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Die verwitwete Mrs Carne lebt mit ihren drei Töchtern in London, in Middle-Class-Verhältnissen. Gemeinsam kultivieren die vier ein eher ungewöhnliches Hobby: sie entwickeln fiktive Freundschaften zu Persönlichkeiten der High Society, z. B. zu einem Theaterschauspieler, zu einem Richter am High Court, zu Lady Toddington. Sie dichten diesen Personen enge, freundschaftliche Beziehungen zu ihrer eigenen Familie an. Als die mittlere Tochter, Deirdre, die echte Lady Toddington auf einem Wohltätigkeitsbasar kennenlernt, droht das gemeinschaftlich entwickelte Fantasiegebilde einzustürzen. Nachdem die Carnes dann auch noch bei einer Séance versehentlich die Geister der Brontë-Schwester heraufbeschwören, ist das Chaos perfekt ...
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Seitenzahl: 250
Veröffentlichungsjahr: 2023
Die englische Originalausgabe erschien 1931 unter dem TitelThe Brontës Went to Woolworths bei Ernest Benn Ltd.
© 1931 Rachel Ferguson
Deutsche Erstausgabe
© 2023 für die deutschsprachige Ausgabe
NAGEL UND KIMCHE
in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg Covergestaltung von Dominic Wilhelm Coverabbildung von Everett Collection / Shutterstock E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck ISBN E-Book 9783312013098www.nagel-kimche.ch
Für Rose Geraldine Ferguson und unsere »Horry«, eine Person, über die wir nichts und alles wissen.
Romane, in denen es um Familien mit mehreren Töchtern geht, kann ich nicht ausstehen. Sie haben meistens Titel wie Die sieben Schwestern oder Drei – und alle noch nicht »eingeführt«, und man ist ständig damit beschäftigt, die Mädchen auseinander zu halten und murmelt vor sich hin: »War das Isobel, die zu viel trinkt, oder Gertie? Und welche ist mit dem Gigolo durchgebrannt, Amy oder Pauline? Und welcher der getrennten Ehemänner hieß Lionel – der von Isobel oder der von Amy?«
Katrine und ich amüsieren uns über solche Bücher und wählen aus, welche Schwester wir gern wären. Katrine versucht immer, die Trinkerin zu erwischen.
Eine Frau, die auf einer Party von Mutter zu Gast war, fragte mich einmal »Liest du gern?«, woraufhin wir alle verstummten, denn wie hätten wir ihr erklären sollen, dass Bücher lesen so ähnlich ist wie ein Bad nehmen, oder schlafen oder Brot essen – eine absolute Lebensnotwendigkeit, bei der man nicht darüber nachdenkt, ob man sie schätzt oder nicht. Wir warteten nur darauf, dass sie als Nächstes verkünden würde, sie habe leider so wenig Zeit zum Lesen, bevor sie für immer bei uns unten durch war. Doch dann blinzelte Katrine sie an und sagte: »Ja, gelegentlich.« Und ob sie die neueste Ruck gelesen hätte und sei das nicht eine famose Geschichte?
Katrine ist ein echter Spaßvogel, wenn sie will, und bringt alle an ihrer Schauspielschule zum Lachen. Der Unterricht besteht offenbar hauptsächlich daraus, Donuts, Gurken und kalte Zunge im Keller zu essen, für das Stimmtraining »Oh-hooo!« zu sagen und es führt zu Tränenfluten, wenn Katrine am Ende des Semesters nicht die Julia, sondern die Krankenschwester spielen soll. Die Ärmste hat es absolut satt, Schlüpfrigkeiten vorzutragen und sagt immer, wenn irgendeine Rolle in Shakespeares Stücken eher pornografisch ausfällt, kriegt sie die automatisch. Wir hoffen, sie ist damit gut gerüstet für spätere Zeiten, wenn sie in Komödien im West End auftreten wird. Mutter und ich bringen Katrine oft auf die Palme, wenn wir ihr zufällig begegnen und deklamieren:
Pest! Wie meine Eingeweide brodeln!
oder
Bei meiner Morgenübelkeit! – Ich hab verloren
Die Unschuld mein, an diesen groben und gemeinen Clown.
Einmal hatte Mutter nicht bedacht, dass wir Gäste hatten, und rief Katrine zu: »Na, mein Schatz, wie oft hast du denn heute Morgen deine Unschuld verlegt?«
Wir fragen uns häufig, wie Katrines Zukunft wohl aussehen wird, und ich vermute, es läuft entweder auf eine Heirat oder auf Tourneen, die am West Pier in Brighton enden, hinaus. Die meisten Schauspielschüler entscheiden sich für eines von beidem.
In der Schule hatte Katrine und mich das Bühnenfieber besonders heftig gepackt. Wir waren so vernarrt in manche Schauspieler und Schauspielerinnen, dass uns der Alltag vollkommen trostlos erschien und Katrine sogar einmal aus der Geschichtsstunde flog, weil sie innig eine Karte von Henry Ainley küsste und murmelte: »Mein Liebster!« Wenn mich nicht alles täuscht, war ihr Martyrium in dieser Nacht, mit Henry unter dem Kopfkissen, besonders glorreich.
In jedem Fall ist sie voller Tatendrang, denn vor ungefähr einem Jahr, als sie sich unsterblich in einen in unserer Nähe wohnenden Schauspieler verliebte, ging sie einfach auf der Straße auf ihn zu und meinte lächelnd: »Jetzt sagen Sie bloß nicht, Sie haben mich vergessen!« Der Schauspieler nahm Hut und Handschuhe ab und rief: »Nein, wirklich, das ist ja reizend.« Katrine erinnerte ihn ausführlich an die Tournee der Götter des Ostens und fragte (mit gesenkter Stimme), ob die Woche damals in Bradford nicht das Letzte gewesen sei? »Ein Fiasko, meine Liebe, ein absolutes Fiasko«, gab er zurück und dann fachsimpelten die beiden ausgiebig. Beim Abschied fragte er rasch: »Wie war Ihr Name gleich noch mal?« und als Katrine ihm tatsächlich ihren richtigen Namen nannte, strahlte er. »Aber natürlich! Wie dumm von mir. Auf Wiedersehen, meine Liebe und richten Sie Birdie Grüße aus.«
So etwas bringt Katrine ohne weiteres fertig, obwohl wir alle drei (Sheil wird sich mit Sicherheit auch in diese Richtung entwickeln) immer alles herauskriegen, was sich über Menschen, die wir lieben, in Erfahrung bringen lässt. Wir lesen sämtliche Zeitungsartikel über sie, verfolgen ihre Karrieren, schnappen den Klatsch und Tratsch auf, lernen Anekdoten über sie auswendig und beobachten, wie sie auf Tournee durchs Land reisen. Wie es nicht selten geschieht, wenn man sich ernsthaft für etwas interessiert, kommen wir dadurch auch manchmal in persönlichen Kontakt mit ihren Freunden oder Geschäftspartnern, die Neues zu erzählen haben oder unserem angehäuften Wissensschatz noch ein weiteres Partikel an Information hinzufügen. Katrine hatte Götter des Ostens zwar nie gesehen, wusste aber mehr darüber als die Hälfte der Schauspieltruppe und konnte den Spielplan auswendig herunterbeten.
Unser Interesse beschränkt sich natürlich nicht nur auf Schauspieler. Es könnte jeder sein. Wenn gerade jemand »dran« ist, nehmen wir die Sache sehr ernst. Manchmal ärgere ich mich richtig darüber, denn es ist ja irrsinnig anstrengend. Katrine meinte einmal hilflos zu mir: »Warum müssen wir das eigentlich machen?«
Sogar die Sommerferien können dadurch ruiniert werden, denn man verreist und lässt die betreffende Person allein in der Stadt oder in den Fängen einer wahrscheinlich zu ihrem Untergang führenden Obsession zurück. Früher musterten Katrine und ich erst unsere gepackten Koffer und anschließend einander und eine von uns beiden sagte dann: »Klar Schiff?« Das bedeutete so viel wie: Bleiben wir in diesem Urlaub von fantastischen psychischen Wirren verschont und werden normale, erholsame Ferien verbringen?
Manchmal kommt es zu Konflikten. Zum Beispiel waren wir im Arcaly-Jahr wie besessen von dem Wunsch, uns einer vor Ort spielenden Pierrot-Truppe anzuschließen und hätten es auch beinahe geschafft, uns durch reine Konzentration in sie hinein zu projizieren. Das machte die Rückkehr nach London sehr schwierig. Aber wenigstens konnten wir unseren Kummer miteinander teilen. Wir nahmen außerdem Dion Saffyn, unseren Lieblings-Pierrot, mit nach Hause und richteten ihm, seiner Gattin und den beiden Kindern in der Addison Road ein gemütliches Zuhause ein, wo die Familie viele Höhen und Tiefen durchlebte. Wie sich herausstellte, hatte Saffy – unser Kosename – über seinen Stand hinaus eine gewisse Mary Arbuthnot geheiratet, einzige Tochter eines Gutsbesitzers in Somerset. Wenn sich die beiden in die Haare kriegten, ließ sie den armen Saffy seine gesellschaftliche Position sehr deutlich spüren und kehrte den »Landadel« hervor.
Aber ihre beiden Töchter sind einfach allerliebst. Ennis entwirft für einen berühmten französischen Modeschöpfer und Pauline arbeitet als Sekretärin in Saffys Londoner Büro. Saffy ruft uns oft an, wenn Polly (so nennen wir Mary unter uns) sich mal wieder als eine Arbuthnot aufspielt oder er stattet uns einen Blitzbesuch ab und lässt sich von uns anhimmeln. Dion Saffyn und seine beiden Töchter haben wir häufig in Arcaly gesehen, seine Frau konnten wir jedoch nie ausfindig machen.
Ich wünschte, wir würden die Saffyns kennen.
Katrine hat meiner Ansicht nach die Saffyn-Phase bald hinter sich, aber ich glaube nicht, dass ich das je schaffen werde.
Vor drei Jahren wurde mir ein Heiratsantrag gemacht. Obgleich ich denjenigen wirklich gernhatte, konnte ich seinen Antrag nicht annehmen, denn ich war gerade in Sherlock Holmes verliebt. Der Meisterdetektiv, seine Persönlichkeit und sein Verstand weckten damals so heftige Gefühle in mir, dass kein lebender Mann damit konkurrieren konnte.
Aber ist Liebe denn nicht generell die Anbetung einer Vorstellung, einer Illusion? Und sind Fleisch und Blut nicht ohnehin der unbedeutendste Teil bei dieser Angelegenheit?
Inzwischen habe ich mit Holmes abgeschlossen, aber ich stelle mir oft vor, welch ein wunderbares Paar wir beide in der Baker Street abgegeben hätten. Ich bin ziemlich anspruchslos, mag alte Kleidung und abgewetzte Sessel und bin für Schweigen, Rauchen und nüchterne, vernunftbasierte Gedankenflüge jederzeit zu haben.
Nur Katrine regte sich auf, als ich den Antrag von Stuart B. ablehnte. Sie saß auf dem Badewannenrand, während ich meine Handschuhe im Waschbecken einweichte. »Falls ich je eine Tochter habe, soll ihr Verstand vollkommen leer sein, bei Gott!«, erklärte sie.
Es ist schön, in London ein Haus mit einem Schulzimmer zu haben und jemanden im schulpflichtigen Alter, der darin Unterricht erhält. Wenn man die Treppe hochgeht und Sheil über den Rosenkriegen schwitzen sieht, taucht man in eine andere Welt ein und alle Enttäuschungen fallen von einem ab. Ich wünsche mir auch oft, wir hätten ein altes Kindermädchen, denn ich habe eine Schwäche für die Wohnschlafkammern, die sie sich einrichten und die immer durchdringend nach viktorianischem Zeitalter und Burenkrieg riechen. Das war vor meiner Geburt, aber ich habe ein ausgeprägtes Gespür für vergangene Zeiten und kann offen sagen, dass ich sie der heutigen, georgianischen Zeit vorziehe. Außerdem kenne ich eine Familie, deren Kindermädchen die Töchter und Söhne zu Vätern und Müttern hat werden sehen, und ich pflege diesen Kontakt, weil ich gern Tee mit Lucy trinke. Die Wände ihrer Kammer sind mit Militärfotografien bedeckt, den Nähkästchendeckel schmückt ein Bild der ersten Londoner Weltausstellung, auf dem Kaminsims steht eine Glaskugel mit einem Schneemann darin und wenn man sie schüttelt, entsteht ein Schneegestöber und der Schneemann schwenkt seinen Besen. Zum Tee gibt es Marmeladenbrote, die einem sonst niemand mehr anbietet, der Tee ist dunkel und belebend, und anschließend vertiefen wir uns in ihre dicken Alben und die alten deutschen Bilderbücher mit bunten Drucken von Huhn Henny Penny und dem Pfannkuchen. Auf dem Heimweg erfüllt mich dann jedes Mal ein geradezu erstickendes Gefühl der guten alten Zeit …
Dank Sheil kann ich mein Verlangen stillen, noch einmal die schönsten Seiten der Kindheit zu durchleben. Weihnachtsbäume und Strümpfe (obwohl keine von uns je an den Nikolaus gelaubt hat); Spielzeugläden in kleinen Ortschaften auf dem Lande; eingelegte Früchte in Gläsern im Dorfladen; der köstliche Duft von Kindergeburtstagen – Tüll und Gaze, warmes Kerzenwachs und verzierte Kuchen, weiches, glänzend gebürstetes Kinderhaar, bitter schmeckender Gelatineüberzug auf den Keksen, Masken und Feuerwerksartikel in den Schaufenstern der Londoner Seitenstraßen und harmlose Wunderkerzen, die wir anzünden, wenn die Hauslehrerin gerade nicht da ist.
Ich frage mich manchmal, ob Sheil diese Herrlichkeiten ebenso zu schätzen weiß wie ich. Aber ich glaube, es gefällt ihr! Sie hat viel Spaß daran, wenn ich auf ihren Partys die »Erwachsene« spiele und ihr Schillerlocken anbiete; sie weiß, dass ich eigentlich auch gerne eine davon essen möchte und inständig hoffe, dass noch ein Keks für mich übrig bleibt; sie versteht, wie enttäuscht ich bin, wenn ein Name nach dem anderen aufgerufen und zum Baum gebeten wird, bis wir schließlich die Kerzen auspusten – und ich mal wieder leer ausgegangen bin. Zwanzigjährige sind eben zu groß und haben sich nicht mehr für winzige Glitzerfächer und Schachteln mit Süßigkeiten zu interessieren.
Ich verbringe so viel Zeit wie möglich im Schulzimmer. Manchmal blättere ich sogar in den Schulbüchern und fange tatsächlich an, etwas zu lernen, abgesehen von Mathematik und Grammatik, die auf ewig meinen Horizont übersteigen werden. Humpty-Dumpty hatte ja so recht, als er die Wörter während der Woche für sich arbeiten ließ und sie dann am Samstagabend bezahlte. Das war ein großartiger Einfall und die Sklaven der zusammengesetzten Verben könnten sich davon etwas abschauen.
Wenn Sheil auf ihrem Nachmittagsspaziergang unterwegs ist, spiele ich mit ihrem Theater. Unser Theater – es heißt Das Diadem – hat schon vor langer Zeit die unsinnigen Märchenstücke für Puppen aus dem Programm gestrichen. Ich schreibe alle Stücke selbst, und wir spielen Pantomimen mit ausgeklügelten Bühneneffekten, Tanzeinlagen und selbstgebastelten Kulissen. Sogar die Witwe Twankey besitzt ein winziges Taschentuch mit unsichtbaren Fingerabdrücken, eine Requisite aus der niederen Klasse der Bühnenschwänke. Wir veranstalten auch Wohltätigkeitsmatinées, schon allein weil es so bedeutend klingt. Manchmal erfinden wir die Wohltätigkeitsorganisationen gleich mit dazu, und gründen jedes Mal, wenn ich ein Stück geschrieben habe, eine neue. Das Büro des Verbandes zum Schutz Getigerter Katzen liegt in der Great Cream Street, und die Unterstützung für Unverschämte Witwen (Sheils Idee) ist im Erdgeschoss der Räumlichkeiten in Crape Yard untergebracht. Daneben haben wir noch die Gesellschaft der Depressiven Putzfrauen sowie Das Heim des Nautischen Seemannes ins Leben gerufen. Auf einer Matinée konnten wir kürzlich bekannt geben, dass es uns, aufgrund der Einnahmen aus dieser Veranstaltung, möglich war, den neuen Flügel mit Schlafsälen in Chatham fertigzustellen, »und«, ließ sich Sheil vernehmen, »die Jungs schlafen in ordentlichen Reihen, fernab der elenden Gosse, und begehen keine Sünden mehr.« Wir haben auch eine eigene Balletttruppe, die Kensington Palace Girls.
Ich stöbere oft in der Spielzeugkiste, in der, neben Sheils Spielsachen, auch Katrines und meine eigenen liegen. Unsere Familie mag Puppen nicht besonders, hat nie an Märchen geglaubt und Peter Pan eher gehasst. Auch Sheil, das jüngste Opfer dieser skurrilen Welt, kann sich keinen Reim auf sie machen und die einzige Puppe, die wir alle gern hatten, war die schlichteste der Sammlung. Wir haben sie die Eisenminna getauft. Ich habe sie als Siebenjährige geschenkt bekommen, Gesicht und Unterarme sind aus bemaltem Blech und ihr Kinderkörper wirkt sehr natürlich. Leider ist die Eisenminna mit der Zeit über uns hinausgewachsen. Sie benahm sich allmählich immer anmaßender, heiratete einen französischen Grafen namens Isidor (de la so und so, de la irgendwas anderes) und lebt inzwischen in Saus und Braus in Frankreich, von wo aus sie uns gelegentliche Kurzbesuche in ihrem luxuriösen Privatflugzeug abstattet, uns in einem verbitternd perfekten Französisch bevormundet und extravagante Geschenke überreicht, die wir wohl oder übel annehmen müssen. Mich pflegt sie mit »Ah, Trotty, ça marche, hein?«, anzusprechen. Sie hat zwei Lieder komponiert und spart darin nicht mit Eigenlob.
Das erste schildert die himmlischen Freuden anlässlich ihres Todes und beginnt:
Am Goldnen Tor ein Engel steht
Und spricht: Die Gräfin kommt gar spät.
Wir wollen sie hier droben.
Das zweite (die Eisenminna hat den Versen zu außerordentlicher Popularität in den Pariser Vaudevilles des frühen neunzehnten Jahrhunderts verholfen) geht folgendermaßen:
(Allegro vivace)
Je connais une belle mondaine
(Ah! comme elle est chic!)
De costumes elle a une trentaine
(Ah! comme elle est chic!)
(ritardando)
Quand elle se promène dans les Bois
Ce n’est qu’un cri, ›Parbleu! Ma foi!
Regardez-moi donc cette femme-là.‹
(Prestissimo con brio)
AH! COMME ELLE EST CHIC!
Dieses Lied gehörte zum Repertoire von Mutters Gutenachtliedern, die sie mir in Varieté-Manier am Fußende meines Bettes vortrug, die Hände in die Hüfte gestemmt und mit kessem, herauforderndem Blick auf den Dirigenten. Wir singen es Sheil heute noch vor. Die Eisenminna haben wir vor dreizehn Jahren verloren oder verschenkt, aber es half alles nichts. Wie die Armen haben wir sie immer bei uns. Wir versuchten zwar halbherzig, auch den anderen Puppen menschliche Züge zu verleihen, doch sie blieben alle charakterlos. Insofern ähneln sie den Bediensteten und Hauslehrerinnen, die kommen und gehen und einfach nicht unsterblich werden wollen. Gelegentlich wischen mir die Letzteren jedoch eins aus. Miss Martin ist zwar erst seit einem Monat bei uns, aber ich glaube, dass mir da noch einiges bevorsteht. Dummerweise kommt sie ausgerechnet aus Cheltenham, und ich habe einmal einen Tag dort verbracht und sofort diese typischen Cheltenham-Schwingungen verspürt. Ich erinnere mich fotografisch genau an die Stadt. Inzwischen hat die Martin ihre gesamte schreckliche Sippschaft gerahmt und auf dem Kaminsims aufgereiht, und mein Mitgefühl ist, ganz gegen meinen Willen, auf ihrer Seite und umwogt sie gleich elegischen Bändern aus Seegras. Es ist ungeheuer lästig. Obwohl wir im Allgemeinen nie lange miteinander reden, weiß ich genau, wie es ist, über Cheltenhams Hauptstraße zu schlendern oder wie damals die Teekanne im Morgenlicht schimmerte, als Captain Martin seinen Töchtern eröffnete, dass sie nicht mehr länger zu Hause bleiben könnten und in Zukunft für sich selbst sorgen müssten … und ich glaube, an diesem Tag gingen die Mädchen still durchs Haus und vermieden lange Gespräche. Wahrscheinlich trafen sie sich später in der Stadt. In Örtchen wie Cheltenham lässt sich das kaum vermeiden. Das ist geradezu Teil des Fluches – und auch der Faszination. Dieser unbedachte, mitleiderregende, verwerfliche und verfluchte Captain Martin! Wie sehr er und seine schwerfällige Brut mich anrühren. Darf man denn niemals friedlich mit sich und seinen Gedanken allein sein?
Im vergangenen Sommer reisten wir alle nach Skye, wo Vater geboren ist, und in unserer Eingangshalle tauschte ich einen raschen Blick mit Katrine und murmelte »Klar Schiff?« und sie nickte.
Die Ferien waren ein voller Erfolg. Der Ort setzte mir natürlich ein bisschen zu, allerdings nicht wegen der ihm eigentümlichen Schaurigkeit, dasselbe hätte auch ein Vorort im Grünen bewirkt, sondern weil ich in diesem Jahr eine Art Wächter dabei hatte, etwas, das mich vor der Außenwelt abschirmte.
Ich habe immer Menschen beneidet, die sich sofort an einem Ort heimisch fühlen und ihn zu ihrem persönlichen Besitz machen. Bei mir ist es meist umgekehrt und Orte machen mich zu ihrem persönlichen Besitz, bis ich mich gegen sie durchgesetzt und sie in die Knie gezwungen habe. Ich denke da etwa an jenen Sommer, als ein unheimliches Dörfchen in Gloucestershire mich regelrecht aus dem Zug holte, bevor ich einen Fuß auf den Bahnsteig gesetzt hatte. Und das war keineswegs ein freundlich gemeintes Willkommen.
Skye war für Katrine ein Erfolg, weil sie gerade ein Semester an der Schauspielschule abgeschlossen hatte und für mich, weil ich an meinem ersten Roman schrieb und alles andere mich kaltließ. In der Zwischenzeit habe ich festgestellt, dass Bücher schreiben zu ausgeprägter Geistesabwesenheit führt und die Fähigkeit zum Austausch mit anderen stark beeinträchtigt. Man wird zu einem hölzernen und einsilbigen Gesprächspartner. Für meine Familie war das ein harter Schlag, aber oh! ich hatte insgeheim einen Riesenspaß.
Endlich hatte ich mich aus den Klauen des Journalismus befreit! Ich werde das Wort »heutzutage« und die Redewendung »moderne junge Frau« bis an mein Lebensende verabscheuen und sie wahrscheinlich selbst dann noch hören und mein Herz wird im Rhythmus dieser Worte schlagen, wenn ich in meinem erdigen Bett zu Erde geworden bin. Ich kann meinen Redakteuren einfach nicht begreiflich machen, dass jede lebende Seele »modern« ist, und dass sie, wenn sie dieses Wort verwenden, insgeheim nichts anderes meinen als »verdorben« oder »heruntergekommen«.
Erst jetzt weiß ich, was für eine außergewöhnliche Angelegenheit das Verfassen eines Buches sein kann. Da sind zum einen die Figuren, die aufmüpfig werden, mit dem Maul nach dir schnappen und mit dir an Orte galoppieren, zu denen du nicht willst und für die du dich nie interessiert hast. Blasiert wie ich war, hatte ich ursprünglich geplant, dass es in meinem Buch um eine Familie gehen sollte, die der unseren ähnelte, aber, mein lieber Schwan!, inzwischen ist daraus bereits eine Geschichte über die Karriere einer Bardame geworden, die in einem Pub an der Edgware Road arbeitet, und ich könnte meine Familie nicht einmal mehr mit Gewalt hineinzwängen.
Und außerdem geschehen seltsame Dinge. Ich hatte den Pub in meiner Geschichte »Die drei Federn« getauft, in der Annahme, dass keiner der zahllosen Pubs an der Edgware Road diesen Namen trüge, meine Beschreibung aber dennoch ein wenig der Wirklichkeit entspräche. Bevor wir nach Skye aufbrachen, spazierte ich investigativ die Edgware Road hinunter und entdeckte meinen Pub, haargenau wie ich ihn beschrieben hatte, sogar mit dem altmodischen Grammophon auf dem Tisch im oberen Sitzbereich. »Diesen Ort habe ich erschaffen«, dachte ich.
Ich frage mich, wie viel man erschafft, indem man über etwas grübelt? Meine Familie bittet mich ständig, »Kostproben« vorzulesen, aber das lehne ich stets ab. Wobei mich eine größere Leserschaft (falls ich je eine haben sollte) überhaupt nicht stören würde. Aber anderen vorzulesen, was man selbst geschrieben hat, ist so, als würde man seinen Liebsten in der Straßenbahn küssen. Katrine ist ganz meiner Meinung. Deswegen ist die Schauspielschule wahrscheinlich genau das Richtige für sie; dort muss sie sich moralisch entkleiden.
Die Abende auf Skye sind wunderschön und so unendlich wie die Güte des Herrn. In klaren Nächten kann man im Mondlicht bis Mitternacht lesen. Für Laien ist eine Bootstour um den Dunvegan allerdings wegen der natürlichen schmalen Gesteinsbögen und den unter Wasser liegenden Felsen riskant.
Eines Abends ging ich hinaus, um Sheil ins Haus zu rufen, denn es war schon längst Schlafenszeit für sie, auch wenn der langsame Sonnenuntergang nicht diesen Eindruck vermittelte. Ich sah sie ziemlich weit entfernt neben einem Mann auf dem Rasen sitzen und erschrak. Sheil ist nämlich sehr hübsch und – egal, ich rannte jedenfalls los. Anscheinend amüsierte sie sich prächtig. Sie hielt eine Papiertüte in der Hand, deren Inhalt die beiden sich teilten, die Köpfe dicht beieinander. Und da wusste ich plötzlich, dass das Geschöpf neben Sheil eines jener Naturgeister war, von denen es in Skye, und übrigens auch in England, an offenen und abgelegenen Plätzen nur so wimmelt. Vater hat ein Buch über sie geschrieben. Auf einer Wanderung in Wales verlief er sich am Cader Iris und sah ein winziges unterirdisches Wesen, dessen Klopfen bereits Dutzende von Touristen vernommen hatten. Als ich wissen wollte, ob er Angst gehabt habe, erwiderte er: »Oh nein, ich habe einfach ›Hallo‹ gesagt, und der kleine Mann hat sich verbeugt und ist verschwunden.«
Aber Sheil?
Ich zündete mir eine Zigarette an. »Saffy findet, du solltest jetzt reinkommen«, sagte ich. »Polly hat mal wieder eine ihrer Arbuthnot-Anwandlungen.«
»Oh, warum denn?«
»Die Jagdveranstaltung in Schottland wurde abgeblasen und jetzt ist sie wütend, weil sie zurück in die Addison Road muss.«
»Die arme, alte Polly.«
»Ja, ein starkes Stück. Aber sie musste ja unbedingt einen Pierrot heiraten …«
»Andererseits – die Macalistairs mögen Polly und ihren Vater wirklich gern. Sie würden ihr doch niemals nur wegen Saffy absagen? Sie hätte von hier aus direkt hinreisen sollen, mit dem Zug um viertel nach Elf«, sagte Sheil mit jämmerlicher Stimme.
»Na … vielleicht ist es nur so eine Ahnung«, räumte ich ein.
»Kommt Toddy heute Abend nach dem Essen bei uns vorbei?«
»Unbedingt. Er hat Saffy getroffen, als er unsere Wohnung verließ und die beiden haben sich wie üblich um die Wette geräuspert.«
Sheil kicherte schrill und ein erschrockener Brachvogel flatterte auf. Dann kam Crellie auf sie zugesprungen und beanspruchte augenblicklich ihre gesamte Aufmerksamkeit. Seine mit Blut- und Schleimspuren bedeckte Schnauze verriet uns, dass er irgendwas Verbotenes in Richtung Schaf oder Kaninchen angestellt hatte. Es war Zeit für seinen Beicht-Vesper-Gesang:
Hab an den Zehn vier Mörderkrallen
Unschuldige Seelen mussten fallen!
Ein Entchen und zwei Lämmchen,
Drei Kätzchen und ein Hähnchen.
Crellie ließ sich ins Gras fallen und blinzelte uns verschmitzt an. Manchmal ist er wirklich schrecklich. Beispielsweise wälzt er sich für sein Leben gern in allem, was stinkt, setzt sich anschließend mitten hinein, lässt den Kopf hängen und macht ein frommes Gesicht. Im Grunde ist er aber ein lieber Kerl und kein Snob – wie die Eisenminna –, sondern bloß ein Schwindler. Aber manchmal beweist er auch Löwenmut und am liebsten erzählen wir uns, wie er Lord Roberts seinerzeit bei der Befreiung von Mafeking half. (»Bobs«, sach ich, »das ham wir ja prima hingekriegt.« »Colonel Crellie«, sacht er, »Sie sind’n wahrer Held.«) Aber wir haben ihm trotzdem eine verpasst, Mafeking hin oder her.
Vor zwei Jahren sah und sprach ich das erste Mal mit Lady Toddington, obwohl ich sie schon seit fast drei Jahren sehr gut kenne.
Das Gericht hatte meine Mutter als Geschworene berufen (der offizielle Wisch endete mit »hat weisungsgemäß zu erscheinen«, was in meinen Augen alles entschuldigte), und ich, die treue und brave Tochter, stellte mich ebenfalls, bewaffnet mit Riechsalz und belebenden Bonbons aus Fleischextrakt, an einem nebligen Morgen um neun Uhr zur Verhandlung ein. Wenn es um das »Gesetz« geht, packt meine Familie seit jeher das blanke Entsetzen, nur vergleichbar mit der abwehrenden Angst vor dem »Arbeitshaus«, dem Universalkennzeichen heruntergekommener Landstreicher. Das Gericht war zufällig das von Toddington. Meine sich sträubende Begleiterin wurde bei der Verhandlung nicht eingesetzt, musste sich für den Rest der Woche jedoch als Ersatzgeschworene bereithalten und an allen Sitzungen teilnehmen.
Das Gesetz kann ja so unverschämt und undankbar sein. Ich würde einen Hund besser behandeln als das Gericht Geschworene, für die es keine Verwendung hat. Während Mutter zitterte und schuldbewusst dreinblickte und ich die Szene in vollen Zügen genoss, hielt ein Gerichtsdiener den Vorhang, dessen Reinigung überfällig war, auf, und Toddington rauschte herein und ließ sich auf der Richterbank nieder.
Ich glaube, genau von diesem Augenblick an gehörte ihm unsere Fantasie, die er in Besitz nahm und vollständig beanspruchte.
Es lag auf der Hand, dass wir zunächst einmal alles über ihn erfahren wollten, und da konnte ich mich nützlich machen und ließ ein Zeitungsexemplar aus der Redaktion mitgehen.
Geboren 1858. (Ein echter Dämpfer, seine Tage sind gezählt.)
Clubs: Athenæum und Garrick. (Wieso das Garrick? Die meisten Clubmitglieder sind doch Schauspieler.)
Verheiratet (aha!) seit 1884.
Sie hieß Mildred Ethelreda Brockley (Meine Güte!)
Zwei Adressen, eine an der Themse, die andere in der Stadt. (Warum wohnt er ausgerechnet am Fluss?)
Eine Liste kostspieliger und konventioneller Hobbys. Golf. (Wie süß! In Knickerbockern sieht er bestimmt niedlich aus!)
Dann eine Zusammenfassung seiner standesgemäßen und teuren Ausbildung und eine zwei Spalten lange Beschreibung seiner juristischen Glanzleistungen. (Ein schlauer Bursche!)
Seitdem sind wir bestimmt ein Dutzend Mal an seinem Haus vorbeispaziert. Besonders ergiebig war das allerdings nicht. Ich habe Buch darüber geführt, wann er seine Blumenkästen austauscht und mir sehnlichst gewünscht, er (oder Mildred) hätten eine weniger ausgeprägte Leidenschaft für dichte Ligusterhecken und Pantoffelblumen. Immerhin gelang es mir, durch das Esszimmerfenster eine sehr ordentliche Eichenanrichte zu erspähen, und die Wärmflasche an der Wand war blitzblank poliert.
An Fotografien von ihm zu kommen war nicht schwer, (zwei meiner Zeitungskollegen gaben mir drei), und unsere Familie geht meist davon aus, dass ein weiterer Abzug im Anmarsch ist, wenn der Postbote zuerst an der Tür scharrt, bevor er schließlich doch klingeln und zweimal klopfen muss.
Ein Teil der Informationsbeschaffung bestand darin, Bekannte von Toddington aufzutreiben. Der Ehemann einer meiner Freundinnen hatte ihn zwar »früher oft gesehen«, doch inzwischen (man ahnt es schon) besitzt er eine Kaffeeplantage in Kenia und ist nahezu unerreichbar. Ich war noch etliche Male ähnlich nah dran. Mir war klar, dass mir mein Beruf bei der Suche nicht weiterhelfen würde. Ich arbeite nicht als Reporterin, sondern gehöre jener schwer einzuordnenden Spezies der schreibenden Zunft an, welche auf Geheiß der Fleet Street hin und wieder beschreibende und namentlich gekennzeichnete Artikel über Menschen und »Strömungen« zu Papier bringt. Nur deswegen saß ich einmal einen Nachmittag lang in Tottenham auf dem Bett eines berüchtigten mormonischen Bischofs oder auf einer Kirchenbank in der Westminister Abbey, als Prinzessin Mary heiratete. Dennoch schlug ich, als ich wieder einmal im Büro vorbeischaute, meinem Redakteur vor, er solle die Berichterstattung bei Gericht ausbauen.
»Und warum, bitteschön?« rief er ärgerlich aus. »Darüber kannst du nicht berichten, dafür sind Henderson und Cato zuständig. Und über den Privatkram der Richter hat E. R. Innern von der Daily Mail längst alles Wissenswerte geschrieben.«
»Ich möchte Toddington eben gern persönlich kennenlernen«, erklärte ich.
»Findest du ihn etwa sympathisch?«
»Ich vergöttere ihn«, rief ich aus. Ich habe vor Jahren festgestellt, wie einfach man Menschen auf die falsche Fährte locken kann, wenn man die Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagt. Auch jetzt wirkte es wie ein Zauber.
Der Redakteur grinste und fuhr sich durchs Haar.
»Das tut mir wirklich leid, aber ich glaube, da können wir nichts für dich tun.«
»Mistkerl! Schwein!«, gab ich zurück (ich mag ihn wirklich gern).
»Dabei fällt mir schlagartig ein: Ich brauche von dir einen intelligenten Artikel über das Thema ›Wie unartig ist das Bank-Holiday-Girl wirklich?‹ 1000 Wörter, einverstanden?«
»In Ordnung, ich setze mich ins Büro nebenan und schreibe ihn dir sofort, wenn du Papier, Bleistift und eine möglichst große Waschschüssel für mich hast«, sagte ich entgegenkommend.
»… und zieh bitte nicht zu sehr über Brighton her. Der Chef macht im August dort Urlaub.«
Um die Mittagszeit setzte ich den Schlusspunkt unter meinen Artikel. Binton rief mich in sein Büro und deutete auf den Schreibtisch. »Sieh mal, das ist für dich. Ich habe eine Kopie für das Zeitungsarchiv machen lassen«. Er beugte sich über die Fotografie von Toddington. »Was für ein hässlicher kleiner Zwerg.«
»Sehr unscheinbar« stimmte ich friedsam zu. »Ich danke dir vielmals.« Singe nie das Loblied eines Mannes vor einem anderen, so viel weiß ich aus Erfahrung. Es bringt sie nur in Harnisch, und sie benehmen sich so eifersüchtig und lauernd wie eine Schar boshafter Debütantinnen. Wie mir seine Sekretärin erklärt hat, gilt Binton allgemein als gut aussehend, und ich habe ihn schon oft dabei beobachtet, wie er seine äußerlichen Vorzüge bei Damen der oberen Kreise, die sich durch einen Redaktionsbesuch etwas kostenlose Publicity erhoffen, einsetzt. Mich dagegen lässt sein Äußeres völlig kalt und daran wird sich auch nichts ändern. Wenn es schon um Schönheitsfragen geht, gebe ich Jelks, seinem Assistenten, allemal den Vorzug; der ist wirklich unauffällig und seine Ws und Hs sind dicht und gehaltvoll wie der Wein in Vallombrosa. Was ist denn klingt bei ihm wie wasn und Who’s Who wie husuu, als wäre es eine Art Hexenfluch oder ein Ritual schwarzer Magie in Zentralafrika. Aber die beiden sind richtige Schätzchen.
Als ich nach Hause kam, ertönte gerade der Gong zum Mittagessen. Unsere Familie nimmt die Mahlzeiten umgeben von unsichtbaren Zeugen ein, es sei denn, wir haben Besuch. Der vielbeschäftigte Dion Saffyn hat meist keine Zeit, um eine Pause einzulegen, und nimmt per Telefon vom Büro aus teil, ebenso wie Pauline. Die Eisenminna stört uns nur selten und außer einem schwachen, gesitteten »Tra la! Mes enfants!«, das gelegentlich durch den Äther zu uns herüberknistert, hören wir kaum noch von ihr. Manchmal gestehen wir einander freimütig, wie todlangweilig wir sie finden. Seit Katerine an der Schauspielschule ist, bringt sie hin und wieder einen Schauspielerfreund zum Essen mit. Wir hoffen, dass er nicht versuchen wird, uns anzupumpen. Mutter hat ihn einmal dazu verdonnert, in der Schlange vor dem Gaiety-Theater Hamlets Monolog Sein oder Nicht Sein