Die Brigantenbraut - Barbara Cartland - E-Book

Die Brigantenbraut E-Book

Barbara Cartland

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Beschreibung

Als ihr Vater König Milko im Sterben liegt, regiert die stolze Prinzessin Ileana von Zokala ihr Land. Doch ihre Landsleute drängen auf einen neuen König. Als Briganten ihr Land überfallen, macht sich Ileana allein zu einer gefährlichen geheimen Mission auf den Weg. Doch ihr Hochmut wird ihr zum Verhängnis und sie gerät in Gefangenschaft des gefürchteten Anführers der Räuberbande. Es gibt nur einen Ausweg aus der Gefangenschaft - Ileana muss ihn heiraten.

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1 1850

„Nein! Nein! Nein!“

Prinzessin Ileanas Stimme schallte durch den hohen Saal und schien als Echo zurückgeworfen zu werden. Kronprinz Tomilaw, der neben ihr stand, sagte: „Irgend jemanden mußt du heiraten, Ileana, und ich wüßte nicht, warum ich es nicht sein sollte!“

Er sprach in leicht verletztem Ton, denn er war ein gutaussehender junger Mann und daran gewöhnt, von den Frauen seines eigenen Landes umschmeichelt zu werden.

Als königlicher Prinz aus Moldavia war er sich seiner Bedeutung wohl bewußt, und es machte ihn wütend und beschämte ihn zugleich, daß die Frau, die er liebte, jeden Heiratsantrag zurückwies, den er ihr gemacht hatte.

„Ich habe nicht die Absicht, irgend jemanden zu heiraten!“ erklärte Prinzessin Ileana als Antwort auf seine letzte Bemerkung.

Prinz Tomilaw starrte sie erstaunt an.

„Das ist lächerlich. Natürlich mußt du heiraten.“

„Warum?“

„Muß ich es wirklich so grob sagen? Dein Vater liegt im Sterben, und Zokala braucht einen König.“

„Ich beabsichtige, Königin zu werden, und ich werde besser regieren, als es ein Fremder könnte, der unser Volk nicht versteht.“

„Wenn du damit mich meinst“, wandte Prinz Tomilaw zornig ein, „dann ist das eine ausgesprochen unfaire Bemerkung. Dein Volk und das meine sind sich nicht unähnlich. Obwohl ich zugeben muß, daß deines aus einer seltsamen Mischung besteht.“

Prinzessin Ileana lächelte, und sie sah jetzt sehr schön aus.

„Ungarn, Rumänen, Serbokroaten“, sagte sie leise, „alle vermischt in dem Tiegel, nämlich Zokala, und das Ergebnis ist, wie du zugeben wirst, äußerst attraktiv.“

„Du sprichst von dir selbst“, sagte Prinz Tomilaw, „und du bist die schönste Frau, die ich je gesehen habe! Heirate mich, Ileana, und ich schwöre, ich werde dich sehr glücklich machen!“

Ileana sah ihn an, und einen Moment lang trat ein weicherer Ausdruck in ihre sonderbaren, grünen Augen, als sie sagte:

„Lieber Tomilaw, wir kennen einander noch aus der Kinderzeit, und ich weiß, daß ich nach zwei, drei Tagen Ehe mit dir, obwohl du ein charmanter Mann bist, das Bedürfnis haben werde, dich umzubringen!“

„Aber warum denn?“

„Weil du mich langweilen würdest. Alle Männer langweilen mich, wenn ich sie besser kenne. Nur Pferde enttäuschen mich niemals!“

Bei diesen Worten wandte sie sich ab, um über das Tal zu sehen, das sich unterhalb des Palastes erstreckte.

Zokala war ein kleines Land, das nur aus Bergen, Flüssen und ein paar Tälern bestand, die fruchtbar genug waren, um seine Bewohner mit dem Großteil der Nahrungsmittel zu versorgen, die sie benötigten.

Es grenzte an die drei weit größeren Länder, die Ileana gerade erwähnt hatte, und befand sich dadurch in einer einzigartigen Position. Der Thron, der jetzt leer wurde, da der König im Sterben lag, schien deshalb über alle Maßen wünschenswert für die jüngeren Prinzen der Balkanstaaten.

Aber es war nicht nur das Land, das sie anzog, sondern auch die Schönheit von König Milkos einziger Tochter, die über alle die Eigenschaften verfügte, die die Männer des Balkans begehrenswert und unwiderstehlich fanden.

Sie war zuerst einmal eine hervorragende Reiterin; eine Amazone, die niemand im wilden Galopp durch die Steppen schlagen konnte.

Sie sah hervorragend aus und hatte für sich selbst Reitkleider entworfen, die sie nur noch verführerischer aussehen ließen.

Zum Entsetzen und zur Empörung der älteren Generation ritt sie für gewöhnlich im Herrensitz, trug dabei eine Jacke in Blau und Scharlachrot, über der sie wie die Kosaken einen silbernen Patronengurt trug.

Hohe Stiefel und eine Pelzkappe entweder aus weißem Fuchs oder Zobel vervollständigten ihre Erscheinung.

Sie hatte niemals Angst und wählte immer die schwierigsten Pferde, vor denen ihre Knechte sich fürchteten.

Sie ritt den Adjutanten davon, die sie begleiteten, und oft konnten auch die Kavallerie-Truppen, die ihr folgten, nicht mit ihr mithalten.

Es war merkwürdig, daß König Milko, ein gutaussehender konservativer Mann, der an alten Traditionen festhielt, ein Kind herangezogen haben sollte, das jegliche gesellschaftlichen Konventionen ignorierte.

Ihre Mutter, die gestorben war, als Ileana noch ganz klein war, war eine Schönheit gewesen, ihr Blut eine Mischung aus russisch und ungarisch, was vielleicht Ursache für das ungezügelte Temperament ihrer Tochter war.

Diejenigen, die Ileana kannten, fanden sie einzigartig.

Als ihr Vater krank wurde und die Ärzte nur den Kopf schüttelten und erklärten, es gäbe keine Möglichkeit, ihn zu retten, hatte Ileana einzig und allein aus der Kraft ihrer Persönlichkeit heraus die Zügel der Regierung in die Hand genommen.

Die Staatsmänner, die erwartet hatten, eine Frau leicht beherrschen zu können, welchen Rang sie auch einnehmen mochte, stellten fest, daß sie ihre Urteile hinnehmen mußten, ohne sie auch nur anfechten zu können.

Es waren vor allem der Premierminister und das Kabinett, die mehr als alle anderen wünschten, daß Ileana heirate, damit sie es mit einem Mann zu tun bekamen, der ihrer Meinung nach zugänglicher sein würde als eine Frau, die sie unberechenbar fanden.

Der Premierminister hatte in den angrenzenden Ländern also sehr deutlich gemacht, was erforderlich war.

Die Prinzen hatten kaum ermutigt werden müssen, um aus Bosnien, Albanien, Rumänien, Montenegro und Griechenland herbeizuströmen.

Für einen jüngeren Sohn, der keine Chance hatte, seinem Vater auf dem Thron zu folgen, war es eine vom Himmel gesandte Gelegenheit, über eines der schönsten Länder des ganzen Balkans zu regieren und darüber hinaus noch die schönste Frau zu heiraten.

Ileana aber hatte andere Vorstellungen.

Sie wies sie zurück und erklärte, sie wünsche allein auf dem Thron zu sitzen.

Das wurde als unmöglich angesehen, und diejenigen unter den Prinzen, die aufgrund ihres Verhaltens nicht beleidigt waren, kamen zurück, um es wieder und wieder zu versuchen.

Prinz Tomilaw war sehr beharrlich.

Tatsächlich war er, wie er jetzt sagte, ehrlich verliebt.

„Warum willst du nicht auf mich hören, Ileana? Warum verstehst du nicht, daß wir, was immer du auch sagen magst, hervorragend zueinander passen?“

„Das denkst du vielleicht!“

„Aber ich liebe dich doch! Du weißt, daß ich dich als Frau liebe, und selbst, wenn du ein Bauernmädchen wärst, würde ich dich immer noch begehren.“

„Wenn ich ein Bauernmädchen wäre, würdest du mich bitten, einen ganz anderen Platz in deinem Leben einzunehmen!“ erwiderte Ileana zornig.

„Aber ich würde dich immer noch lieben, ich würde dich immer noch sehr glücklich machen!“

In Prinz Tomilaws Stimme lag ein leidenschaftlicher Ton, der ihr nicht entging, und instinktiv rückte sie ein Stückchen von ihm ab.

„Ich will keine Liebe!“

„Du willst keine Liebe?“ wiederholte der Prinz. „Was meinst du damit?“

„Ich meine genau das, was ich sage. Liebe ist ein sentimentales Gefühl, das von den Dichtern übertrieben und auf lächerliche Weise in den Himmel gehoben wird.“

„Du weißt ja nicht, wovon du sprichst!“ „Glücklicherweise! Ich habe oft genug zugehört, wie du und ein Dutzend anderer Männer mir erzählt haben, wie ich ihre Herzen bewege und daß sie, wenn ich erst einmal in ihren Armen liege, dafür sorgen werden, daß ich ebenso empfinde, und dabei doch die ganze Zeit gewußt, daß es nicht wahr ist!“ „Du weißt nichts von der Liebe, weil du noch so jung bist“, erklärte der Prinz ein wenig unsicher.

Ileana lachte.

„Das redest du dir selbst ein. Ich war deshalb nie verliebt, weil weder du noch irgendein anderer der Männer, die ich kennengelernt habe, die Macht besessen hat, in mir ein anderes Gefühl als Langeweile zu wecken, wenn sie sich überschwenglich über Gefühle ausgelassen haben, die ich niemals empfinden werde.“

„Woher willst du das wissen?“

„Weil ich, wenn du so willst, anders bin als andere Frauen.“

Sie unterbrach sich, um nachzudenken, und fuhr dann fort:

„Was mich erregt ist das Wissen, daß das Pferd, das ich einreite, mir gehorchen muß, daß ich, sosehr es sich auch wehren mag, immer sein Herr sein werde. Nichts, was ein Mann mir geben könnte, könnte der Erregung gleichkommen, die ich verspüre, wenn ich auf einem Tier galoppiere, das schneller ist als alle anderen, die mir folgen.“

Der Prinz holte tief Atem.

Nicht, was Ileana sagte, empörte ihn und zeigte ihm, daß er alles geben würde, was er besaß, damit sie ihm dasselbe Gefühl entgegenbrächte, sondern die sinnliche Erregung in ihrer Stimme.

Instinktiv trat er näher und streckte die Arme nach ihr aus.

Ohne den Kopf zu wenden, sagte Ileana:

„Wenn du mich anfaßt, rede ich nie wieder mit dir, To- milaw.“

Einen Augenblick lang zögerte er. Dann ließ er die Arme sinken.

„Verdammt, Ileana! Du kannst einen Mann verrückt machen!“

„Das hast du mir schon ein dutzendmal erzählt! Jetzt geh, um Himmels willen. Der Premierminister wartet auf mich. Ich sollte meine Zeit wirklich nicht damit vergeuden, dir zuzuhören.“

„Glaubst du wirklich, daß es Zeitverschwendung ist?“

Der verletzte Ton des Prinzen entging Ileana nicht. Etwas sanfter sagte sie:

„Du weißt doch, Tomilaw, daß ich manchmal gern mit dir zusammen bin, und ich gebe zu, daß du ein ausgezeichneter Reiter bist. Aber du wirst einfach unerträglich, wenn du lang und breit von Liebe schwärmst, die mich überhaupt nicht interessiert.“

Sie sah, wie der Prinz die Lippen zusammenkniff und fügte hinzu:

„Wir sehen uns heute abend beim Essen. Ich habe angeordnet, daß wir anschließend tanzen, obwohl das zweifellos einen Skandal geben wird, weil Papa so krank ist.“ „Die Leute können kaum erwarten, daß du Abend für Abend weinend an seinem Bett sitzt, nachdem er schon über sechs Monate im Koma liegt!“ verteidigte Tomilaw ihren Entschluß, als wäre das nötig.

„Da stimme ich dir zu. Deshalb werden wir tanzen, auch, wenn es nur eine kleine Gesellschaft ist. Ich habe die Zigeuner gebeten, für uns zu spielen.“

Der Prinz starrte sie an.

„Hältst du das für klug?“

„Was meinst du damit - klug?“

„Du weißt, daß es nicht korrekt ist, sich mit den Zigeunern zusammenzutun. Niemand sollte sie in ein Privathaus einladen, und schon gar nicht in den Palast!“

Ileana lachte, und wieder schien ihre Stimme durch den hohen Saal mit der bemalten Decke zu hallen.

„So denkt man vielleicht in Moldavia, aber hier sind die Zigeuner ein Teil von uns und unserem Leben.“

Da er wußte, daß es keinen Sinn hatte, mehr zu sagen, zuckte Tomilaw nur die Schultern.

Er fand, daß Ileana unnötige Kritik heraufbeschwor, denn schon sprachen nicht nur die Bürger ihres eigenen Landes von ihren Eskapaden.

Nicht nur, daß sie nicht im Damensitz ritt und gegen die jungen Adligen aus Zokala antrat, nein, sie ließ sich auch auf Wettkämpfe mit Jockeys und professionellen Einreitern ein - und besiegte auch die.

Wie ein Mann gekleidet erstieg sie die höchsten Gipfel Zokalas.

Im Sommer trotzte sie jeglicher Konvention, was Frauen betraf, und schwamm in den Seen, die unterhalb der Gipfel lagen und selbst an den heißesten Tagen noch so kalt waren wie die Gletscher über ihnen.

Es war zwar unwahrscheinlich, daß es in diesen abgelegenen Gegenden viele Zuschauer gab, aber es war bekannt, daß sie sich unerhört benahm, indem sie in einem enganliegenden Anzug schwamm, der ihre Formen kaum verhüllte.

Die Redereien über Ileana hatten zugenommen, seit sie mit fünfzehn Jahren zu einer Schönheit herangewachsen war, die jeden verblüffte, der sie sah.

Viele der Geschichten, die man sich von ihr erzählte, waren wahr, viele unwahr, aber als sich ihre Persönlichkeit im Laufe der Jahre entwickelte, war es unmöglich, sie zu ignorieren.

Reisenden, die aus einem Balkanland in ein anderes reisten, wurde, sobald sie den Fuß über die Grenze setzten, als erstes die Frage gestellt:

„Was macht Prinzessin Ileana von Zokala?“

Sobald ihr Vater zu krank wurde, um ihr Schwierigkeiten zu machen oder seine Autorität zu beweisen, hatte sie jede Hofdame entlassen, die an ihr etwas auszusetzen fand.

Sie ersetzte die Adjutanten durch jüngere Männer, die sich nicht bemühten, ihre Ausritte zu beschneiden, und tat nur, was ihr gefiel. Nebenbei machte sie allen klar, wer das Land jetzt regierte.

Nachdem sie sich von Prinz Tomilaw verabschiedet hatte, den sie traurig, wenngleich noch immer entschlossen, sie zu heiraten, zurückließ, schritt Ileana durch den Gang, der zur Ratskammer führte.

Die Sonne, die durch die Fenster auf ihr Haar fiel, brachte das lebhafte Rot, das sie von ihren ungarischen Vorfahren geerbt hatte, zum Leuchten, und sie sah aus wie eine junge Diana, die Göttin der Jagd.

Das war eine sehr passende Beschreibung, denn sie beschloß in diesem Moment, daß sie ins Tal hinunterreiten würde, sobald sie den Staatsmann losgeworden war, der um eine Audienz ersucht hatte.

Sie würde Anweisung geben, daß zwei ihrer Adjutanten sie begleiteten, damit sie ihre Neuerwerbung reiten könnte, einen schwarzen Hengst namens Satan.

Satan war gerade der richtige Name, denn es war ein feuriges Tier mit einem, wie die Stallknechte erklärten, teuflischen Temperament.

Für Ileana bedeutete er eine Herausforderung und Entzücken. Wenn sie in ihrem großen blauen Samtbett mit dem geschnitzten Kopfteil und dem von goldenen Engeln getragenen Himmel überhaupt von jemandem träumte, dann von Satan.

Der Palast von Zokala war einer der romantischsten der Welt.

Ileanas Großmutter, die sich leidenschaftlich in ihren Mann verliebt hatte, nachdem die Hochzeit aus rein politischen Gründen zustande gekommen war, hatte beschlossen, sich eine Umgebung zu schaffen, die ihren romantischen Gefühlen entsprach.

So hatte sie die besten Handwerker Zokalas herbeigerufen, traditionell überaus geschickte Schnitzer, Maler und Dekorateure, um ihnen zu sagen, was sie sich vorstellte.

Da sie zuvor von der königlichen Familie ignoriert worden waren, war es eine Freude für sie gewesen, einen Märchenpalast von solcher Schönheit zu schaffen, der jeden, der ihn sah, vor Staunen den Atem stocken ließ.

Es war eine angemessene Umgebung für Ileanas Mutter gewesen und war es nun für Ileana.

Diejenigen, die sie vor den Säulen aus Malachit und rosa Marmor, vor den gemalten Decken, den goldenen und silbernen Wänden, der außergewöhnlichen Schönheit der Kuppeln und Türme sahen, in den mit brillanten Mosaiken geschmückten Innenhöfen, glaubten, sie seien mitten in ein Märchen geraten.

In ihrem Kleid, das in Paris für sie entworfen und hergestellt worden war, sah Ileana aus wie ein Gemälde von Winterhalter.

Und wären Engel über ihr geflogen, mit Girlanden aus Rosen in den Händen, dann hätte das wohl niemanden überrascht.

Doch als sie jetzt den Saal betrat, in dem die Ratsversammlungen abgehalten wurden, da blickten ihre grünen Augen aufmerksam und kritisch. Sie wußte, was sie von den Staatsmännern hören würde, die um eine Audienz ersucht hatten. Es würde alles andere als erfreulich sein.

Sie war allerdings überrascht, als sie auf den polierten Tisch in der Mitte sah, an dem bequem dreißig Personen Platz hatten.

Sie hatte erwartet, mindestens ein Dutzend Männer dort vorzufinden, aber statt dessen waren nur der Premierminister und der Haushofmeister anwesend.

Der Premierminister war kleiner als die meisten Zoka- laner und trug - vielleicht wegen seines Amtes - ständig eine besorgte Miene zur Schau. Er war, das wußte Ileana, ein ausgesprochen kluger Mann, dem das künftige Wohlergehen des Landes sehr am Herzen lag.

Der Haushofmeister, ein älterer Mann und treuer Anhänger des Königs, würde Ileana, wie sie wußte, bei jedem Problem unterstützen, das das Ansehen der Monarchie betraf. Die beiden neigten die Köpfe, als sie auf sie zuging, und nachdem sie sie lächelnd begrüßt hatte, setzte sie sich auf den hochlehnigen, geschnitzten Stuhl, der - einem Thron gleich - am Kopf des Tisches stand.

Er war, natürlich, für einen Mann entworfen.

Deshalb wirkte sie vor dem Wappen Zokalas, das die Lehne zierte und von einer vergoldeten Krone überragt wurde, irgendwie unwirklich.

„Ich bin erfreut, Sie zu sehen, Herr Premierminister“, sagte sie, „aber ich bin überrascht, daß Sie nicht von mehreren Ihrer Kollegen begleitet werden.“

„Wir sind der Ansicht, Königliche Hoheit, daß das, was wir zu sagen haben, so wenige Menschen wie möglich wissen sollten, bis Sie Ihre Entscheidung getroffen haben.“ Ileana schaute von einem zum andern und seufzte.

Sie war ganz sicher, daß sie das, was jetzt kommen würde, schon mindestens ein dutzendmal gehört hatte.

„Was gibt es?“ erkundigte sie sich.

„Der Haushofmeister und ich sind gekommen, um Eure Königliche Hoheit zu fragen, wie bald Sie eine Entscheidung hinsichtlich unseres künftigen Königs treffen werden.“

„Ich dachte mir schon, daß es sich darum handelt“, erwiderte Ileana, „aber Sie wissen so gut wie ich, daß ich nicht die Absicht habe, irgend jemanden zu heiraten!“

„Das sagten Königliche Hoheit bereits früher“, bemerkte der Premierminister ruhig, „aber die Umstände machen es jetzt zwingend erforderlich, daß Sie heiraten, und zwar so schnell wie möglich!“

In seiner Stimme schwang ein Unterton mit, der Ileana veranlaßte, ihn fragend anzusehen.

„Ist etwas geschehen, das Sie mir nicht berichtet haben? Warum diese plötzliche Dringlichkeit, die scheinbar nicht dem gesamten Rat kundgetan worden ist?“

Der Premierminister warf über den Tisch hinweg dem Haushofmeister einen Blick zu, als suche er dessen Unterstützung. Dann entgegnete er:

„Wir haben soeben erfahren, Königliche Hoheit, daß ein bewaffneter Stamm, angeführt von General Vladilas, in den Bergen auf der anderen Seite des Tales lagert.“

Ileana schien verwirrt.

„General Vladilas?“ fragte sie. „Ich kann mich nicht entsinnen, je von ihm gehört zu haben.“

„Er führt einen Nomadenstamm aus Briganten und Räubern, über den bereits seit einigen Jahren viel geredet wird. Bislang betraf es nur unsere Nachbarn, aber jetzt wird er auch für uns zu einem Problem.“

Ileana war interessiert.

„Erzählt!“

Bei diesen Worten stützte sie die Ellbogen auf den Tisch und das Kinn in die Hände.

Sie bemerkte, daß der Premierminister seine Worte sorgfältig wählte, fast als fürchte er, sie zu erschrecken.

„Ich nehme an, Königliche Hoheit haben von den Palli- karen gehört.“

„Natürlich habe ich von ihnen gehört. Aber ich weiß nicht viel über sie.“

„Der größte Teil des Stammes war immer in Griechenland angesiedelt . . .“

„Oh, jetzt weiß ich, von wem Sie reden!“ unterbrach Ileana ihn. „Sie sind schon Legende und waren, wie ich glaube, hervorragende Kämpfer.“

„Richtig“, stimmte der Premierminister zu, „aber wenn sie einem Land in Kriegszeiten auch sehr dienlich sein können, so können sie zu Friedenszeiten doch auch eine Bedrohung darstellen!“

Während er redete, dachte Ileana daran zurück, was sie über die Pallikaren gehört hatte. Irgend jemand hatte sie ihr einmal als die malerischsten. Männer Nordgriechenlands beschrieben.

„Ihre Kleider sind alle goldbestickt“, hatte ihr Informant berichtet, „sie strotzen vor Pistolen und Jataganen und zögern auch nicht, sie zu benutzen, und ihre Pferde sind mit Gold und Silber aufgeputzt.“

„Das alles hört sich bezaubernd an!“ hatte Ileana bemerkt.

„Tatsächlich stolzieren die Männer mit wilden Bärten herum, in zottigen Pelzumhängen, so daß sie aussehen wie riesige Bären.“

Was man ihr über sie erzählt hatte, hatte Ileanas Phantasie beflügelt, aber es war schon lange her.

Jetzt erinnerte sie sich ganz deutlich daran und daß sie immer gehofft hatte, die Pallikaren eines Tages zu sehen, es aber für unwahrscheinlich gehalten hatte.

„Warum sind sie hergekommen?“ wollte sie wissen.

Der Premierminister machte eine kurze Bewegung mit den Händen.

„Auf diese Frage kann ich Eurer Königlichen Hoheit leider keine Antwort geben“, erwiderte er. „Der Haushofmeister und ich haben die Frage auf unserem Weg hierher eingehend diskutiert. Meiner Meinung nach werden sie uns Kummer bereiten.“

„Was für Kummer?“

„Wenn es viele sind, dann könnten sie einen Teil des Landes praktisch übernehmen.“

„Meinen Sie, sie würden einen Krieg mit uns anfangen?“

Der Premierminister holte Luft.

„Ich fürchte, Königliche Hoheit, die Antwort darauf lautet ,Ja‘. Aber nicht so ein Krieg, wie wir ihn verstehen. Sie sind Männer aus den Bergen, die wie ein Wirbelwind in die Ebenen herabkommen, sich nehmen, was sie wollen, seien es Nahrungsmittel, Besitztümer oder Frauen, und dann wieder dorthin verschwinden, woher sie gekommen sind.“

„Und um dies zu verhindern, glauben Sie, daß wir sie mit Gewalt vertreiben sollten?“

Eine Pause entstand, ehe der Premierminister antwortete:

„Unsere Armee könnte, so klein sie auch ist, die Pallikaren schlagen und vertreiben.“

Sein Blick traf Ileanas, als er das sagte, und sie erwiderte ihn trotzig.

„Sie wollen also, Herr Premierminister, von mir verlangen, daß ich heirate, damit ich Ihnen einen Mann an die Spitze der Truppen stellen kann, dem das ganze Land folgen wird.“

„Königliche Hoheit nehmen mir die Worte aus dem Mund!“ erklärte der Premierminister mit einem Unterton der Zufriedenheit in der Stimme.

„Dann glauben Sie also wirklich“, meinte Ileana nach einem Moment, „daß unsere Generäle nicht fähig sind, diese Vagabunden allein zu bekämpfen?“

Der Premierminister wirkte besorgt.

„Glauben Sie mir, Königliche Hoheit, wir kennen die Größe des Stammes noch nicht, aber sie ist gewiß beachtlich. General Vladilas ist in Bulgarien bekannt und gefürchtet, und in Albanien kursieren die wildesten Gerüchte über ihn.“

„Wie alt ist er?“

„Ich habe keine Ahnung, Königliche Hoheit. Tatsächlich ist er ein ziemlich mysteriöser Mann. Die Leute reden über ihn, und die Legenden über seine Unverwundbarkeit sind gewachsen und gewachsen. Allein die Tatsache, daß er uns herausfordert, wenn er das beabsichtigt, wird schon ausreichen, um unser Volk zu erschrecken, außer wir können den Leuten versichern, daß wir einen ebenbürtigen Gegner für ihn haben.“

„Einen König!“ hauchte Ileana.

„Genau!“ stimmte der Premierminister zu. „Wir brauchen einen jungen König, der die Truppen anführt und dem sie folgen, weil sie ihn bewundern und respektieren.“ Jetzt meldete sich auch der Haushofmeister, der bislang geschwiegen hatte, zum erstenmal zu Wort.

„Nicht nur Waffen gewinnen einen Krieg, Königliche Hoheit“, gab er zu bedenken, „sondern auch der Kampfgeist der Männer, die sie benutzen, und hinter den kämpfenden Männern der Geist des Volkes, das sie verteidigen.“

„Ich verstehe, was Sie sagen wollen, Haushofmeister“, antwortete Ileana, „aber wo sollen wir einen solchen Mann finden?“

Stille trat ein, und sie wußte, daß der Premierminister in Gedanken die Liste der zahlreichen Verehrer durchging und sich fragte, welcher von ihnen den ihm zugedachten Platz wohl am besten ausfüllen würde.

Ehe er sprechen konnte, fragte sie:

„Glauben Sie wirklich, daß ein Fremder, so königlich sein Blut auch sein mag, nicht nur Zokala auf der Stelle repräsentieren, sondern auch das Vertrauen des Volkes gewinnen könnte, so, wie Sie es beschreiben?“

Sie sprach zornig, und noch ehe einer der Staatsmänner antworten konnte, sagte sie:

„Sein einziger Pluspunkt wäre die Tatsache, daß er mit mir verheiratet wäre. Ich werde meine Truppen auf meine eigene Art und Weise anführen und dafür sorgen, daß diese Halsabschneider, wenn sie versuchen sollten, Zokala zu verletzen, zurückgeschlagen werden. Und zwar auf eine Art und Weise, die sicherstellt, daß sie uns nie wieder angreifen werden!“

Der Premierminister und der Haushofmeister drehten sich um und starrten sie verblüfft an.

„Was Sie da vorschlagen ist unmöglich, Königliche Hoheit, absolut unmöglich!“

„Warum?“

„Ganz einfach, weil Sie eine Frau sind!“

„Dann stimmen Sie also nicht mit mir überein, daß ich entschlossener bin und besser weiß, was nötig ist, da ich mein Land mehr liebe als irgendein Außenstehender?“

„Natürlich! Natürlich!“ stimmte der Premierminister zu. „Das ist offensichtlich! Aber kein Land kann von einer Frau in den Krieg geführt werden!“

„In der Geschichte gibt es Frauen, die genau das getan haben!“

„Das war vor vielen hundert Jahren, aber nicht heute, nicht mit modernen Waffen“, wandte der Premierminister ein.

„Glauben Sie wirklich, daß es von Bedeutung ist, ob man von einem Pfeil oder einem Stückchen Blei getötet wird? Wenn man sterben soll, dann stirbt man.“

„Diese Konversation ist rein hypothetisch, Königliche Hoheit“, unterbrach der Haushofmeister, „und wir meinen es sehr ernst. Wir können Euch jetzt nur bitten, unser Anliegen nicht als unwichtig abzutun.“

„Das tue ich nicht“, murmelte Ileana.

„Worum wir bitten“, fuhr der Haushofmeister fort, als hätte sie überhaupt nicht gesprochen, „ist, daß Eure Königliche Hoheit einen der vielen Männer akzeptiert, die in den letzten sechs Monaten um Eure Hand angehalten und dieses Land wieder verlassen haben, weil Ihr Euch nicht entscheiden wolltet.“

Die Art, wie er sprach, zeigte Ileana, daß es ein Fehler wäre, ihn zu necken oder weiter mit ihm zu argumentieren. So sagte sie statt dessen in der ruhigen, geschäftsmäßigen Art, in der sie sich gewöhnlich an den versammelten Rat wandte:

„Ich danke Ihnen, daß Sie mit diesem Problem zu mir gekommen sind, ehe es offen mit Ihren Kollegen besprochen wurde. Ich erbitte mir ein wenig Zeit, um es zu überdenken. Sobald ich zu einer Entscheidung gekommen bin, werde ich Sie darüber informieren.“

Sie sah den erleichterten Ausdruck in den Gesichtern der beiden Männer, ehe der Premierminister erklärte: „Königliche Hoheit, wir können Euch nur danken, daß Ihr begreift, wie ernst die Lage ist und wir unser Volk nicht mehr als absolut nötig ängstigen wollen.“