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ie kam Willi zu seinem Namen? Warum verschwindet Jojo bei jeder Gelegenheit? Wieso unterhält sich Paule immer mit dem alten Hannes? Und: Ist Schulz ein echter Insulaner, obwohl er aus Berlin kommt? Das sind so Fragen auf der kleinen Nordseeinsel, auf der die vier wohnen. Verzeihung: Die drei, denn Schulz ist zwar meistens, aber nicht immer da. Trotzdem sind sie eine echte Bande. Und erleben so ziemlich jedes Mal ein neues Abenteuer, wenn sie sich sehen ... Egal ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter. Was ihnen so alles passiert — mit gestrandeten Robben, gestohlenen Wikingeramuletten und einem echten Inselwettkampf —könnt Ihr selber lesen. Oder Euch vorlesen lassen. Oder anderen vorlesen. Ahoi!
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Seitenzahl: 75
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Silke Lambeck
Mit Bildernvon Lena Hesse
Ohdschie und der Schwarze Heuler
Eine echte Bande
Die Ahoibande entdeckt die Kunst
Schulz geht surfen
Paule und das Amulett
Jojo fährt Schlitten
Willi taucht ab
Schulz in love
Jojo und der Inselwettkampf
An diesem Mittwoch fragte sich Willi mal wieder, warum sein Vater eigentlich so vollkommen anders tickte als andere Erwachsene. Sicher, er machte dieselben Sachen wie andere Erwachsene auch: arbeiten. Regelmäßig Zähne putzen. Den Müll freiwillig runterbringen. Handschuhe anziehen.
Andererseits kannte er kein Kind, dessen Name auch nur annähernd so bescheuert war wie Willibald. Papa hatte den Namen seines Großonkels verbissen gegen jeden modischen Vorschlag seiner Frau verteidigt und sich im Laufe der Jahre nur auf das kürzere »Willi« runterhandeln lassen.
Noch schlimmer war nur der Name, den Papa für ihren Hund ausgesucht hatte. Am frühen Abend war er mit einem Bündel unterm Arm nach Hause gekommen, das weitgehend aus Fell bestand. Das Fellknäuel war vorne dunkel und hinten hell. Vorne lockig, hinten glatt. Unten guckten dünne Beine heraus. »Ein Mischling«, hatte Papa überflüssigerweise bemerkt. Der Hund machte kleine, elende Geräusche und pinkelte auf den Teppich. Dann lief er auf Willi zu und sah von unten zu ihm auf. Mama stand vollkommen regungslos mit verschränkten Armen da.
»Er heißt Ohnegleichen«, sagte Papa stolz.
»Was soll das für ein Name sein?«, fragte Willi.
»Na, der Name zum Hund«, antwortete Papa. »Er ist nun wirklich ohnegleichen.«
Willi wünschte sich seit Jahren einen Hund, und er hatte sich alles vorstellen können, vom Labrador bis zum Dackel. Dass er alles in einem Hund bekommen würde, hatte er nicht geahnt. Und er war sich nicht sicher, ob es das war, was er wollte.
Der Hund war mittlerweile zu Mama gelaufen, die sich bemühte, seinen flehenden Blick zu ignorieren. Er legte sich zu ihren Füßen. Mama starrte stur geradeaus.
Er winselte. Mama schwieg. Der Hund gab ein kleines, verzweifeltes Bellen von sich. Mama sah an die Decke. Er tat einen wackligen Schritt auf sie zu und rieb seinen Kopf an ihrem Bein. Mama sah zu ihm hinab. Dann sagte sie: »Aber ich gehe nicht mit ihm raus.«
Willi wusste, dass er jetzt gefragt war, und rief: »Ich gehe mit ihm raus!« Papa sagte rasch: »Ich natürlich auch«, und sah ihn dankbar an. Der Hund trottete auf Willi zu und legte ihm den Kopf auf den Oberschenkel.
Willi fuhr ihm durch das wuschelige Fell und stellte sich vor, wie er die Süderhoorner Strandpromenade hinunterlief und dabei laut »Ohnegleichen!« rief. Ihm wurde schon bei dem Gedanken heiß vor Scham. »Der Name ist zu lang«, sagte Willi.
»Nenn ihn Ogge«, schlug Papa vor.
Ogge! Willi sah seinen Vater entgeistert an. »Keine gute Idee«, murmelte er.
»Dir wird schon was einfallen«, sagte Papa. »Aber auf dem Namen bestehe ich!«
Der Abend war damit vergangen, Hundefutter zu besorgen, den Hund zum Pinkeln in den Garten zu bringen und zu hoffen, dass er wirklich nur im Garten pinkelte. Während Willi seine Englischaufgaben machte, rollte Ohnegleichen sich unter dem Tisch zu seinen Füßen zusammen und schlief augenblicklich ein. Willi übte das Alphabet auf Deutsch und Englisch: »A, B, C, D, E, F, G: Eij, Bi, Ci, Di, I, Eff, Dschii …« Er stockte. Natürlich! »Ogge« war doof. Aber »Ohdschie« hörte sich an wie ein cooler Rapper. Probehalber murmelte Willi leise: »Ohdschie«, und tatsächlich – der Hund hob den Kopf und wedelte mit dem Schwanz. Es sah fast so aus, als ob er sich freute, dachte Willi.
Am nächsten Morgen wurde Willi um kurz vor sechs Uhr von einem Jaulen geweckt. Der Hund hatte sich abends direkt vor seine Tür gelegt. Willi fand, dass er genauso gut gleich mit dem Gassigehen anfangen konnte. Die Sonne ging gerade auf, als er mit Ohdschie loslief. Das Meer wurde langsam blau und der Himmel glänzte hell. Willi fand es gar nicht mal so schlecht, den Tag auf diese Art zu beginnen.
Am Nachmittag war Willi mit Paule verabredet. Paule war seine beste Freundin und Willi wollte ihr unbedingt Ohdschie zeigen. »Ich hab mir schon immer einen Hund gewünscht!«, rief Paule begeistert.
»Ich wollte ihn dir aber nicht schenken«, sagte Willi.
Als es um drei Uhr bei Willi klingelte, begann Ohdschie laut zu bellen und sprang vor der Tür herum. Willi hielt ihn am Halsband fest und öffnete. Paule sah ihn mit großen und etwas ängstlichen Augen an. »Er bellt«, stellte sie fest.
»Hunde tun so was«, sagte Willi.
Paule war sehr schlank, hatte lange Locken und so dunkle Augen, dass sie selber hin und wieder vermutete, in Wirklichkeit ein ausgesetztes Kind zu sein, das ihre Eltern auf der Straße gefunden hatten. In Wahrheit war es allerdings ihre Urgroßmutter Lisbeth, deren Gene sich bei Paule – die eigentlich Pauline hieß – durchgesetzt hatten. An der Hand hielt Paule ihren kleinen Bruder Jojo. Er war erst sechs, und Paule schleppte ihn fast immer mit sich herum, weil ihre Eltern den ganzen Tag in ihrer Familienpension arbeiteten. Jojo war klein, dünn und rothaarig und meist sehr still. Das machte sich immer dann unangenehm bemerkbar, wenn er ohne ein Wort verschwand. Willi und Paule hatten schon viele Nachmittage damit zugebracht, Jojo zu suchen.
Ohdschie hörte unterdessen auf zu bellen und sah die Kinder erwartungsvoll an.
»Du kannst ihn ruhig mal streicheln«, schlug Willi vor und Paule strich ihm vorsichtig über das lockige Fell am Kopf. »Ich auch«, piepste Jojo und fuhr ihm mit seiner kleinen Hand über die Ohren. Willi holte die Leine und sie gingen los an den Strand. Sie hatten kaum die Straße betreten, als ihnen ein schlaksiger Junge mit nach unten gerutschten Hosen entgegenkam.
»Mann, Schulz!«, rief Willi erfreut. »Was machst du denn hier?«
Marko Schulzendorf, genannt Schulz, kam aus Berlin und besuchte in den Ferien immer seine Oma. Jetzt waren allerdings keine Ferien.
»Oma wird 65!«, brummte er. Das Schild seines Käppis hatte er nach hinten gedreht und auf sein T-Shirt war »Skate Republic« gedruckt. »Was geht ab?«
»Wir wollen an den Strand«, sagte Willi, »Kannst mitkommen.«
Leider war der Tag nicht mehr ganz so schön, wie er begonnen hatte. Der Himmel dräute dunkel und ein unangenehmer Wind kam auf. Sie streiften eine Weile am Strand entlang und suchten große Muscheln. Dann drehten sie einen Strandkorb so, dass er sie etwas vor dem Wind schützte. Von hier schauten sie aufs Meer, während Ohdschie aufgeregt vor ihnen herumsprang und darauf wartete, dass irgendjemand mit ihm spielte. Schließlich erbarmte sich Jojo und begann, ihm Stöckchen zuzuwerfen. Ohdschie schaute den Stöckchen interessiert hinterher und rührte sich nicht. »Das muss er erst lernen«, sagte Willi.
»Was’n das eigentlich für’n Hund?«, wollte Schulz wissen. »Sieht selbst gebastelt aus.«
Es war Flut und das Meer krachte mit Wucht an den Strand. Es glänzte nicht mehr hellblau wie am frühen Morgen, sondern schäumte grau und gefährlich. Und plötzlich sah Willi, wie sich eine schwarze Masse aus den Wellen schob und gleich darauf wieder untertauchte.
»Habt ihr das gesehen?«, fragte er. »Was?«, fragte Paule. »Da war was«, sagte Willi und zeigte in Richtung Wellen. Und tatsächlich: Wieder tauchte der dunkle Körper auf und verschwand gleich darauf. Schulz war aufgestanden und ein paar Schritte Richtung Wasser gelaufen. »Vielleicht ein Wal«, mutmaßte er beim Zurückkommen.
»Hier gibt’s keine Wale«, sagte Paule. Sie zwirbelte eine dunkle Locke um ihren Finger und sagte dann mit düsterer Stimme: »Vielleicht ist es der Schwarze Heuler.«
»Was soll das denn sein?«, fragte Schulz.
»Das ist eine riesige Robbe, die an Sturmtagen auftaucht und kleine Kinder ins Meer zieht«, sagte Willi. »Die Geschichte kennt hier jeder.«
Willi hatte die Geschichte natürlich nie geglaubt. Aber das Wesen hatte unheimlich ausgesehen. Und wenn es wirklich Kinder ins Meer zog …?
Außerdem fing es jetzt auch noch an zu regnen. »Lass uns abhauen«, schlug Willi vor. »Wir können noch eine Weile bei mir spielen.«
Am nächsten Tag stürmte es zwar noch, aber es regnete nicht mehr. Paule war der Meinung, dass sie aus dem vielen Strandgut ein Piratenschiff bauen konnten, aber zu ihrer Enttäuschung lagen nur ein paar Plastikflaschen und kleinere Bretter am Strand. »Wir können erst mal sammeln, was wir finden«, schlug Willi vor. »Dann sehen wir weiter.«
Zusammen mit Schulz suchten sie in den Dünen und hinter den Strandkörben, die verlassen gegen den Wind gedreht dastanden. Ohdschie sprang um sie herum und schien sich köstlich zu amüsieren. Sie merkten gar nicht, wie weit sie vom Ort abkamen, weil sie so damit beschäftigt waren, auf die Erde zu schauen. Plötzlich sagte Paule: »Oh, nein!«
Willi, der gerade ein verwaschenes Stück Seil entdeckt hatte, fragte: »Was ist denn los?«
»Jojo ist weg«, sagte Paule.
»Mist«, sagte Willi.
»Krass«, sagte Schulz.
Willi schaute den Strand hinunter. Er war menschenleer und nur die Möwen kreisten auf der Jagd nach Krebsen über dem feuchten Sand. »Wo hast du ihn denn zuletzt gesehen?«, fragte er.
»Als wir …«, Paule dachte nach, »als wir … angefangen haben zu suchen … glaube ich wenigstens.«
Der Wind war noch heftiger geworden und Paule sah sehr ängstlich aus.