Die Botschaft des Meeres - Sergio Bambaren - E-Book

Die Botschaft des Meeres E-Book

Sergio Bambaren

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Beschreibung

Sergio Bambaren, der Autor des Bestsellers »Der träumende Delphin«, erzählt von dem geheimnisvollen Surfer Shaun und seiner Leidenschaft für das Meer, von der Magie des blauen Elements und der Sprache der Natur, die nur die wenigsten verstehen. Shaun weiß, wie man mit dem Herzen hört …

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www.piper.de

Übersetzung aus dem Englischen von Clara Lind

Mit zehn farbigen Illustrationen von Heinke Both

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Taschenbuchausgabe

6. Auflage 2011

ISBN 978-3-492-95741-0

© 2001 Sergio Bambaren Roggero Titel der englischen Originalausgabe: »Thoughts by the Ocean« Deutschsprachige Ausgabe: © 2003 Piper Verlag GmbH, München erschienen im Verlagsprogramm Kabel Umschlaggestaltung: semper smile, München Umschlagmotiv: Heinke Both Datenkonvertierung: CPI – Clausen & Bosse, Leck

Ein Soulsurfer ist jemand, der Teil des Meeres ist

und nicht nur weiß, woher die Wellen kommen,

Vorbemerkung des Autors

Während ich vor meinem Computer sitze, denke ich daran, wie es vor zwanzig oder dreißig Jahren war, als die Schriftsteller noch Papier und Bleistift benutzten oder vielleicht eine Schreibmaschine, um das, was ihre Seele träumte, in Worte zu fassen.

Wenn ich mir meinen hochmodernen Computer so ansehe, mit Rechtschreibprogramm, Thesaurus und all den anderen Hilfsmitteln, die uns Schriftstellern heute das Leben leichter machen sollen, dann frage ich mich, ob wohl ein Stück von dem Zauber dieses Traums, aus nichts etwas zu schaffen, für immer verlorengegangen ist.

Doch meine Antwort lautet nein. Das Leben ist ein endloser Kreislauf von Veränderungen, und Veränderungen gehören zum Leben. Wir bleiben nie dieselben, denn die Zeit bewegt sich voran, und wir bewegen uns mit ihr. Die Umgangssprache unserer Kinder ist eine andere als die, derer wir uns in ihrem Alter bedienten. Wir sprechen dieselbe Sprache, auch wenn die Wörter nicht dieselben sind.

Doch bei all diesen Unterschieden gibt es für mich keinen Zweifel, daß manche Gedanken, manche Stimmen und manche Botschaften seit Urzeiten zu allen Generationen dieselbe Sprache sprechen. Ich bin überzeugt, daß meine Kinder beim Kleinen Prinzen noch genauso eine Gänsehaut bekommen wie ich, als ich diese wunderbare Fabel zum erstenmal hörte. Andere Bücher, wie etwa Der Prophet, werden der Prüfung durch die Zeit ewig standhalten.

Manche Gedanken und manche Botschaften sind zeitlos, und obwohl sie von vielen Menschen aufgeschrieben wurden, waren sie schon da, bevor der erste Mensch mit einem Bleistift vor einem Blatt Papier saß.

Wenn ich die folgenden Gedanken mit Ihnen teile, so geschieht dies in der Hoffnung, daß sich unsere Herzen und unsere Seelen in den universalen Wahrheiten vereinen werden, die überall auf uns warten, wenn wir nur gewillt sind, unseren Träumen nachzugehen und ihrer Weisheit zu folgen.

Ich wurde am ersten Juni eines Jahres geboren, an das ich selbst keinerlei Erinnerung habe. So stand es jedenfalls in der Geburtsurkunde aus festem weißen Papier, die meinen Eltern an dem Tag, an dem ich auf die Welt kam, überreicht wurde.

Ich wußte nicht, was eine Geburtsurkunde war, bis ich vier Jahre alt wurde – ein Alter, in dem uns Dinge, die bis dahin nicht zählten, plötzlich wichtig vorzukommen beginnen und wir anfangen, die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu vergessen. Darum glaube ich auch, daß mein Name in dieser Geschichte keine Rolle spielt.

Von diesen ersten vier Jahren meines Daseins ist mir nicht viel in Erinnerung geblieben. Ich erinnere mich schwach, daß man mir, als ich ein Jahr alt war, meine besten Kleider anzog und Menschen, die mir fremd erschienen, zu uns nach Hause kamen. Anscheinend wurden in der Welt, in die ich hineingeboren worden war, bestimmte Tage gefeiert, und dies war einer davon. Doch wie gesagt, ich kann mich nur dunkel erinnern. Ich selbst hatte nicht das Gefühl, irgend etwas zu feiern. Ich war noch sehr klein und konnte die Gesetze nicht verstehen, nach denen bestimmte Tage gefeiert wurden. Wenn ich an der Brust meiner Mutter lag und ihre Wärme spürte, brauchte ich sonst nichts auf der Welt: keine Feiern, keine besonderen Anlässe. Die Sprache der Wahrheit, jene spirituelle innere Stimme, mit der wir alle geboren werden, sagte mir, daß jeder Tag meines Lebens ein geheimnisvolles Abenteuer sein sollte, das ich nicht versäumen dürfe. So einfach war das.

Doch ein Jahr nach dem anderen verging, und das Ritual des ersten Jahres wurde immer am selben Tag wiederholt. Obwohl ich nicht einverstanden war mit dem, was geschah, konnte ich mich doch nicht dagegen wehren. Ich war zu klein. Ich war überzeugt, daß jeder einzelne Tag des Jahres ein Fest war, daß wir jeden Tag als einen besonderen ansehen sollten, denn das flüsterte die Sprache der Wahrheit meinem Herzen zu. Jeder neue Tag war ein neues Abenteuer, egal, ob es mein Geburtstag, Neujahr, Weihnachten oder irgendein anderer Tag des Jahres war. Sie waren alle kostbar und einmalig.

Leider fand ich jedoch allzufrüh heraus, daß die Sprache der Wahrheit von Anfang an auf allzu viele Hindernisse stößt und in unserem Leben, während wir heranwachsen, nach und nach verstummt. Wir lernen Gesetze und Regeln, die uns nichts Wesentliches, nichts Lebenswichtiges lehren. Die Schläge, die uns das Leben versetzt, all die Dinge, die wir im Laufe der Jahre beigebracht bekommen, lassen den spirituellen Impuls, mit dem die Sprache der Wahrheit zu unserem Herzen spricht, langsam schwächer werden. So wird die Sprache der Wahrheit leiser und leiser, und bald dringt sie nicht mehr zu unserem Herzen vor.

Die Sprache der Wahrheit ist eine Sprache, die uns vor unserer Geburt geschenkt wird, und durch sie können wir uns mit allem verständigen, was uns umgibt: mit den Vögeln, den Walen, ja selbst mit den Wäldern und mit dem Mond. Sie ist keine Sprache, die gesprochen wird, sie ist eine spirituelle Sprache. Und sie ist in jedem Stück Materie enthalten, das Teil der Schöpfung ist. Sie verbindet uns mit allem, was existiert, und läßt uns in vollkommener Harmonie mit dem Universum sein.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin nicht gegen Feste und Feiern. Sie ermöglichen uns, miteinander und mit denen, die wir lieben, in Harmonie zu leben. Was ich meine, ist dieser unkontrollierbare Wunsch, uns in die Gesellschaft einzufügen, der uns so viel von unserer Einzigartigkeit verlieren läßt und der, während wir älter werden, die Herrschaft über unser Leben ergreift und bewirkt, daß wir keine Zeit mehr finden, um spirituell zu wachsen, und den atemberaubenden Zauber nicht mehr genießen können, der in jedem Tag unseres Lebens liegt und der die Sprache der Wahrheit am Leben hält. Schließlich sind wir doch nur Durchreisende auf dieser Fahrt, die wir Leben nennen. Wir sind nur für ein kurzes Wispern der Zeit hier auf der Erde, und wenn der Augenblick kommt, da wir sie verlassen müssen, werden wir nur unsere Erinnerungen mitnehmen können und die Schätze, die wir in unserem Herzen hüten konnten.

Doch während ich nur wenige Erinnerungen an die ersten Jahre meines Lebens habe, hat sich mir der Ort, an dem ich zur Welt kam, tief eingeprägt.

Ich bin in der Nähe der Otway Mountains im Süden Australiens geboren, wo sich die leuchtenden Grüntöne der Kiefern- und Regenwälder verbinden, um eine Landschaft von wahrhafter Schönheit hervorzubringen. Mitten in dieser einzigartigen Landschaft, am Cape Volney, ragt »die Klippe«, ein hundert Meter hoher Felsvorsprung, in den Ozean hinaus. Das Schauspiel des ewigen Kampfes zwischen Land und Meer, in dem sich Welle um Welle an den Riffen bricht, wird von einem gewaltigen Krachen und Dröhnen begleitet, das von jedem Winkel des Felsens widerhallt. Der Himmel, der ständig zwischen einem rauhen, stürmischen Graublau und einem friedlichen, strahlenden Azur hin und her wechselt, unterstreicht noch die Schönheit des kristallklaren Wassers an diesem Teil der australischen Küste. Doch selbst durch all diesen beständigen Wandel hindurch ist die große Ruhe zu spüren, von der die Natur immer durchdrungen ist.

Meine Mutter hat mir einmal erzählt, es gebe dort eine einsame Schlucht, die bei Künstlern und Naturfreunden sehr beliebt und von diesen jahrzehntelang geheimgehalten worden sei. Die verborgene Schönheit der Regenwaldschluchten und der Klippe waren lange Zeit nur den Einheimischen bekannt, die durch das üppige Unterholz des Hinterlandes wanderten, in dem unzählige wilde Tiere wie Wallabys, Koalas, Opossums und Graue Riesenkänguruhs lebten.

Meine Mutter nahm mich oft nachmittags zu dieser wunderbaren Klippe mit. Sie gehörte zu den ersten Naturfreunden, die diesen Ort entdeckten, und sie sagte mir, sie suche ihn immer auf, wenn sie ihren inneren Frieden wiederfinden müsse. Mich fest in den Armen haltend, setzte sie sich dicht an den zerklüfteten Rand und blickte hinaus auf den majestätischen Ozean. Stundenlang saß sie so da und sah zum Horizont, versunken in den atemberaubenden Anblick des im Licht des Himmels schimmernden Wassers. Ich konnte kaum den Kopf aus der Decke strecken, mit der meine Mutter mich gegen den kalten Seewind schützte. Aber trotz meines zarten Alters war ich von der Schönheit dieses Ortes überwältigt. Die Tiere im Regenwald am Meer hatten keine Angst vor Menschen: Sie streiften frei herum, jedes ein unerläßlicher Bestandteil der Natur und alle durch die Sprache der Wahrheit miteinander verbunden. Ich war noch sehr jung, und da ich im Besitz der Sprache der Wahrheit zur Welt gekommen war, fiel es mir nicht schwer, all die Tiere und Vögel, die Schmetterlinge und Blumen, die Berge und Bäume, ja selbst das Meer zu verstehen. Allen war die Sprache der Wahrheit vertraut, und im Gegensatz zu den Menschen hatten sie sich diese für immer bewahren können.

Ich wuchs langsam heran und lernte, daß nur wir Menschen mit zunehmendem Alter die Sprache der Wahrheit verlernen. Ohne es zu merken, fangen wir an, die wunderbare Weisheit, mit der wir geboren sind, durch Stimmen und Sprachen zu ersetzen, die nicht von dort stammen, wo wir ursprünglich herkommen, sondern hier auf der Erde entstanden sind.

Auf der Erde werden viele Sprachen gesprochen, Sprachen, die vor tausend Jahren von verschiedenen Nomadenstämmen erfunden wurden. Und wenn sie auch an verschiedenen Orten gesprochen werden, haben sie doch eines gemeinsam: Sie alle treten früher oder später an die Stelle der Sprache der Wahrheit. So ging es auch mir. Ich wuchs heran, und die Regeln und Gesetze der Gesellschaft ließen das, was ich von der Sprache der Wahrheit wußte, zusammenschrumpfen, bis ich sie schließlich vergaß.

Aber ich gab nicht auf. Ich beschloß, meine ganze Energie daranzusetzen, sie wiederzuerlangen. Ich kämpfte mit aller Kraft darum, konzentrierte mich auf meine Erinnerungen, diejenigen, mit denen im Herzen ich auf die Welt kam. Verzweifelt versuchte ich mich zu erinnern, an welchen Orten ich mit der Weisheit dieser Sprache in Kontakt gewesen war. Ich reiste durch ferne Länder, bis zum Horizont und darüber hinaus. Vergeblich. Ich sah prächtige Löwen durch die afrikanische Savanne streifen, Buckelwale durch die Meere des Südens ziehen, ja sogar winzige Kolibris aus leuchtendbunten Blüten süßen Nektar saugen. Doch ich konnte mich nicht mehr mit ihnen verständigen. Dabei drohte die Zukunft auch noch den letzten Rest, der mir von der Sprache der Wahrheit geblieben war, gnadenlos auszulöschen. Und wahrscheinlich würde es mir genauso gehen wie vor mir schon anderen: Irgendwann würde ich gar nicht mehr wissen, daß ich sie einst im Herzen getragen hatte.

Nach vielen Jahren des Umherreisens kehrte ich müde und traurig in die Otway Mountains zurück. Ich wußte nicht einmal mehr, warum ich so lange in der Welt herumgereist war. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, was ich gesucht hatte.

Schließlich saß ich auf der Klippe, auf die meine Mutter mich viele Jahre zuvor so oft mitgenommen hatte, um den zauberhaften Regenwald zu bewundern, der hoch oben auf den Felsen das Meer willkommen hieß. Und ich weinte wie ein neugeborenes Kind, denn ich empfand eine tiefe Leere dort, wo ich verloren hatte, was meiner Erinnerung entfallen war.

Ich weiß nicht mehr, wie viele Tage oder Wochen lang ich immer wieder zu dem blanken Felsen an der Südspitze von Cape Volney zurückkehrte, wie viele Stunden ich auf der Klippe verbrachte, die sich hinter den herrlichen Otway Mountains verbirgt. In meine Gedanken vertieft, saß ich dort stundenlang, jetzt in dem sicheren Gefühl, etwas verloren zu haben, an das ich mich nicht mehr erinnern konnte. Dennoch spürte ich, daß die Klippe das einzige war, was mich noch mit der Sprache der Wahrheit verband. Obwohl sie meinem Herzen nichts mehr zuflüsterte, wußte ich doch noch, daß sie der beste Freund gewesen war, den ich je gehabt und den ich verloren hatte.

Und dann traf ich eines Tages Shaun.

Ende der Leseprobe