Die Alles ist möglich-Lüge - Susanne Garsoffky - E-Book

Die Alles ist möglich-Lüge E-Book

Susanne Garsoffky

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Beschreibung

Gesellschaftlicher Sprengstoff

»Beruflicher Erfolg macht glücklich« und »Die Zukunft ist weiblich«. So tönt es uns derzeit allerorten entgegen. Wer das nicht glauben mag, weil er gegen den alltäglichen Wahnsinn kämpft, den der Versuch, Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen, mit sich bringt, dem wird gerne mit einem Killerargument begegnet: »Das ist doch alles nur eine Frage der Organisation«. Susanne Garsoffky und Britta Sembach entlarven diese Sätze als die Lügen, die sie sind, und fordern mehr Ehrlichkeit bei diesem Thema – denn wir können aus der Vereinbarkeitsmisere wieder herausfinden.

Wer Familie und Beruf gleichzeitig leben will, zahlt einen Preis – und dieser Preis ist hoch. Auch wenn man uns immer weismachen will, dass wir beides haben können – Kinder und Karriere – und dass alles möglich ist, so haben doch fast alle von uns am eigenen Leib erfahren, dass das einfach nicht stimmt. Da hilft es auch nichts, wenn man uns vermeintliche Vorbilder von Victoria Beckham bis Ursula von der Leyen vor die Nase hält, denn wir sind halt nicht so, sondern ganz normal. Es gibt keine Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und das ist auch keine Frage der Organisation. Es gibt nur ein Nebeneinander. Strukturelle Probleme verlagern wir auf das Individuum und das kann auf Dauer nicht gutgehen. Susanne Garsoffky und Britta Sembach geht es nicht um individuelle Lebensentwürfe und weitere Selbstoptimierungsversuche, sondern um gesellschaftliche Solidarität. Sie zeigen, wie mögliche Lösungen für unsere Gesellschaft aussehen könnten.

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Seitenzahl: 375

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Susanne GarsoffkyBritta Sembach

Die Alles ist möglich-Lüge

Wieso Familie und Berufnicht zu vereinbaren sind

Pantheon

Viele Frauen und Männer haben uns für dieses Buch ihre Geschichten erzählt. Wir haben ihre Namen und Lebensumstände geändert. Ihre Geschichten sind aber alle wahr und die Zitate authentisch.

Die in diesem Buch genannten Internetadressen waren zum Zeitpunkt der Drucklegung korrekt und wiesen keine illegalen Inhalte auf.

Der Pantheon Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH

Erste AuflageSeptember 2014

Copyright © 2014 by Pantheon Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Jorge Schmidt, MünchenSatz: Ditta Ahmadi, BerlinISBN 978-3-641-13732-8

www.pantheon-verlag.de

Inhalt

Einleitung

Lüge Nummer 1: Ich arbeite, also bin ich Die Gesellschaft stolpert über ihre Ökonomisierung

Ich arbeite, also bin ich

Hauptsache, mir geht’s gut

Arbeit ohne Grenzen

Arbeit und Fürsorge passen nicht zusammen

Die Fürsorge-Krise

Kümmern bleibt ein Frauenjob

Fürsorge ist unterschätzte Arbeit

Wer sorgt für den, der sorgt?

Die Unvollendete

Was Politikern hilft, hilft Familien noch lange nicht

Wie viel Einfluss hat Politik?

Welche Werte haben wir?

Lüge Nummer 2: Alles eine Frage der Organisation Wenn zwei voll arbeiten, weint dann der Dritte?

Modern Times

Welches Bild von Familie haben wir eigentlich?

Im Eiltempo in die Informationsgesellschaft

Warum wird die Familiendebatte so hoch emotional geführt?

Welche Bedürfnisse haben Kinder überhaupt?

Gut gebunden ist halb gelöst

Betreuung ja – aber bitte mit Sahne!

Wir wollen arbeiten – aber nicht so

Wir müssen über Liebe reden

Keine Besprechung nach 16 Uhr!

Wie sieht die Familie der Zukunft aus?

Auf die Haltung kommt es an

Wir organisieren uns zu Tode

Wider den Wahnsinn in der Lebensmitte

Wie die Spinne im Netz

Mehr Zeit im Alltag

Mehr Zeit im Leben

Lüge Nummer 3: Der neue Mann tut, was er kann Außer montags bis freitags zwischen acht und zwanzig Uhr

Neue Männer müssen bei null anfangen

Der neue Mann ist da!

Frauen sind schon lange »modern« – die Männer fangen gerade erst an

Das Bild vom »guten« Vater im Wandel der Zeit

Der »neue« Vater stößt immer wieder an Grenzen

Verantwortung ja – aber nur in homöopathischer Dosis

Unternehmen tun zu wenig für die Familie

Teilzeit für Männer – immer noch die Ausnahme

Familienfreundlichkeit ja – aber selten für Väter

Männer führen ganz oder gar nicht!

Warum es manchmal trotzdem geht

Männer haben ein ganz besonderes Vereinbarkeitsproblem

Wie Mann es macht, ist es verkehrt

Apropos Hausarbeit

Wollen wir ihn überhaupt, den neuen Mann?

Neue Väter brauchen neue Arbeitszeiten

Beim zweiten Mal wird alles anders

Wer hat Angst vorm neuen Mann?

Bricht uns die »Männerkultur« das Genick?

Die meisten Spitzenköche sind Männer …

Wie wird der Mann zum Mann?

Schwerter zu Staubsaugern!

Kinder brauchen ihre Väter

Lüge Nummer 4: Die Zukunft ist weiblich … und die Erde ist eine Scheibe

Lasst uns in Ruhe mit den Powerfrauen

Powerfrauen machen keinen Mut, sondern Druck

Sprecht endlich über den Preis

Karriere ohne Kinder oder Kinder ohne Karriere

Frauen auf dem Arbeitsmarkt

Frauen werden zu schlecht bezahlt

Mütter stehen unter Druck

Teilzeit darf keine Falle, sondern muss eine Chance sein!

Frauen bleiben in Minijobs kleben

Frauen in Vollzeit geht die Luft aus

Die Regeln machen die anderen

Bollwerke gegen alles, was anders ist

Die Macht der Stereotype

Die Zukunft sollte nicht männlich oder weiblich, sondern menschlich sein

Die Präsenzkultur ist von gestern

Eine Lebensbilanz schaffen

Lüge Nummer 5: Anderswo ist alles besser Das Märchen vom skandinavischen Erfolgsmodell und dem französischen Schlaraffenland

Frauenleben in Frankreich – Bonjour Tristesse

Wer früher startet, ist schneller am Ziel

Geld oder Kita – das ist hier die Frage

Allheilmittel Familiensplitting?

Ein Vorteil: die 35-Stunden-Woche

Das Prinzip der »freien Wahl« – Auch in Frankreich gibt es ein Betreuungsgeld

L’amour, l’amour!

Liebe mit Abstand

Eine neue Entwicklung: Gegenwehr

Trotzdem vom Nachbarn lernen?

Quelle surprise! Die Franzosen kritisieren ihre eigene Familienpolitik

Die kleinen Schwedinnen möchten aus dem Småland abgeholt werden

Småland – auf den ersten Blick perfekt

Das Familienmusterland

In Småland sorgt jeder für sich selber

40 Jahre Gleichstellung – aber immer noch Unterschiede

Die berufstätige Mutter steht auch in Småland unter Druck

Schweden kann nicht unser Vorbild sein

Wie wir leben wollen

Der Ausweg: Ein Leben in Wellen

Gleichstellung? Noch immer ein Traum

Die Probleme sind strukturell – nicht individuell!

Kulturwandel verzweifelt gesucht

Schluss mit dem Strukturchaos in der Familienpolitik

Familie gut, alles gut

Dank

Einleitung

Den Titel dieses Buches haben wir vorher immer wieder getestet. Vor allem an denen, die nach gängiger Lesart alles richtig machten, bei denen nach außen alles glatt lief. Familie, Beruf, Beziehung – alles tipptopp. Doch das schien nur so. »Alles-ist-möglich ist eine Lüge, genau!«, schrien sie auf. »Bei mir auch! Ich kann nicht mehr – ich dachte, es liegt an mir!« Aber passt bloß auf, warnten sie uns, so etwas darf man nicht laut sagen. Das klingt, als wolltet ihr alle zurück in die 50er verpflanzen. Und das will doch keiner. Wir wollen doch die Quote, wir müssen ehrgeizig, erfolgreich, mutig, unabhängig bleiben. Wir dürfen den jungen Familien nicht die Illusionen nehmen.

Wir haben das Buch trotzdem geschrieben und ihm diesen Titel gegeben – und greifen damit auch unseren eigenen Lebensentwurf der letzten zehn Jahre an. Als Journalistinnen, Redakteurinnen und Mütter von jeweils zwei Kindern gehören wir ebenfalls zu denjenigen, die von außen betrachtet (fast) alles richtig gemacht haben: Die Kinder brav nach einem halben Jahr in die Kita oder zumindest wochenweise an den Vater übergeben – nur nicht zu lange Ausfallzeiten im Job. Den richtigen Mann an der Seite, der Elternzeit genommen und konsequent auf Homeoffice bestanden hat. Auf dem Dreh, im Schnitt und in der Redaktion höchstens ein paar Anekdoten aus dem Familienalltag. Und erst auf dem Weg nach Hause die Angst, ob auch alles geklappt hat mit der neuen Kinderfrau, und die Trauer darüber, dass der Nachwuchs schon wieder schläft, wenn man endlich die Tür aufmacht.

Wir und unsere Familien haben am eigenen Leib erlebt: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt es nicht! Allein das Wort ist eine Beschönigung – und ab sofort wollen wir es am liebsten gar nicht mehr hören. Weil es die Wahrheit verschleiert. Weil es etwas vorgaukelt. Denn es gibt nur ein Nebeneinander zweier völlig unterschiedlicher Lebensbereiche, die sich, wenn man sie gleichzeitig ausübt, einfach nur addieren. Wer das nicht so sagt, belügt sich, uns und alle nachfolgenden Generationen. Diese Addition hat ihren Preis, den alle auf die eine oder andere Weise zahlen. Über diesen Preis redet aber keiner. Es hat letztlich nur mit den Lebensumständen, dem Umfeld und der individuellen Leidensfähigkeit eines jeden Einzelnen zu tun, wann der Preis zu hoch wird, wann das Fass überläuft.

Selbstverständlich kann man in Deutschland Kinder und einen Beruf haben. Ob man das »Vereinbarkeit« nennen kann, ist eine andere Frage. Denn um beides zufrieden stellend leben zu können, muss eine ganze Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein:

Ein Job, von dem finanziell auch etwas übrig bleibt, den man im besten Fall sinnvoll findet und der einen vielleicht sogar erfüllt.

Die Anerkennung, dass Mütter und Väter zusätzlich zu den Anforderungen im Beruf auch noch an die aktuellen Lebensumstände und die Zukunft anderer Menschen denken müssen. Deshalb haben Eltern Bedürfnisse und Zwänge, die man ernst nehmen und auf die man Rücksicht nehmen muss.

Ein Partner, der mithilft in der Familie. Oder – wenn es den nicht gibt, was bei der wachsenden Zahl von Alleinerziehenden der Fall ist – eine entsprechende finanzielle und ideelle Unterstützung durch den Staat und die Gesellschaft.

Dazu gehört eine gute und umfassende, aber auch flexible und bezahlbare Betreuung für Kinder jeden Alters. Jedenfalls so lange, bis sie sich um sich selber kümmern können. Und das dauert bekanntermaßen eine sehr, sehr lange Zeit.

Mindestens an einem dieser Punkte hakt es fast immer, meistens eher an zwei, drei oder vier. Ab wann man das nicht mehr aushält, entscheidet jeder selber. Wer in seiner persönlichen Gewinn- und Verlustrechnung mehr als drei oder vier Punkte auf der Soll-Seite hat, der ist – bei allem Respekt – möglicherweise nicht emanzipierter, sondern einfach leidensfähiger als andere.

Bei den Vorzeigefrauen – und es sind ja nur Frauen, die als neue Rollenmodelle herhalten müssen, weil bei hart arbeitenden Vätern kaum jemand fragt, wie sie die Vereinbarkeit schaffen – sind sehr viele der oben genannten Bedingungen erfüllt. Sie verdienen gut, können sich Kinderbetreuung kaufen, sie haben Aufstiegschancen und oft genug einen Partner, der den Löwenanteil der Familienarbeit übernimmt. Dann, aber auch nur dann, ist alles möglich. Wie es dabei mit der persönlichen Zufriedenheit und der Lebensqualität von Eltern und Kindern aussieht, steht auf einem anderen Blatt. Etwa die Frage, wie es dem Hausmann oder nur Teilzeit arbeitenden Vater mit diesem Arrangement geht. Ist er zufrieden, oder macht auch er sich in stillen Stunden Sorgen um seine Rolle und seine Rente?

Für die meisten arbeitenden Eltern jedoch sind sehr viele Punkte auf dieser Liste alles andere als optimal. Sie kämpfen sich ab in ihrem Alltag, um dem Alles ist möglich-Ideal zu entsprechen.

Den Preis für die Gleichzeitigkeit der beiden Lebensbereiche Beruf und Familie zahlen alle. Männer, Frauen und Kinder. Die Unternehmen, die gut ausgebildete, erfahrene Mitarbeiter mit Kindern – vor allem Frauen – verlieren, weil sie den Spagat unter diesen Bedingungen einfach nicht mehr aushalten. Und die Gesellschaft, die dadurch auf Steuerzahler verzichten muss.

Natürlich gibt es auch diejenigen, die den Preis mehr oder weniger locker zahlen, andere sind sogar ein bisschen stolz darauf. Wie ein Soldat auf seine Tapferkeitsmedaille. Die Mehrheit aber verzweifelt an dem Hin-und-hergerissen-Sein zwischen zwei Welten. Darum fragen wir uns nach unserer eigenen Wegstrecke, ob es nicht doch anders geht. Ob es nicht für alle einfacher, befriedigender und erfolgreicher sein könnte, wenn man Familie und Beruf nicht gleichzeitig macht. Und – unerhörter Gedanke – für ein solches Konzept der Ungleichzeitigkeit sogar noch politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Unterstützung fände.

Eine Frage, die wir uns am Anfang unserer Berufswege nie gestellt haben. Am Anfang stand: Alles ist möglich. Für wen, wenn nicht für uns? Die gut ausgebildete Mittelschicht-Generation der 60er/70er Jahre, aufgewachsen in Frieden und ständig wachsendem Wohlstand. Ein guter Job, klar. Eine Familie, später als unsere Eltern zwar, aber natürlich. Geht doch alles. Für alle.

Und immer hatten wir das gute Gefühl: Wir machen alles richtig. Bestätigung bekamen wir von Politik und Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Das neue Unterhaltsrecht, verabschiedet von einer Großen Koalition, fordert beide Ehepartner auf, unbedingt wirtschaftlich unabhängig voneinander zu bleiben. Die Wissenschaft warnt seit Jahren vor dem Armutsrisiko Familie und den löchrigen Erwerbsbiografien vor allem vieler Frauen. Die Wirtschaft beklagt den Fachkräftemangel und die Gesellschaft die niedrigen Geburtenraten. Die von allen gepriesene Lösung: die Gründung einer Familie, gepaart mit der eigenen wirtschaftlichen Unabhängigkeit.

Doch das hat Folgen:

– Das Müttergenesungswerk schlägt Alarm: Der Anteil der Mütter, die mit Erschöpfungssyndrom bis hin zum Burn-out in Kliniken kommen, hat sich zwischen 2002 und 2012 um mehr als 30 Prozent erhöht.

– Die Vorwerk-Familienstudie 2012 stellt fest, dass deutsche Familien unter Zeitnot leiden und Eltern sich zwischen Beruf und Privatleben aufreiben.

– Nach einer repräsentativen Umfrage von 2012 der mittlerweile eingestellten Financial Times Deutschland leiden sogar 58 Prozent der Eltern unter handfesten, stressbedingten gesundheitlichen Beschwerden.

– Die Geburtenrate in Deutschland ist auf einem historischen Tiefstand – vor allem Akademikerinnen bleiben kinderlos.

Etwas ungläubig schauen wir auf die Studien und Zahlen und müssen erkennen: Wir sind der Alles ist möglich-Lüge aufgesessen. Wir sind belogen worden und haben uns selber belogen. Das Perfide daran ist: In jeder Lüge steckt ein Körnchen Wahrheit. Deshalb haben wir so lange gebraucht, um sie zu entlarven. Und dann sitzen wir eines Abends vor dem Fernseher. Talkshow, Familiendebatte – wir wollen fast schon wieder umschalten, da sehen wir ihn: den Sozialromantiker der CDU, Norbert Blüm. Blüm – das ist doch der »Die Rente ist sicher«-Mann, der schon längst in derselben ist. Was macht der denn in einer solchen Sendung, und das im Jahr 2013? Und dann hören wir ihm zu, dem Dinosaurier der Kohl-Ära. Er spricht von der »Verwirtschaftlichung« der Familie, von fehlender Zeit füreinander und dass man die einzelnen Mitglieder der Familien nicht getrennt, sondern zusammen betrachten müsste. Als Team, nur so sei es zu schaffen. Und dass wir einen eindimensionalen Blick auf Arbeit als reine Erwerbsarbeit haben. Dass wir Familienarbeit nicht würdigen.

Die Vertreter von Wissenschaft und Politik, die neben Herrn Blüm im Fernsehen sitzen, feuern reflexartig zurück mit dem neuen Familienbild einer modernen Gesellschaft, der neuen Definition von Beziehungen, dem Armutsrisiko Familie und so weiter und so fort. Aber wir, wir ertappen uns das allererste Mal in unserem Leben dabei, dass wir Norbert Blüms (!) Analyse in Teilen nachvollziehen können. Mein Gott, sind wir wirklich so konservativ geworden? Familie, das macht man doch nebenbei. Das ist doch kein Lebensinhalt. Oder?

Lüge Nummer 1: Ich arbeite, also bin ich Die Gesellschaft stolpert über ihre Ökonomisierung

Als die Zusage vom Verlag kam, waren wir erleichtert. Wenn uns jetzt jemand fragt: Und? Was machst du so? Können wir sagen: Wir schreiben ein Buch. Das klingt gut und wichtig – und nach Arbeit. Nach richtiger, echter, bezahlter Arbeit.

Es klingt nicht mehr nach: Wir wecken die Kinder morgens, schauen, dass sie gewaschen, satt und einigermaßen zufrieden in die Schule kommen, und machen dann die Küche und die Wäsche. Also nach: Wir machen die doofe Hausarbeit, die eigentlich keiner machen will.

Ja, wir definieren uns über unseren Beruf. Haben wir immer getan. Und ja, beruflicher Erfolg ist toll. Das Gefühl, gewollt, gut, sogar besser zu sein als andere, ist überaus wohltuend. Beruflicher Erfolg steigert den Selbstwert, füllt das Konto – und verschafft einem gesellschaftliches Ansehen.

Natürlich haben auch wir all die Ratgeber gelesen, in denen gepredigt wird, dass Erfolg ach so flüchtig ist und deshalb nie zu wichtig werden darf. Ist er uns aber. Wir wollen gut sein in dem, was wir tun. Und wir wollen, dass andere das sehen und schätzen.

Wir wollen aber auch Zeit für die anderen Dinge, die uns wichtig sind: unsere Kinder, unseren Partner, unsere Familie, unsere Freunde und schließlich für uns selbst. Nach langer Zeit mussten wir in unseren alten Berufen feststellen: Beides zusammen geht nicht. Zumindest nicht in Deutschland. Hier ist beruflicher Erfolg immer noch in fast allen Branchen gekoppelt an Vollzeitstellen, lange Anwesenheit und viel Verfügbarkeit. Das Leben außerhalb der Arbeit darf höchstens als lustige Anekdote in der Kaffeeküche oder beim Plausch im Büro stattfinden.

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