Die Braut des Highlanders - Margaret Mallory - E-Book
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Die Braut des Highlanders E-Book

Margaret Mallory

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Beschreibung

Bei diesem verführerischen Highlander bekommt jede Lady weiche Knie … zum Dahinschmelzen!

Nach Jahren auf den Schlachtfeldern kehrt Ian MacDonald in die Highlands zurück und findet seinen Clan in höchster Gefahr. Um seine Familie vor dem Untergang zu bewahren, muss er sich endlich den Fehlern seiner Vergangenheit stellen … und Sìleas, seiner Ehefrau.

Aus dem ungeschickten Mädchen, das ihm vor Jahren gegen seinen Willen angetraut wurde, ist eine strahlende, eigensinnige Schönheit geworden – die ihren Ehemann, der sie noch am Tag der Hochzeit verlassen hat, nicht gerade mit offenen Armen erwartet. Ian weiß, er will eine zweite Chance mit Sìleas, und er setzt alles daran, seine Ehefrau für sich zu gewinnen …

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Buch

Nach Jahren auf den Schlachtfeldern kehrt Ian MacDonald in die Highlands zurück und findet seinen Clan in höchster Gefahr. Um seine Familie vor dem Untergang zu bewahren, muss er sich endlich den Fehlern seiner Vergangenheit stellen … und Sìleas, seiner Ehefrau.

Aus dem ungeschickten 13-jährigen Mädchen, das ihm vor Jahren gegen seinen Willen angetraut wurde, ist eine strahlende, eigensinnige Schönheit geworden – die ihren Ehemann, der sie noch am Tag der Hochzeit verlassen hat, nicht gerade mit offenen Armen erwartet. Ian weiß, er will eine zweite Chance mit Sìleas, und er setzt alles daran, seine Ehefrau für sich zu gewinnen …

Autorin

Margaret Mallory wuchs in einer Kleinstadt im US-Staat Michigan auf und studierte Jura an der Michigan State University und der University of Michigan Law School. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern an der Pazifikküste, und seit die Kinder auf dem College sind, widmet sich Margaret Mallory ihrer großen Leidenschaft: dem Schreiben historischer Liebesromane.

Außerdem von Margaret Mallory bei Blanvalet

Mein zärtlicher Ritter

Mein leidenschaftlicher Ritter

Mein geliebter Ritter

Margaret Mallory

Die Brautdes Highlanders

Roman

Deutsch von Cora Munroe

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel »The Guardian« bei Grand Central/Forever, New York.

1. AuflageDeutsche Erstausgabe Oktober 2014im Blanvalet Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, MünchenCopyright © der Originalausgabe 2011 by Peggy L. BrownThis edition published by arrangement with Grand Central Publishing, New York, NY, USA. All rights reserved.Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2013 by Verlagsgruppe Random House GmbH, MünchenUmschlaggestaltung: Johannes Wiebel | punchdesign,unter Verwendung einer Illustration von © Franco Accorneround Shutterstock.comRedaktion: Ulrike Nikelwr · Herstellung: cbSatz: DTP Service Apel, HannoverISBN: 978-3-641-12493-9www.blanvalet.de

Ich widme dieses Buch den rothaarigen Frauen in meiner Familie: meiner Schwester, meiner Tochter und dreien meiner Nichten. Sie alle haben vehement eine rothaarige Heldin eingefordert. Sìleas ist für euch.

Is minic a rinne bromach gioblach capall cumasach.

Oft wird aus einem struppigen Fohlen ein edles Pferd.

Prolog

Isle of SkyeSchottland1500

Teàrlag MacDonald, das älteste noch lebende Mitglied ihres Clans und eine berühmte Seherin, ließ ihr gutes Auge langsam von einem Jungen zum anderen wandern. Nur selten kamen Besucher zu ihrem winzigen Cottage am Rande des Meeres.

»Was führt euch in dieser stürmischen Nacht zu mir?«

»Wir wollen von dir etwas über unsere Zukunft erfahren, Teàrlag«, sagte Connor. »Kannst du uns sagen, was du für uns siehst?«

Der Junge war der zweitälteste Sohn des Clanoberhaupts, ein bärenstarker Zwölfjähriger mit rabenschwarzen Haaren, die er dem mütterlichen Erbe verdankte.

»Seid ihr euch sicher, dass ihr wirklich wissen wollt, was das Schicksal für euch bereithält?«, fragte sie. »Sehr oft sage ich den Tod voraus. Wusstet ihr das?«

Die vier Jungen warfen sich unsichere Blicke zu, aber keiner wich zur Tür zurück. Sie waren mutiger als die meisten anderen. Trotzdem fragte die Alte sich, was sie ausgerechnet heute Nacht bewogen hatte, in ihrem Cottage aufzutauchen und den Boden mit Regenwasser aufzuweichen.

»Ihr habt Angst, ich könnte sterben, ehe ich euch eure Zukunft vorausgesagt habe, stimmt’s?«

Mit ihrem guten Auge fixierte sie den Jüngsten, einen Zehnjährigen mit dem gleichen schwarzen Haar wie sein Cousin Connor und Augen so blau wie der Sommerhimmel. Der Junge errötete und bestätigte auf diese Weise ihre Vermutung.

»Nun, ich habe nicht vor, so schnell zu sterben, wie du wohl befürchtest, Ian MacDonald.«

Das Bürschchen zog die Augenbrauen hoch. »Du kennst mich, Teàrlag?«

»Natürlich. Nicht nur dich, euch alle drei«, sagte die Seherin und deutete mit dem Finger auf Ian und seine Cousins Alex und Connor. »Schließlich seid ihr meine Blutsverwandten.«

Dass sie mit einer einäugigen, buckligen alten Frau verwandt sein sollten, war eine Neuigkeit, die ihnen nicht zu gefallen schien. Teàrlag gab ein glucksendes Lachen von sich und ging zum Kamin, um eine Handvoll Kräuter ins Feuer zu werfen. Während es knisterte und Funken sprühte, beugte sie sich vor, um die würzigen Dämpfe einzuatmen. Zwar konnte sie ihre Visionen nicht nach Belieben abrufen, aber manchmal halfen die Kräuter und ließen ein klareres Bild erstehen.

In dem Moment, als die Jungen mit ihrem Geruch nach Hund, feuchtem Holz und dem Meer ihr Cottage betreten hatten, war da dieses orangefarbene Glühen um sie herum gewesen, das ihr eine Vision ankündigte. Obwohl es ungewöhnlich war, diese Aura bei mehr als einer Person gleichzeitig wahrzunehmen, zweifelte sie nicht an der Zuverlässigkeit ihrer seherischen Fähigkeiten. Vermutlich lag es daran, dass die Jungs wie Pech und Schwefel zusammenhielten und fast wie eine Person wirkten.

»Du zuerst«, sagte sie und deutete mit dem Zeigefinger auf Ian.

Der Junge riss die Augen auf, doch als einer der anderen ihm einen Schubs versetzte, trat er um den Tisch herum und stellte sich neben sie.

Wieselflink schob sie einen kleinen, glatten Kieselstein in seinen Mund. Was zwar keinerlei Einfluss auf ihre Vision hatte, aber zum allgemeinen Mysterium beitrug und dafür sorgte, dass er nicht dazwischenredete.

»Verschluck den Stein bloß nicht, Laddie«, sagte sie. »Oder er wird dich töten.«

Mit großen Augen blickte Ian seinen Cousin Connor an, der ihm aufmunternd zunickte. Teàrlag legte die Hand auf Ians Kopf und schloss die Augen. Das Bild, das sich bereits seit seinem Eintreten in ihrem Kopf gebildet hatte, erschien im Nu.

»Du wirst zweimal heiraten. Einmal im Zorn und einmal aus Liebe.«

»Zwei Frauen!« Alex mit dem hellen Haar seiner Wikingervorfahren brüllte vor Lachen. »Da wirst du ja alle Hände voll zu tun haben.«

Ian spuckte den Kiesel in seine Hand. »Das wollte ich nicht wissen, Teàrlag. Kannst du mir nichts Interessantes erzählen. In wie vielen Schlachten ich kämpfen werde? Oder ob ich auf See umkomme?«

»Ich kann die Vision nicht bestimmen, Lad. Wenn sie mir etwas von Frauen und Liebe eingibt, dann ist das eben so.« Sie sah zu den anderen hinüber. »Was ist mit euch?«

Die drei verzogen das Gesicht, als hätte sie ihnen einen ihrer bitteren Heiltränke verabreicht.

Die Alte lachte gackernd und klatschte mit der Hand auf den Tisch. »Jetzt seid ihr nicht mehr so mutig, was, Jungs?«

»Es ist nicht fair, dass ihr von meinen Frauen gehört habt«, sagte Ian zu den anderen, »und ich erfahre nichts über eure.«

Alex grinste schief und tauschte mit ihm den Platz.

»Man muss keine Seherin sein, um zu wissen, woran man mit dir ist. Du bist eindeutig dazu geboren, die Mädchen in Schwierigkeiten zu bringen.«

Teàrlag schüttelte den Kopf. Die Burschen würden alle zu attraktiven Männern heranwachsen, aber dem hier blitzte der Schalk richtiggehend aus den Augen. »Eine Schande, doch daran lässt sich nichts ändern.«

Alex verzog das Gesicht zu einem zufriedenen, selbstgefälligen Grinsen. »Hört sich gut an.«

Sie nahm einen zweiten Kiesel vom Teller auf dem Tisch und stopfte ihn in seinen Mund, legte ihm dann die Hand auf den Kopf. Nur gut, dass sie am Morgen Steine am Strand gesammelt hatte.

»Da könntest du dich täuschen, denn das ist gar nicht gut. Eines Tages wirst du einer Frau begegnen, die so schön ist, dass ihr Anblick dich blendet. Sie sitzt auf einem Felsen im Meer.« Die Seherin öffnete die Augen und versetzte Alex einen Stoß in den Brustkorb. »Sieh dich vor – sie könnte nämlich eine Selkie sein, die Menschengestalt angenommen hat, um dich in den Tod zu locken.«

»Ich hätte lieber eine Selkie als zwei Ehefrauen«, grummelte Ian von der anderen Seite des Tisches.

Für einen MacDonald von Sleat war es durchaus üblich, sich einer Frau zu entledigen und eine neue zu nehmen. Und das nicht nur einmal. Die Zahl der gebrochenen Herzen, die sie zurückließen, war legendär.

Teàrlag schloss erneut die Augen und begann so heftig zu lachen, dass sie einen Hustenanfall bekam.

»Alex, ich sehe dich um ein hässliches, pockennarbiges Mädchen werben«, sagte sie und wischte sich die Augen mit ihrem Schal trocken. »Ich fürchte, sie ist auch noch recht stämmig. Und damit meine ich nicht nur wohlgeformt, o nein.«

Die anderen Jungs bogen sich vor Lachen, bis sie alle einen roten Kopf hatten.

»Komm, du ziehst mich auf.« Alex sah sie von der Seite an. »Da ich eigentlich nicht die Absicht habe, überhaupt jemals zu heiraten, müsste das Mädchen, das mich trotzdem rumkriegt, schon sehr, sehr hübsch sein.«

»Ich sehe, was ich sehe.« Sie schob Alex weg und gab Duncan ein Zeichen. Er war ein großer rothaariger Kerl, dessen Mutter einst Connors Amme gewesen war.

»In ihm hier fließt sowohl das Blut der MacKinnon-Meerhexe wie das der keltischen Kriegskönigin Scáthach – deshalb solltet ihr ihn euch nicht zum Feind machen.« Die Alte drohte den drei anderen mit dem Zeigefinger, bevor sie sich an Duncan wandte: »Von ihnen hast du deinen Mut und dein Temperament.«

Als sie ihm einen Stein in den Mund und die Hand auf seinen Kopf legte, wurde Teàrlag von einem machtvollen Gefühl des Verlusts und der Trauer erfasst, das sich auf ihre Seele legte. Sie hob die Hand, denn sie war zu alt, um es lange auszuhalten.

»Bist du dir sicher, dass du es hören willst, Lad?«, fragte sie behutsam.

Duncan sah sie ernst an und nickte.

»Ich fürchte, es liegen schwere Zeiten vor dir«, sagte sie und drückte seine Schulter. »Aber eines will ich dir mit auf den Weg geben: Manchmal kann ein Mann sein Schicksal ändern.«

Der Junge gab sich zufrieden und machte Platz für Connor.

»Was ich wissen möchte, betrifft die Zukunft des Clans«, sagte er trotz des Steins in seinem Mund und erwies sich damit als würdiger Spross vom Geblüt der Clanoberhäupter. »Können wir in den kommenden Jahren in Sicherheit leben, und wird es uns wohlergehen?«

Sein Vater war vor nicht allzu langer Zeit mit derselben Frage zu ihr gekommen. Er würde seinen Sohn eines Tages fortschicken müssen, damit er in Sicherheit war, hatte sie ihm gesagt. Mehr hatte ihre Vision nicht hergegeben.

Als sie Connor jetzt die Hand auf den Kopf legte, hörte sie das Stöhnen von Sterbenden und sah Männer ihres Clans auf einem mit schottischem Blut getränkten Schlachtfeld liegen. Dann zeigten die Bilder in ihrem Innern ihr die vier Heranwachsenden als starke junge Männer auf einem Schiff, das das Meer überquerte. Die rasch aufeinanderfolgenden Visionen ermüdeten und erschöpften sie.

»Teàrlag, fühlst du dich nicht wohl?«, fragte Connor.

Als sie die Augen aufschlug, reichte Alex ihr einen Becher mit Whisky. »Ein kleiner Schluck wird dir guttun.«

Sie musterte ihn mit ihrem guten Auge, während sie den Becher leerte, und fragte sich, wie er die gut versteckte Flasche gefunden hatte.

»Viele Gefahren liegen vor euch allen«, sagte sie. »Ihr müsst aufeinander achtgeben, wenn ihr überleben wollt.«

Die Jungen schienen unbeeindruckt. Als Highlander wussten sie auch ohne Weissagungen, dass ihre Zukunft Gefahren mit sich brachte. Und als künftige Männer fanden sie das eher aufregend als beunruhigend.

Aber die alte Seherin erzählte ihnen nicht alles, was ihre Visionen ihr eingaben. Sie wog ab, was für die Jungen hilfreich sein könnte und was nicht.

»Möchtest du wissen, was du tun musst, um dem Clan zu helfen?«, fragte sie Connor.

»Aye, Teàrlag, das will ich.«

»Dann werde ich es dir verraten«, fuhr sie fort. »Die Zukunft des Clans hängt davon ab, dass du die richtige Frau wählst.«

»Ich? Aber mein Bruder wird einmal die MacDonalds von Sleat führen.«

Sie zuckte die Achseln und schwieg. Er würde noch früh genug von dem kommenden Leid erfahren.

»Kannst du mir dann wenigstens sagen, was für eine Frau ich nehmen muss?«

»Ach, nicht nötig. Das Mädchen wird nämlich dich aussuchen«, sagte sie und kniff ihn in die Wange. »Du musst bloß klug genug sein, es zu erkennen.«

Sie blickte zur Tür, noch ehe draußen ein Klopfen erklang. Alex, der dem Eingang am nächsten stand, öffnete sie und lachte, als er das kleine Mädchen mit den wilden, ungekämmten roten Haaren dort entdeckte.

»Es ist bloß Ians Freundin Sìleas«, sagte er, während er sie hineinzog und die Tür gegen die Kälte schloss.

Die großen grünen Augen des Kindes wanderten im Raum umher und hefteten sich schließlich auf Ian. »Ich habe dich gesucht.«

»Warum läufst du allein draußen in der Dunkelheit herum? Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du vorsichtiger sein musst?« Ian wickelte sich in seinen Umhang und wandte sich an die anderen. »Ich bringe sie am besten zurück zur Burg.«

Die alte Seherin bedauerte das Kind, das bei Gott kein schönes Zuhause hatte. Nicht mit diesem Vater, der mit einem Mädchen nichts anzufangen wusste. Und die kränkelnde Mutter vermochte nichts dagegen zu unternehmen. Jedenfalls war es ein Skandal, ein Kind so in der Gegend herumstromern zu lassen.

»Hattest du denn keine Angst, dass die Faeries dich holen würden?«, fragte sie.

Sìleas schüttelte den Kopf. Vertraut mit der Sagenwelt, wusste sie, dass die Faeries sich nur solche Kinder holten, die von ihren Eltern geliebt wurden.

Armes Mädchen, dachte Teàrlag einmal mehr, während Ian nach der Hand der Kleinen griff.

»Dann komm mal mit«, sagte er. »Ich erzähle dir auf dem Weg eine Geschichte über eine Selkie.«

Sìleas blickte zu dem Jungen auf, und ihre Augen glänzten, als habe Gott persönlich den stärksten und mutigsten Krieger der ganzen Highlands geschickt, damit er sie beschütze.

Kapitel 1

Isle of SkyeSchottland1508

Sìleas’ ausgestreckte Hände tasteten sich an den rauen Erdwänden entlang, und das Fühlen ersetzte das Sehen. Kleine Tiere flitzten vor dem Mädchen davon, das da voller Angst durch die Dunkelheit hastete.

Zum Glück blieb das hallende Geräusch von Schritten hinter ihr aus. Nichts war zu hören. Noch nicht.

Ein Kreis grauen Lichts tauchte vor ihr auf und kündigte das Ende des Tunnels an. Sobald sie ihn erreichte, ließ Sìleas sich auf alle viere fallen und kroch durch die schmale Öffnung. Zweige zerkratzten ihr Gesicht und ihre Hände, und sie versank fast im Schlamm, denn der Boden war aufgeweicht.

Aber sie konnte wieder richtig durchatmen, denn die saubere Meeresluft blies den stickigen, muffigen Geruch des Tunnels, der sie an frisch ausgehobene Gräber erinnerte, weg. Doch sie hatte keine Zeit, sich lange auszuruhen.

Hastig setzte sie ihren Weg den Hügel hinauf fort. Vorbei an Schafen, die sie verwundert anstarrten oder erschrocken zur Seite sprangen. Sie betete, dass sie sich nicht verirrte. Als sie endlich den gesuchten Pfad erreichte, drückte sie sich hinter einen Felsen und wartete. Noch ehe sie wieder zu Atem gekommen war, hörte sie Hufschlag.

Sie musste sicher sein, dass es wirklich Ian war. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, dröhnte in ihren Ohren. Vorsichtig spähte sie um den Felsen herum.

Sobald der Reiter um die Kurve bog, rief sie seinen Namen und lief auf den schmalen Weg hinaus.

»Sìl«, rief Ian und zügelte abrupt sein Pferd. »Ich hätte dich beinahe über den Haufen geritten.«

In die Glut des Sonnenuntergangs getaucht, sah Ian mit seinen wehenden dunklen Haaren so attraktiv aus, dass Sìleas für eine Weile sogar die Gefahr vergaß, in der sie schwebte.

»Was machst du hier draußen? Und wie kommt es, dass du so dreckig bist?«

»Weil ich auf der Flucht vor meinem Stiefvater bin«, antwortete Sìleas, die langsam wieder zu sich fand. »Und nachdem ich beobachtet habe, wie sie dich am Tor abwiesen, bin ich durch den geheimen Tunnel entwischt.«

»Ich befinde mich auf dem Heimweg und wollte die Nacht in eurer Burg verbringen«, erzählte er, »aber angeblich grassiert bei euch irgendeine Krankheit. Deshalb wies man mich ab.«

»Sie haben dich angelogen«, sagte sie heftig und streckte ihre Hand zu ihm hoch. »Wir müssen uns beeilen, ehe jemand mein Verschwinden bemerkt.«

Ian zog sie vor sich in den Sattel. Sìleas schmiegte sich an ihn und seufzte. Endlich war sie in Sicherheit.

Lange genug musste sie Ian schließlich vermissen, denn er war einige Monate am schottischen Hof gewesen und hatte an der Grenze gekämpft. Jetzt würde alles wieder gut. So wie früher, als Ian ihr ständig aus der Patsche half.

Allerdings hatte sie nie zuvor in vergleichbaren Schwierigkeiten gesteckt wie derzeit. Falls sie daran noch Zweifel gehabt haben sollte, so wurden diese durch die grüne Dame ein für alle Mal beseitigt. Dieser Geist, der den Bewohnern von Knock Castle bisweilen einen Blick in die Zukunft gewährte, hatte eines Nachts weinend über ihrem Bett geschwebt. Keine Frage: Ihr war sie als Botin kommenden Unheils erschienen.

Deutlicher konnte eine Warnung nicht sein.

Als Ian sein Pferd zurück in Richtung Burg lenkte, schrak sie zusammen und wirbelte zu ihm herum. »Was machst du da?«

»Ich bringe dich zurück«, sagte Ian. »Schließlich kann ich nicht zulassen, dass man mich der Entführung beschuldigt.«

»Aber du musst mich von hier fortbringen! Der Bastard hat vor, mich mit dem Schlimmsten aus der MacKinnon-Sippe zu verheiraten.«

»Hüte deine Zunge«, sagte Ian. »Du solltest deinen Stiefvater nicht einen Bastard schimpfen.«

»Du hörst mir nicht zu. Der Mann will, dass ich seinen Sohn Angus heirate.«

Ian zügelte sein Pferd. »Du musst dich irren. Nicht einmal dein Stiefvater würde so etwas tun. Wie auch immer, ich verspreche, dass ich meinem Vater und meinem Onkel berichte, was du mir erzählt hast.«

»Das mache ich selbst, wenn du mich zu ihnen bringst.«

Ian schüttelte den Kopf. »Ich fange keinen Krieg der Clans an, indem ich dich mitnehme. Selbst wenn es stimmt, was du behauptest, wird es nicht so schnell zu einer Heirat kommen. Du bist immerhin noch ein Kind.«

»Nein, bin ich nicht«, protestierte Sìleas und verschränkte die Arme. »Ich bin dreizehn.«

»Na ja, du hast jedenfalls noch keinen Busen. Und kein Mann wird dich vorher heiraten wollen«, sagte er amüsiert und kassierte von ihr einen Stoß in die Rippen. »Aua! Du musst mich nicht mit deinem spitzen Ellenbogen malträtieren, bloß weil ich die Wahrheit ausspreche.«

Sìleas bekämpfte das Brennen in ihren Augen. Nach allem, was ihr heute bereits zugestoßen war, nun auch noch das. Und am schlimmsten fand sie es, dass ausgerechnet der Mann so etwas von sich gab, den sie einmal heiraten wollte.

»Wenn du mir nicht hilfst, Ian MacDonald, gehe ich eben zu Fuß weiter. Irgendwohin …«

Prompt versuchte sie, von seinem Pferd zu rutschen, doch Ian packte sie und hielt sie fest. Nahm ihr Gesicht zwischen die Hände und rieb mit dem Daumen sanft über ihre Wange, was es ihr verteufelt schwer machte, nicht in Tränen auszubrechen.

»Ich will deine Gefühle nicht verletzen, Kleine. Du kannst nicht allein in der Gegend herumlaufen. Bis zum nächsten Haus ist es ein weiter Weg – ganz abgesehen davon, dass es bald dunkel wird.«

»Trotzdem gehe ich nicht zurück zur Burg«, sagte sie trotzig.

»Ich nehme an, wenn ich dich zurückbringe, wirst du dich erneut durch den Geheimgang davonmachen?«

»Worauf du dich verlassen kannst.«

Der junge Mann seufzte und wendete sein Pferd. »Dann sollten wir uns beeilen. Aber wenn ich wegen Entführung gehängt werde, geht das auf deine Kappe.«

Bevor die Dunkelheit endgültig hereinbrach und er nichts mehr sehen konnte, hielt Ian an, um ein Lager aufzuschlagen. Ohne Sìleas wäre er vermutlich der Versuchung erlegen weiterzureiten, doch mit ihr fand er es zu riskant. Das Haus seiner Familie lag noch ein gutes Stück entfernt.

Er reichte dem Mädchen die Hälfte von seinen Haferkeksen und seinem Käse, und schweigend verzehrten sie das kärgliche Mahl. Diese Geschichte würde ihn teuer zu stehen kommen, und das alles bloß, weil sie zum einen ihren Dickkopf durchsetzen wollte und sich zum anderen aberwitzige Sachen einbildete, die sie für bare Münze nahm.

Er betrachtete sie von der Seite. Arme Sìl! Ihr schöner Name, der weich ausgesprochen wie ein sanftes Flüstern klang, sprach ihrer Erscheinung Hohn. Denn sie war nichts als ein armseliges, dürres Ding mit viel zu großen Zähnen und widerspenstigem Haar, dessen grellrote Farbe in den Augen schmerzte. Selbst mit Busen, den sie hoffentlich irgendwann bekam, würde kein Mann sie wegen ihres Aussehens heiraten. Wenigstens hatte sie sich den Schmutz aus dem Gesicht gewaschen.

Ian breitete seine Decke aus und blickte sie warnend an. »Leg dich hin und halt den Mund.«

»Es ist nicht meine Schuld …«

»Ist es sehr wohl«, sagte er. »Aber du weißt leider genau, dass dir deswegen niemand einen Vorwurf machen wird.«

Sìleas rollte sich auf der einen Seite der Decke zusammen und zog die Füße unter ihren Umhang, während Ian ihr den Rücken zudrehte und sich in sein Plaid wickelte. Nach einem langen Tag war er rechtschaffen müde.

Er schlief bereits halbwegs, als Sìleas ihn an der Schulter rüttelte. »Ich habe was gehört.«

Ian ergriff sein Claymore, setzte sich auf und lauschte.

»Es könnte ein Keiler gewesen sein«, flüsterte sie. »Oder ein sehr großer Bär.«

Ian ließ sich stöhnend wieder auf den Rücken fallen. »Das war bloß der Wind, der durch die Bäume fährt. Hast du mich für einen Tag noch nicht genug gequält?«

Er seufzte. Wie sollte er einschlafen, wenn die Kleine neben ihm dermaßen zitterte? Sie hatte schließlich kein Fleisch auf den Rippen, das sie wärmte.

»Sìl, ist dir kalt?«, fragte er.

»Ich komme fast um vor Kälte«, sagte sie mit schwacher und leicht verzweifelter Stimme.

Angesichts dieses Elends blieb Ian nichts anderes übrig, als sie zu sich unter sein Plaid zu nehmen. Mit dem Erfolg, dass er nicht mehr einschlafen konnte.

Nachdem er eine ganze Weile in die Baumwipfel hinaufgeschaut hatte, die sich im Wind über ihm wiegten, flüsterte er: »Sìl, bist du noch wach?«

»Aye.«

»Ich werde bald heiraten«, sagte er mit einem Lächeln. »Weißt du, ich habe sie bei Hofe in Stirling kennengelernt und will es jetzt meinen Eltern mitteilen.«

Er spürte, wie Sìleas neben ihm erstarrte.

»Für mich kommt es genauso überraschend wie für dich«, fuhr er fort. »Ich wollte eigentlich erst in ein paar Jahren heiraten, aber wenn einem die richtige Frau begegnet … Ach Sìl, sie ist alles, was ich mir wünsche.«

Das Mädchen schwieg eine Weile, dann fragte es mit einer ganz kleinen, gepressten und heiseren Stimme: »Warum meinst du, dass sie die Richtige für dich ist?«

»Philippa ist eine ausgesprochene Schönheit, das kann ich dir verraten. Sie hat leuchtende Augen und seidiges, ganz helles Haar – und eine Figur, die einem Mann den Atem raubt.«

»Hm. Und außer ihrem Aussehen gibt es nichts über diese Philippa zu sagen?«

»Doch. Sie sieht so elegant aus wie eine Königin der Faeries. Und sie hat ein hinreißendes, glockenhelles Lachen.«

»Und deshalb willst du sie heiraten?«

Ian lachte wegen Sìleas’ mangelnder Begeisterung. »Ich sollte mit dir nicht über so etwas sprechen, Kleine. Weißt du, es gibt Frauen, die ein Mann haben kann, ohne sie zu heiraten, und andere, die er nur in der Ehe bekommt. Sie gehört zur zweiten Kategorie … Also muss ich, sofern ich sie wirklich will, vorher heiraten.«

Mit einem versonnenen Schmunzeln legte er Sìleas einen Arm um die Schultern und sank bald darauf in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Als ihn das Schnauben von Pferden weckte, erinnerte er sich an nichts.

In Windeseile warf er jedoch sein Plaid von sich und zog sein Schwert, als er die drei Reiter entdeckte, die sich ihrem Lager näherten und es zu umkreisen begannen. Obwohl Ian sie als Mitglieder seines Clans erkannte, senkte er nicht das Schwert.

Er blickte sich über die Schulter nach Sìleas um, mit der alles in Ordnung zu sein schien. Sie hatte sich aufgesetzt, sein Plaid über den Kopf gezogen und beobachtete die Ankömmlinge durch eine Art Guckloch.

»Ist das etwa unser junger Ian, der vom Krieg an der Grenze zurückgekehrt ist?«, fragte einer der Reiter.

»Aber ja, das ist er! Wir haben gehört, du warst sehr erfolgreich im Kampf gegen die Engländer«, sagte ein zweiter. »Die Engländer müssen verdammt lange schlafen«, fügte er spöttisch hinzu.

»Angeblich sollen sie höflich darauf warten, Zeit und Ort eines Kampfes mitgeteilt zu bekommen«, sagte der dritte. »Wie sonst kann ein Mann so fest schlafen, dass er erst wach wird, wenn Pferde durch sein Lager reiten?«

Ian knirschte mit den Zähnen, während die drei Männer weiterhin ihre Späße auf seine Kosten trieben.

»Die Engländer kämpfen wie Weiber. Was kannst du also erwarten?«, sagte der erste und schaute hinüber zu drei weiteren Reitern, die soeben herankamen.

»Da wir gerade von Frauen sprechen: Wer ist die tapfere Maid, die keine Angst davor hat, das Lager mit unserem grimmigen Krieger zu teilen?«

»Deine Mutter wird dich dafür umbringen, dass du ihr eine Hure mit nach Hause bringst«, spottete der zweite und erntete stürmisches Gelächter.

»Ich wäre gern dabei, wenn sie es herausfindet«, sekundierte der erste wieder. »Komm schon, Ian, lass sie uns mal ansehen.«

»Das ist keine Frau«, verteidigte Ian sich unbeholfen und schlug die Decke zurück. »Bloß Sìleas.«

Das Mädchen zog die Decke rasch wieder um sich und schaute die Männer wütend an.

Die Reiter verstummten. Ian folgte ihren Blicken und entdeckte seinen Vater und das Oberhaupt ihres Clans, die mit ihren Pferden nah dem Lager Position bezogen hatten.

In dem lastenden Schweigen, das sich nun ausbreitete, war außer dem Schnauben der Pferde kein Ton mehr zu hören. Der grimmige Blick allerdings, mit dem Payton MacDonald seinen Sohn und Sìleas bedachte, sagte mehr als Worte.

»Kehrt nach Hause zurück, Männer«, befahl der Clanchef den anderen. »Wir kommen gleich nach.«

Sein Vater stieg ab, redete aber erst, sobald die Reiter außer Hörweite waren.

»Erklär dich, Ian MacDonald.« Sein Tonfall klang harsch und ungehalten und hatte in früheren Zeiten meist eine Tracht Prügel angekündigt.

»Ich weiß nicht, wie ich so fest schlafen konnte, dass ich eure Pferde nicht gehört habe, Pa. Ich …«

»Halt mich nicht zum Narren«, brüllte sein Vater zornig. »Du weißt nur zu gut, was ich meine. Ich verlange zu wissen, warum du allein mit Sìleas unterwegs bist – und warum wir dich dabei erwischen, wie du das Bett mit ihr teilst.«

»Das tue ich doch gar nicht … Und eigentlich wollte ich überhaupt nicht mit ihr unterwegs sein«, stammelte Ian. »Es hat sich so ergeben. Aber sonst ist nichts passiert – nicht das, was du denkst.«

Das ohnehin gerötete Gesicht seines Vaters nahm eine purpurne Färbung an. »Mach mir nichts weis und behandele mich nicht, als ob ich begriffsstutzig wäre. Glaubst du etwa, ich könnte nicht erkennen, was sich hier direkt vor meinen Augen abspielt? Dafür gibt es nur eine Erklärung. Am besten gestehst du gleich, dass ihr zwei ausgerissen seid und heimlich geheiratet habt.«

»Natürlich sind wir nicht verheiratet.«

Auf dem ganzen Weg nach Hause hatte sich Ian ausgemalt, wie die Augen seines Vaters vor Stolz leuchten würden, wenn er von den Erfolgen seines Sohnes im Kampf an der Grenze gegen die Engländer erfuhr. Stattdessen redete er jetzt mit ihm, als sei er ein kleiner Junge, den er bei einem gefährlichen Streich erwischt hatte.

»Wir haben nicht auf die Art das Bett geteilt, wie du es andeutest, Pa«, sagte Ian, dem es trotz allen Bemühens nicht gelang, ruhig zu bleiben. Zu sehr wühlte ihn die ungerechte und unberechtigte Unterstellung auf. »Das wäre ja abscheulich. Wie kannst du so etwas annehmen?«

»Warum ist das Mädchen dann bei dir?«

»Sìleas bildet sich ein, dass ihr Stiefvater sie mit Angus verheiraten will. Ich schwöre, sie wäre davongelaufen, falls ich mich nicht um sie gekümmert hätte.«

Sein Vater hockte sich neben Sìleas. »Ist mit dir alles in Ordnung, Lass?«

»Ja.« Sie sah erbärmlich aus mit ihrer blassen Haut unter ihrem zerzausten Haar, hockte da unter Ians Plaid wie ein verlassener kleiner Vogel.

Payton nahm sanft ihre Hand zwischen seine riesigen Pranken. »Kannst du mir sagen, was passiert ist, Lass?«

Das war ja wohl die Höhe! Ian geriet in Rage. Sein Vater redete mit Sìleas, als sei sie der reinste Unschuldsengel. Dabei hatte sie ihm die ganze Misere erst eingebrockt.

»Ian wollte mir wirklich erst nicht helfen, und deshalb habe ich ihn dazu gezwungen. Mein Stiefvater will mich nämlich mit seinem Sohn verheiraten, damit sie Ansprüche auf Knock Castle stellen können.« Sie senkte den Blick und fügte mit zitternder Stimme hinzu: »Und das war nicht alles, doch über den Rest möchte ich nicht sprechen.«

Sìleas übertrieb wie immer. Wenn Ians Vater vorher noch nicht auf ihrer Seite gewesen war, dann hatte sie es jetzt geschafft.

»Welch ein Glück, dass das Mädchen von ihren Plänen erfahren hat und fliehen konnte«, sagte der Onkel, den diese Sache als Clanoberhaupt insbesondere interessierte. »Wir können nicht zulassen, dass die MacKinnons uns Knock Castle unter dem Hintern wegklauen.«

Payton MacDonald richtete sich auf und legte die Hand auf die Schulter des Sohnes. »Ich weiß, dass es nicht in deiner Absicht lag – trotzdem hast du Sìleas kompromittiert.«

Ian glaubte, sein Herz würde zu schlagen aufhören. Er spürte großes Unheil auf sich zukommen, das seine gesamte Lebensplanung verändern würde.

»Aber Vater, das kann nicht sein. Ich kenne Sìleas seit ihrer Geburt. Und sie ist noch so jung. Niemand wird sich irgendwas dabei denken, dass ich die Nacht mit ihr im Wald verbracht habe.«

»Die Männer, die euch gefunden haben, denken bereits das Schlimmste. Ihr Verdacht wird sich unweigerlich herumsprechen.«

»Es ist doch nichts passiert. Nicht einmal gedacht habe ich an so etwas.«

»Das macht keinen Unterschied«, entschied sein Vater.

»Dir geht’s gar nicht um Sìleas’ Ruf, oder?« Ian beugte sich mit geballten Fäusten vor. »Sondern allein darum, ihre Ländereien vor dem Zugriff der MacKinnons zu schützen.«

»Das auch, zugegeben. Dennoch hast du Sìleas’ Ruf ruiniert, und es gibt nur einen Weg, das wiedergutzumachen. Ihr beide werdet heiraten, sobald wir zu Hause eintreffen.«

»Nein. Das werde ich nicht tun«, rief Ian voller Entsetzen aus.

»Du wirst deiner Mutter und mir keine Schande machen, das verlange ich von dir.« Die Augen seines Vaters waren hart wie Stahl. »Ich erwarte ehrenhaftes Verhalten von meinen Söhnen, selbst in schwierigen Situationen. Und dann erst recht.«

»Aber ich …«

»Du musst deine Pflicht erfüllen – gegenüber dem Mädchen und gegenüber deinem Clan«, entschied sein Vater. »Du bist ein MacDonald, und du wirst tun, was nötig ist.«

»Ich rufe die Männer zusammen«, ergänzte der Clanchef. »Schätzungsweise werden die MacKinnons nicht sonderlich begeistert sein … Wir müssen uns also auf Ärger gefasst machen.«

Sìleas weinte leise vor sich hin, drückte Ians Plaid an ihr Gesicht und wiegte sich vor und zurück.

»Pack deine Sachen zusammen, Mädchen.« Ians Vater tätschelte sie verlegen. »Du musst verheiratet sein, ehe die MacKinnons nach dir suchen.«

Kapitel 2

Im Verlies von Duart CastleIsle of MullOktober 1513

Verdammtes Ungeziefer! Im Stroh wimmelt es nur so von dem kleinen Viehzeug.« Ian stand auf und kratzte sich an den Armen. »Ich hasse es sagen zu müssen, aber die Gastfreundschaft der MacLeans lässt doch sehr zu wünschen übrig.«

»Ich mache mir größere Sorgen wegen des zweibeinigen Ungeziefers«, sagte Duncan zu den beiden Freunden. »Wie ihr wisst, sind sie oben und debattieren darüber, was sie mit uns machen sollen. Und ich glaube nicht, dass sie sich für Gnade entscheiden werden.«

Connor rieb sich die Schläfen. »Nachdem wir fünf Jahre in Frankreich gekämpft haben, müssen wir ausgerechnet am selben Tag, an dem unsere Füße wieder schottischen Boden betreten, den MacLeans in die Hände fallen …«

Ian empfand dieses unglückselige Zusammentreffen ebenfalls als unerträgliche Schmach. Hinzu kam, dass man sie dringend zu Hause brauchte. Nicht ohne Grund hatten sie Frankreich schließlich den Rücken gekehrt. Sobald die Nachricht von der entsetzlichen Niederlage gegen die Engländer bei Flodden zu ihnen durchgedrungen war, gab es für sie kein Halten mehr.

»Es ist an der Zeit, dass wir uns aus diesem ungastlichen Haus verabschieden«, sagte Ian zu den anderen. »Selbst die MacLeans werden hoffentlich so viel Anstand besitzen, uns ein Abendessen zu gewähren, ehe sie uns töten. Und das ist die Chance, die wir ergreifen müssen. Eine zweite wird es kaum geben.«

»Aye.« Connor stellte sich neben ihn und spähte durch das Eisengitter in die Dunkelheit. »In dem Moment, wenn der Wärter die Tür öffnet, werden wir …«

»Ach, Gewalt dürfte kaum nötig sein«, mischte sich Alex ein. Er lag mit lang ausgestreckten Beinen auf dem verdreckten Stroh und schien sich nicht darum zu scheren, was unter und neben ihm herumkrabbelte.

»Und warum nicht?«, fragte Ian und stieß den Cousin mit dem Stiefel an.

»Ich sage ja nicht, dass es ein schlechter Plan ist, unsere Bewacher zu überwältigen«, entgegnete Alex. »Bloß werden wir ihn nicht brauchen.«

Der Jüngere verschränkte die Arme und grinste trotz der wenig hoffnungsvollen Situation amüsiert. »Willst du etwa die Faeries bitten, die Tür unseres Verlieses zu öffnen?«

Ian wusste, dass Alex ein begnadeter Geschichtenerzähler war, und entsprechend neugierig schaute er ihn jetzt an. Der Cousin genoss die Aufmerksamkeit sichtlich und steigerte die Spannung noch, indem er das Schweigen ausdehnte.

»Als sie mich nach oben holten, um mich zu befragen«, begann er schließlich genüsslich, »wurden sie ein bisschen roh. Erwartungsgemäß. Aber dann kam zufällig die Frau des Clanoberhaupts herein … Und wisst ihr was: Sie bestand darauf, sich um meine Wunden zu kümmern.«

Connor stöhnte. »Alex, sag mir bitte nicht, dass du …«

»Nun, sie hat mich splitterfasernackt ausgezogen und eine süßlich duftende Salbe auf jeden meiner Kratzer aufgetragen. Vom Scheitel bis zur Sohle. Die Dame zeigte sich außerdem von meinen Kriegsnarben beeindruckt – und das gefällt mir immer an einer Frau«, sagte Alex und hob entschuldigend eine Hand. »Es war für uns beide recht aufregend. Um es kurz zu machen …«

»Du hast bei der Frau des Mannes gelegen, der uns gefangen hält? Das darf ja wohl nicht wahr sein.« Duncan wusste nicht, ob er das lustig oder nur dumm finden sollte. »Jedenfalls müssen wir bereit sein, Jungs, denn ich nehme mal an, dass unter diesen Umständen die Diskussion, ob man uns tötet oder nicht, bereits entschieden ist.«

»Ein schöner Dank dafür, dass ich meine Tugend geopfert habe, um unsere Freilassung zu bewirken«, warf Alex vorwurfsvoll ein. »Die Schöne wird es kaum ihrem Ehemann erzählen. Außerdem hat sie mir geschworen, sie wisse Mittel und Wege, uns hier rauszuholen.«

»Und wann? Hat sie das ebenfalls angekündigt?«

Ian zweifelte nicht an der Tatsache an sich – zu oft hatte er erlebt, welch unwahrscheinliche Dinge die Frauen bisweilen für Alex taten.

»Heute Nacht. Und es war nicht allein mein hübsches Gesicht, das den Ausschlag für diese Entscheidung gab. Sie gehört zu den Campbells, und mehr als alles andere ist das ihr Beweggrund, uns zu helfen. Shaggy MacLean hat sie lediglich geheiratet, um ihren Clan nicht länger zum Gegner zu haben. Trotzdem hasst sie ihn nach wie vor und tut ihr Möglichstes, ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu hintergehen.«

»Siehst du!« Ian zeigte mit dem Finger auf Connor. »Lass dir das eine Lehre sein, nicht unter unseren Feinden nach einer Frau Ausschau zu halten.«

Connor rieb sich die Stirn. Politisch motivierte Eheschließungen waren eigentlich gang und gäbe, und von ihm als Sohn eines Clanchefs würde man genau das erwarten. Gerade nachdem bei Flodden so viele Männer gefallen waren. Es reichte schon, gegen die Feinde von außen Krieg zu führen, da konnte niemand überflüssige Feindseligkeiten und Kämpfe im Innern gebrauchen.

»Interessant, dass ausgerechnet du uns in Hinblick auf Ehefrauen einen Rat erteilst«, spöttelte Alex und zog die Augenbrauen hoch. »Dabei weißt du mit deiner eigenen ja nicht einmal etwas anzufangen.«

»Ich habe keine Frau.« In Ians Stimme schwang eine unmissverständliche Warnung mit. »Solange die Ehe nicht vollzogen wurde, betrachte ich sie nicht als bindend und werde, wie ihr wisst, entsprechende Maßnahmen ergreifen.«

In Frankreich hatte Ian sich ohnehin schadlos gehalten und sein Möglichstes getan, sein Ehegelübde zu vergessen. Und den Entschluss gefasst, bei seiner Heimkehr nach Skye das Theater mit dieser Ehe, die bloß auf dem Papier bestand, zu beenden.

Alex richtete sich auf. »Wer wettet mit mir, dass unser lieber Ian dieser Verpflichtung im Leben nicht entkommt?«

Ian war drauf und dran, sich auf den Cousin zu stürzen, doch Duncan hielt ihn zurück.

Auch Connor mischte sich ein. »Alex, das reicht.«

»Ihr seid ein armseliger Haufen«, setzte der stattdessen noch eins obendrauf. »Ian ist verheiratet und will es nicht wahrhaben. Duncan hingegen weigert sich, seine wahre Liebe zu heiraten.«

Der arme Duncan. Ian blickte Alex böse an. Die Geschichte war einfach zu traurig, um darüber Witze zu reißen.

»Und dann haben wir da noch Connor«, fuhr Alex ungerührt fort. »Er muss raten, welcher der gut zehn Clanoberhäupter mit unverheirateten Töchtern ihm am gefährlichsten werden könnte, und seine Fühler ausstrecken.«

»Ach, meine lieben Onkel werden mich wahrscheinlich ohnehin vorher töten und mir die Qual der Wahl ersparen«, sagte Connor.

»Nicht wenn wir dir Rückendeckung geben«, versicherte Duncan.

Zwar wäre es den Halbbrüdern von Connors Vater zweifellos sehr recht, ein Hindernis weniger auf ihrem Weg zur Macht im Clan zu haben, aber die Familienverhältnisse waren verzwickt. Der Großvater, der erste Chef der MacDonalds von Sleat, hatte mit sechs Frauen sechs Söhne gezeugt. Einige waren bereits tot, und die überlebenden gingen sich mit schöner Regelmäßigkeit an die Gurgel.

Mord und Totschlag war ihnen offenbar in die Wiege gelegt worden.

»Ich hoffe, mein Bruder wird uns später als Clanoberhaupt solchen Ärger ersparen«, seufzte Connor, »und sich mit einer einzigen Frau zufriedengeben.«

Alex schnaubte. »Ragnall? Nicht dein Ernst!«

Ein illusorischer Wunsch in der Tat, dem Connor da Ausdruck verlieh. Denn der ältere Bruder und designierte Erbe kam leider Gottes in puncto Frauen ganz auf seinen Vater und Großvater. Und da waren Konflikte vorprogrammiert.

»Und wen wirst du heiraten, Alex? Wenn wir schon mal dabei sind«, sagte Duncan. »Welches Mädchen aus den Highlands wird sich mit deinen zahlreichen Liebeleien abfinden, ohne dir einen Dolch in den Rücken zu rammen?«

»Keines.« Alex, dessen Stimme nun ebenfalls nicht mehr amüsiert klang, war selbstkritisch genug, das einzugestehen. »Ich habe es euch ja bereits gesagt, dass ich lieber nicht heiraten werde.«

Überdies war er ein gebranntes Kind. Seine Eltern lebten im Streit, solange die vier jungen Männer sich erinnern konnten. Selbst in den Highlands, wo Gefühle gerne sehr stürmisch ausgetragen wurden, galt das Ausmaß ihrer Anfeindungen als legendär. Ian wusste das aus sicherer Quelle, denn seine und Alex’ Mutter sowie die von Connor waren Schwestern. Und bis auf die von Ian unglücklich in ihren Ehen.

Der Klang von Schritten, der von draußen ertönte, lenkte ihre Gedanken wieder auf ihr eigentliches Problem zurück. Automatisch griffen sie an ihre Gürtel, ohne daran zu denken, dass man ihnen ihre Dolche abgenommen hatte.

»Es ist Zeit, dieses Höllenloch zu verlassen«, raunte Ian. Er presste sich an die Wand neben der Tür und nickte den anderen zu. Ob mit oder ohne Plan, sie würden die Wachen überwältigen.

Es erwies sich als unnötig.

»Alexander«, hörten sie eine Frau in der Dunkelheit auf der anderen Seite der Gitterstäbe rufen, und kurz darauf klirrte ein Schlüssel.

Tief atmete Ian die salzhaltige Luft ein, die reinste Wohltat nach dem verrotteten, stinkenden Verlies. Sie hatten Shaggy MacLeans Lieblingsgaleere gestohlen, was ihnen zumindest einen Teil ihres durch die Gefangennahme beeinträchtigten Stolzes zurückgab, und waren damit in See gestochen. Es war ein schlankes, schnelles Schiff, mit dem sie gut vorankamen. Der frische, beinahe stürmische Oktoberwind tat ein Übriges, und so sprachen sie zufrieden einem Krug Whisky zu.

Ian war vertraut mit diesen Gewässern, denn er segelte hier von Kindesbeinen an, kannte jeden Felsen und jede Strömung ebenso wie die Bergkuppen in der Ferne.

Jetzt richtete er den Blick auf die dunkler werdende Silhouette der Isle of Skye. Trotz allen Ungemachs, das ihn dort erwartete, weckte der Anblick seiner Heimatinsel eine tiefe Sehnsucht in seinem Herzen.

Ärger würde es allerdings mehr als genug geben. Das wusste er, seit die Frau aus dem Campbell-Clan, der sie ihre Befreiung verdankten, ihnen eine schreckliche Nachricht überbracht hatte: Sowohl das Clanoberhaupt der MacDonalds als auch der Erbe, also Connors Vater und Bruder, gehörten zu den Toten der Schlacht von Flodden. Ein niederschmetternder Verlust für den Clan, der sich nunmehr einer ungewissen Zukunft gegenübersah.

Entsprechend der Stimmung spielte Duncan auf der kleinen Flöte, die er immer bei sich trug, traurige und melancholische Weisen.

»Dein Vater war ein großer Mann«, sagte er, als er eine Pause einlegte und die Flöte in sein Plaid steckte.

Er hatte recht. Ihr Clanoberhaupt war nicht geliebt worden, aber man hatte ihn als starken Anführer und mutigen Krieger respektiert. Charaktereigenschaften, die in den Highlands mehr zählten als alles andere. Auch Ian fiel die Vorstellung schwer, dass er wirklich tot sein sollte, und er nahm einen tiefen Zug aus dem Krug. Immerhin war er mit ihm durch seine Frau zudem eng verwandt gewesen und hatte ihn Onkel genannt.

»Ich kann nicht glauben, dass wir sie beide verloren haben«, sagte er und reichte Connor den Whisky. »Um die Wahrheit zu sagen, hätte ich nie gedacht, dass überhaupt jemand Ragnall töten könnte.«

Er wusste, dass der Verlust seines Bruders für Connor einen harten Schlag bedeutete. Vor allem in Hinblick auf sein eigenes Leben. Ragnall war mutig gewesen, heißblütig und als Nachfolger seines Vaters anerkannt. Eine Position, die der Jüngere sich erst erobern musste.

»So langsam durchschaue ich Shaggys Spiel«, sagte Duncan. »Bestimmt wusste er im Gegensatz zu uns bereits vom Tod der beiden. Wäre nämlich einer von ihnen noch am Leben gewesen, hätte er niemals einen Krieg mit den MacDonalds riskiert und uns gefangen genommen.«

Ian nickte. »Trotzdem hätte er eigentlich mit einer Vergeltungsmaßnahme des Clans rechnen müssen.« Ian wirkte mit einem Mal sehr nachdenklich. »Ich frage mich also, warum er es nicht tat.«

»Du hast recht«, stimmte Alex ihm zu. »Als Shaggy drohte, er werde unsere leblosen Körper ins Meer werfen, sah er mir nicht im Mindesten besorgt aus.«

»Außerdem hatte er keine zusätzlichen Wachen vor der Burg postiert«, ergänzte Ian. »Irgendwas stimmt hier nicht.«

»Was meinst du damit?«, fragte Connor.

»Du weißt verdammt gut, was er damit meint«, ergriff Duncan das Wort, bevor Connor antwortete. »Einer der missratenen Brüder deines Vaters steckt dahinter. Sie haben uns mit der Nachricht über das Desaster bei Flodden heimgelockt, uns jedoch den Tod unserer Anführer verschwiegen. Shaggy hingegen haben sie es gesteckt und ihn auf unsere Fersen gehetzt.«

»Sie sind samt und sonders hinterlistige, niederträchtige Bastarde«, schimpfte Alex. »Was meinst du, wer konkret dahintersteckt? Wer von ihnen strebt am meisten nach der Herrschaft im Clan?«

»Hugh Dubh.« Ohne nachdenken zu müssen, kam Connor dieser Name über die Lippen. Der schwarze Hugh, wie einer der Brüder wegen seiner finsteren Seele genannt wurde. »Er hat sich immer lauthals beschwert, beim Tod meines Großvaters nicht seinen gerechten Anteil bekommen zu haben. Und während die anderen sich im Land verteilten und sich mit der veränderten Situation recht oder schlecht arrangierten, blieb Hugh in der Nähe, um meinem Vater das Leben schwer zu machen. Stets auf dem Sprung und allzeit bereit, das Heft in die Hand zu nehmen.«

»Ich würde zu gerne wissen«, sagte Ian, »was Hugh Shaggy versprochen hat. Irgendwas muss er ihm angeboten haben, um sicherzustellen, dass du nie mehr auf Skye auftauchst.«

»Zieht keine voreiligen Schlüsse«, warnte Connor. »Es herrscht nicht gerade ein liebevolles Verhältnis zwischen meinem Onkel und mir, aber mich umzubringen … Dazu gehört mehr, denke ich. Manchmal behauptete ich so was zwar selbst, ohne es allerdings ganz ernst zu meinen.«

»Hm«, schnaubte Alex. »Was mich betrifft, so würde ich Hugh nicht über den Weg trauen.«

»Ich habe auch nicht gesagt, dass ich das tue«, entgegnete Connor. »Bei keinem Bruder meines Vaters.«

»Jede Wette, dass Hugh sich bereits zum Oberhaupt des Clans aufgeschwungen hat und in Dunscaith Castle residiert.«

Duncan als einziger Nichtverwandter hielt am wenigsten von den Zuständen in der ersten Familie des MacDonald-Clans.

Vermutlich mit Recht, dachte Ian. Nach alter Tradition wählte der Clan seinen Anführer jeweils unter den engsten männlichen Angehörigen des alten Oberhaupts. Nachdem Connors Vater und sein Bruder gefallen waren und Connor noch in Frankreich weilte, blieben lediglich die Halbbrüder. Falls bloß die Hälfte der Geschichten, die man sich über sie erzählte, der Wahrheit entsprach, handelte es sich um eine Bande von Mördern, Vergewaltigern und Dieben.

ENDE DER LESEPROBE