum waren die schweren Anker ins Wasser gerauscht, schwärmten viele kleine Lastkähne aus, die mit uns und unseren Waren beladen den Weg zur Küste zurückfuhren.

Akkon war eine aufregende Stadt.

Es wimmelte nur so vor Menschen. Auf den vielen Plätzen, den Gassen, den breiteren Straßen und natürlich erst recht hier am Hafen. So war es in Konstantinopel auch gewesen, aber hier gab es ständig große Märkte. Jeden Tag wieder und immer wurde etwas anderes angeboten. Es gab große Obst- und Gemüsemärkte, auf denen man die seltensten Früchte und Gemüse kaufen konnte. Daneben lagen die Stände der Gewürzmärkte, wo es nach Pfeffer, Koriander und Zimt duftete, dass mir die Augen tränten, wenn ich nur in die Nähe kam. Oder die Fischmärkte, wo man alle möglichen Fische kaufen konnte, aber auch Krebse und Muscheln. Und Seeigel, die man hier ganz frisch in einer Soße kochte und dann sofort verspeiste. Natürlich ohne die langen Stacheln dran! Ich hab sie gleich einmal probiert und sie haben mir sehr gut geschmeckt. Aber als Venezianer mag ich ja alles gerne, was aus dem Meer kommt.

Auf anderen Märkten bot man nur Lederwaren an.

Große, endlos lange Stände voller Schuhe, Reitsättel, Peitschen, Gürtel, Riemen, Handschuhe, Zaumzeug oder Wasserbeutel. Wieder andere Händler hatten nur Teppiche in ihrem Angebot. Oder Schmuck.

Oh, dieser Schmuck!

Noch nie in meinem Leben hatte ich bis dahin solche Mengen prächtigen Goldschmuck gesehen wie hier. Und das Gold war gar nicht mal so teuer und wunderbar gearbeitet. Da gab es Halsketten, die waren so schwer, dass man, wenn man sie sich um den Hals gelegt hatte, glauben musste, einen Mühlstein zu tragen. Es gab goldene Taler, durch die ein Loch gebohrt war. Dann konnte man sie an einer feinen Kette um den Hals tragen. Ich habe wohlhabende Leute gesehen, die haben gleich ein Dutzend und noch mehr solcher Taler um den Hals getragen. Ihre Ehefrauen und Töchter trugen sie sogar als Ohrringe oder als Schmuck an ihren langen Schleiern.

Und es gab Perlen. Aber was für welche!

Die Händler hier nannten sie Tränen des Meeres. Es gab Perlen aus allen Teilen der Welt, in vielen Farbtönen und manche waren so groß wie Kirschen. Vater tauschte zwei schöne Rubine gegen zwanzig solche Perlen ein. Er war sich sicher, dass im fernen Reich des Khan die Menschen einen hohen Preis für jede einzelne bezahlen würden.

Wir Polos interessierten uns aber vor allem für den Tuchmarkt.