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Gewusst wie: Schüler konsequent und produktiv einbinden!
Die Zeiten von Frontalunterricht und Lehrervorträgen sind gerade in Fächern wie Geschichte, Politik & Co. lange vorbei. Trotzdem ist es nicht leicht,
Schüler in die Unterrichtsgestaltung einzubeziehenund sie zum selbstständigen Lernen zu aktivieren.
Die in diesem E-Book vorgestellten Methoden ermöglichen es Ihnen optimall, im Unterricht Aspekte und Fragestellungen zu verfolgen, die die Lebenswelt der Jugendlichen aufgreifen. Gleichzeitig individualisieren Sie das Lernen, weil Sie den Schülern ermöglichen, auf ihren eigenen Lernwegen zu einem Ergebnis zu kommen - ohne dass Sie das Ruder komplett aus der Hand geben. So schaffen Sie es, die Fähigkeiten und Interessen Ihrer Schüler sinnvoll einzubinden, statt an ihnen vorbeizuunterrichten. Jede Methode - vom Ampelspiel bis zur Zukunftswerkstatt - wird strukturiert dargestellt mit Zweck, Ziel und Ablauf. Den empfohlenen Einsatzmöglichkeiten folgt stets ein
konkretes Beispiel.Praxisanmerkungen reflektieren die Methode; dabei wird auch auf mögliche Fallstricke und Grenzen eingegangen, damit der Einsatz souverän gelingt!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 180
Wulf Schmidt-Wulffen
Die besten Lehrmethoden im sozialwissenschaftlichen Unterricht
Schüler aktivieren – Lernen individualisieren
Ein Unterricht, in dem Lehrer allein Inhalt, Richtung und Geschwindigkeit bestimmen, lässt viele Potenziale der Schüler ungenutzt. Sie verlieren leicht den Anschluss. Warum also nicht die Wahrnehmungen, Vorstellungen, Erfahrungen und Fragen von Lehrern und Schülern kombinieren? Schüler haben dann größere Chancen, den Anschluss zu halten. Also: Auf den Lehrer kommt es an!
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S. 1: © HPW – fotolia.com; S. 18: © cultures interactive; S. 34: © Luis Murschetz; S. 101: © Meitnerblick, Luise-Meitner-Gymnasium Hamburg; S. 102: © Osdorfer Kurier; S. 113 © Vangelis Pavlidis
Soweit nicht anders gekennzeichnet, stammen alle Bilder vom Autor bzw. wurden ihm freundlicherweise von befreundeten Lehrerinnen und Lehrern zur Verfügung gestellt.
Hinweis:
Aus Gründen besserer Lesbarkeit erscheinen im Text im Falle von Personengruppen oder Funktionen nur die männlichen Formen; die weiblichen sind stets mitgemeint.
Wulf Schmidt-Wulffen, i. R., studierte Geschichte, Geografie und Politische Wissenschaft, promovierte in Geschichte, habiliterte in Sozialgeografie und in Didaktik der Geografie. Schwerpunkte: Afrika/Dritte Welt. Zuletzt arbeitete er als geschäftsführender Direktor des Instituts für Didaktik der Sozialwiss. an der Universität Hannover.
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Redaktion: Daniel Marquardt
Lektorat: omnibooks, Bielefeld
Layout/Satz: Reemers Publishing Services GmbH, Krefeld
ISBN: 978-3-403-70150-7
Das Werk als Ganzes sowie in seinen Teilen unterliegt dem deutschen Urheberrecht. Der Erwerber des Werkes ist berechtigt, das Werk als Ganzes oder in seinen Teilen für den eigenen Gebrauch und den Einsatz im Unterricht zu nutzen. Die Nutzung ist nur für den genannten Zweck gestattet, nicht jedoch für einen weiteren kommerziellen Gebrauch, für die Weiterleitung an Dritte oder für die Veröffentlichung im Internet oder in Intranets. Eine über den genannten Zweck hinausgehende Nutzung bedarf in jedem Fall der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlages.
Die erste PISA-Studie liegt bereits mehr als zehn Jahre zurück. Der von ihr ausgelöste „Schock“ scheint abgeklungen. Die anfängliche Diskussion um Schulstrukturreformen, die mit dem dreigliedrigen Schulsystem auch das Gymnasium infrage stellte, ist verklungen. Politiker und Erziehungswissenschaftler scheinen sich immerhin auf eine Verbesserung der Unterrichtsqualität einigen zu können. Die Erziehungswissenschaften haben dementsprechend mit Veröffentlichungen zum „guten Unterricht“1 reagiert.
Lehrer, bemüht um eine Verbesserung von Unterrichtsqualität, sind dem Erwartungsdruck der Bildungspolitiker ausgesetzt. Diese dringen auf einen Kompetenzerwerb, der – mit Blick auf den nächsten PISA-Test – leicht abprüfbar ist. Es geht ihnen daher vorrangig um kognitive Leistungen. Das bedeutet, die Vernachlässigung der personalen und sozialen Komponenten des Lernprozesses in Kauf zu nehmen2. Denn: „Schule bewertet vor allem das, was leicht zu bewerten ist. (…) Schulen müssen aber nicht nur kognitive Kompetenzen vermitteln und bewerten, sondern auch soziale Kompetenz. Und die (personale) Fähigkeit, sich in einem ständig verändernden beruflichen Umfeld immer wieder neu zu positionieren“, so der OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher3. Daher mahnt er pädagogisches Umdenken an. Selbstständigkeit (nicht zu verwechseln mit verordneter Selbsttätigkeit) und die Lerninteressen der Schüler sowie deren bereits erworbene Kompetenzen gehören in den Mittelpunkt „guten Unterrichts“ und damit mehr Schülerorientierung und weniger Lehrerzentrierung.
Das schließt an die drei übergeordneten Bildungsziele der OECD von 2003 an: Handlungsfähigkeit, interaktive Anwendung von Medien und Handeln in heterogenen Gruppen. Diese Vorsätze zielen unmittelbar auf das Schicksal der Jugendlichen. Diese werden eines Tages die Schon- und Schutzräume Schule und Elternhaus verlassen. Sie müssen dann in der Lage sein, den ständig wechselnden Anforderungen der Berufswelt selbstständig und flexibel zu begegnen. Dazu bedarf es eines Unterrichts, der sich auf ein breites Methodenspektrum stützt, das die Selbstständigkeit der Jugendlichen zu fördern vermag. Ein solcher Unterricht stellt sich der Vielfalt, der Heterogenität der Schüler und verlangt eine entsprechende Individualisierung des Lernens. Individualisierung zielt nicht auf ein eigenes Lernangebot für jeden Schüler. Individualisierung meint vielmehr, sich auf Jugendliche als Subjekte ihrer eigenen Vorstellungen, Wahrnehmungen, Fragen und Interessen in der Unterrichtsplanung einzulassen, auf Gespräch und Diskurs, auf Lernen in Paaren und Kleingruppen. Wichtigstes „Medium“ bleibt aber dennoch der Lehrer: Unverzichtbares Handwerkszeug sind seine Bereitschaft und Fähigkeit zur Kommunikation mit den Schülern sowie seine Fähigkeit, Orientierung zu geben. Diese zielen auf Erkennen und Erlernen von sinnvollen Strukturen und notwendigen Grenzen.
Das Gemeinsame an den 50 in diesem Buch vorgestellten Unterrichtsmethoden ist ihre Eigenschaft, Schüler zu aktivieren, statt sie im immer noch dominanten lehrerzentrierten Unterricht (mit der Kombination aus frontaler Unterweisung und fragend-entwickelndem Gespräch) in Passivität zu belassen. Neueste Untersuchungen belegen, dass – besonders bei Hauptschülern – für das Erlangen einer Lehrstelle Arbeits- und Sozialverhalten höher bewertet werden als fachliche Leistungen.4 Von der Grundschule bis zum Abitur können durch aktivierende Methoden Selbstständigkeit, Kreativität, Kooperations- und Handlungsfähigkeit entwickelt werden. Die angebotenen Methoden zielen nicht auf Vollständigkeit. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass ich sie mehr als 20 Jahre lang an Universität und Schule eingesetzt und als bereichernd erlebt habe. Sie sollen Lehrer nicht „ummodeln“, aber deren Repertoire erweitern.
1 HELMKE, A. (2003): Unterrichtsqualität erfassen, bewerten, verbessern. Seelze: Kallmeyer; UNRUH, Th./S. PETERSEN (2012): Guter Unterricht. Buxtehude: AOL-Verlag; KRAINER, K./P. POSCH/T. STERN (2004): Guter Unterricht. In: Lernende Schule Nr. 28; MEYER, H. (2004): Was ist guter Unterricht? Berlin: Cornelsen Verlag Scriptor; MÜHLHAUSEN, U./W. WEGNER (2006): Erfolgreicher unterrichten? Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren; MÖLLER, K. u. a. (2007): Qualität von Grundschulunterricht. Bonn: VS Verlag für Sozialwissenschaften. FISCHER, Ch./R. SCHILMÖLLER (2010): Was ist guter Unterricht? Münster: Aschendorff Verlag; JÜRGENS, E./J. STANDOP (2010): Was ist guter Unterricht? Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.
2 Deutscher Bundestag, U. Burchardt v. 13.12. 2010, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.
3 WELT ONLINE: Die erschreckenden Mängel der Berufseinsteiger, 27.07.08 (http://www.welt.de/wirtschaft/article2255983/Die-erschreckenden-Maengel-der-Berufseinsteiger.html; 10.06.2013)
4 WISSENSCHAFTSZENTRUM BERLIN FÜR SOZIALFORSCHUNG: Von der Hauptschule zur Lehrstelle – Die soziale Kompetenz entscheidet.(http://www.wzb.eu/de/news/von-der-hauptschule-zur-lehrstelle-die-soziale-kompetenz-entscheidet; 24.05.2013)
Vorwort
Einleitung: Auf den Lehrer kommt es an
Kapitel 1: Gemeinsame Themenfestlegung
Am Anfang stehen Methoden zur Ausdifferenzierung eines vorgegebenen Themas in „Unterthemen“. Dieser Vorgang – ich nenne ihn „Einfädelung“ – kann im Wesentlichen von den Schülern selbst getragen werden. Ihre Bewusstseinslagen und Vorkenntnisse, Lerninteressen und Fragen fließen in die Themengestaltung ein. Kristallisieren sich auf diese – individualisierende – Weise unterschiedliche Themenaspekte heraus, können die Jugendlichen zwischen mehreren Alternativen ihre eigene Wahl für die Weiterarbeit treffen. Lernen kann so als Verabredung zwischen Schülern und Lehrer begriffen werden.
Die Methoden (1. – 9.):
1. Den eigenen Fragen nachgehen
2. Zurufliste
3. Brainstorming/Mindmap
4. Kartenabfrage („Anzetteln“)
5. Didaktischer Baukasten
6. Das „Ampelspiel“
7. Der Assoziationsstern
8. ABC-Liste
9. Schneeball-System
Kapitel 2: Informationsbeschaffung
Nach der Themenfindung werden die passenden Informationen zum Thema benötigt. Diese können vom Lehrer zur Verfügung gestellt, aber auch von den Schülern eigenständig recherchiert werden. Das Schulbuch und die Schulbibliothek reichen i. d. R. als Informationsangebot nicht aus, sondern bedürfen der Ergänzung von außen. Über das Internet hinaus sollten all jene Möglichkeiten genutzt werden, die die gesellschaftliche Realität bietet – etwa Experteninterviews, Passantenbefragungen usw.
Informationsbeschaffung durch Schule und Lehrer
Eigenständige Informationsbeschaffung der Schüler
Informationen von gesellschaftlichen Institutionen
Informationen durch menschliche Begegnungen
Kapitel 3: Verfahren der Informationsverarbeitung
Wenn genügend Informationen bereitstehen – vom Lehrer vorbereitet oder von den Schülern selbst beschafft –, folgt die Verarbeitung von Informationen unterschiedlicher Komplexität als Kern des Unterrichts.
Die Methoden (10. – 21.):
10. Das Arbeitsblatt (AB)
11. Film und Video
12. Karikaturen
13. Info-Patenschaften
14. Prioritätenspiel
15. Lernen an Stationen
16. Zukunftswerkstatt
17. – 21. Methoden-Potpourri
Kapitel 4: Gekonnt präsentieren
Lernergebnisse werden im traditionellen Unterricht oft lustlos vorgestellt. Ergebniszettel verschwinden in Mappen oder Arbeitsheften und werden nie wieder angeschaut. So hinterlässt Lernen bei Schülern kaum Spuren. Die Lernbemühungen der Gruppen sollten stattdessen allen Beteiligten in verständlicher Weise zugänglich gemacht werden, Rückmeldungen und Diskussionen anfachen und Ausgangspunkt weiterer Lernprozesse sein. Dadurch werden auch wichtige Schlüsselqualifikationen angesteuert wie Darstellung eines Problems, Präsentation von Lernergebnissen in möglichst ansprechender und vielfältiger Form, Sprechen in freier Rede, diskursive Auseinandersetzung, Team-, Konsens- und Kritikfähigkeit.
Die Methoden (22. – 38.):
22. Das Plakat
23. Die selbst gestaltete Landkarte (Welt-, Kontinent-, Landeskarten, Stadtpläne)
24. Collagen
25. Zeitungsartikel
26. Reportage
27. Rollenspiel (RS)
28. Referat/Vortrag
29. Overheadprojektion (OHP)/Tageslichtprojektion
30. Podiumsdiskussion
31. Tagesschau
32. PowerPoint-Präsentation (PPT/ppt)
33. – 38. Methoden-Potpourri
Kapitel 5: Stolpersteine – Es läuft nicht alles rund
Auch Unterricht, der sich zugute hält, über den Einbezug der Schüler und deren Fragen und Lerninteressen eine besondere Motivation zu schaffen, ist nicht problemfrei. So fehlt es häufig an der Bereitschaft wie an der Fähigkeit, miteinander zu lernen. Für Schüler, denen selbstbestimmtes Lernen fremd ist, sind zudem feste Absprachen als absichernder Rahmen hilfreich. Sonst droht ihnen die Orientierung verloren zu gehen. Und Präsentationen sind nicht nur Herausforderungen für Jugendliche, sondern sie stellen auch Ansprüche an Lehrer als Moderatoren – Folge universitärer Ausbildungsdefizite.
Probleme und Lösungsstrategien (39. – 44.):
39. Kartenabfrage
40. Satzergänzung
41. Brainwriting
42. Zu Einzel- und Gruppenarbeit fällt mir ein ...
43. Wie organisieren wir die Arbeit? – Der Arbeitsplan
44. Wir schließen einen Lernvertrag
Kapitel 6: Kommunikationsübungen
Jugendliche, die gewohnt sind, Probleme allein anzugehen, müssen häufig feststellen, dass sie damit überfordert sind. Dennoch sind sie oft nicht bereit, sich auf eine Kooperation mit anderen einzulassen. Sie müssen vom Nutzen des Kooperierens erst überzeugt werden. Hierfür stehen Methoden bereit, die sogar Vertretungsstunden zu befriedigendem Unterricht werden lassen oder Stunden zwischen Zensurenkonferenzen und Ferienbeginn sinnvoll füllen können.
Methoden (45. – 48.):
45. Frankfurt Airport
46. „Think–Pair–Share“: Nachdenken und Austauschen
47. Placemat (Tischdeckchen/Viereckendiskussion)
48. „Appointment“ (Verabredung) und „Appointment-Calendar“ (Verabredungskalender)
Kapitel 7: Der Lohn der Arbeit
Stand am Anfang die „Themeneinfädelung“ als gemeinsames Schüler-Lehrer-Handeln, dem Phasen der Zusammenarbeit von Schülern folgen, so schließt sich der Kreis mit der gemeinsamen Reflexion des Unterrichts. Dabei geht es um die Bewertung des Lernens in doppelter Hinsicht: Einmal sollte ein Feedbackgespräch stattfinden, um allen Akteuren Klarheit über Lernfortschritte wie Lernschwierigkeiten zu verschaffen; zum anderen geht es um die Bewertung von Lernbemühungen in Form von Zensuren, die Schülern nicht minder wichtig sind – getragen von Fairness und Transparenz.
Verfahren (49. – 50.):
49. Feedback und Blitzlicht
50. Bewertung und Benotung
Kapitel 8: Von Einzelelementen zum kompletten Unterricht
Alle Unterrichtselemente wurden bisher isoliert betrachtet, ohne Unterricht als Ganzes in den Blick zu nehmen. Daher soll eine kommentierte „Checkliste“ einen Überblick über den Unterrichtsaufbau ermöglichen, die abschließend in einem Unterrichtsbeispiel konkretisiert wird. Dieses illustriert die Praxisfähigkeit des Konzeptes.
Der idealtypische Unterrichtsaufbau – die Schrittfolge (Checkliste)
Ein Beispielthema „durchdekliniert“
Nachbetrachtung
Widersprüche, Ängste
Einwände
Literaturverzeichnis
Lehrerfortbildungen zur Methodenschulung – die Motivation der einladenden Schulen (überwiegend Gymnasien) war stets die gleiche: „Die Schulinspektoren haben unserer Schule die allerbesten Noten ausgestellt, uns nur in einem Punkte – allerdings bedenkliche – Defizite bescheinigt. Das betrifft die absolute Dominanz des Frontalunterrichts!“, so die Schulleiter.
Warum aber wird die Dominanz des Frontalunterrichts eigentlich so bekrittelt? Vorliegende Untersuchungen haben doch schließlich ergeben, dass dieser im kognitiven Bereich mit jeder Art von Unterricht mithalten kann. Ferner betonen Erziehungswissenschaftler immer wieder, dass ein Unterricht ohne frontale Anteile gar nicht möglich sei. Dieser sei allenfalls zu begrenzen und zu „mischen“1.
Heutige Schüler geben sich immer weniger damit zufrieden, im Unterricht bloße Objekte ihrer Lehrerzu sein. Mehrheitlich wollen sie sich in das Unterrichtsgeschehen selbst einbringen, wünschen inhaltlich wie methodisch Wahlmöglichkeiten und aktivierende Unterrichtsformen.
Schüler erscheinen vielen Lehrern „schwieriger“ als frühere Generationen. Kinder und Jugendliche sind sozial, sprachlich und ethnisch-kulturell heterogener – eine Folge vielfältiger gesellschaftlicher Veränderungen. Aber auch die Eltern sind „schwieriger“ geworden. Sie üben auf Schule und Lehrerschaft einen wachsenden Erwartungsdruck aus. Infolge dieser Veränderungen erreichen Lehrer durch reinen Frontalunterricht ihre Schüler immer weniger, sodass dieser auch für sie zu einer schwer erträglichen Belastung wird. In dem Maße, in dem sie spüren, dass sie mit Frontalunterricht der Spannbreite der Schüler nicht mehr gerecht werden, was Lernvoraussetzungen, Lerntempos, Begabungen, Vorkenntnisse, Werthaltungen, Bedürfnisse und Interessen anbetrifft, dürfte auch die Bereitschaft wachsen, den eigenen Unterrichtsstil zu verändern.
Nach Abschluss ihrer Schulzeit sollen Jugendliche „auf eigenen Füßen stehen“ können. Dazu müssen sie berufs- und ausbildungsfähig sein. Das ist aber bei vielen heute nicht der Fall. Die Zahlen von Schul- und Ausbildungsabbrechern – nicht nur bei Migranten – sind bedrückend. Ein skandalöser Befund, nicht nur angesichts des beklagten Fachkräftemangels!
Gute Abschlüsse, Zeugnisse und Noten sind der „harte Kern“ jeder Bewerbung. Gute Noten und Abschlüsse allein garantieren aber noch lange nicht die gewünschte Lehrstelle oder den erträumten Arbeitsplatz. Sie sollten stets auch mit „weichen“ Fähigkeiten verbunden sein – personalen und sozialen Kompetenzen, auch als Schlüsselqualifikationen, Soft Skills oder Life Skills bezeichnet.
Damit sind nicht nur die bekannten „Sekundärtugenden“ wie Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Engagement und Fleiß gemeint. Für Unternehmen steht die Wettbewerbsfähigkeit, auch global, und oft besonders der Kampf um fortwährende Kostenersparnis im Vordergrund. Hierfür werden Eigenschaften bei den Mitarbeitern benötigt, die einen tief greifenden Wandel zu flexiblen Strukturen mit kostengünstigeren „flachen“ Hierarchien und geringer Kontrolle der Mitarbeiter ermöglichen. So müssen Jugendliche selbstständig handeln können. Es werden persönliche und soziale Fähigkeiten gefordert, die die fachlichen Kompetenzen erst zur vollen Wirkung bringen. Das sind Team- und Kommunikationsfähigkeit, Kritikfähigkeit und Handlungskompetenz. Solche Kompetenzen orientieren sich am Leitbild des autonomen, selbstständigen Individuums. Erwerb und Einübung entsprechender Fähigkeiten erfordern keinen zusätzlichen Unterricht; sie müssen allerdings als Unterrichtsprinzip ernsthafteBeachtung finden.
Unterricht wird oft von Inhalten, Fragestellungen und Methoden beherrscht, die nicht daraufhin überprüft wurden, ob und wie sie sich mit den Vorstellungen, Fragen und Interessen sowie dem Vorwissen der Schüler verbinden lassen. Wird nicht nach „Ankern“ und „Brücken“ gesucht, wird Lernen enorm erschwert und das Ergebnis rasch wieder vergessen. Unterricht fehlt dann die Nachhaltigkeit.
Neues Wissen muss daher „anschlussfähig“ sein. Lernen bedeutet nicht ein additives Hinzulernen, sondern ein Hineinlernen in bereits Vorhandenes, an das „angedockt“ werden kann. Es genügt also nicht, Schülern (irgendwelche) neue Informationen zu vermitteln, in der Erwartung, dass diese dann schon (irgendwie) verarbeitet würden (wenn dies im Unterricht nicht klappt, dann notfalls durch professionelle Nachhilfe). Das Gehirn ist nämlich keine Festplatte, sondern arbeitet selektiv. Es organisiert nur bedeutungsvolle Informationen.
Bedeutungsvolle Inhalte sind vielfältig, exemplarischer Natur und an individuelle Erfahrungen gebunden. Sie haben also etwas mit dem Leben der Jugendlichen zu tun. Sie sind mit Emotionalität verbunden, die sich in Begeisterung, Betroffenheit oder Betroffensein ausdrückt. Frontalunterricht erweist sich dabei als wenig geeignete Unterrichtsform, zu Erfolgserlebnissen zu gelangen, die zum Lebensglück beitragen.
Die Theorie der Selbstbestimmung nach Deci und Ryan klärt, was interessanten Unterricht nachhaltig werden lässt. Es sind Autonomie und Selbstbestimmung beim Lernen. Dieses muss mit Gefühlen von Freude („macht Spaß“) und Selbstwirksamkeit („Ich kann etwas.“/„Ich werde geschätzt.“/„Ich bin wichtig.“) verbunden sein. Möchten Lehrer ihren Unterricht stärker auf solche Momente ausrichten, bedarf es eines individuell zugeschnittenen Unterrichts mit einem Strauß von Wahlmöglichkeiten, der Übergabe von Verantwortung an die Schüler und der Beachtung sozialer Bedürfnisse – etwa durch das Lernen in kleinen Gruppen.
Statt entsprechender Aushandlungsprozesse des konkreten Zuschnitts der Themen wird Unterricht nach wie vor „abgehalten“. Die Arbeit vollzieht sich im systematischen Durcharbeiten von Schulbüchern und anhand vorgefertigter Arbeitsblätter (ohne die es sicherlich auch nicht geht)2. Auf der Strecke bleibt dabei die Begründung von Sinn und Nutzen für die Zukunft der Schüler. Anders herum würde ein Schuh daraus: Lehrer würden akzeptieren lernen, dass Schüler eigene Wünsche und Vorstellungen bezüglich Themen und Problemen mit in die Schule bringen und herausfinden, was diese anspricht und interessiert. Schüler würden bei Berücksichtigung ihrer Kompetenzen, Vorstellungen, Fragen und Interessen lernen, Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen.
Sicherlich – Aushandlungsprozesse kosten einen Teil der Unterrichtszeit, aber es ist sinnvoll verbrachte Zeit. Schüler lernen zielstrebiger und i. d. R. auch engagierter; und sie erwerben nach und nach Kompetenzen, die im lehrerzentrierten Normalunterricht zwar auch angestrebt, aber kaum einmal erreicht werden.
Lehrer können Schülern helfen, bei jedem Thema den „inneren Sinn“ herauszufinden, zu dem sie eine innere Beziehung herstellen können. Dafür werden Handlungsspielräume für ungegängelte, gedankliche Selbstständigkeit zur Verfügung gestellt, wo immer diese vorhanden sind. Die sozialwissenschaftlichen Fächer bieten hierfür Freiheiten und Möglichkeiten. Die sozialwissenschaftliche Arbeitsweise (Problembeschreibung – Ursachenanalyse – Folgenabschätzung – Lösungsansätze) ermöglicht es, Aspekte, Teilthemen, Fragestellungen und Probleme zu verfolgen, die den Jugendlichen wichtig sind, die ihren Interessen entgegenkommen und die Anknüpfungsmöglichkeiten an Vorhandenes, Erlebtes, Wahrgenommenes, Vorgestelltes bieten.
Das Aushandeln eigener Zugänge erfolgt durch Kommunikation zwischen Lehrern und Jugendlichen „auf Augenhöhe“ – bei gegenseitigem Respekt. Schüler und Lehrer sind dadurch noch nicht gleichberechtigt – aber sie werden zu Partnern im Bewusstsein unterschiedlicher Souveränität: Der Lehrer gibt etwas von seiner Verantwortung ab, Schüler gewinnen diese schrittweise hinzu. Das Lernen basiert auf verminderter Kontrolle, die nach und nach durch wachsendes gegenseitiges Vertrauen ersetzt wird.
Unterricht, der Schüler zu aktivieren vermag, hat konkret folgende Schwerpunkte, die im Laufe der Schuljahre variiert und eingeübt werden:
1. Einbeziehung der Schüler in diePlanung – von geeigneten Methoden geleitet, auf der Grundlage vermehrter Kommunikation.
2. Selbstständige Schwerpunktbildung (in Form geeigneter Teil- oder Unterthemen) gemäß den Interessen und Bedürfnissen der Schüler mittels bestimmter Findungsmethoden.
3. KreativeKleingruppenarbeit bei der Bearbeitung „ihrer“ Unterthemen zur Stärkung von Selbsttätigkeit und Selbstständigkeit.
4. Zielvereinbarungen/Lernverträge als Zeichen gegenseitiger Verpflichtungen und Vertrauens statt ständiger Kontrolle.
5. Präsentation und Diskussion der Arbeitsergebnisse.
6. Feedbackgespräche über Lernfortschritte und Schwierigkeiten. Die Selbsteinschätzung der Schüler wird fundiert – auch durch die Beobachtungen der Mitschüler und der Lehrkräfte.
Die nachfolgenden Statements aus Schule und Wissenschaft dokumentieren die Notwendigkeit, auf Schülerbedürfnisse einzugehen, damit der Unterricht (besser) gelingt:
So sehen Schüler die Schule: Auszug aus dem Grundsatzprogramm der Kreisschülerinnenvertretung Kiel – Die Schule der Zukunft (2010)
Selbstständiges Lernen
Anstelle lehrerzentrierten Unterrichts sollen sich die Schülerinnen Unterrichtsinhalte weitgehend selbstständig erarbeiten und dabei selbst Lehr- und Lernrollen übernehmen. Dies soll praxisbezogen und wenn möglich in Gruppenarbeit erfolgen.
Plakat zum Bildungsstreik am 17.11.2011, u. a. für selbstbestimmtes Lernen
Wie Schüler Unterricht erleben: „Erste repräsentative Dortmunder Umfrage“ (Kanders/Rolff/Rösner 1996)
Schüler finden Unterricht langweilig und uninteressant. Sie wollen Diskussionen und eigenes Erforschen: 53 %
Lehrer reden zu viel. Schüler wollen in Gruppen arbeiten: 66 %
Zu viel Stillarbeit: > 50 %
Lehrer bestimmen allein, was im Unterricht gemacht wird: 74 %
Das sind die Folgen: Defizite von Schulabgängern (Schmidt-Wulffen: Motivation und Unterrichtserfolg durch Mitplanung von Schülern, 2008)
Mangelnde Selbstständigkeit beim Lernen
Selbstständiges Erarbeiten von Lerninhalten
Fehlende Fähigkeit zur Selbstorganisation
Ungeübt in Gruppenarbeit und Präsentationen
Geringe Methodenkompetenz (besonders bei Folien, Flipchart, Metaplan)
Mängel in Rechtschreibung und Grundrechnen
Mängel bei der Lesefähigkeit, insbesondere das Gelesene zu verstehen und umzusetzen
Fehlende Kenntnisse, wie man lernt (das Lernen von Lernen)
Was Lehrer dagegen tun können
Gemeinsame Planung, Auswertung und Reflexion des Unterrichts
Selbstständige Schwerpunktbildung gemäß den Interessen und Bedürfnissen der Schüler ermöglichen.
Selbst gesteuertes Lernen, z. B. durch Projektarbeit und Präsentationen fördern.
Schüler mehr mit einbeziehen, mehr miteinander kommunizieren.
Lernergebnisse diskutieren, reflektieren/Feedback geben, um die Selbsteinschätzungen der Schüler zu ermöglichen.
Die 50 Methoden in diesem Buch sind nach dem Einsatzzeitpunkt im Unterricht auf verschiedene Kapitel verteilt. Gemeinsam sind ihnen zwei Merkmale:
1. Alle dienen selbstständigem, nicht aber reproduzierendem Lernen.
2. Wo es das Verfahren zulässt, werden sie nach einem Fünf-Schritt-Schema entfaltet:
1. Zweck und Ziel:Eignung und Nutzen der Methode
2. Zur Methode:Beschreibung des Ablaufs als Schrittfolge
3. Einsatzmöglichkeiten: z. B. nach Fächern, Zeitaufwand, Altersstufen
4. Praxisbeispiel: konkrete Beschreibung anhand eines Themenbeispiels
5. Praxisanmerkungen: „Fußangeln“, Probleme, Grenzen der Methode
1 Die folgenden Erörterungen und Thesen werden in meinem Buch „Motivation und Unterrichtserfolg durch Mitplanung von Schülern“ (Schneider Verlag Hohengehren, 2008) ausführlich behandelt und empirisch unterbaut. Dort finden sich auch weiterführende Literaturhinweise.
2 Über die Vereinbarkeit dieses Konzeptes mit bindenden Vorgaben von Lehrplänen und Bildungsstandards siehe „Nachbetrachtung“, S. 171 f.
Für die Methoden, die in diesem Kapitel vorgestellt und diskutiert werden, habe ich noch die traditionellen Medien und Materialien verwendet – Karteikarten, Filzstifte, Wandtafel und Kreide. In vielen Schulen werden die Wandtafeln mittlerweile aber nach und nach durch interaktive Whiteboards ersetzt. Auch damit kann man u. a. Brainstorming und Kartenabfrage durchführen und die Ergebnisse clustern. Die Prinzipien bleiben unverändert. Möglicherweise ist das aber mit einem Verlust an Schüleraktivität verbunden. Auch wenn es sich nur um formale Tätigkeiten wie das Aufhängen der Karten und das Sortieren an der Tafel handelt, sie dürften nun vom Lehrer durchgeführt werden statt von den Schülern – aus Gründen der Praktikabilität.
1. Begriffe sammeln
2. Clustern
Der Lehrer signalisiert seinen Schülern bezüglich eines Themas vollständige Gedankenfreiheit, indem er in Aussicht stellt, dass sie einer eigenen Frage nachgehen dürfen. Er vermag dadurchVertrauen bei den Schülern zu gewinnen, die in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt werden. Zwar macht der Lehrer zur Stimulation seiner Schüler eigene Vorschläge; diese können zwar, müssen aber nicht beachtet werden. Dominant werden Arbeitsthemen, die die Gedanken und Interessen der Schüler spiegeln. In freier Wahl schließen sich Gleichgesinnte zu Kleingruppen zusammen. In der Regel wird so eine Themenbehandlung vermieden, die einer eher abstrakten Sachsystematik folgt, an der viele Schüler schon oft gescheitert sind.
Der Lehrer stellt ein neues Thema vor und begründet dabei, warum es ihm