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"Die Götter haben eine Barriere errichtet, um das Unheil einzudämmen - doch für die, die darin gefangen sind, gibt es kein Entkommen." Vor fünfzig Jahren öffnete ein verzweifelter Befehlshaber ein Portal, um seine Stadt vor der Zerstörung zu bewahren. Doch was er herbeirief, ließ sich nicht mehr kontrollieren. Dunkle Mächte überrannten die Stadt, und um die Katastrophe einzudämmen, schufen die Götter den Götterwall - eine magische Barriere, die das Verderben einschließt. Innerhalb dieser Grenzen hat sich ein brüchiges Gleichgewicht gebildet. Während die dunklen Kreaturen über die einst prächtige Stadt herrschen, kämpfen die Überlebenden im Umland Tag für Tag ums Überleben. Inmitten dieser erbarmungslosen Welt muss die junge Alaysha den Platz ihres Vaters einnehmen und sich gegen die Vorurteile der eigenen Leute behaupten. Der selbstgefällige Magier Belgarin wird unterdessen in eine Spirale aus Wissen und Wahnsinn gezogen, als er tiefere Einblicke in das Wirken der dunklen Mächte erhält. Und während Schicksale sich verweben und wieder auseinanderreißen, bleibt eine Wahrheit unausweichlich: Niemand ist ein Held. Niemand kennt die ganze Wahrheit. Und Gut und Böse? Das ist nur eine Frage der Perspektive. Band 1 der düsteren Fantasy-Saga "Die Chroniken von Jeledor" erzählt von Intrigen, Opfern und unerwarteten Entscheidungen - in einer Welt, die keinen Platz für Hoffnung lässt.
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Seitenzahl: 546
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Bücher in und über Jeledor
Die Chroniken von Jeledor
1) Der Wall der Götter
2) Terimag Sai’Shon (in Arbeit)
Die Welt von Jeledor
Band 1: erschienen 05/2023
Band 2: in Arbeit – geplant Ende 2023
7. Tag im Mondzyklus Bonos
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
8. Tag im Mondzyklus Bonos
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
9. Tag im Mondzyklus Bonos
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
10. Tag im Mondzyklus Bonos
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
11. Tag im Mondzyklus Bonos
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
KAPITEL NEUNUNDZWANZIG
KAPITEL DREISSIG
KAPITEL EINUNDDREISSIG
Appendix
Cerra
Zitternd sitzt Cerra in den qualmenden Ruinen, die noch vor wenigen Stunden der Mittelpunkt ihres Lebens waren. Sie hat sich keinen Finger von der Stelle gerührt, seitdem ihre Mami ihr eindringlich sagte, sie solle in dem kleinen Holzverschlag hinter dem Küchenschrank bleiben.
Das war das Letzte, was das sechsjährige Mädchen von ihrer Mama gesehen hatte. Sie hatten dieses Spiel oft gespielt. Sobald ihre Mutter oder ihr Vater «Wir sehen dich nicht mehr» riefen, war ihr von klein auf beigebracht worden, so schnell wie nur möglich ihr winziges Versteck aufzusuchen. Und zwar lautlos und ohne dass sie auf dem Weg von jemandem gesehen wurde. Sonst gab es am Ende, wenn sie wieder herauskommen durfte, nichts Süßes zur Belohnung. Und doch war ihr mittlerweile klar, dass es am heutigen Tag keine Belohnung geben würde.
Sie hatte gehört, wie Holz brach. Sie hatte Schreie vernommen. Metall, das auf Metall traf. Stöhnen ... kratzende Geräusche ... schwere Schritte auf dem abgenutzten, hölzernen Boden des alten Hauses. Dann Stimmen in einer merkwürdigen, unbekannten Sprache. Die Rufe ihres Vaters, voller Hass und Zorn ... erneut Metall, das aufeinandertraf ... und letztlich wieder Stille ... und Dunkelheit ... irgendetwas blockierte den schmalen Spalt, durch den bisher ein wenig Licht in ihr Versteck gefallen war.
Und trotz alledem sitzt sie still da. Ihr schmächtiger Körper zuckt bei manchen der Geräusche zwar leicht zusammen vor Schreck, aber den Großteil der Zeit bewegt sie sich nicht. Dreht nicht einmal den Kopf. Versucht ruhig, langsam und geräuschlos zu atmen, wie ihr Vater es ihr einige Male gezeigt hatte. Die Düsternis in ihrem Unterschlupf wird drückend. Sicher sind erst wenige Augenblicke vergangen, seitdem die Stille eingesetzt hat, doch für Cerra könnten es ebenso Stunden sein.
Ein rötlicher Schein erhellt auf einmal das Dunkel und wird langsam stärker. Flackernde Schatten tanzen über den schmalen Spalt zwischen den beiden Holzbrettern, die ihr Versteck von dem Wohnraum abtrennen. Es scheint so, als sei das, was immer ihn vorher abgedeckt hatte, letztlich zu Boden gefallen. Mit jedem vergehenden Augenblick wird es wärmer in der kleinen Kammer, doch Cerra bleibt sitzen. Unhörbar, ohne einen Laut von sich zu geben. Wie man es ihr beigebracht hat. Egal was als Nächstes passiert, sie darf sich erst wieder bewegen, wenn ihr Vater oder ihre Mutter sie rufen. Ansonsten gibt es nichts Süßes.
Der Holzverschlag, der ihr als sicheres Versteck gedient hatte, war mittlerweile vor Stunden eingestürzt. Die Asche des abgebrannten Gebäudes färbte ihr sonst schwarzes Haar grau. Ein Holzbrett, das einst die linke Hälfte der Tür von ihrem Unterschlupf gewesen war, liegt halb verkohlt auf ihren angezogenen Beinen. Es qualmt noch immer von der Glut, und an der Stelle, an der es die Kleidung des kleinen Mädchens berührt hat, ist ein Brandloch in ihrer kargen Stoffhose zu sehen. Gleichermaßen zeigt die Haut darunter deutliche Zeichen, wo das schwelende Holz sie verletzt hat. Doch sie bewegt sich nicht. Und sie weint nicht. Würde sie angefangen zu weinen, gäbe es nichts Süßes.
Mittlerweile ist kaum noch etwas von dem Bauernhaus übrig, das ihr und ihrer Familie seit der Geburt ein Zuhause gewesen war. Nur ein paar schwelende, verkohlte Balken erinnern noch an das ehemalige Gebäude. Und der steinerne Kamin. Er ist nun an vielen Stellen schwarz, aber er steht weiterhin und ragt wie ein mahnender Finger aus dem Schutt und der Asche. Teilweise glüht das verkohlte Holz noch immer, und der bissige Geruch von Rauch hängt in der Luft und brennt in ihren Lungen. Aber sie darf nicht husten. Würde sie husten, würde man sie hören und dann wäre das Spiel verloren. Und wenn das Spiel verloren war, gab es nichts Süßes.
Sie hofft noch immer, dass es wieder nur ein Spiel ist. Dass sich ihre Eltern dieses Mal etwas besonders Gemeines ausgedacht haben, nachdem sie die letzten Male das Spiel immer gewonnen hatte. Doch es erscheint ihr mehr und mehr unwahrscheinlich. Sie lässt ihre smaragdgrünen Augen über die Szene vor sich wandern. Ohne den Kopf zu bewegen. Alles, was sie sieht, ist Zerstörung. Das kann doch kein Spiel mehr sein!
Doch sie bewegt sich trotz allem nicht von der Stelle. Zitternd sitzt sie in dem niedergebrannten Bauernhaus. Das Zittern kann sie nun nicht mehr unterdrücken. Und sie will es auch nicht mehr unterdrücken. Sie hat so große Angst, wünscht sich nun sogar den Ruf ihrer Eltern zu hören, dass sie verloren hat. Sie will überhaupt nichts Süßes mehr. Sie will einfach nur wieder zu ihren Eltern.
Etwas berührt ihre Schulter. Sie zuckt zusammen und während ihr Zittern stärker wird, senkt sie langsam den Blick. Sie sieht eine rote, sehnige Hand, die einzelnen Fingerglieder viel zu lang für die Dicke der Finger. Die unnatürlich glatte und glänzende Haut spannt sich wie zähes Leder über die hervortretenden Knochen. Jeder dieser überlangen Finger endet in einer schwarzen Klaue. Und langsam schließt sich diese Hand.
Beinahe genüsslich bohren sich die Krallen mit einem brennenden Schmerz in das weiche Fleisch ihrer Schulter. Doch noch immer bleibt sie still und wagt es abgesehen von dem Zittern nicht, sich zu bewegen.
Warmes Blut tropft aus der Wunde, rinnt ihren Oberkörper hinunter. Ein leises Wimmern entweicht ihrer Kehle und im selben Moment spürt sie einen warmen Hauch in ihrem Nacken, nur einen Wimpernschlag bevor sie ein zischendes Geräusch vernimmt.
Mehr und mehr Furcht steigt in ihr auf, doch trotz allem dreht sie nur langsam ihren Kopf in Richtung des Geräuschs. Ein merkwürdiger, unförmiger Schädel mit schwarzen Hörnern und ohne jeglichen Haaren kommt in ihr Sichtfeld. Bevor sie sich ihm vollkommen zugewandt hat, öffnet sich der Mund und entblößt hunderte von nadelartigen Reißzähnen. Keine Zunge ist zu sehen, nur diese schwarze Öffnung mit diesen grässlichen Zähnen. Ein durchdringender, unnatürlicher Schrei erklingt und erzeugt einen bohrenden Schmerz in ihrem Kopf. Sie will sich die Ohren zu halten, doch noch bevor sie zu einer Reaktion kommt, bewegt sich diese rote Fratze mit den nadelartigen Zähnen blitzschnell in ihre Richtung und die Reißzähne bohren sich in ihren Hals!
Mit einem Schrei schreckte Cerra hoch. Umgeben von Dunkelheit schlug sie panisch um sich, versuchte den Angreifer mit dieser grässlichen, roten Fratze abzuwehren, auch wenn sie ihn nicht mehr sehen konnte.
Wo war er hin? Schwer atmend dämmerte ihr, dass sie nun nicht mehr in dem zerstörten Bauernhaus war. Dass sie nicht länger das kleine, hilflose und verängstigte Mädchen war.
«Ruhig Cerra, es war nur ein Traum…», versuchte sie, sich selbst zu beruhigen, doch die junge Frau hörte noch immer ihr Herz schnell in ihrer Brust schlagen. Das Nachthemd, in dem sie geschlafen hatte, klebte an ihrem verschwitzten Körper und bewegte sich im Rhythmus ihres Atems auf und ab.
Mit ihrer rechten Hand ergriff sie, ohne hinzusehen, das Heft des Schwertes, das neben ihrem Bett auf dem Tisch lag. Sie wusste genau, wo es war. Der mit Leder umwickelte Griff gab ihr ein Gefühl von Sicherheit und mit der leichten, schmalen Klinge quer über ihren Beine liegend, beruhigte sich ihr Herzschlag langsam.
Cerra atmet einige Male tief und bewusst durch, bevor sie ihre Füße aus dem Bett schwang. Doch trotz allem behielt sie ihre Waffe vorerst in der Hand.
Für einige Momente lauschte sie in die Dunkelheit, ohne dass sie etwas Ungewöhnliches wahrnahm. Sie hörte einen Vogel, der irgendwo draußen vor ihrem Fenster ungestört sein Lied zwitscherte. Von Zeit zu Zeit vernahm sie gedämpfte Schritte auf dem Steinboden vor ihrer Tür, wenn irgendwelche Mitglieder des Klosters ihren Aufgaben nachgingen. Also alles nichts Ungewöhnliches.
Ihr war klar, dass sie nun nicht mehr einschlafen würde, und so stieg sie schließlich ganz aus ihrem Bett. Mit dem Schwert in der Hand legte sie die zwei Schritte zu dem verschlossenen Fenster zurück und öffnete den Riegel, der die Fensterläden geschlossen hielt. Mit der freien Hand stieß sie die hölzernen Bretter zur Seite, und nutze diese schnell, um ihre Augen vor dem blendenden Licht zu schützen.
Es war eigentlich noch viel zu früh zum Aufstehen. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, gerade einmal mitten am Nachmittag, doch das ließ sich nun nicht mehr ändern. Sie hoffte, dass sie zumindest in dieser Nacht die eine oder andere Chance auf eine Pause bekommen würde, in der sie für ein paar Momente die Augen schließen könnte.
Ein weiteres Mal fragte sie sich, ob es ihr jemals gelingen würde, sich an diesen sich ständig ändernden Tagesablauf anzupassen. Abends aufstehen und die Nacht über wach sein, nur um dann weniger Stunden nach Sonnenaufgang schlafen zu gehen. Und einige Tage später wieder ein neuer Rhythmus. Sie hatte natürlich gewusst, dass sie das erwartete. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass es ihr so schwerfallen würde.
Nun, da sie eh wach war, nutzte sie die Zeit besser sinnvoll. Sie schlenderte die wenigen Schritte zu dem kleinen Waschtisch, der in ihrem Zimmer aufgebaut war und tauchte einen Lappen aus groben Stoff in das lauwarme Wasser, während sie sich im Spiegel betrachtete.
Ihr schwarzes, welliges Haar sah durch den aufwühlenden Traum zwar etwas unordentlich, aber nicht ungepflegt aus. Es war also nicht nötig, es heute zu waschen. Ihr schmales Gesicht glänzte durch den Schweiß des Alptraums. Die dunkelrote Tätowierung um ihr rechts Auge hob sich nur leicht von der gebräunten Haut ab und stand in einem starken Kontrast zu dem sich mittlerweile blau gefärbten Bluterguss auf ihrer linken Wange.
Bei dem Gedanken daran, wie sie ihn im Training erhalten hatte, verzogen sich ihre schmalen Lippen zu einem Grinsen. Auch wenn er für jeden sichtbar und gerade beim Lächeln und Sprechen schmerzhaft war, erfreute sie sich doch an dem Gedanken, dass Törn mit seinen geprellten Rippen sicher viel mehr Freude hatte, bei seinen alltäglichen Aufgaben.
Bei der Erinnerung an den Trainingskampf kicherte sie. Törn war ein paar Jahre älter, einen Kopf größer und beinahe doppelt so schwer wie sie. Er hatte soviel Kraft, dass er das einhändige Schwert, das in der Ausbildung benutzt wurde, gegen einen Anderthalbhänder getauscht hatte, den er trotz allem mühelos schwang. Manch anderer Novize hatte selbst mit dem einhändigen Schwert mit der schmalen Klinge mehr Probleme. Aber trotz allem war der letzten Trainingskampf gegen ihn zumindest ausgeglichen gewesen … auch wenn sie wusste, dass bei einem richtigen Kampf das nur bedeuten würde, dass sie beide tot wären, anstatt nur einer von ihnen.
Sie schüttelte den Kopf, um die Gedanken zu verjagen. Ein Unentschieden stellte nie das Ziel eines Zweikampfes dar, auch wenn es im Ernstfall immer noch besser wäre, einen Gegner mit in den Tod zu nehmen, anstatt die Einzige zu sein, die am Ende leblos auf dem Boden lag. Wenn es dabei um Rache ging, war solch ein Ausgang des Kampfes ein durchaus akzeptables Ergebnis beispielsweise.
Ihre Hand hatte sich um den Lappen in der Waschschüssel zu einer Faust geschlossen, so dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Sie atmete bewusst ein weiteres Mal tief ein und aus, als sie es bemerkte und öffnete dabei langsam ihre Finger. Auch das Schwert, dass sie noch immer in der anderen Hand hielt, stellte sie nun vorsichtig auf dem Boden ab, so dass es an dem Waschtisch lehnte.
Cerra warf einen weiteren Blick in den Spiegel und betrachtete sich ein paar Augenblicke. Langsam drehte sie den Kopf von einer Seite zur anderen, bevor sie ihn im Anschluss von links nach rechts neigte. Letztlich legte sie ihn noch in den Nacken und rollte dabei mit ihren Schultern. Alles war relativ normal und ohne große Schmerzen möglich.
Sie spürte das Training der letzten Tage in ihren Muskeln, aber zumindest war ihre Beweglichkeit nicht merklich eingeschränkt durch die vielen Schrammen und Prellungen, die mittlerweile ihren Körper zierten.
Nach einem weiteren tiefen Atemzug streifte sie ihr dünnes Nachthemd ab und warf es auf ihr Bett. Sie ergriff den Lappen, der in dem Becken vor ihr schwamm und wusch sich zuerst das Gesicht und ihren Oberkörper. Hygiene war wichtig, in Zeiten, in denen es möglich war.
Es dauerte nicht lange, und sie war fertig mit der Körperpflege. Auch wenn es zu früh war, entschied sie sich, direkt ihre Rüstung anzulegen. Ein erneutes Aufsuchen ihrer Kammer wäre somit nicht mehr notwendig vor Beginn des Trainings. Und außerdem vermied die junge Frau es allgemein, etwas anderes, als ihre leichte Lederrüstung zu tragen, seitdem sie diese bekommen hatte.
Wie bei allen Novizen war ihre Rüstung extra für sie nach ihren Bedürfnissen angefertigt worden. Um ihre Beweglichkeit möglichst wenig einzuschränken, hatte sie sich für eine reine Lederrüstung entschieden. Sie bot zwar nur geringen Schutz, im Gegenzug behinderte sie sie jedoch auch nur minimal. Ein Risiko. Aber jeder Kampf war immer ein Risiko. Und eine Wette, bei der man hoffte, nicht zu viel riskiert zu haben, so dass sich der Wetteinsatz am Ende für einen selbst lohnte.
Routiniert schlüpfte sie in die Rüstung und schloss die vielen Riemen und Laschen der Reihe nach. Sie war so konzipiert, dass ein Anlegen ohne fremde Hilfe möglich war. Trotz allem dauerte es seine Zeit, und Cerra prüfte nach jedem Teil, ob es richtig saß und ob ihre Bewegungsfreiheit weiterhin im vollen Umfang gegeben war. Und falls nicht, justierte sie gegebenenfalls nach.
Nachdem sie fertig war, kontrollierte sie alles ein letztes Mal im Spiegel. Ein Außenstehender, der sie in diesem Moment sehen würde, hätte die junge Frau mit den von Natur aus welligen, schwarzen Haaren wahrscheinlich als gut aussehend bezeichnet. Doch Cerra fokussierte sich bei dieser Inspektion rein auf die Kontrolle ihrer Rüstung. Sie sah sich nicht mit den Augen einer Frau. Sie war eine Waffe, und ihr Sinn war es, ihre Feinde zu besiegen. Ein Werkzeug kümmerte nicht, ob es schön oder hässlich war. Nur die Effizienz war wichtig.
Zufrieden mit dem Ergebnis nahm sie das Schwert wieder auf und schob es in die Schwertscheide, die quer an der Rückseite des Gürtels angebracht war. Dies war eine ungewöhnliche Position für Außenstehende, doch war sie sowohl durch Nutzen als auch Tradition wohl begründet.
Anschließend ging sie zu dem kleinen Schrank, der auf der anderen Seite des Raums stand. Sie öffnete ihn und ergriff einige weitere Waffen, die sie an diversen Orten ihrer Rüstung platzierte. Einen Dolch in ihrem rechten Stiefel, drei Wurfpfeile in speziellen ledernen Schlaufen seitlich an ihrem linken Unterschenkel.
Den Köcher für die Pfeile befestigte sie ebenfalls an ihrem Gürtel und ihrem rechten Oberschenkel. Auch wenn sie auf dem Gelände des Klosters keinen Bogen und Pfeile bei sich hatte, trug sie doch zumindest den Lederköcher, um ein Gefühl dafür bekommen. In Zukunft würde er immerhin ebenfalls immer dort sein.
Zuletzt nahm sie noch den leichten, dunklen Umhang aus dem Schrank. Sie betrachtete ihn einige Zeit. Mit ihrem Daumen fuhr sie langsam über das kleine, goldene Emblem am Kragen. Novizin. Seit sechs Jahren. Sie fragte sich zum mit Sicherheit mindestens einhundertsten Mal, wie lange es wohl noch dauern würde, bis man sie auf eine Mission oder wenigstens zu einer Patrouille mitnehmen würde. Aber das lag nicht in ihrer Hand. Sie nutzte die Zeit des Wartens, um zu trainieren. Mit etwas Glück würde einer der Trupps auf sie aufmerksam und würde sie anfragen. Das war die Art, wie es ablief. Eine zufällige Zuteilung würde nur die eingespielten Gruppen und die Novizen in Gefahr bringen.
Trotz allem hoffte sie, dass es nicht mehr lange dauern würde. Dass sie bald die Chance auf Rache bekommen würde. Dass sie einer dieser Kreaturen Auge um Auge gegenüberstehen würde. Und dieses Mal würde sie nicht zittern. Sie würde nicht schreien. Zumindest nicht aus Angst.
Ihre Hand hatte sich wieder zu einer Faust geballt, die den Stoff von ihrem Umhang in einem eisernen Griff hielt. Erneut waren ihre Gedanken abgedriftet. Das war ihre größte Schwäche. Doch nach diesem Alptraum war ihr Zorn und Hass im Moment besonders dominant.
‹Du musst daran arbeiten!›, ermahnte sie sich selbst in Gedanken und warf sich den Umhang über ihre Schultern. Im Anschluss befestigte sie ihn an den dafür vorgesehenen Knöpfen ihrer Rüstung.
Mit einer schnellen Bewegung schloss sie die Schranktür wieder und drehte sich zum Ausgang ihrer kleinen Kammer. Dabei fiel ihr Blick ein weiteres Mal auf ihr Spiegelbild, und sie hielt einen letzten Moment inne, um sich zu betrachten. Doch erneut sah sie nicht die junge, gutaussehende Frau. Sie sah die Entschlossenheit auf ihrem Gesicht und für einen Moment schoss die Frage in ihren Kopf, was ihre Mutter sagen würde, wenn sie sie so sehen könnte.
Doch sofort schob sie diesen Gedanken wieder zur Seite. Ihre Eltern waren tot und das würde sich nicht mehr ändern. Es war demnach egal, was sie denken würden.
«Keine Ablenkungen!», ermahnte sie sich erneut, dieses Mal nicht mehr nur in Gedanken, und wandte sich vom Spiegel ab. Ohne noch einmal zu zögern, öffnete sie die Tür und trat auf den hellen Gang hinaus.
Sokar
Sokar saß auf dem steinernen Boden, umgeben von den verschiedensten Pflanzen, die im Innenhof des Klosters angepflanzt waren. Einige davon dienten der Dekoration, wohingegen es sich beim weitaus größeren Teil um verschiedene Heilkräuter oder Teesorten handelte. Auf seinem Schoß hielt er einen Stapel dünner Holztafeln in aufrechter Position, so dass die vier Kinder, die in einem Halbkreis vor ihm auf dem Boden saßen, die Vorderste davon erkannten.
Auf der Tafel war die Zeichnung einer prächtigen Stadt zu sehen. Karawanen bewegten sich in ihre Richtung und über allem schien eine Aura des Friedens und des Wohlstands zu liegen. Es war ein friedvolles Bild. Eine Darstellung, die Ruhe und Sicherheit ausstrahlte.
Er selbst kannte die Abbildungen bis ins kleinste Detail, weshalb er sie nicht sehen musste, um zu wissen, was darauf abgebildet war. Dutzende Male hatte er diese Unterrichtseinheit gehalten. Und trotz allem wurde es ihm nie langweilig. Er wusste, wie wichtig es war, Geschichten weiterzugeben. Und er tat es gern.
Als Mitglied des Klosters von Ghun war es eine seiner Aufgabe, Wissen zu bewahren. Insbesondere seitdem er zu alt war, um zu kämpfen. Zwar kümmerte er sich weiterhin um Verwundete, wenn auch nicht länger direkt auf dem Schlachtfeld. Sein lahmes Bein erinnerte ihn täglich daran, dass er solche Aktivitäten in Zukunft anderen überlassen sollte.
Und möglicherweise war es sogar besser so. Es gab nicht mehr viele Verbliebene in seinem Alter. Menschen, die all jene schrecklichen Vorkommnisse selbst miterlebt hatten. Damals zwar noch mit den Augen von Kindern, aber trotz allem mit ihren eigenen. Bilder, die sich für den Rest des Lebens ins Gedächtnis eingebrannt hatten.
Sokar war überzeugt, dass jeder der sagte, er hätte diese Erlebnisse hinter sich gelassen oder würde sich nicht mehr erinnern, entweder die Unwahrheit sprach oder es verdrängt hatte. Doch der Grund dafür war am Ende immer derselbe. Ein Versuch, sich selbst und den eigenen Geist vor dem Erlebten zu schützen. Es wäre nicht fair, es ihnen vorzuwerfen. Es handelte sich dabei um eine natürliche Schutzreaktion des menschlichen Verstandes, die er unzählige Male bei einfachen Menschen und Soldaten gesehen hatte, nachdem sie traumatische Ereignisse erlebt hatten. Und davon gab es viele auf dieser Welt innerhalb des Götterwalls.
«Also was wisst ihr bereits über Terimag Sai’Shon?», fragte er die Kinder vor sich, um zu verhindern, dass seine Gedanken abdrifteten. Er rechnete nicht mit einer Antwort. Sie alle waren seiner Schätzung nach zwischen fünf und acht Jahren alt. Ihre Gesichtszüge und Hautfarben zeigten, dass sie den unterschiedlichsten Völkern angehörten. Dass sie Waisen waren, war vermutlich ihre einzige Gemeinsamkeit. Allesamt elternlose Opfer des Kampfes aus demselben Grund.
«So nannte man die Stadt der Dunkelheit früher», sagte das Kleinste der Kinder. Ein Mädchen mit beinah goldenen Haaren und einem traurigen Gesichtsausdruck. Sie schaute beim Sprechen verlegen auf ihre übereinandergeschlagenen Beine. Es schien ihr unangenehm zu sein, dass sie die Antwort kannte. Etwas überrascht betrachtete Sokar sie genauer. Dabei erkannte er, dass sie an jeder ihrer Hände nur vier Finger hatte. Außerdem waren die Gliedmaßen im Vergleich zu ihrem restlichen Körper bei weitem zu lang.
Sokar korrigierte seine geschätzte Altersspanne der Kinder nach oben. Er wusste nicht viel über die Elgar. Sie wurden auf jeden Fall wesentlich älter als Menschen. Und es gab nur eine Hand voll von ihnen, die unter den anderen Verbliebenen lebten. Sehr wenige ihrer Art schafften es aus der Stadt der Dunkelheit. Und so jung, wie sie war, wurde sie aller Wahrscheinlichkeit nach in Terimag Sai’Shon geboren und auf irgendeinem Weg heraus geschmuggelt. Denn bisher hatte noch kein Elgar innerhalb des Götterwalls außerhalb der Stadt das Licht der Welt erblickt.
Trauer stieg in Sokar auf und ließ seinen Hals trocken werden. Er überlegte, wie es für sie sein musste, komplett unter Fremden aufzuwachsen, von denen jeder anders aussah als man selbst. Und dazu der Hass und das Misstrauen, dass allen Nichtmenschen von vielen der älteren Verbliebenen entgegengebracht wurde.
Das Mädchen schaute ihn mittlerweile fragend an, um zu erfahren, ob ihre Antwort zutreffend gewesen war, was Sokars Gedanken wieder schnell zum Thema zurückbrachte.
«Sehr gut, meine Kleine. Nur wenige in eurem Alter kennen die Stadt der Dunkelheit bei ihrem ursprünglichen Namen», sagte er mit einem aufmunternden Lächeln in Richtung des Elgarkind. Er betrachtete es als wichtig, ihnen zu zeigen, dass Wissen kein Verbrechen war. Vor allem, wenn sie einige Zeit in der Stadt versklavt unter diesen Kreaturen ertragen hatten.
«Die Gebieter nennen sie noch immer so», erwiderte das Mädchen nun selbstsicher, vermutlich ermutigt durch das Lob auf ihre vorherige Antwort. Doch das Wort Gebieter ließ Sokar einen kalten Schauer den Rücken hinab laufen. Wenigstens war nun gewiss, dass sie nicht in Freiheit geboren worden war. Kein freies Wesen würde diese Monster so nennen. Wohingegen alle ehemaligen Sklaven gezwungen gewesen waren, diese Kreaturen mit diesem abscheulichen Wort anzusprechen. Und vielen gelang es niemals, vollständig damit aufhören. Zu häufig war die Angst zu groß, wieder in ihre Hände zu fallen und dann für die vermeintlichen Verfehlungen in Freiheit bestraft zu werden. Einige Befreite kehrten sogar freiwillig in die Stadt zurück oder nahmen sich das Leben. Deshalb entschied Sokar sich, dass er dieses Thema sensibel angehen würde. Er versuchte, seine Emotionen im Griff zu halten und das Mädchen weiterhin gewinnend anzulächeln.
«Das ist erneut richtig, meine Kleine. Aber wir nennen sie nicht Gebieter. Es sind grausame Eindringlinge, die uns versklaven oder töten wollen, weshalb wir sie bekämpfen. Auch wenn es vielleicht schwer für dich ist, solltest du versuchen aufzuhören, sie so zu nennen. Sie haben keine Macht mehr über dich oder irgendjemanden in diesem Kloster. Du bist nun frei von ihnen, und jeder hier, mich eingeschlossen, würde sein Leben geben, um deine Freiheit zu verteidigen. Das ist einer der wichtigsten Punkte, die uns von diesen Monstern unterscheidet. Wir kümmern uns umeinander. Viele von uns setzen das Wohl der Anderen sogar über ihr eigenes Wohl. Und deshalb haben sie uns auch noch nicht besiegt. Nicht in den letzten fünfzig Jahren und in den kommenden fünfzig Jahren wird sich das nicht ändern.»
Das Mädchen schaute ihn beim Sprechen aufmerksam an. Ihre Antwort bestand letztlich nur aus einem Nicken. Ihr Gesicht hatte weiterhin einen traurigen Ausdruck, so dass Sokar nicht wusste, wie viel von dem Gesagten zu ihr durchgedrungen war.
Sie würde es sicher nicht leicht haben. Seiner Einschätzung nach lebte sie bis auf wenige Mondphasen ihr ganzes bisheriges Leben unter der Tyrannei dieser Kreaturen. Bis das Schicksal ihr einen Weg zur Flucht offenbart hatte. Doch sie würde eine Menge Hilfe benötigen, um mit dieser neuen Freiheit zurechtzukommen.
In seinem Kopf entstand eine geistige Notiz, sich näher mit dem Kind zu beschäftigen und ihr zu helfen, wo immer es ihm möglich war. Doch aktuell stand der Unterricht dieser Waisen an oberster Stelle. Vollkommen egal, wie schwer es ihm in diesem Moment fiel, denn seine Gedanken kreisten weiterhin um das kleine Mädchen.
«Also, Terimag Sai’Shon, Juwel der aufgehenden Sonne, war der Name jenes Ortes, der nun nur noch Stadt der Dunkelheit genannt wird. Es ist gerade einmal fünfzig Jahre her. Einige der Ältesten, wie zum Beispiel ich», fügte er mit einem Zwinkern hinzu, was ihm zumindest von zwei der Kinder ein Lächeln einbrachte, «haben es noch am eigenen Leib miterlebt. Den Tag, an dem es auf Jeledor dunkel wurde.»
Sokar atmete tief ein, um eine dramaturgische Pause zu erzeugen, wie er sich selbst eingestehen musste. Er nutzte die Augenblicke, um in die Gesichter der vier Kinder zu schauen, bevor er weiter sprach.
«Terimag Sai’Shon war eine reiche Stadt, und ihre Pracht war auf ganz Jeledor und darüber hinaus bekannt. Doch wie immer zog Reichtum auch Neider an. Kommandant Adimar Ruhn überzeugte drei Herrscher verschiedener Reiche, dass Terimag Sai’Shon sehr bald eine Gefahr für sie darstellen würde, und erobert werden müsste. Dies sollte verhindern, dass …»
«Welche Reiche waren das?», unterbrach ihn eins der Kinder, ein kleiner Junge mit dunkler Haut, und betrachtete ihn dabei mit fragendem Blick.
Sokar wandte sich ihm mit einem Lächeln zu. Es störte ihn nicht, wenn er unterbrochen wurde. Es freute ihn sogar. Letztlich bedeutete es, dass sie ihm zuhörten und an seiner Geschichte teilnahmen.
«Eine sehr gute Frage mein Kleiner, die ich dir aber leider nicht beantworten werde. Das Wissen darüber, welche Nationen den Kampf nach Terimag Sai’Shon trugen, wird seit über vierzig Jahren nicht mehr weitergegeben. Was geschehen ist, ist geschehen und wir kämpfen nun alle gegen denselben Feind. Welcher Nation man angehört, und wer in der Welt außerhalb Freund oder Feind ist, bedeutet hier nichts mehr. Doch würden wir wissen, wer am Kampf beteiligt war, also welche Reiche den Krieg nach Terimag Sai’Shon trugen, würden wir ihnen vielleicht die Schuld geben, auch wenn es ihre Herrscher und Vorfahren waren, und nicht sie selbst. Wir würden uns gegenseitig misstrauen und vielleicht sogar bekriegen. Deshalb wurde entschieden, dieses Wissen sterben zu lassen. Zum Schutze aller.»
Erneut legte er eine Pause ein und ließ seinen Blick über die vier Kinder streifen, bevor er fortfuhr.
«Wichtig ist nur, dass wir wissen, wer der Feind ist. Es gibt nur noch einen Feind. Alte Fehden sind irrelevant … unbedeutend. Wir stehen bereits mit dem Rücken zur Wand. Deshalb ist es wichtig, dass wir zumindest den Personen neben uns nicht misstrauen.»
Er sprach langsam und schaute dabei erneut über die Waisen vor ihm. Seine Stimme klang bedacht und aufrichtig, und wenige Augenblicke später nickte eins der Kinder nach dem anderen. Er wartete einige weitere Momente ab, um das Gesagte auf seine Zuhörer wirken zu lassen, bevor er weitersprach und auf das ursprüngliche Thema zurückkam.
«Also, wie ich bereits erwähnte, zogen die Armeen von drei Reichen nach Terimag Sai’Shon und schlugen vor den Toren der Stadt ihre Lager auf. Doch es wurde nicht die kurze Schlacht mit einem schnellen Sieg, den alle erwartet und Adimar den Herrschern auch versprochen hatte. Die Befestigungen von Terimag Sai’Shon waren stark und die Stadt hatte aufgrund ihres Wohlstandes viele angeheuert Wachen. Deshalb zog sich die Schlacht über mehr als zwei Mondphasen hin, ohne dass eine Seite einen entscheidenden Vorteil erringen konnte.»
Sokar unterbrach seine Geschichte ein weiteres Mal und hob die vorderste Tafel an, um sie am Ende der Reihe zu platzieren. Auf dem Bild, das nun zu den Kindern zeigte, war dieselbe große Stadt zu sehen, doch aus ihrem Zentrum stieg dieses Mal ein Strahl aus Energie in den Himmel, der dieser Szene etwas Bedrohliches verlieh. Die Händler und Karawanen vor der Mauer waren ebenfalls verschwunden und stattdessen Zelten und Heerlagern gewichen. Die Kinder schauten gebannt auf das Bild der Tafel, als der Mönch fortfuhr.
«Während die Situation für die Soldaten beider Seiten und ebenso für die Kommandanten der Belagerer wie ein Patt aussah, wusste Donry Saldur, der Kommandant der Verteidiger von Terimag Sai’Shon, dass sie nicht mehr lange durchhalten würden. Ihre Nahrung ging langsam zuneige, und obwohl sie nur wenige Verluste hatten, konnte doch kein Soldat ersetzt werden, solange die Stadt belagert wurde. Eine Kapitulation kam für ihn jedoch nicht in Frage und so befahl er seinen drei mächtigsten Magiern, einen Spalt in ein Reich der Dunkelheit zu öffnen. Schutzmaßnahmen wurden ergriffen, so dass die Kreatur, die hindurchgezogen wurde, gebunden war und keinen Schaden anrichten konnte.»
Erneut legte Sokar eine kurze Pause ein, um einen Schluck Wasser aus einem Becher neben ihm zu trinken. Als er die gebannten Gesichter der Kinder sah, entschied er sich jedoch, schnell fortzufahren, um ihre Neugier zu stillen.
«Es war Tag dreiundsiebzig der Schlacht um Terimag Sai’Shon, als ein Strahl purpurner Energie aus dem Zentrum der Stadt die Nacht erhellte. Was genau in der Ritualkammer passiert war, wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass noch in derselben Nacht Scharen von dunklen Kreaturen, die aussahen, als wären sie den Alpträumen der Menschen entsprungen, aus der Stadt strömten und die Belagerer besiegten.»
Ein weiteres Mal hob Sokar die vorderste Zeichnung an und platzierte sie am Ende der Reihe. Auf der neuen Tafel, die den Kindern nun zugewandt war, konnten verbranntes Land und eine Barriere aus einer Art Magie gesehen werden. Und hinter der Wand aus Energie gab es Gras, Licht und Leben.
«Die Kreaturen der Dunkelheit machten keinen Halt, als die Belagerer besiegt waren. Sie zogen weiter, vernichteten Dörfer und Städte in der Umgebung. Nichts konnte sie aufhalten. Mehrere Tage lang ging keine Sonne auf. Oder sie war durch den Qualm all der Zerstörung einfach nicht zu sehen. Diese Tage der Dunkelheit sind von Leid und Tod geprägt.»
Er atmete tief ein und nutzte die Gelegenheit, um ein weiteres Mal über die Kinder vor ihm zu schauen, die ihm weiterhin gebannt lauschten. Wahrscheinlich kannten die meisten von ihnen die Erzählungen bereits, genossen es jedoch, sie trotz all der Gewalt, die darin vorkam, erneut zu hören. Aber er hatte Verständnis dafür. Kinder lernten am besten durch Wiederholungen. Und ihm war bewusst, dass es für seine Zuhörer nur eine Geschichte war, was die Grausamkeit zumindest etwas milderte.
Er ließ seinen Blick über die Umgebung schweifen und bemerkte dabei, dass er eine weitere Zuhörerin bekommen hatte. Eine junge Frau mit welligen, schwarzen Haaren stand ein wenig im Hintergrund gegen eine Steinsäule gelehnt und lauschte ebenfalls seinen Worten. Sie war ihm wohlbekannt, da sie seit vielen Jahren im Kloster lebte und wie seine Zuhörer als Waise hierher gekommen war. Ihre Blicke trafen sich, woraufhin sie ihm mit einem Lächeln zunickte, was er mit einem Schmunzeln seinerseits erwiderte, bevor er fortfuhr.
«Was dann geschah, wissen wir ebenfalls nicht mit totaler Sicherheit. Zwei Tage nachdem die Kreaturen aus ihrem Reich befreit worden waren, entstand der sogenannte Götterwall. Kein Geschöpf ist in der Lage, ihn zu durchqueren, weder Mensch noch Kreatur der Dunkelheit. Wir vermuten, dass die Völker außerhalb dieses Walls die Barriere mit Hilfe ihrer stärksten Priester, vielleicht sogar der Götter selbst, errichtet hatten, um die Invasoren zu stoppen und so zu verhindern, dass sie über ganz Jeledor herfallen können. Leider sind wir, die Verbliebenen, nun auch hier gefangen mit diesen Kreaturen. Aber wir geben uns nicht geschlagen. Gemeinsam trotzen wir ihnen, und wenn die Götter es so wollen, werden wir sie vielleicht eines Tages besiegen. Wenn es dann soweit ist, werden die Götter es wissen und der Götterwall wird wieder verschwinden.»
Mit dem letzten Satz ließ er die Tafeln nach vorne kippen, um das Auflösen der Mauer zu symbolisieren. Weder er noch die Kinder sagten ein Wort in die Stille. Doch bevor es anfing, unheimlich zu werden, fuhr er fort.
«Und das ist der Grund, warum viele von uns gegen diese Kreaturen kämpfen, auch wenn es oftmals aussichtslos erscheint. Ich habe persönlich viele Jahre gegen sie gekämpft und wir lernen jeden Tag mehr ihrer Schwächen kennen. Deshalb glaube ich fest daran, dass wir mit der Hilfe der Götter eines Tages siegen können.»
Bei den letzten Worten hob er leicht seinen Kopf und schaute in Richtung der Frau an der Säule. Er wusste, dass Cerra nicht viel auf die Drei gab, und so wunderte es ihn auch nicht zu sehen, wie sie darauf nur mit einem Schnauben reagierte, was ihm wiederum ein Grinsen entlockte.
«Mein Vater sagte immer, dass wir nicht gewinnen können, da für jeden, den wir von ihnen töten, zwei neue kommen aber wir für jeden Toten von uns einfach nur schwächer werden», erwiderte einer der beiden Jungen, was Sokar veranlasste, sich von Cerra abzuwenden und sich wieder den Kindern zu widmen.
«Damit hatte dein Vater vielleicht unrecht. Einige hier im Kloster, und ebenfalls die Magier, vermuten, dass das Portal nicht mehr offen ist, da wir sonst bereits lange überrannt wären. Deshalb suchen wir auch nach neuen Wegen, sie zu bekämpfen, oder was natürlich noch besser wäre, sie komplett von Jeledor zu verbannen.»
Bei diesen Worten hob er erneut den Kopf, um Cerras Blick zu suchen. An der Säule stand jedoch niemand mehr. Er schaute sich kurz um, ohne sie zu sehen, weshalb er sich mit einem Lächeln wieder dem Fragesteller zuwandte.
«Dieser Krieg wird nicht auf dem Schlachtfeld durch die Größe von Armeen entschieden, mein Kleiner. Wir müssen darauf vertrauen, dass die Götter uns einen Weg zeigen. Und dass wir mutig genug sind, diesen dann auch zu beschreiten.»
Alaysha
Schnee wehte Alaysha entgegen, so dass sie ihre Augen zusammenkniff, um ihr Gesicht vor den kalten Flocken zu schützen. Mit der rechten Hand hielt sie die Zügel ihres Pferdes, während sie die linke zur Abwehr gegen die Witterung nutzte.
Flocken ... Im Moment war Flocken eine Untertreibung. Es handelte sich eher um winzige, gefrorene Eissplitter, die wie Nadeln erbarmungslos in jedes noch so kleine Stück freiliegende Haut stachen, dass sie erreichten.
Alaysha hasste Stürme. Und sie hasste Eis. Oder zumindest, wenn beides gemeinsam auftrat. Sie presste ihre Lippen zusammen und zog den Kragen ihres Mantels erneut ein Stück nach oben. Warum rutschte dieses verfluchte Teil immer hinunter! Sobald sie zurück war, stand ein ernstes Gespräch mit der Näherin von Schneehafen an erster Stelle auf ihrer Liste!
Eine weitere Böe sandte zielsicher den nächsten Schwung eisiger Nadeln in ihre Richtung, was sie zwang, die Augen zu schließen. Schattenseele, ihr Pferd, scheute ebenfalls davor zurück. Ihr wurde klar, dass es für ihr Tier mit Sicherheit noch unerträglicher war. Die schwarze Stute, ein schlankes, elegantes Geschöpf, war definitiv nicht für solch ein Wetter geeignet. Aber Alaysha ritt sie, seitdem sie ein Kind war und zwischen Mensch und Pferd hatte sich ein Vertrauen aufgebaut, das nur schwer zu finden war.
Sie ergriff den Rand ihrer Kapuze und zog ihn ein Stück weiter über das Gesicht. Dabei hörte sie die knackende Geräusche der brechenden Eisschicht, die sich auf ihrer Kleidung gebildet hatte.
Sie drehte ihren Kopf, um nach hinten zu schauen. Die anderen zwei Reiter folgten ihr in geringem Abstand. Doch an ihrer Haltung war zu erkennen, dass sie ebenfalls schwer mit dem Schnee und Sturm zu kämpfen hatten. Wenigstens ihre Reittiere waren besser für das Wetter geeignet. Die breiten, stabilen Pferde bewegten sich wie ein Pflug durch die weiße Masse. Und mit jedem Schritt erzeugte ihr Schnauben dampfende Wolken, die vom Wind nur einen Wimpernschlag später schon wieder davongetragen waren.
Alaysha verlor sich einen Moment in dem Anblick. Sie vertraute darauf, dass Schattenseele ohne ihre Kommandos einen Weg durch die Schneemassen finden würde. Doch sie kam immer mehr zu der Auffassung, dass es mittlerweile zu gefährlich war, um weiter zu reiten.
Die junge Frau wandte ihren Kopf nach rechts und betrachtete die verschwommene, reflektierende Barriere, die sich nur wenige Schritte neben ihr in beide Richtungen erstreckte. Schnee wurde ungehindert durch diese Wand geweht und erzeugte dadurch den Eindruck, als würde er ihr von dieser spiegelnden Oberfläche aus entgegen gespuckt werden.
«Hätten die Götter diese verdammte Mauer nicht weiter im Tal erzeugen können?», murmelte sie gegen den Sturm. Die Patrouille entlang der Barriere war die meiste Zeit eine wenig beschwerliche Reise. Aber der erste und dieser letzte Abschnitt, hoch im schneebedeckten Gebirge, war immer riskant. Etliche trittsichere Pferde sowie ihre Reiter hatten hier ihr Leben gelassen in den vergangenen Jahrzehnten.
Aber welche Wahl hatten sie schon? Zumindest einmal innerhalb von zwei Jahre war es notwendig, den Götterwall in seiner kompletten Größe zu kontrollieren. So verlangte es die Tradition, der sie sich nicht entziehen konnte. Und das Ergebnis war jedes Mal dasselbe. Nirgends irgendwelche Öffnungen und ebenfalls keine auffälligen Stellen. Eben alles wie immer.
Sie erinnerte sich bestens daran, wie sie vor zwei Jahren das erste Mal mit auf dieser Patrouille war. Zu jener Zeit noch mit ihrem Vater, dem damaligen Dorfvorsteher von Schneehafen. Jetzt war es ihre Pflicht. Eine große Axt, geschwungen von einem Wesen, das wie eine abscheuliche Kreuzung aus Affe und Panther aussah, hatte ihn vorzeitig zu Naemis geschickt und ihr somit diese würdevolle Aufgabe übertragen.
Ihr kleiner Bruder war mit seinen zwei Jahren bei weitem zu jung, um das Amt zu übernehmen. Und da die Götter entschieden hatten, dass bei seiner Geburt nur er den nächsten Tag erleben dürfe, und nicht ebenfalls seine Mutter, die ihm das Leben geschenkt hatte, waren dem Dorf leider die Alternativen ausgegangen.
Ihr Vater hatte die letzten Mondphasen genutzt, um Alaysha alles Notwendige beizubringen. Dadurch war sie theoretisch darauf vorbereitet, den Dorfvorstand zu übernehmen. Doch die meisten Dorfbewohner waren es eben nicht. In der über dreihundertjährigen Geschichte von Schneehafen war das Dorf immer von einem männlichen Nachfahren von Tyran Urden geführt worden.
Doch es half nichts, den anderen die Schuld zu geben. Ihr Vater hatte sich definitiv nicht aus freien Stücken von der Axt treffen lassen. Und ihre Mutter hatte ebenfalls nicht geplant, bei der Geburt ihres zweiten Kindes zu sterben. Ebenso hatte ihr Bruder sie mit Sicherheit nicht absichtlich indirekt getötet. Aber in ihrer aktuellen Stimmung war sie nun einmal auf jeden wütend.
Trotz allem trug sie jetzt Verantwortung und musste damit anfangen, aus Vernunft zu handeln. Und in diesem Fall bedeutete es, die Reise zu unterbrechen, bis das Wetter wieder besser wurde, anstatt das Leben von Mensch und Tier zu riskieren.
«Wir machen Rast! Holt die Planen, um einen Schutz vor dem Wind und dem Eis zu errichten», rief sie nach hinten zu den Reitern, die ihr folgten.
Sie bildete sich ein, einen erleichterten Ausdruck auf den Gesichtern der zwei Männer zu sehen, selbst wenn es durch das Wetter auf diese Entfernung unmöglich war.
Mit einem kurzen Zug an den Zügeln brachte sie Schattenseele zum stehen und stieg ab. Sie schwang ihr Bein über den Rücken des Pferdes und merkte dabei, wie steif ihr Körper durch die Kälte war. Die mit Fell umwickelten Reiterstiefel sanken tief in den frischen Schnee ein. Fluchend versuchte sie sich vorwärts zu kämpfen, in der Hoffnung zumindest ein wenig Schutz für sich und ihr Reittier zu finden.
Obwohl sie ihre Felle eng um sich geschlungen hatte, saß Alaysha zitternd auf dem kalten Boden, den Rücken gegen den schneebedeckten Fels gedrückt, der zumindest ein wenig Schutz vor dem eiskalten Sturm bot. Zwischen ihren Oberschenkeln hatte sie den nahezu leeren Stoffsack mit Hafer geklemmt, aus dem sie Schattenseele fressen ließ. Die Wärme, die das Tier abgab, und die aufgewärmte Luft, die es ausschnaubte, hinderten ihre Beine daran, zu vollständigen Eiszapfen zu werden.
Warum war es nur so verdammt frostig! Die zwei Männer, die dabei waren, das provisorische Lager so effektiv wie möglich vor dem Sturm zu schützen, schienen die Kälte nicht annähernd so intensiv zu spüren. Mit festen Schritten bewegten sie ihre kräftigen, in Felle gewickelten Körper durch die gefrorene Landschaft, schlugen kurze Metallstangen in den eisigen Boden und befestigten die schweren Leinentücher daran, um den Sturm um das Lager zu leiten.
Sie vermutete, dass es die Kombination aus ihrer schweißtreibenden Arbeit und dem stabilen Körperbau war, der sie die Kälte besser ertragen ließ. Sie selbst hatte einen hageren Körper. Nahezu dürr. Ihr schmales Gesicht war blass und sah für jeden, der sie nicht kannte, ungesund aus. Die Augen lagen tief in den Höhlen und die glatten, recht dünnen schwarzen Haare verstärkten den Eindruck zusätzlich.
Doch sie hatte keinen Einfluss auf ihr Aussehen. Sie aß wenig, allerdings genug. Sie war nicht kräftig, aber auch nicht übermäßig schwach. Sie scheute sich nie vor körperlicher Arbeit. Die Natur hatte sich nun einmal dazu entschieden, ihr diese Statur zu geben. Schätzungsweise hatten die Götter einfach nicht damit gerechnet, dass sie eines Tages durch mehrere Fuß tiefen Schnee wandern würde.
Mit klappernden Zähnen senkte sie ihren Blick wieder und betrachtete den Kopf von Schattenseele. Das Pferd zitterte ebenfalls und das Fell glänzte durch die Eiskristalle, die sich darauf gebildet hatten. Trotz allem schien sie zufrieden zu sein, dass sie ihren Kopf in dem Beutel mit Hafer hatte.
«Ich wünschte, ich wäre so anspruchslos wie du manchmal», sagte sie zu dem Tier, dass jedoch nicht darauf reagierte. Seine Welt bestand in diesem Moment nur aus dem Fressen.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie einer der Männer auf sie zukam. Ob es Haldun oder Esgurt war, erkannte sie nicht. In ihren Fellen und mit dem Schnee in ihre Bärte sahen sie beide gleich aus.
Er trat direkt neben sie und ließ sich ohne ein Wort nieder. Der Mann hielt keinerlei Abstand, so dass sie durch seinen Körper ein kleines Stück zur Seite gedrückt wurde. Trotz der vielen Pelze roch sie, nun da er so nahe bei ihr saß und das Lager passabel vor dem Sturm geschützt war, seinen Schweiß. Ohne darüber nachzudenken, rückte sie ein wenig von ihm weg, um etwas Distanz zu ihm zu bekommen. Nicht wegen des Geruchs. Sie war sich sicher, dass sie selbst nicht besser roch, sondern weil ihr der Körperkontakt unangenehm war.
«Bleib hier, Alaysha», sprach der Mann beim erneuten Näherrücken, so dass sich ihre Körper wieder berührten. Anhand der Stimme war zu erkennen, dass es sich um Esgurt handelte. «Man hört deine Zähne zehn Schritte gegen den Sturm klappern, und unsere eigene Wärme ist alles, was wir haben. Zumindest solange keines der Pferde stirbt.»
Alaysha dachte besser nicht darüber nach, was er mit den letzten Worten meinte. Sie hatte von ihrem Vater ebenfalls gelernt, dass es im schlimmsten Fall möglich wäre, die Wärme der Tiere ... aber nein. Alleine der Gedanke, dass sie Schattenseele ...
Schnell rückte sie ein Stück näher an Esgurt und legte ihren Kopf an seine Schulter. «Was glaubst du, wie lange der Sturm noch anhält? Sollten wir besser die Patrouille abbrechen und versuchen, einen Abstieg zu finden?»
Esgurt legte einen Arm um Alayshas Oberkörper, um ihr zusätzliche Wärme zu spenden. Er schien einige Momente über ihre Fragen nachzudenken, bevor er den Kopf schüttelte, was sie hauptsächlich spürte, und nicht sah.
«Ich glaube nicht, dass es etwas ändern würde. Wir sind nur noch zwei Tage von Schneehafen entfernt und ich habe von keinem Abstieg aus den Bergen in dieser Gegend gehört bisher. Und mit Sicherheit keinem, den die Pferde schaffen würden.»
Er legte eine kurze Pause ein und versuchte eine angenehmere Position, auf dem steinernen Boden zu finden.
«Was den Sturm angeht. Ich glaube nicht, dass er noch lange anhält. Aber diese Eisstürme sind tückisch. Der Sturm kommt von Westen, und da der Götterwall uns die Sicht versperrt, können wir nicht sehen, ob es in der Ferne vielleicht bereits heller wird.»
«Also besteht unsere einzige Möglichkeit darin, zu warten und zu hoffen, dass der Sturm heute Nacht nachlässt», antwortet Alaysha in einer Kombination aus Aussage und Frage.
Erneut reagierte Esgurt zunächst nur mit einer Geste, diesem Mal einem Nicken. «Ja. Wenn wir Glück haben, lässt er in den nächsten Stunden nach, so dass wir eine ruhige Nacht haben. Und was beinahe noch wichtiger ist, die Pferde neue Kraft bekommen.»
Dieses Mal war es ihre Antwort, die aus einem Nicken bestand. Stille senkte sich über die beiden und für einige Zeit war neben dem Sturm nur das kauende Geräusch von Schattenseele hörbar.
«Und in zwei Tagen sind wir dann wieder in Schneehafen, sofern es noch steht», flüstert Alaysha in die Stille, mehr zu sich selbst. Aber Esgurt schien ihre Worte trotzdem zu hören.
«Du schlägst dich gut. Wir wissen alle, dass es nicht einfach für dich ist. Dein Vater war ein großer Mann und es sind große Fußstapfen, die du nun ausfüllen musst. Viele stehen bereits hinter dir, und die, die es nicht tun, werden ihre Meinung bald ändern.»
Alaysha hörte ihm zu, aber die Worte munterten sie nicht auf. Ihr war bewusst, dass der größte Teil der Einwohner von Schneehafen sie nicht akzeptierte. Sie brachten ihr keinen Respekt entgegen und einige betrachteten sie sogar, als hätte sie ihre Position von ihrem Vater gestohlen.
«Ich werde sie nie ausfüllen können, Esgurt», antwortete sie weiterhin mit leiser Stimme. «Ich werde für sie immer diejenige sein, die ihren Titel bekam, weil niemand sonst da war. Nicht weil ich ein Recht darauf hatte. Sondern nur weil mein Bruder zu jung dafür war.»
Mit leerem Blick schaut sie für einige Augenblicke den tanzenden Eiskristallen zu. «Sobald mein Bruder alt genug ist, übertrage ich ihm die Aufgaben. Dann haben wir wieder die alte Ordnung und ich kann mich wichtigen Dingen zuwenden», sagte sie in einem leicht trotzigen Tonfall.
Esgurt reagierte mit einem halb zurückgehaltenen Lachen darauf und zog sie mit seinem Arm etwas näher zu sich. «Wir werden sehen. Es wird noch viele Jahre dauern, bis dein Bruder alt genug ist, um die Aufgaben von dir zu übernehmen. Vielleicht hast du dich bis dahin so in deine Rolle verliebt, dass du sie gar nicht mehr abgeben möchtest?»
Ihre Reaktion bestand aus einem Ellenbogenstoß in seine Seite. Dieser fiel fester aus, als ursprünglich beabsichtigt, wodurch sein unterdrücktes Lachen in ein Stöhnen überging. «Feuer genug hast du jedenfalls für diese Position.»
Nach einigen Momenten fuhr er mit etwas ernsterer Stimme fort. «Und egal, was passiert, ich werde immer an deiner Seite stehen, wie ich auch schon an der Seite deines Vaters stand. Und ich weiß, dass Haldun genauso denkt.»
«Wer sagt hier, ich würde denken?», war auf einmal die Stimme des zweiten Wächters von der ihnen abgewandten Seite zu hören. Er hatte seine Arbeit nun ebenfalls abgeschlossen und sich durch das Gespräch unbemerkt genähert. Ohne mehr zu sagen oder zu fragen, ließ er sich auf der freien Seite von Alaysha auf den gefrorenen Fels gleiten, so dass sie zwischen den beiden kräftigen, schwitzenden Männern eingeklemmt wurde. Aber zumindest war ihr dadurch nicht mehr kalt.
Schattenseele nahm wenige Augenblicke später ihren Kopf aus dem Sack. Vermutlich war er letztlichleer. Sie schaute etwas verwundert auf die drei Menschen vor ihr, die sie bisher anscheinend gar nicht bemerkt hatte. Die Verwunderung hielt allerdings nur kurz an und nach einem langen, zufriedenen Schnauben drehte sie ihren Kopf und stakste ein paar Schritte davon in Richtung der anderen beiden Pferde.
«Ich erkläre Alaysha gerade, dass sie für die Rolle, die das Schicksal für sie bestimmt hat, unserer Meinung nach nicht ganz so untauglich ist, wie sie selbst denkt», fasste Esgurt ihr vorheriges Gespräch mehr oder minder passend für Haldun zusammen.
Alayshas Plan, diese Zusammenfassung mit einem weiteren Stoß ihres Ellenbogens zu erwidern, wurde durch ihre eingeklemmte Position effektiv verhindert, so dass nur ein sanfter Rempler bei Esgurt ankam.
«Nun, da has er ausnahmsweise einmal Recht», erwiderte Haldun daraufhin. «Es ist leider Fakt, dass viele der Einwohner an alten Traditionen hängen. Und das ist auch nichts Schlechtes. Gerade in schweren Zeiten ist es gut, wenn die Menschen etwas Vertrautes um sich hat. Aber im Leben verläuft nun einmal selten etwas nach Plan. Wir müssen nehmen, was kommt, und notfalls eben auch aus Scheiße ein Haus bauen.»
Seine Ausdrucksweise entlockte der jungen Frau ein Lächeln und Esgurt nutzte den Arm, den er um Alayshas Schultern gelegt hatte, um Haldun einen spielerischen Schlag auf den Hinterkopf zu geben. «Achten Sie auf Ihre Wortwahl. Die Lady von Schneehafen ist anwesend.»
Nach seinen Worten konnte er das Lachen selbst nicht mehr zurückhalten, und kurz darauf stimmten Haldun und Alaysha mit ein.
Mitten im Sturm, umgeben von Eis und Schnee, saßen sie auf dem gefrorenen Boden und lachten. Und obwohl ihre Sorgen nur minimal besänftigt waren, so fühlte sie sich im Moment doch wohl. Und sie war froh, dass Schneehafen zumindest zwei weitere Tage von ihnen entfernt lag.
Wer wusste schon, ob sich in dieser Zeit nicht ein Grund fand, die Reise ein kleines bisschen zu verlängern. Sie hätte kein Problem damit, ihre Rückkehr, um einige Nächte zu verschieben.
«Du solltest nun versuchen, etwas zu schlafen, Alaysha», sagte Esgurt wenig später. «Ich bin mir sicher, dass dieser starke Mann gerne Wache halten wird, während wir beide ruhen.»
Haldun zeigte seinen Protest durch ein verächtliches Schnauben. «Ich kann gerne die erste Wache übernehmen, aber um Mitternacht weck ich dich. Dann bist du dran. Notfalls werfe ich deine Stiefel ins Tal hinab, um dich aus den Decken zu bekommen.»
Alaysha verzichtete darauf, ihnen anzubieten, ebenfalls einige Stunden Wache zu halten. Sie hatte es zu Beginn der Reise mehrmals getan, doch sie hatten jedes Mal abgelehnt, oder sie nicht geweckt in den seltenen Fällen, in denen sie zugestimmt hatten. Daher murmelte sie nur «Ihr werdet euch schon einig werden ...», und suchte mit ihrem Kopf eine bequeme Position auf der Schulter von Esgurt.
Sie schloss ihre Augen und versuchte, trotz der Kälte und des Sturms zur Ruhe zu kommen. Nun, da sie etwas entspannter wurde, spürte sie die Erschöpfung deutlich und fragte sich, wie es ihr überhaupt gelungen war, sich auf dem Pferderücken zu halten.
Die Stimmen der beiden Männer, die sich unterhielten, waren weiterhin für einige Zeit gedämpft zu hören, aber es dauerte nicht lange, bis sie die Müdigkeit überkam und sie einschlief.
Cerra
Cerra hatte genug von Sokars Worten gehört. Sie schätzte den alten Mönch und genoss eine gelegentliche Unterhaltung mit ihm. Aber sein Glaube und sein Vertrauen in die Götter waren für sie oftmals nur schwer zu ertragen.
Selbstverständlich zollte sie ebenfalls den Drei ihren Respekt. Wie beinahe jeder, der gegen die Kreaturen der Dunkelheit kämpfte, opferte sie zu Beginn einer neuen Mondphase einen Tropfen ihres Blutes am Altar von Naemis, damit er sie nicht zu sich in die Unterwelt holte. Aber sie war eben realistisch. Die Götter planten kein Wunder, um den Verbliebenen einen Weg in die Freiheit zu zeigen. Oder gar die Eindringlinge zu besiegen. Könnten sie es, hätten sie kaum eine Mauer errichtet, um sich selbst vor ihnen zu schützen.
Die junge Frau schlenderte ziellos durch die Gänge des Klosters. Dabei wurde sie wütend auf den alten Mönch. Wütend darüber, dass er es sich so leicht machte. Wütend, dass er den größten Teil der Verantwortung in die Hände der Götter abgab. Aber ebenso störte sie, dass er einen Glauben hatte, auf den er sich in schweren Momenten stützte und dadurch Trost fand.
Cerra blieb stehen und schaute sich um. Sie bemerkte, dass sie seit einiger Zeit gedankenverloren umher gewandert war, ohne genau zu wissen, wo sie nun war. Zu ihrer Linken erblickte sie den Eingang zu einem unauffälligen Garten, in dem sie in ihrer Kindheit oft gesessen hatte. Da er etwas abseits lag, war er nur selten besucht, wodurch er ein ausgezeichnetes Versteck abgegeben hatte, wenn sie für sich und ihre Traurigkeit einen Rückzugsort benötigt hatte. Teilweise hatte sie dort drinnen mit den Vögeln geredet, die an dem kleinen Brunnen in der Mitte der Anlage gebadet oder getrunken hatten.
Mit zunehmendem Alter, und letztlich dem Beginn der Ausbildung bei den Dämonenjägern, hatte sie den Ort immer mehr gemieden. Er brachte Erinnerungen an ihre Schwäche von damals zurück. Und sie hasste es, an ihre Hilflosigkeit erinnert zu werden.
Cerra fragte sich, ob es einen Zusammenhang zwischen ihren Gedanken und der unbewusst gewählten Strecke gegeben hatte. Nachdenklich betrachtete sie den kleinen Garten aus der Ferne und überlegte, ihn zu betreten.
«Nun, ein Blick kann nicht schaden», sagte sie zu sich selbst und schlenderte möglichst beiläufig in Richtung des Gartens. Er sah genauso aus, wie in ihrer Erinnerung. Einige der großen Sträucher waren weiter gewachsen, und die Hecke um ihn herum erschien ihr etwas voller. Aber das lag womöglich an der Jahreszeit oder den ungenauen Bildern in ihrem Kopf.
Sie betrachtete den steinernen Brunnen in der Mitte der Anlage und lächelte unweigerlich. Wie früher spielte eine kleine Gruppe Vögel im Wasser, und plantschte vergnügt darin.
In Erinnerungen an ihre Kindheit verloren, beobachtete die junge Frau in der ledernen Rüstung schweigend das Spiel der Tiere. Unbewusst setzte sie sich in das leicht feuchte Gras, ohne die badende Geschöpfe dabei aus den Augen zu lassen. Es waren ebenfalls schöne Momente, die sie an diesem Ort gehabt hatte. Aber selbst nach all den Jahren war er noch immer ein Symbol für das, was ihr genommen worden war. Und ebenso der Ort, an dem sie sich geschworen hatte, zu kämpfen und ihre Familie zu rächen.
Cerra nahm eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr und drehte schnell den Kopf, ihre Hand am Heft des Schwertes. Ein Mann in der Kutte eines Priesters lag auf dem Boden und schien irgendwelche Kräuter oder andere Pflanzen, die dort nicht hingehörten, aus der Erde unter einigen Büschen zu zupfen. Ohne sich ihr zuzuwenden fing er an zu kichern. «Keine Sorge Cerry. Ich werde dich nicht zwingen, mit mir Unkraut zu jäten.»
Cerra runzelte bei den Worten und der Stimme des Priesters die Stirn. Cerry? Hatte er sie soeben Cerry genannt? Warum kam ihr das so bekannt vor? Und von einem Moment auf den anderen war die Erinnerung wider da. Ihre Hand ließ den Schwertgriff los und ein verwunderter, aber erfreuter Ausdruck wurde auf ihrem Gesicht sichtbar.
«Sisi?», fragte sie überrascht, nachdem der Name, den sie lange Zeit vergessen hatte, wieder einen Weg in ihr Gedächtnis gefunden hatte.
Der Priester fing an zu lachen und kroch mit einer Hand voll Kräuter aus dem Gebüsch. «Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals wieder so genannt werden würde von irgendjemanden», antwortete er beim Aufrichten, und trat näher auf sie zu. Dabei klopfte er sich die Erde von der Kutte. Lässig grinsend setzte er sich vor Cerra ins Gras und betrachtete sie. Er war schätzungsweise Mitte dreißig und hatte sanfte, freundliche Gesichtszüge. Unter der Robe war ein leichter Bauchansatz zu erkennen, aber sie hätte ihn niemals dick genannt. Nicht im Vergleich zu einigen der anderen Priester, die sie täglich sah.
«Nun, wie geht es dir Cerry. Ich habe ehrlich gesagt nicht erwartet, dich hier je wiederzusehen. Und ich muss auch gestehen, dass ich dich in dieser Aufmachung kaum erkannt hätte. Aber dein welliges, schwarzes Haar und die Art, wie du vor den Vögeln sitzt, hat dich dann am Ende doch verraten.»
Cerra war noch immer etwas irritiert, dass sie den Mann nicht schneller bemerkt hatte. Mit seinen Worten kamen die Erinnerungen wieder. Sisi hatte früher in diesem Garten gearbeitet und sie waren sich ab und zu begegnet. Er war ihr gegenüber stets freundlich aufgetreten, und sie hatte in ihm einen Zuhörer gefunden, sofern sie jemanden zum Reden benötigt hatte. Andererseits hatte er geschwiegen, wenn ihr nicht nach Sprechen zumute gewesen war. Damals hatte er sie immer Cerry genannt, und sie ihn im Gegenzug Sisi. An seinen richtigen Namen erinnerte sie sich nicht mehr. Nicht ausgeschlossen, dass er ihn ihr nie gesagt hatte.
«Nun ...», sprach sie leicht zögerlich. «Ich hätte auch nicht erwartet, dass ich heute hierher komme. Eigentlich bin ich nur zufällig hier, da ich früher wach war und etwas umher schlenderte.»
Sisi runzelte die Stirn bei ihrer Antwort und sah in den Himmel. Die Sonne war kurz davor unterzugehen, so dass ihre Aussage für ihn vermutlich leicht irritierend wirkte. Doch dann nickte er und schaute auf ihre Rüstung und das Emblem am Umhang.
«Die Dämonenjäger also. Ich kann mich daran erinnern, dass du früher häufiger davon gesprochen hast, ihnen beitreten zu wollen, um dich zu rächen. Ich hoffe, es ist der richtige Weg, den du gewählt hast.»
Cerras Antwort bestand aus einem knappen Nicken. Sie hat keine Lust, aktuell mit Sisi über ihre Entscheidung zu sprechen. Die junge Frau wusste, dass er zumindest damals die Wege der Dämonenjäger nicht gutgeheißen hatte. Trotz allem hatte er nie einen Versuch unternommen, es ihr auszureden. Allgemein hatte er, soweit sie sich erinnerte, niemals versucht, sie in eine Richtung zu drängen. Er hörte zu und sagte seine Meinung. Aber nie auf eine Art, die sie auf einen Weg gedrängt hätte.
Ihr fiel auf, dass Sisi sie anschaute, weshalb sie erneut nickte. «Ja, und ich hoffe, bald auf meine erste Mission zu gehen.»
Um das Thema zu wechseln, sprach sie jetzt weiter, bevor er etwas erwiderte. «Und wie ist es dir so ergangen, Sisi? Immer noch der Heilkräuter Sammler des Klostergartens?», fragte sie ihn mit einem schelmischen Grinsen.
Der Priester reagiert auf ihre Frage mit einem herzhaften Lachen. «Oh Cerry. Ich habe den Eindruck, du bekommst nicht viel von dem mit, was um dich herum geschieht. Beanspruchen die Dämonenjäger so viel von deiner Zeit?»
Etwas irritiert bezüglich seiner Antwort war es dieses Mal an ihr, die Stirn zu runzeln. Cerra hatte keine Ahnung, wovon er sprach, und so schaute sie sich möglichst schnell und unauffällig um, ob ihr irgendetwas auffiel, dass ihr einen Hinweis gab, was er meinte. Erst beim zweiten Hinsehen fiel ihr das goldene Emblem mit Kerze, Schale und Blume am Kragen seines roten Umhangs auf. Bei dessen Anblick bekam sie große Augen. Sie kannte nicht alle Ränge, die bei den Götterdienern vergeben wurden, aber dieses Symbol erkannte mit Sicherheit jeder.
«Du ... Ihr ... seid jetzt der Leiter des Klosters», sprach sie stotternd in einer Kombination aus Frage und Feststellung. Sie war ein wenig peinlich berührt, dass sie den obersten Diener der Götter innerhalb des Götterwalls und somit Oberhaupt über alle Priester und Mönche auf solch unangemessene Art angesprochen hatte.
Doch seine Reaktion bestand nur aus einem weiteren herzhaften Lachen. «Ja, das bin ich. Und zwar bereits seit über zwei Jahren. Aber bitte hör nicht auf damit, mich Sisi zu nennen. Es ist eine erfrischende Abwechslung zu diesem ständigen Vater Sisirion. Ich würde mich freuen, wen ich für dich Sisi bleiben würde, Cerry.»
Cerra war noch immer komplett aus der Fassung und kämpfte damit, diese wieder zu erlangen. Sie nickt zuerst, nur um direkt im Anschluss den Kopf zu schütteln. «Das ... wäre aber unangebracht ... Vater Sisirion. Ich möchte schließlich nicht unhöflich oder respektlos erscheinen.»
Den zweiten Satz fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu, noch immer überfordert mit der Situation. Die junge Frau versuchte, sich in Erinnerung zu rufen, was sie über die Hierarchie im Kloster in den letzten Jahren gelernt hatte. Jede Gruppierung innerhalb des Götterwalls hatte ihre mehr oder minder offizielle Rangordnung, und oftmals war es schwer, diese zu durchschauen. Bei den Rittern von Ridun war es beispielsweise bis in die untersten Hierarchieebenen geregelt. Die Mitglieder unter Waffe trugen ein für jedermann sichtbares Rangabzeichen und es war strengstens festgelegt, wer wann zur Gabe welcher Befehle befugt war.
Bei den Dämonenjägern war es ebenfalls recht simpel gelöst. Ein Trupp hatte einen Anführer, der die grobe Richtung vorgab, aber im Ernstfall war jeder selbst berechtigt, zu entscheiden. Blindes befolgen von Befehlen gab es nicht, denn eine neue Situation bedurfte oftmals einer angepassten Taktik.
Beim Kloster sah es anders aus. Alleine die Unterteilung in Mönche und Priester erschwerte es, eine Rangordnung zu erkennen. Außerdem sprachen alle im selben wertschätzenden Ton miteinander, unabhängig ob neuer Novize oder erfahrener Götterdiener. Aus diesem Grund hatte sie sich für seinen kurz zuvor genannten Titel entschieden. Und die Höflichkeitsform in der Anrede. Doch seiner Reaktion zufolge, die aus einem wortlosen Verdrehen der Augen bestand, war es eine schlechte Entscheidung gewesen.