Die Art(en) der Frauen - Horst G. T. Müller - E-Book

Die Art(en) der Frauen E-Book

Horst G. T. Müller

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Beschreibung

Hendriks untreue Frau stirbt vor der Scheidung. Als "Wiedergutmachung" hinterläßt sie ihm ein großes Vermögen, das ihn in die Lage versetzt, über seine berufliche Tätigkeit völlig neu nachzudenken. Er kündigt seinen Job und beschließt, ein Buch über die Arten der Frauen zu schreiben. Mit seinen bisherigen Kenntnissen teilt er die Frauen zunächst in fünf Gruppen ein: Fraulinge, Weiber, Frauen, Frauchen und Heimchen. Um seine Erfahrungen zu erweitern, schaltet er Anzeigen und gibt sich als Verheirateter aus, um in kurzer Zeit möglichst viele Frauen unverbindlich kennen zu lernen. Seine "Zuschriften" bewertet er während seiner humorvollen Recherchen im selbst entworfenen Schema nach "Weiblichkeit": 1. sehr beeindruckend bis 3. kaum entwickelt; sowie "Sexualität": A-Klasse, leidenschaftlich, ideenreich, hemmungslos, bis D-Klasse, lahm, trieblos. Mit Humor widmet sich der Autor diesen wichtigen Seiten der Partnerschaften.

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Seitenzahl: 314

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Horst G. T. Müller

Die Art(en) der Frauen

Ein humoristischer Roman über die Beziehungen zwischen Frauen und Männer

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Impressum neobooks

Kapitel 1

Die Sonne lugte mitleidig zwischen zwei hoch gewachsenen Tannen auf die schwarz gekleidete Gruppe von Menschen, die sich an einer rechteckigen Grube versammelt hatte. Rechts daneben türmte sich die Erde zu einem ansehnlichen Haufen, und links wartete ein reich verzierter Sarg darauf, in die Grube versenkt zu werden.

In dieser mit feinem Damast ausgeschlagenen Kiste aus dunklem Edelholz lag meine achtunddreißig Jahre junge Frau auf weichen Polstern in ihrem seidenen Kimono. So wollte sie einmal beerdigt werden, hatte sie bei einer ihrer vielen Partys kundgetan. Allerdings ahnte sie da wohl nicht, dass sie diesen Kimono so schnell anhaben werde. Oder doch?

Sie war zu Modeaufnahmen in der Türkei gewesen. Auf dem Rückweg von einer Party war sie nachts von der Fahrbahn abgekommen und an der Mittelmeerküste zwischen Antalya und Kemer mit ihrem Mercedes in das Meer gestürzt.

So die offizielle Variante!

Inoffiziell kam sie von ihrem derzeitigen Geliebten, einem reichen türkischen Hotelier, schwarzhaarig, mit glühenden Kohlenaugen und der Gabe, hübschen Westeuropäerinnen unter der Glut der Mittelmeersonne und angesichts des azurblauen Meeres den Kopf und die Sinne zu verdrehen. Und Tasminia war eine sehr hübsche Frau, eins fünfundsiebzig groß mit den Modelmaßen neunzig-neunundfünfzig-neunzig.

Leider konnte ich nicht mit einem blauen Meer dienen. Hinter meinem Haus in einer idyllischen Kleinstadt, eine halbe Autostunde von der Finanzmetropole Frankfurt entfernt, floss nur ein müder kleiner Bach. Dafür hatte ich aber blaue Augen. Doch was waren die schon gegen das Feuer schwarzer Augen eines reichen Türken. Es hatte mich eine Stange Geld gekostet, die Umstände des Unfalltodes meiner Frau von einem Detektiv untersuchen zu lassen. Offenbar hatte sie sich von ihrem Geliebten schwer trennen können und war erst in letzter Minute in ihren Mietwagen gestiegen, um den Rückflug nicht zu verpassen. Bei der angeordneten Obduktion waren 1,2 Promille Alkohol festgestellt worden. Merkwürdig! In meinem Beisein trank sie immer nur ein oder zwei Gläser Champagner beziehungsweise Wein.

Aber so ist das wohl mit den Frauen, besonders mit den hübschen: Wenn ihre Partner nicht dabei sind, werden sie von brünstigen Jägern gejagt und oft genug auch erlegt. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich viele gern erlegen lassen. Zu dieser Kategorie gehörte auch Tasminia.

Pfarrer Niederheim erinnerte mit seiner getragenen Altstimme sehr blumenreich an die hervorstechenden guten Eigenschaften der Verblichenen. Da waren solche dabei, die ich noch nie an ihr festgestellt hatte. Nun ja, katholische Pfarrer kennen die Frauen eben besser als wir Ehemänner. Doch als er von ihrer Treue und großen Liebe zu mir sprach, da schien sogar die Sonne hinter einer leichten Wolke zu erröten.

Täuschte ich mich, oder sah der Agenturleiter Wendisch spöttisch zu mir herüber? Auch mein rechter Nachbar, Herr Rabattick, ein erfolgreicher Kaufmann mit Stirnglatze, sportlicher Figur, verheiratet und als Jäger der beschriebenen Sorte bekannt, lugte unter halb gesenkten Lidern hämisch in meine Richtung.

Langsam ließ ich meine Blicke über die etwa achtzig Trauernden gleiten. Einige hatte ich noch nie gesehen oder konnte mich nicht mehr an sie erinnern. Ich wusste, mindestens sechs von ihnen kannten die zwei kleinen Leberflecke meiner Frau oberhalb des Schambeines. Wendisch gehörte auch dazu. Wie viel waren es noch?

Ich hatte meine Scheidung vorbereitet und aus diesem Grund einen Privatdetektiv mit Recherchen beauftragt. Das Geld hätte ich mir sparen können. Aber ihren Tod hatte ich auf keinen Fall gewollt. Welch eine völlig absurde Lösung meines Problems! Obwohl ... Nun ja, sie hatte mich mit ihren Seitensprüngen, da waren ganz kapitale Sprünge dabei, mächtig blamiert. Wenn ich sie zur Rede stellte, hatte sie nur gelacht und gefragt, ob ich im Bett nicht zufrieden mit ihr wäre.

Am liebsten hatte sie es mit verheirateten Männern getrieben. Wahrscheinlich, weil die keine Forderungen an sie stellen konnten, und das Angebot ehemüder Männer war unerschöpflich.

Der Pfarrer leierte irgendeinen Psalm herunter, und als ich meinen Blick wieder auf die Trauernden warf, war mir, als betrachtete mich auch der Bäckermeister Streuseling, mein linker Hausnachbar, unter gesenkten Lidern spöttisch. Dass meine Frau mit ihm etwas hatte, war mir bisher nicht bekannt. Aber wer weiß, wie viele es noch mit Tasminia ...

Wenn ich durch die Straßen meiner Heimatstadt ging, hatte ich sehr oft das Gefühl, dass spöttische Blicke über meine Gestalt glitten und leises Hohngelächter hinter mir erklang. Oh, das tat sehr weh! Der Tod meiner Frau füllte tagelang die Klatschspalten der Lokalpresse. Für entsprechende Recherchen blieb genügend Zeit, denn die Überführung aus der Türkei dauerte ziemlich lange.

Jemand stieß mich leicht in die Seite. Mein Freund Thomas Telsen, ein schlanker blonder Typ von siebenundvierzig Jahren, deutete mit leichtem Nicken des Kopfes auf den Pfarrer, der geweihtes Wasser auf den Sarg spritzte, bevor er von vier kräftigen Männern mit gleichmütigen Gesichtern langsam in die Grube gesenkt wurde.

Ja, so enden wir alle irgendwann einmal. Wohl dem, der dann von da unten aus resümieren kann: Mein Leben war toll! Ich habe immer volle Kanne gelebt, habe genossen, wovon die meisten nicht mal träumen können.

Tasminia hatte das offenbar schon ab neunzehn gekonnt, denn da begann ihre Modelkarriere.

Der Sarg hatte nun sein Ziel erreicht. Ein vorsichtiger Blick auf die versammelte Trauergesellschaft zeigte mir, dass alle andächtig auf die letzte Ruhestätte starrten. Wer weiß, was jetzt in den einzelnen Köpfen vor sich ging? Mancher Mann nahm sich vielleicht angesichts des Todes vor, seine Frau nicht mehr zu belügen. Ob wohl auch Frauen dabei waren, die künftig Seitensprünge aus ihrem Freizeitprogramm streichen wollten? Aber auch gegenteilige Überlegungen waren durchaus möglich. Ich war mir ziemlich sicher, dass so mancher Mann oder so manche Frau sich angesichts des vergänglichen Lebens sagte: jetzt gerade! Das Leben ist viel zu kurz, um schon zu Lebzeiten jeder Sünde zu entsagen. Außerdem wusste keiner genau, ob das, was die Politiker mit ihren Gesetzen verboten, oder was den gegenwärtigen moralischen Normen nicht entsprach, nach dem Tod wirklich als Sünde angerechnet wird. Vielleicht machten wir uns in dieser Hinsicht völlig unnötige Sorgen. Ich versuchte mich zu konzentrieren. Sicher erwartete man von mir ein trauriges Gesicht, vom Schmerz über den großen Verlust verzerrt. Ich versuchte es. Viel Talent brauchte ich dazu nicht, denn Tasminias Tod berührte mich trotz allem sehr. Es ist hauptsächlich der Moment, wenn der Sarg das Ende der Grube erreicht hat, der die Seele in uns Menschen besonders traurig berührt.

Mein Freund stieß mich wieder leicht an. „Beugen!“ zischte er kaum hörbar zwischen den Zähnen hervor. Ich bemühte mich, meiner Gestalt ein gramgebeugtes Aussehen zu geben. Wir stimmten vor der Beerdigung darin überein, dass mir niemand eine gewisse Erleichterung über den Tod meiner Frau anmerken sollte. Über die Erleichterung schämte ich mich zwar, aber sie war nun mal da.

Ja, heutzutage war jeder, der sich der Mittelklasse zugehörig glaubte, ein Schauspieler. Manche brachten es dabei zu oscar- und bambireifen Leistungen.

Thomas drückte mir eine kleine Schaufel in die Hand. Ich tat, was man von mir erwartete. Danach trat ich drei Schritte zur Seite, um andere meinem Beispiel folgen zu lassen.

Zuerst drückte mir mein Vater die Hand, dann meine Schwiegermutter Grete und mein Schwiegervater Manfred. Es folgten die besten Freundinnen meiner Frau, Eva-Maria, Birgit und Susanne. Danach ... Während ich ehrliche Anteilnahme dankbar entgegennahm, reifte bei der, wie ich meinte, spöttischen Anteilnahme einiger Trauergäste ein Entschluss in mir, der mein weiteres Leben ziemlich durcheinander bringen sollte.

Drei Wochen später saß ich zu Hause auf meinem Lieblingsplatz am Schreibtisch, sah vergnügt, aber etwas beschämt – schließlich hatte ich Trauer zu haben – auf die kleine Wiese hinter meinem Haus und versuchte, eine Bilanz meines bisherigen Lebens zu ziehen. Ich war jetzt achtundvierzig Jahre alt. Das ist ein Alter, in dem normalerweise ein Mann sein Leben und seine Finanzen fest im Griff haben sollte. Schließlich kann man von jedem Fleißigen erwarten, dass er bis dahin die vielen Möglichkeiten, gutes Geld zu verdienen, erfolgreich genutzt hat. Ich hatte mir zwar große Mühe gegeben, war aber mit dem Ergebnis noch nicht ganz zufrieden. Als Abteilungsleiter einer Bankfiliale hatte ich nicht so viel bekommen, wie ich eigentlich verdient hätte. Vorsichtige Aktienspekulationen hatten mir hin und wieder ein paar Tausender eingebracht. Trotzdem, was war das schon gegen die horrenden Summen, die andere bekamen.

Tasminia hat, was ich nicht gewusst hatte, ein Testament hinterlassen. Bei der Eröffnung vor acht Tagen hatte der Notar unter anderem Folgendes vorgelesen: „Mein lieber Hendrik, Du hast mich gehalten als ich fallen wollte, hast mir neue Kraft und Zuversicht gegeben. Deine Liebe hat mich wieder aufgebaut. Dafür danke ich Dir von ganzem Herzen. Leider habe ich Dir viel Kummer bereitet. Meine unersättliche Gier trieb mich zu immer neuen Abenteuern. Es soll keine Entschuldigung sein, aber ein Model unterliegt diesbezüglich vielen Anfechtungen und hat auch immer immense Möglichkeiten. Bitte verzeih mir jetzt, wenn Du kannst!“

Der Notar räusperte sich an dieser Stelle und warf einen mitleidigen Blick auf mich.

„Ich habe mein Leben in vollen Zügen genossen und wünsche mir, dass Du das nun ebenfalls tust.“ Diesmal traf mich ein erstaunter Blick des Vorlesenden. „Meinen Eltern soll eine halbe Million Euro ausgezahlt werden. Ich weiß heute noch nicht, wie hoch mein Bankkonto zum Zeitpunkt meines Todes sein wird, aber ich hoffe, Dich mit dem Rest angenehm zu überraschen. Nimm es bitte als Entschädigung für all das Leid, das ich Dir bereitet habe.“

Oh, die Entschädigung war sensationell. Der Kontostand betrug genau

2 935 062 Euro. Der „Rest“ von fast zweieinhalb Millionen war also sehr beachtlich. Bei der Heirat vor acht Jahren hatten wir getrennte Finanzen vereinbart. Ich wusste zwar, dass sie vermögend war, aber mit dieser Summe hatte ich nicht gerechnet.

Danke Tasminia!

Aber das war nicht alles. Im Testament stand noch Folgendes: „Vor zwei Jahren habe ich mir ein kleines Liebesnest in Frankfurt gekauft. Ach, jetzt bist Du mir bestimmt richtig böse. Aber nun stört es mich eigentlich auch nicht mehr.“

Schwiegervater Manfred schaute verlegen auf die Tischplatte.

„Jetzt musst Du es ja wissen, denn auch das sollst Du von mir bekommen.“

Schwiegermutter Grete schnaubte entrüstet.

„Wie wäre es, wenn Du die Wohnung ebenfalls für diskrete Liebesstunden nutzen würdest?“ Es folgten kurze Hinweise über die Unterlagen und die Schlüssel der Wohnung.

Ich hatte schnell nachgerechnet: Das Testament war vor elf Monaten aufgesetzt worden. Also hatte mich Tasminia auch dort in ihrem Liebesnest seit fast drei Jahren betrogen. Eine Erkenntnis, die mein Selbstwertgefühl mächtig nach unten drückte. Ich hatte den Privatdetektiv erst sechs Wochen vor Tasminias Tod mit Recherchen über ihre Seitensprünge beauftragt. Über eine geheime Wohnung hatte er mir allerdings nichts berichtet. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass Tasminia in dieser Zeit ihr Liebesnest nicht für amouröse Abenteuer genutzt hat. Wie oft hatte ich vergebens versucht, Tasminia am Abend über ihr Handy zu erreichen. Einmal war sie angeblich am Ort ihrer Modeaufnahmen in der Oper, ein anderes Mal im Konzert. Ihre Ausreden, warum sie ihr Handy nicht auf Empfang ließ, waren unerschöpflich. Doch sie war zumindest so clever, mir immer Orte zu nennen, an denen ein Handyempfang nicht erwünscht war. Kurz vor ihrem Tod hatte mein Privatdetektiv herausgefunden, dass sie von einem Techniker eine Liste über solche Orte erhalten hatte.

„Genieße Dein Leben und lass mich dabei, wo immer ich dann auch sein werde, wohlwollend zusehen. Nur, bitte sei mir nicht mehr böse!“

Diesmal hatten mich erstaunte Blicke von den Schwiegereltern und vom Notar getroffen.

Nein, böse konnte ich ihr jetzt, weiß Gott, nicht mehr sein. Eher tat sie mir Leid, meine liebestolle Tasminia. Sie war bereits im ... Wohin kam überhaupt eine Ehebrecherin? Ich jedoch war noch am Leben. Aber wobei wollte sie mir schon zusehen? Ich hatte keinen Grund, mich heimlich mit sexhungrigen Frauen in der geerbten Wohnung zu treffen. So dachte ich damals, aber das sollte sich bald ändern. Mit Tasminias Erbe war ich nun in der glücklichen Lage, über mein weiteres Berufsleben völlig neu nachdenken zu können.

Was gehört noch zu einer Bilanz?

Mit eins neunundsiebzig Zentimeter Größe bewegte ich mich im Mittelfeld der Männerriege. Ich war schlank, und das war gut so. Durch regelmäßiges Jogging und gelegentliche Besuche im Fitnessstudio sollte das auch so bleiben. Ich verfügte über ein markantes männliches Gesicht, wie Tasminia es bezeichnet hatte. Unter einer hohen Stirn ragte eine schmale Nase hervor und darunter befand sich ein ausgeprägter Mund mit vollen Lippen. Der hellbraune Haaransatz wies leichte Geheimratsecken aus und war hier und da mit ersten grauen Haaren durchsetzt. Alles in allem war ich mit meinem Aussehen recht zufrieden. Reklamationen bei den Eltern wären ohnehin nicht mehr von Erfolg gekrönt. Nachdem man erwachsen war und ohne Hilfe denken konnte, hatte man es selber in der Hand, den Rohling weiter zu formen. Und genau das taten, wie täglich zu bemerken war, die Menschen mit sehr unterschiedlichem Erfolg. Ich rauchte nicht und trank ... na ja, wie jeder normale Mitteleuropäer ... gelegentlich ein paar Gläser.

Da ich erst mit vierzig Jahren geheiratet hatte, war mir bei aller Bescheidenheit eine gewisse Kenntnis der Frauen und ihrer Psyche nicht verborgen geblieben.

Meine Blicke folgten einem bunten Schmetterling, der beschwingt über die Wiese flog, um sich dann gemeinsam mit den bereits angekommenen Artgenossen an dem süßen Nektar des zwei Meter hohen Schmetterlingsflieders zu berauschen. Man müsste es den Schmetterlingen nachtun und sich am süßen Leben laben, so wie es Tasminia getan hatte. Aber wie? Als einigermaßen aussehender Mann, nun auch noch vermögend, allem Neuen gegenüber aufgeschlossen, war ich für die Freuden des Lebens noch lange nicht zu alt. Ich wusste von manchen Gesprächen in diskreten Herrenrunden, dass Männer im Allgemeinen kaum eine Gelegenheit auslassen, ihre Frauen zu betrügen. Andererseits war eine gewisse Art Frauen unter bestimmten Umständen bereit, es den seitenspringenden Männern gleich zu tun. Eingeweihte behaupteten, jede verheiratete oder gebundene Frau sei verführbar. Eine interessante These, die zu beweisen wäre.

Doch zurück zu meiner Bilanz.

Meine Ehe mit Tasminia war kinderlos geblieben. Nein, es lag wahrscheinlich nicht an mir. Sie wollte nicht. Sie war der Meinung, ein Model müsse sich entscheiden: entweder beruflichen Erfolg oder Heimchen mit Kindern von einem vermögenden und erfolgreichen Mann. Ich wusste, viele schöne Frauen dachten so und verkauften sich an den meistbietenden Mann. Nun, Tasminia war da offenbar die berühmte Ausnahme und hatte bei mir mehr die inneren Werte gesucht. ( Hoffentlich! )

Und die erfolgreichen alternden Männer? Sie nutzten das ständig nachwachsende Frischfleisch zu ihrer Sättigung. Aber welcher arme Mann würde sich nicht auch gern an dem reich gedeckten Gabentisch bedienen?

Tasminia hatte ja auch einiges zu bieten. Sie war mit Leib und Seele Model, pflegte ihren wohlgestalteten Körper und achtete streng darauf, dass er so blieb. Die Tatsache, dass sie in ihrem Alter immer noch im Geschäft war, verdankte sie sicher dieser Einstellung.

Allerdings wusste ich nun mit achtundvierzig immer noch nicht, ob ich überhaupt fähig war, Nachwuchs zu produzieren. Sollte ich es testen und mich als älterer Herr hinter einem Kinderwagen lächerlich machen?

Die Hausglocke schlug an. Ein Blick auf den Monitor zeigte mir das zähnefletschende Gesicht meines Freundes Thomas Telsen an der kleinen Pforte. Mit diesem Gesicht ließ er mich immer wissen, dass er gute Laune hatte. Also musste ich meine Bilanz erst einmal unterbrechen.

Fünf Wochen später saß ich wieder an meinem heimatlichen Schreibtisch. Der Herbst hatte die ersten Blätter der Bäume und Sträucher mit verschwenderischen Farben geschmückt, so als wollte er ihnen damit noch eine Freude bereiten, bevor sie sich aus ihrem Dasein verabschieden mussten. Auf der Wiese hinter meinem Haus sahen ein paar Gänseblümchen traurig ihrem nahen Ende entgegen. Melancholisch saßen die wenigen verbliebenen Singvögel auf ihren Lieblingsplätzen. Die erregend schöne Zeit, als sie den Liebesakt mit ihren Weibchen vollzogen und ihnen als kleine Minnesänger Ständchen brachten, war längst vorbei.

Ich wollte meinem Leben einen neuen Kick, eine neue Herausforderung geben. Warum sollte ich noch meinen Sessel in der Bank absitzen? Sechsundzwanzig Jahre Dienst am Bankkunden reichten erst mal. Denn so interessant war eine solche Tätigkeit nun auch wieder nicht. Vor vier Wochen ging der Leiter meiner Filiale in Pension. Alle dachten nun, dass ich den Posten bekommen würde, aber weit gefehlt. Der Vorstand setzte uns den neunundzwanzigjährigen Sohn eines Bankiers vor die Nase. Wenn ich vorher noch überlegt hatte, so war nun mein Entschluss gefasst. Mit einem Aufhebungsvertrag und einer Abfindung beendete ich vorläufig meine Bankkarriere. Nun war ich frei und konnte machen, was ich wollte. Welch eine tolle Perspektive! Noch einmal: Danke, Tasminia!

Ich hatte den ersten Tag meines neuen Lebens am Wandkalender mit einem roten Viereck versehen. Es war der 17. Oktober 2004.

Ich wollte mir einen lang gehegten Wunsch erfüllen und einen Roman schreiben. Wohl wissend, dass unzählige dies versuchten. Egal! Das Thema war vor Wochen aus meiner betrogenen und geschändeten Seele heraus gewachsen und hatte sich im Verlauf meiner Überlegungen vom zarten Pflänzchen über die üppige Pflanze bis zum alles andere überwuchernden Dickicht entwickelt. Im Mittelpunkt sollte eine verheiratete Frau stehen, die ihren Mann ständig betrog und die dieser eines Tages in Form eines perfekten Verbrechens ermordete. Und diesmal würde weder Columbo noch irgendein Tatort-Kommissar den rächenden Mörder überführen. Gewiss, das war keine neue Geschichte, aber eine abschreckende Bestrafung war angesichts der seitenspringenden Frauen notwendiger als jemals zuvor.

Am Abend des Tages, an dem mir diese blutrünstige Idee gekommen war, hörte ich in den Nachrichten, dass ein betrogener achtunddreißigjähriger Ehemann seine Frau und seine beiden Kinder brutal mit der Axt erschlagen hatte. In der folgenden Nacht war ich entsetzt aus dem Schlaf hochgefahren. Angewidert schleuderte ich das vermeintliche bluttriefende Hackmesser aus der Hand, mit dem ich soeben Tasminia zerstückelt hatte. Unendlich erleichtert stellte ich fest, dass sie nicht blutüberströmt, in Einzelteile zerlegt, neben mir im Bett lag.

Was für ein entsetzlicher Traum! Welch eine Ausgeburt der Fantasie!

Sollte ich vielleicht den Fernsehsender verklagen, der mir am Abend die blutige Meldung frei Haus geliefert hat und damit eindeutig schuld an meinem Albtraum war? Lange Zeit danach wälzte ich mich ruhelos im Bett herum und war sehr froh, als sich endlich um sieben Uhr der Radiowecker mit den Nachrichten einschaltete.

Erleichtert hatte ich nach dem Aufstehen festgestellt, dass mein Zorn über Tasminias Seitensprünge vorläufig verraucht war. Das wuchernde Dickicht war verschwunden. Ich konnte wieder nüchtern denken. Sicher trug dazu bei, dass ich Tasminia im Schlaf zerhackt hatte. Damit war die Ehre wieder hergestellt. Schon nach dem dritten Bissen am Frühstückstisch war mir damals klar, ich wollte nun keinen blutrünstigen Krimi mehr schreiben. Nein! Es gab auf der Welt, weiß Gott, schon genügend Mord und Totschlag. Auch im Fernsehen wurden jeden Tag Dutzende Menschen erschlagen, erstochen oder auf andere bestialische Weise umgebracht. Kaum einem Regisseur reichte heutzutage ein Toter. Es mussten immer mehr Serienmörder sein, die ihre Mitmenschen reihenweise abschlachteten. Welche Steigerung war da noch möglich?

Lieber wollte ich etwas Lustiges, Humorvolles schreiben. Aber was und worüber? Frauen sind doch eigentlich das Schönste, was uns Männern auf der Erde begegnet, überlegte ich weiter. Na ja, es gibt sicher auch viele ehrliche, treue Frauen, Labsal und Kraftquell für jeden Mann, versuchte ich die aufkommenden Zweifel in mir zu zerstreuen. Warum nicht über sie schreiben, über ihre Art, sich in der von Männern dominierten Welt durchzuboxen? Und wahrhaftig, da hatten es die Frauen nicht leicht. Muss man da nicht ab und zu doch ein Auge zu kneifen und ihnen einen Vorschuss an Anerkennung und Verständnis einräumen?

Gut! Nach gründlichen Überlegungen entschloss ich mich, ein humoristisches Buch über die Art(en) der Frauen zu schreiben. Das Verhältnis zwischen den beiden Geschlechtern war oft ernst genug, da konnte eine solche Betrachtungsweise nicht schaden. Klar, mein bisheriges Wissen über das andere Geschlecht reichte dafür nicht aus. Ergänzende Studien waren notwendig. Aber es sollte keine wissenschaftliche Betrachtung, sondern eben eine humorvolle Darstellung der Menschengattung werden, die uns Männern bei allem Frust und allem Leid so viel Lust und Freude bereitete. Und damit wollte ich mich zugleich für das rächen, was mir Tasminia mit verheirateten Männern für eine Schmach angetan hatte. Solchen Männern wollte ich nun auch Hörner oder ein ganzes Geweih aufsetzen. Ja, Rache ist süß, und bei diesem Gegenstand in doppelter Bedeutung. Außerdem hatte ich mir bei der Beerdigung vorgenommen, mich zu rächen.

Ich wollte Frauen über Kontaktanzeigen kennen lernen.

Mein Freund Thomas, selbst ein ungebundener Frauenkenner, sagte immer: „Es gibt so viele wunderbare Frauen. Sie haben es nicht verdient, über lange Zeit das Joch einer festen Beziehung tragen und sich mit müden, faulen Langweilern grämen zu müssen.“

Nun, darüber lässt sich streiten. Thomas denkt dabei vor allem an sich und nicht an die gesellschaftliche Bedeutung einer Familie. Aber nachdem ich ihm von meinen Plänen erzählt hatte, sah er mich lange nachdenklich an und sagte dann bewundernd: „Hendrik Menden, ich kenne dich jetzt schon viele Jahre, aber dass du deinen Job aufgibst und dir solche kühnen Ziele stellst, hätte ich dir nie zugetraut. Donnerwetter! Deine Buchidee gefällt mir aber so gut, dass ich selber auch gern solche gezielten Studien betreiben würde.“

Ja, ja, der alte Genießer! Als er seine Überraschung überwunden hatte, gab er mir eine Kostprobe seiner überragenden Fähigkeit, Neues sofort mit waghalsigen Ideen umsetzen zu wollen.

„Wenn du dich nicht lange an deinem Erstlingswerk festhalten willst, dann musst du in kurzer Zeit möglichst viele Frauen kennen lernen. Die einzige Möglichkeit das zu erreichen ist, du musst dich als Gebundener oder Verheirateter ausgeben. Dann hast du immer Gründe, nicht ständig zur Verfügung zu stehen, und kannst im Grunde genommen jeden Tag ... zwei, drei Frauen beglücken.“ Er grinste frech. „Äh, ich meine natürlich näher kennen lernen.“ Er verschränkte die Hände hinter seinem Kopf, – das tat er immer, wenn er ins Schwärmen kam – und sagte: „Welch eine schöne Aufgabe! Auch ich würde mich gern in den Dienst dieser Literatur stellen. Leider brauche ich meinen Job als Leiter einer Werbeagentur noch zum Gelderwerb. Aber als Erfahrungsträger kann ich dir bestimmt manchen Tipp geben und vielleicht sogar als Amateurtester in das Geschehen aktiv eingreifen.“

Na also, fachliche Unterstützung wäre gesichert.

„Allerdings musst du vorsichtig zu Werke gehen. Wenn du zum Beispiel zehn Frauen gleichzeitig kontaktierst, erfordert das eine wohl überlegte Logistik. Dabei darfst du sie nie mit ihrem Vornamen ansprechen, weil das leicht zu Verwechslungen führen kann.“

„Meinst du denn“, fragte ich ihn amüsiert, „dass gleich zehn Frauen auf eine entsprechende Annonce antworten würden?“

„Oh, was meinst du, wie viele beziehungsmüde Frauen ein solches Abenteuer suchen? Immer mehr Frauen erkennen die Unzulänglichkeit ihrer Partner und ihr unbefriedigendes Sexualleben.“

Thomas nahm das Weinglas und trank mit geschlossenen Augen genießerisch einen Schluck von dem zweiundneunziger Chianti. Er liebte die Frauen, diese Kunstwerke der Natur, die Frau in ihrer wohlgeformten Schönheit. Und er sammelte die Erinnerungen an sie, wie andere Gemälde sammeln. Zurzeit gehörten zu seiner Sammlung einhundertsiebenundachtzig Erinnerungen.

Ich hatte mir bei einem Postamt in Frankfurt ein Schließfach besorgt, und nun wollte ich meine erste Anzeige schalten. Auch die Angestellten des Zeitungsverlages sollten nicht wissen, wo ich wohnte und wer ich war. Ich starrte auf den leeren Schreibblock vor mir. Ja, was schreibt man da bloß? Es durfte kein langweiliger, abgestandener Text sein, wie er oft von Suchenden formuliert wird, denen zum Beispiel „Liebe und Treue noch etwas bedeuten“, oder die jemanden suchen „mit Herz und Verstand, Hirn und Humor“. Schrecklich! Etwas Modernes! Allerdings wollte ich ja als Gebundener in den Kreis der Unzufriedenen, der Sexhungrigen eintreten. Da galt es, vorsichtig zu Werke zu gehen.

Was mögen Frauen? Was suchen sie?

Gebundene Frauen suchen bei einem erotischen Abenteuer sicher das, was sie zu Hause nicht haben. Mit der Dauer der Partnerschaft nimmt oft auch das Lebendgewicht der Ehemänner zu. Der Humor ist ihnen wahrscheinlich längst vergangen. Im Bett sind sie langweilig, lahm oder lustlos. Ein ordentliches Gespräch über Gefühle, Stimmungen und Fantasien kann eine intelligente, moderne Frau mit ihrem dicken, mundfaulen, sexmüden Partner schon gar nicht führen. Von Politik oder gar Kultur ganz zu schweigen. Vielleicht konnte sie das gerade bei diesem Partner ohnehin noch nie. Aber das hat sie ja bisher nie bemerkt. Oder nie merken wollen. Wie schade für andere, wirklich tolle Männer! Trotz großer Bemühungen können wir doch solche Frauen nie „näher“ kennen lernen. Bisher! Aber das soll jetzt anders werden. Frauen, befreit euch von solchem langweiligen, eine moderne Frau täglich frustrierenden Männerersatz!

Wahrscheinlich können auch einige schlanke Männer in eine solche Wertung aufgenommen werden. Das Gewicht schützt schließlich nicht vor frauenfeindlichen sexuellen oder sonstigen männlichen Langweilern.

Na gut! Was vermissen verheiratete oder gebundene Frauen noch?

Interesse für ihre Arbeit vielleicht, für ihre Probleme, Hilfe im Haushalt, Anerkennung, Zärtlichkeit, aktive Beteiligung an der Erziehung der gemeinsamen Kinder. Ideen! Das reichte erst mal. Schließlich kann ich in einer seitenspringenden Beziehung nicht all diese weißen Felder bedienen.

Aus diesen noch unvollständigen Überlegungen formulierte ich nun folgende Anzeige: „Gepflegter, niveauvoller Mann, verheiratet und doch einsam mit seinen unerfüllten Träumen, fünfundvierzig, attraktiv, schlank, kann reden und zuhören, sucht adäquate gebundene Frau mit gelegentlicher Tagesfreizeit. Chiffre an den Verlag.“

Nach der Beschriftung des Kuverts lehnte ich mich zufrieden in meinen privaten Chefsessel zurück. So, der Köder war fertig.

Als ich ein wenig später mit der Anzeige in der Innentasche meines Sakkos zum nächsten Briefkasten marschierte, winkte mir Bäckermeister Streuseling vom Eingang seines Mehl- und Zuckerstudios zu. Täuschte ich mich oder hatte er wieder diesen spöttischen Blick wie auf dem Friedhof? Am Briefkasten angekommen, hob ich mit der linken Hand die Klappe und warf das Kuvert mit der rechten in den offenen Schlitz. Ein Gefühl der Genugtuung kam in mir auf, so als hätte ich damit schon einigen notorischen verheirateten Fremdgängern einen Denkzettel verpasst. So ungefähr musste dem betrogenen Ehemann im Mittelalter zumute gewesen sein, der den Widersacher von seinem Degen zerstochen am Boden röcheln sah.

Und als ich an der Villa von Wendisch vorbei kam, hätte ich am liebsten getan, was ich immer bei dieser Gelegenheit tun wollte: Den Fremdgänger herausholen und nackt durch die von mondänen Villen gesäumte Straße treiben. Doch wenn das alle machen würden, fiel mir leicht amüsiert ein, könnte es möglicherweise ein ziemliches Gedränge auf den Straßen geben.

Da ein paar Tage vergehen würden, bevor ich mit Zusendungen auf meine erste geschaltete Annonce rechnen konnte, nutzte ich die Zeit für Anstandsbesuche bei meinem Vater, einem pensionierten Postrat, und bei meinen Schwiegereltern. Damit erfüllte ich zugleich einen Rat meines Freundes. Thomas hatte gesagt: „Bevor du deine Tätigkeit als Seelen- und Leibeströster armer gebundener Frauen, Pardon als künftiger Buchautor, aufnimmst, mache noch Besuche, wo es nötig ist, denn später wirst du dafür keine Zeit mehr haben!“

Mein Vater wunderte sich schon das sechste Mal über mein neues Leben und sagte mir genauso oft, ich solle mir den Tod Tasminias doch nicht so zu Herzen nehmen und lieber wieder arbeiten gehen. Das Leben hielte auch für mich noch viel Schönes bereit.

Meine Schwiegereltern wunderten sich erst das zweite Mal über mein neues Leben. Öfter hatten wir uns nach der Testamentseröffnung nicht gesprochen. Zu guten Wünschen konnten sie sich allerdings nicht entschließen. Merkwürdig, wie schnell sich Menschen ändern können, wenn es ums Geld geht. Nach der Testamentseröffnung hatten sie wortlos die Räume des Notars verlassen. Enttäuschung in den Gesichtern. Offenbar gönnten sie mir nicht den Hauptanteil am Erbe ihrer Tochter.

Ich beschloss nach dem Besuch, sie in der nächsten Zeit nicht mit meiner Gegenwart an das verlorene Geld ihrer Tochter zu erinnern.

Da ich in diesen Tagen viel Zeit hatte, machte ich mir Gedanken über die Frauen im Allgemeinen und im Besonderen. Gewissermaßen als Vorstudie für mein Buch. Ich versuchte, sie in Gruppen, in Klassen, in Gemeinschaften, Blöcke, Lager, Kreise, Sektionen oder Fraktionen einzuteilen. Da hatte ich mir ja was vorgenommen! Welch ein Jahrhundertwerk! Doch es musste sein. Auch wenn es wehtat.

Nachdem ich vierzehn A4-Seiten mit Notizen bekritzelt hatte (so viele Seiten kann man auf dem Monitor des Computers nicht auf einmal betrachten, deshalb handschriftlich), kam ich zu der ersten Erkenntnis, dass Vorstudien für ein solches Buch ungeheuer schwer sind. Zweitens, dass Frauen – gelinde gesagt – sehr, sehr vielschichtig in ihren Erscheinungs- und Daseinsformen unsere Erde bevölkern.

Ja, wer je versucht hat, Frauen zu katalogisieren, ein böses Wort für einen so angenehmen Gegenstand, versteht erst einmal die tiefe Bedeutung dieser Erkenntnis.

Nach, wie ich hoffte, gründlichen Überlegungen, bei denen ich versuchte, meine gesamten einschlägigen Erfahrungen in die Waagschale zu werfen, entschloss ich mich, die Frauen zunächst in folgende Gruppen einzuteilen:

Gruppe A, Fraulinge, Gruppe B, Weiber, Gruppe C, Frauen, Gruppe D, Frauchen, Gruppe E, Heimchen.

Zugegeben, ein gewagtes Unterfangen. Gleich nach der Einteilung plagten mich die ersten Gewissensbisse. Doch, wenn man ein Buch über die Arten der Frauen schreiben will, kommt man nicht umhin, eine solch unpopuläre Einteilung vorzunehmen. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass es ja jeder Frau überlassen bliebe, in welcher der nun definierten Gruppen sie sich wohl fühlen würde.

Dann definierte ich, verwarf, änderte, strich, ergänzte, modifizierte, verglich mit lebenden Exemplaren, versuchte, die Erkenntnisse zu verdichten, ihnen eine eventuell ungerechtfertigte Schärfe zu nehmen, vervollständigte, rundete ab und formulierte abschließend Folgendes:

Gruppe A, Fraulinge:

„Erfolgreiche Karrierefrauen, mehr in der Politik, weniger in der Wirtschaft zu finden. Gepflegtes Äußeres. Fraulinge in der Politik sind oft klein, dafür häufig von fülliger Gestalt, in der Wirtschaft eher mittelgroß und schlank. Sie sind fähig, selbstständig zu denken und zu handeln, und nehmen dabei nur sehr ungern oder gar nicht Ratschläge der Männer an. Fraulinge treten konsequent auf und sind oft auch rechthaberisch. Sie können lange reden und mögen dabei keine Unterbrechungen. Politikerinnen unterstreichen bei Reden grundsätzlich die Bedeutung ihrer Worte mit heftigen Gesten und Kopfnicken.

In Gedanken beschäftigen sich Fraulinge meist mit ihrem Job. Sie gehen ungern Lebensmittel einkaufen, aber sie gehen gern shoppen. Fraulinge sind oft recht oberflächliche Hausfrauen, haben wenig Sinn und Zeit für Kinder und deren Erziehung und sind deshalb für eine traditionelle deutsche Familie kaum zu empfehlen.

Nach ihrem sehr verantwortungsvollen und stressigen Job denken sie abends im Bett meist nur noch an Schlafen oder an ihren beruflichen Erfolg am nächsten Tag. Woraus zu schlussfolgern ist, dass sie meist keine guten Liebhaberinnen sind. Zumindest nicht in einer festen Beziehung. Aber es kann auch Ausnahmen geben.“

Gruppe B, Weiber:

„Sie bedienen mit ihrem äußeren Erscheinungsbild oft den modernen Begriff von der Traumfrau, sind es aber in Wirklichkeit meistens nicht. Besonders in der Modebranche, beim Fernsehen, Film, Theater, in der Musik, beim Nichtstun, aber auch vereinzelt in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens anzutreffen. Neuerdings outen sich vermehrt Weiber als Spindluder, Boxenluder, Partyluder oder gemeinhin als Luder.

Weiber sind überwiegend von schlanker Gestalt und meist sehr berechnend. Vorsicht! Sie sind vielfach gefährlich für vermögende und sehr erfolgreiche Männer. Sie eignen sich wiederholt nur als Lebensabschnittsgefährtin und wechseln ziemlich regelmäßig den Partner.

Weiber leben meist in allein stehenden Häusern, überlassen Hausarbeit gerne Angestellten und sind damit, sofern sie keine eigenen Einkünfte haben, teuer in der Unterhaltung.

Auch im Bett sind sie eine Augenweide, entsprechen (meistens) den Wünschen ihrer Partner, sind aber mitunter auf die Dauer langweilig.“

Gruppe C, Frauen:

„Frauen bilden eine echt feminine Gruppe und sind überwiegend berufs-tätig. Sie verschwenden ihre Kraft nicht durch ständiges Begehren höherer Positionen oder Gehälter und in damit verbundene Intrigen, sondern investieren sie dafür in ihr sehr gepflegtes und modernes Outfit. Sie essen sehr figurbewusst. Aus diesen Gründen findet man auch in dieser Gruppe eine Vielzahl besonders attraktiver Vertreterinnen. Frauen gibt es in allen Größen, aber nicht in jeder Schicht der Bevölkerung und schon gar nicht in allen Gewichtsklassen. Sie lassen sich meist nur schwer von minderwertigen Partnern führen und erfüllen dann häusliche Pflichten und erzieherische Aufgaben der Kinder besonders gut, wenn sie dabei unterstützt werden.

Frauen sind das positive Rückgrat jeder Nation. Sie sind meist offen für alles, was ihrer ausdrucksvollen Weiblichkeit nicht schadet. Im Bett sind sie wie eine nie verwelkende duftende Blume in einer facettenreichen Vase.

Aus all diesen Gründen sind Frauen bei wirklich klugen Männern sehr begehrt und bieten in diesem Fall für den gemeinsamen Nachwuchs beste Voraussetzungen.“

Gruppe D, Frauchen:

„Ihre Vertreterinnen findet man in allen Schichten der meist berufstätigen Bevölkerung. Sie sind überwiegend fleißig und meist ehrlich. Das Wort „Frauchen“ steht nicht als Synonym für zarte, kleingliedrige und leichtgewichtige Gruppenmitglieder, sondern symbolisiert nur die Art der weiblichen Mitmenschen. Womit gesagt ist, dass zu der Gruppe der Frauchen alle Gewichtsklassen gehören können. Frauchen sehen meist unauffällig aus und benehmen sich auch so. Sie gehen gern einkaufen und versuchen unbewusst fehlende erotische Weiblichkeit mit guten Kochkünsten und solider Arbeit im Haushalt zu ersetzen. Weshalb auch eines ihrer Lieblingsthemen das Kochen ist.

Viele Frauchen gehen regelmäßig in ein Fitnessstudio und träumen davon, einmal eine richtige Frau zu werden. Im Bett sind sie meist einfache, willige Gespielinnen, aber dabei nicht offen für alles. Frauchen sind oft ideale Partnerinnen für Macho-Männer.“

Gruppe E, Heimchen:

„Heimchen sind – wie es der Name schon sagt – meist Hausfrauen, das heißt, sie gehen keiner bezahlten Arbeit nach. Sie stehen oft im Schatten ihres sehr erfolgreichen Partners und sind ausschließlich für ihn und die eventuellen gemeinsamen Kinder auf der Welt. Heimchen leben in ständiger Angst, dass ihr Partner sie betrügen könnte, deshalb gehen sie auch regelmäßig zum Friseur und zur Kosmetikerin, um besser als mögliche Rivalinnen auszusehen. Sie kleiden sich oft teuer, aber dann leider nicht immer schick. Heimchen lassen sich meist nicht auf niveauvolle Gespräche ein. Dafür haben sie häufig ein unerschöpfliches Wissen über Stars und Sternchen, Koch- und Backrezepte, Nachbarn oder gemeinsame Bekannte.

Es gibt auch hin und wieder arrogante Heimchen; die jedoch haben oft nicht mal einen Beruf. Heimchen führen überwiegend ein ruhiges Leben, ohne nennenswerte Aufregungen. Im Bett verlangen sie meist ihren Partnern alles ab, damit die keine Lust und freie Reserven für Seitensprünge haben. Deshalb schützen sich so gestresste Männer wiederholt mit großer Müdigkeit, Unwohlsein oder mit lang andauernden abendlichen Geschäftsessen außerhalb ihres heimatlichen Herdes, was wiederum den zum Teil berechtigten Argwohn der Heimchen und manchmal auch deren Lust auf ebensolche Sprünge schürt.“

Soweit ein erster Entwurf. Ich war mir der Lückenhaftigkeit meiner Definitionen durchaus bewusst. Mir war auch völlig klar, dass es zwischen diesen fünf Gruppen Verbindungen geben musste, Untergruppen, wie es sie in fast allen Bereichen gab.

So konnte es zum Beispiel unter den Heimchen ehemalige Fraulinge geben, die sich nun mit Diäten eine Auszeit genommen hatten. Auch eine Karriere vom Heimchen zur Frau oder zum Luder, Kombinationen als Heimchen- und Frauenluder sowie Frauenheimchen waren möglich.

Aber mein Gott! Irgendwie passten die weiblichen Mitmenschen doch in eine der fünf Gruppen hinein. Ich hatte mir die Definitionen wirklich nicht leicht gemacht und beruhigte mein kritisches Bewusstsein damit, Änderungen nach eingehenden neuen Erkenntnissen jederzeit vornehmen zu können. Außerdem konnte ja jede Vertreterin des anderen Geschlechts ihre eigenen Gruppen aufmachen, wenn ihr meine nicht passten.

Vor dem Einschlafen entschloss ich mich dazu, die Definitionen nicht mit Thomas zu besprechen. Schließlich wollte ich ein selbstständiger Autor sein, der sich nicht von seinem einmal beschrittenen Weg abbringen lässt.

In der Nacht hatte ich meinen ersten Albtraum als Buchautor, der die Kühnheit hatte, die Frauen in fünf Gruppen einzuteilen. Sechs weibliche Wesen, hübsch anzusehen und von zarter Gestalt, standen um mein Bett herum, zogen sich aus, und jede von ihnen nahm dabei um mindestens fünfzehn Pfund zu. „Und jetzt“, sagten sie danach im Chor, „wollen wir dir beweisen, dass wir als Frauchen durchaus keine einfachen, willigen Gespielinnen sind. Und wir sind offen für alles.“

Danach fielen sie nacheinander über mich her. Oh Gott, noch nie in meinem Leben hatte ich in so vielen Stellungen und Variationen so anstrengenden Sex. Erst als ich ihnen händeringend versprach, diese Stelle in meinem Buch zu ändern, ließen sie von mir ab.

Schweißgebadet und völlig entkräftet wachte ich am Morgen auf, froh, dem Martyrium entflohen zu sein. Nach der belebenden Dusche schlug ich vier Eier in die Pfanne und langte auch bei Wurst und Käse kräftig zu.

Nein, die kritisierte Stelle in meiner Definition änderte ich nicht! Schließlich braucht man erzwungene Versprechen nicht einzulösen.

Bevor ich nach dem Frühstück meinen BMW aus der Garage holte, beäugte ich unauffällig und misstrauisch meine türkische Putzfrau bei ihrer Arbeit. Noch als ich den Motor startete, konnte ich mich des leisen Verdachts nicht erwehren, dass eine Frau ihres Aussehens bei dem nächtlichen Exzess dabei war.

Mein Herz hatte eine erhöhte Frequenz, als ich ein wenig später mein Postfach öffnete, um die von Thomas versprochenen zehn Zuschriften zu entnehmen. Aber es war leer!

Enttäuscht verschloss ich das kleine Fach wieder. Gab es keine unzufriedenen gebundenen Frauen? Verdammt! Frauen, wollt ihr ewig euer mitleidvolles Dasein ertragen? Befreit euch wenigstens gelegentlich von eurer eintönigen Partnerschaft! Gönnt euch endlich mal eine Abwechslung, einen wirklichen Höhepunkt, so wie das viele eurer Männer auch tun! Bietet eure Lust doch endlich mal an!

Nach dem enttäuschten Aufschrei in meinem Innern – schließlich waren meine Studien in Gefahr, vielleicht das ganze Buchprojekt – versuchte ich wieder Mut zu fassen. Abwarten! Meine Annonce war an einem Sonnabend erschienen. Inzwischen waren acht Tage vergangen, denn heute war wieder Sonnabend.

Die lange Wartezeit an der nächsten Ampelkreuzung nutzte ich für einen Anruf bei Thomas. Nach dem vierten Klingelzeichen meldete sich die verschlafene Stimme meines Freundes.

„Telsen! Hallo!“

„Na, Thomas, du klingst ja wie spät ins Bett gegangen. Oder war die Nacht so anstrengend?“

„Ach du bist es, Hendrik. Wieso um alles in der Welt weckst du mich so zeitig am Morgen?“

„Was, zeitig?“, lachte ich. „Es ist jetzt elf Uhr fünfzig.“

Aus dem Hörer kam ein erstauntes Schnaufen. „Tatsächlich! Hätte ich nicht gedacht.“

„Ich sitze im Wagen, bin noch in Frankfurt, will aber zu dir. Hast du Zeit?“

„So richtig Zeit habe ich nie. Für dich könnte ich aber eine Ausnahme machen.“

„Oh!“, rief ich. „Höre ich da trotz deiner Schläfrigkeit den leichten Anflug von Humor? Die Nacht scheint dir doch nicht alles abverlangt zu haben. Bin etwa in einer halben Stunde bei dir. Okay?“

„Okay! Willst du einen Kaffee?“

„Donnerwetter, jetzt kannst du ja schon wieder richtig denken. Zwei Tassen! Tschüs! Ich muss Schluss machen.“