Die doppelte Palme - Stefanie Wagner - E-Book

Die doppelte Palme E-Book

Stefanie Wagner

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Beschreibung

Deutschland, frühes Mittelalter: Die Magd Stefania trifft am Hofe von König Heinrich dem Löwen auf eine geheimnisvolle morgenländische Tänzerin. Die gemeinsame Liebe zum Tanz lässt die Frauen binnen kürzester Zeit zu Freundinnen werden und Stefania, beeindruckt von der orientalischen Art des Tanzes, beginnt, die weichen, schlangenhaften Bewegungen des Bauchtanzes von ihrer Freundin zu erlernen. Doch die fremdländische Schönheit muss schon bald zurück in ihre Heimat. Monate später trifft Stefania eine folgenreiche Entscheidung und begibt sich auf die Suche nach ihrer Freundin. Eine aufregende und erlebnisreiche Reise voller Abenteuer und Tanzerfahrungen beginnt, die Stefania quer durch den märchenhaften Orient führt. Sie durchquert Länder und Orte, erfährt vieles über die fremden Kulturen, erlebt die heiße und einsame Stille der Wüste einschließlich einer Fata Morgana - und immer wieder gerät sie in selbstverschuldete Schwierigkeiten, weil sie nicht in der Lage zu sein scheint, ihren Mund zu halten.

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Seitenzahl: 192

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Die

doppelte Palme

© Stefanie Wagner, 2017

StefStuf Productions, Weiterstadt

[email protected]

Umschlaggestaltung: StefStuf Productions

Danksagung

ICH

habe Euch alle auf eine harte Probe gestellt. Meine Ungeselligkeit, weil ich viel zu konzentriert geschrieben habe, statt mich an Unterhaltungen zu beteiligen; mein dauerndes Gerede über neue inhaltliche Ideen und den aktuellen Stand der Entwicklungen; meine Beratungsresistenz in Bezug auf Korrekturvorschläge; meine vielen Fragen und elend langen E-Mails an Verlag und Verleger; meine nervenaufreibenden, ständigen Hinweise auf das kommende Geburtstagsgeschenk... mit denen ich rund ein Jahr vorher schon begann.

IHR

habt alle Proben bestanden! Nur Euch allen ist es zu verdanken, dass dieses Buch seinen Weg in den ISBN-Dschungel und den Buchhandel gefunden hat und damit so unsterblich wird wie mein Dank an Euch.

Wenn meine Erstauflage erst einmal vergriffen ist und die nächste Auflage in Druck geht, lade ich Euch alle ein: zu einer Lesung aus meinen unveröffentlichten Werken mit anschließender großer und ausgelassener Party!

Sag, was will das Schicksal uns bereiten?Sag, wie band es uns so rein genau?Ach, du warst in abgelebten Zeitenmeine Schwester oder meine Frau.

Kanntest jeden Zug in meinem Wesen,spähtest, wie die reinste Nerve klingt,konntest mich mit einem Blicke lesen,den so schwer ein sterblich Aug' durchdringt;

(aus: Warum gabst du uns die tiefen Blicke,

Goethe, 1767)

Über die Autorin

Stefanie Wagner, Jahrgang 1968, liebt und lebt seit ihrem 30. Lebensjahr den orientalischen Tanz. Sie wohnt in der Nähe von Darmstadt, wo sie zusammen mit ihrer Freundin auch Bauchtanz unterrichtet.

Der felsenfesten Überzeugung, miteinander seit über 4000 Jahren gemeinsam durch alle Leben zu tanzen, hat die Autorin dieses Märchen für ihre Freundin geschrieben.

Dieses Buch ist bislang das einzige ihrer Werke, das verlegt wurde.

Auch erhältlich als Printbuch.

Einfach per E-Mail bestellen: [email protected]

Märchen für zwei Tänzerinnen

Leseempfehlung:

Mögest du an jedem Abend stets nur ein Kapitel lesen

und mit den Segenswünschen deinen Tag beenden.

Möge dir auf diese Weise der erlebte Tag verschönert werden und dich die bevorstehenden Träume auf eine wunderbare Reise schicken!

Bleibe der Erde stets verbunden und finde die Wurzeln des Lebens im Leben selbst.

In tiefster Verbundenheit,

Ich.

Die doppelte Palme

Märchen für zwei Tänzerinnen

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 0 Der Anfang

Kapitel 1Prolog

Kapitel 2Maylana

Kapitel 3Safar

Kapitel 4Najima

Kapitel 5Naharija

Kapitel 6Abadi

Kapitel 7Kubbat

Kapitel 8Baladi

Kapitel 9Raqs Sharqi

Kapitel 10Khaybat 'Amal

Kapitel 11Haris

Kapitel 12Hidshab

Kapitel 13As-Sarqiya

Kapitel 14 Tamanrasset

Kapitel 15Asiya

Kapitel 16 Nag Hammadi

Kapitel 17Shamadan

Kapitel 18Al-Tarab

Kapitel 19Das Ende

Kapitel 0Der Anfang

Ich.

Ich will Euch ein Märchen erzählen. Eine Geschichte. Sie handelt von zwei ungleichen Frauen, aufregenden Abenteuern und unzähligen Erfahrungen des Tanzes, der Freundschaft und der Verbundenheit von abend- und morgenländischen Völkern…

So höret denn meine Worte, auf dass sie Euch entführen mögen in ein Reich der Schönheit und unerwarteten Möglichkeiten. Mögen sie Euch das Leben lieben lehren und die Augen öffnen für Vergangenes und Zukünftiges. Möge Euch gewahr werden, dass das Leben – jedes Leben – stets nur ein Weg ist. Ein Weg, den es sich immer bis zum Ende zu gehen lohnt, denn jedes Ende ist fortwährend auch ein Anfang.

Möge die Liebe Euer Ziel sein – gestern, heute, morgen.

Kapitel 1Prolog

Irgendwann zur Zeit des Avicenna, im fernen, kalten, primitiven und rückschrittlichen Alemannien, lebte eine junge Frau am Hofe des aufstrebenden Welfenkönigs Heinrich dem Löwen. Sie war zwar keine Schönheit mit ihren aschgrau-dunkelblonden Haaren, ihrer auffällig großen Nase und auch ansonsten sehr durchschnittlichen Erscheinung, dennoch strahlte sie Anmut und Liebenswürdigkeit aus und war am Hofe und beim gemeinen Volk gern gesehen.

Sie war die Tochter einer in der Küche des Schlosses tätigen Magd und man munkelte, dass diese Magd ein Liebling des Königs war. Dieser verbotenen Verbindung soll nun eben jene junge Frau entsprungen sein, deren Mutter ihr den Namen Gerlinde-Stefania gab. Die junge Frau selbst jedoch mochte den ihr gegebenen Namen nicht und nannte sich selbst fortan Stefania.

Stefania genoss nicht mehr Vorzüge am Hofe als jede andere Bedienstete, auch war ihr Leben ebenso arbeitsreich wie bescheiden. Der Zufall wollte es jedoch, dass sie als Kind im gleichen Alter war wie der jüngste Sohn des Königs, Johann, und dass diese beiden Kinder die einzigen ihres Alters im Schlosse waren. Der König entschied daher, dem Sohn Unterhaltung zu bieten und erlaubte dem Mädchen, am Unterricht und der Erziehung des Sohnes teilzunehmen und dem Sohn so nicht nur einen Spielgefährten zur Seite zu stellen, sondern auch die Unterstützung eines Gleichaltrigen bei den harten Stunden des Lernens zur Seite zu bieten. Auf diese Weise entbot er der Mutter Stefanias gleichsam die Ehre, die er ihr offiziell ob ihres Standes nicht zu geben vermochte.

Und daher lernte das Mädchen nicht nur die spanische Sprache, sondern erhielt auch eine umfassende Grundlage hinsichtlich Umgang, Benimmregeln und gutem Ton am Hofe. Während allerdings des Königs Spross die Kampfeskunst erlernte, wurde dem Mädchen die Kunst des Tanzes beigebracht.

Die Tänze des Abendlandes, so vielschichtig wie das Leben, wohl einzigartig in ihrem Umfang, dieser Ausdruck und die Leidenschaft, eine Verbindung mit anderen Tanzenden zu wollen und zu schaffen – all dies vermochte Stefania zu einer ungeahnten Freude verhelfen. Sie liebte es, sich dem Takt eines Tanzes zu ergeben, bewegte sich im Flusse der Melodien und genoss die Art, sich mit den Tänzern und den Menschen um sich herum in eine Vereinigung Aller als eine Familie von Gleichgesinnten zu begeben.

Wenn die Musiker zu spielen begannen und sich die Paare zum Tanz aufstellten, dann war ihr, als würde sie zum Leben erwachen. Sie beobachtete ihre Tanzpartner, bewegte sich im Rhythmus der Musik auf sie zu, umkreiste sie – so wie es jeder im Saale tat – und lebte in dieser Musik. Sie erfreute sich am Wechsel der Tanzpartner, ging erneut auf diese ein, lebte und lachte und genoss das Leben in diesen Momenten. Sie vergaß die Welt um sich herum, ganz umgeben von der Musik und dem Tanz, und war so vereinnahmt von Takt und Melodie, dass sie zeitweise sogar vergaß, mit einem Partner zu tanzen.

Noch konnte sie nicht ahnen, dass es mehr, bewegendere und vielschichtigere Tänze gab als die des Nordens, mit ihren Gruppentänzen, den Kreisformen, der Gasse – die sie besonders liebte -, mit ständigen Partnerwechseln, Paartänzen und all ihren Mischformen.

Das Leben am Hofe erwies sich für Stefania jedoch schnell als goldener Käfig. Die Liebe zur Freiheit und der Wunsch nach eigener Entscheidung führten sie immer weiter in das Reich der Tänze ein. Hier konnte sie vergessen, dass sie als Tochter einer Magd niemals frei von Entscheidungen anderer über ihr Leben sein würde. Da der Tanz allerdings eine brotlose Kunst war, musste sie für ihren Lebensunterhalt und die Krankenversorgung ihrer alten Mutter stets viel arbeiten. Dies tat sie wie seinerzeit schon ihre Mutter, am Hofe, denn die Gunst des Königs und seines Sohnes waren ihr stets gewiss. So kam es denn, dass sie die Freude ihres Lebens durch die Arbeit als Magd - und hin und wieder auch als Bedienstete bei der Bewirtung hochrangiger und namhafter Gäste - bestreiten konnte. Sie führte als junge Frau ein zufriedenes und ausgeglichenes Leben. Trotz ihrer Armut konnte sie von einem erfüllten Dasein sprechen: der Tanz gab ihr die Kraft!

Und dennoch sehnte sie sich nach Herausforderungen, neuen Bewegungen und neuer Musik. Sie fühlte sich unwohl, unvollständig: waren diese Wünsche etwa Anzeichen einer Tollheit, wurde sie verrückt? Gab es überhaupt andere Tänze, andere Musik und andere Welten? Sie plagte sich mit diesen Fragen Nacht für Nacht. Am Tage jedoch lebte sie ihre Tänze, genoss den Zuspruch ihrer Freunde und die Höflichkeiten, die ihr trotz ihres Standes auch von Adeligen zuteilwurden.

Sie litt bereits seit einiger Zeit unter den nächtlichen, quälenden Fragen, den vergeblichen Hoffnungen und Wünschen, als ihr vom König höchstselbst die Anfrage angetragen wurde, ob sie abkömmlich sei für eine Woche, in der der König Gastgeber werden würde für Herren des Morgenlandes! Welche Gedanken, welche Hoffnungen und welch Aufregung erfuhr Stefania da: es gab so viele Mythen um die Höfe der orientalischen Könige und Herren, die man Kalifen, Scheichs und Emire nannte und deren Geschichten sie aus ihren Büchern kannte: man sprach von Harem und Raubzügen, von unglaublichen Kenntnissen der ärztlichen Kunst, von prachtvollen Gebäuden, von Speisen, Getränken und Gerüchen, die kein ihr bekannter Mensch vorher erlebt hat. Oh, was sagte sie zu mit Freuden.

War dies doch ein Abenteuer, wie es eine Frau aus Deutschland wohl nur selten erleben konnte oder durfte.

Kapitel 2Maylana

Die Tage und Wochen vergingen wie im Fluge: Stefania erkundigte sich an allen Ecken nach Benimm- und Kleidungsregeln, lernte ein paar arabische Worte der Höflichkeit und nähte sich ein Kleid, welches dem Hörensagen nach der Kleidung einer arabischen Hofdame entsprach. Sie fragte die Lehrer aus, befasste sich ein wenig mit der Geschichte des Orients und versuchte, sich die arabischen Länder näherzubringen. So erfuhr sie auch von dem von Mauren immer wieder besetzten Spanien und davon, dass an den großen Höfen Arabiens viele hohe Herren der spanischen Sprache – zumindest in Teilen - mächtig seien. Es erleichterte Stefania, dass wohl doch ein wenig Konversation möglich sein könnte.

Schon war die Zeit des Wartens vergangen. Stefania kleidete sich in ihr selbstgenähtes Gewand und begab sich zum Hofe des Königs, wie es der Absprache gemäß war.

Sprachlos vor Erstaunen war sie, als sie schon von Weitem die Musik hörte und die Tänzerinnen sah: Klänge, die so noch nicht vernommen, Instrumente, die so zuvor noch nicht gesehen und Tänzerinnen, die mit ihrer dunklen Haut, ihren dunklen Haaren und nahezu schwarzen Augen nie zuvor in diesem Teil des Landes gesichtet wurden. Kehlige Laute und Trommeln, drängend und fremd, füllten den Saal.

Und dann die Tänze: Welch Anmut und Geschmeidigkeit, welch feine Bewegungen konnten die Tänzerinnen vollführen. Voller Weichheit, Ehrlichkeit und Reinheit drehten und wendeten sie Arme, Hüften und Oberkörper, die wie losgelöst vom Rest des Körpers sich zu bewegen schienen, während gleichzeitig Beine und Füße sich - so hatte es den Anschein – eigenständig zum Takt der Musik bewegten. Und obgleich auch diese Tänzerinnen wie hierzulande in Gruppen tanzten, waren ihre Tänze in weiter nichts vergleichbar mit denen, die Stefania kannte. „Wie nur“, fragte sie sich, „wie kann ein Mensch diese Bewegungen vollführen? Ist es nicht Gott, der den Tänzerinnen seine Gunst erweist und solch harmonische Tänze für gut befindet? Gibt es denn solch einen Gott auch für den Orient? Ja, es muss wohl so sein“. Sie war sich dessen gewiss.

Und dann die Kleidung: zu jedem neuen Musikstück erschienen die Tänzerinnen in unterschiedlicher Bekleidung: lange, eng anliegende Kleider, die glitzerten und an denen Perlenschnüre herabhingen, die Arme unbedeckt; dann wieder bauchfrei, geradezu hüllenlos, vom Oberkörper nur die Brust bedeckt. Dazu ein langer weiter Rock, der aus mehreren übereinander liegenden Schichten von Stoff genäht war und beim Drehen wunderbar aufschwang. Um die Hüfte gewickelte Tücher, an denen gleichfalls Perlenschnüre und Münzen befestigt waren, welche schwangen und klimperten, während sich die Tänzerinnen zur Musik bewegten. Oh, das war eine Augenweide. Stefania war hypnotisiert vom Anblick all der Farben, Formen und Bewegungen, dem Klang und Takt der fremden Musik…

…und dann sah sie sie: die Eine, die aus der Menge hervortrat und ganz alleine zu einer neu beginnenden Melodie zu tanzen begann, während sich alle anderen Tänzerinnen langsam zurückzogen... Ach, welch Wonne für die Augen – welch eine Wohltat für das Ohr und was für eine Erfüllung der Träume der Seele! Dieses wunderschöne, dunkelhaarige Wesen voller Anmut und Eleganz, voller Bewegung, Leben und Selbstsicherheit. Da waren weiche, schlangenhafte Bewegungen des Körpers, die zur Melodie getanzt wurden und gleichzeitig härtere, rhythmische Bewegungen der Füße, die sich zum Takt der Musik bewegten. Ihr Körper schien losgelöst von den Kräften der Erde und des Himmels - es schien, als sei nur sie und sonst nichts mehr von der Welt.

Ich.

Da wusste ich: diese Eine ist es, sie musste es sein, auf die ich wohl ein Leben lang gewartet hatte. Die Freundin und die Schwester, die ich nie hatte. Ich wusste, ich musste diese Frau davon überzeugen, mir das Tanzen beizubringen. Diesen Tanz, neu und anders; der Tanz, der die Frau selbst verkörpert und der durch die Frau erst zum Tanz wird.

Und dann trafen sich die Blicke - pur und ehrlich, tief und seelenverwandt, einzigartig und doch: bekannt, erwartet, erhofft. Nicht mehr nötig waren Worte, Erklärungen und Namen; nicht notwendig waren Sprachen, Schrift noch Äußerungen. Wir sahen uns in die Augen und wussten: Du bist die Freundin, die ich immer suchte. Du bist die Eine, die ich zum Leben brauche, weil du schon immer bei mir warst und für alle Zeiten, in allen Leben, meine Schwester sein wirst.

Von diesem Moment an gab es für mich nur noch eines: den wundersam anmutigen Tanz des Morgenlandes zusammen mit meiner Seelenschwester zu erlernen, zu tanzen und zu leben.

Wir begannen noch am selben Abend, ohne viele Worte aber mit viel Spaß und Freude, gemeinsam zu tanzen. Wir lachten viel, verstanden uns - und aufgrund der wenigen Worte, die jede von uns in der Sprache der anderen beherrschte, und dank ein paar Bröckchen Spanisch lernten wir schon in kurzer Zeit ein wenig mehr der Anderen Sprache.

Mayjidah – so war der Name der dunkelhaarigen orientalischen Schönheit mit dem Glanz und dem Feuer in den funkensprühenden Augen – war mir eine gute Lehrerin, denn es war nicht einfach, die Teile des Körpers nahezu unabhängig voneinander zu bewegen. Mayjidah nannte dieses Kombinieren von unterschiedlichen, gleichzeitig getanzten Bewegungen „Trennung“.

Ihre Hände formten Blumen, während die Arme sich zur Seite oder nach oben bewegten. Und als sei dies noch nicht genug, wurde die Hüfte kreisend bewegt und die Füße nahmen den Takt der Musik auf! Schwierig, ungewohnt, ja geradezu unmöglich erschien es mir, diese Kombinationen verschiedener, gleichzeitiger Bewegungen zu erlernen. Doch Mayjidah versicherte mir, dass ich schnell verstehen würde und wenn ich diese Übungen oftmals wiederholte, könnte ich sehr bald schon diese Art des Tanzes in seinen Grundlagen beherrschen.

Sie zeigte mir, auf welch vielfältige Art die Hüfte sich bewegen ließ: kreisend, im Takt zu den Seiten wippend, sogar hoch und runter wusste Mayjidah mich zu lehren. Sie erklärte mir die Bewegungen der Arme und welch Posen die Hände einzunehmen wussten, zeigte mir Schritte, die die Hüfte erzittern und die Münzen am Hüfttuch erklingen ließen. Sie erklärte mir, dass dieses „Zittern“ Shimmy genannt würde und dass dies das wahre Können einer Tänzerin zeige.

So lernte ich ein wenig des orientalischen Tanzes, während ich ihr die Schritte unserer Tänze beibrachte, die Formen und Wechsel der Tanzpartner erläuterte und mich an ihrem Interesse erfreute. Wir hatten gespaßt und geträumt, uns vorgestellt, wie es wäre, gemeinsam tanzend durch die Welt und die Länder zu ziehen – so, wie sie es mit ihrer Gruppe in ihrem Land zu tun pflegte. Und wir überlegten, wie wir uns gemeinsam dann nennen würden.

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nichts von arabischen Namen: weder von der Bedeutung des Namens der wunderschönen Tänzerin, noch von der meines eigenen, deutschen Namens. Aber sie erklärte mir schon bald, dass jeder muselmanische Name eine Bedeutung habe und dass Mayjidah „Stolze Frau“ bedeute – oh, wie passend war ihr Name, denn sie tanzte wahrlich stolz und erhaben. Dann fragte sie nach meinem, von dem ich annahm, er habe keinerlei Bedeutung. Doch konnte sie schon bald aus dem deutschen Namen Gerlinde meinen wahren Namen ableiten. „Liebste Freundin“, sprach sie, „ich weiß nun, welche Bedeutung Euer Name hat. Euer arabischer Name lautet Ilanah! Baum! Denn Ihr seid fest verwurzelt mit der Erde, Ihr spürt sie und lebt nach dem Wesen der Natur. Ihr seid das Leben selbst“. Und dann gab sie mir einen Kuss auf die Stirn.

- Welch sonderbare Geste!

Ilanah! Dies also war mein Name und ich trug ihn schon seit Anbeginn der Zeiten, in allen Leben und allen Sprachen, ebenso wie ich Mayjidah schon seit ewigen Leben kannte. Und dann fanden wir einen Namen für unser Traumleben als gemeinsam durch die Welt ziehende Tänzerinnen: Maylana – der Zusammenschluss von Mayjidah und Ilanah.

So haben wir nun auch in diesem Leben einander wiedergefunden!

Jede freie Minute verbrachten wir zwei zusammen – sicher, es war nicht viel Freizeit, die ich, Ilanah (so nannte Mayjidah mich fortan und ich begann schon bald, mich selbst ebenso zu nennen), aufbringen konnte, dennoch senkte allein der Gedanke an die abendlichen Treffen den arbeitsreichen Tag auf ein erträgliches Maß.

An einem der ersten Tage fragte Mayjidah mich: „Sagt mir, Ilanah, warum Ihr so schnell zu lernen versteht. Ich habe schon so manche Frau gesehen, die zu lernen wünschte, wie ich tanze. Doch nie fand ich eine verständigere Frau als Euch“.

„Vielleicht liegt es daran“, antwortete ich, „dass ich mich schon von klein auf dem Tanze, den Klängen der Musik sowie farbenprächtigen Kostümen hingezogen fühle. Und schon seit langem widme ich mich dem Tanz mit Hingabe und Begeisterung. Besonders anziehend finde ich dabei seine Vielfältigkeit. Ich liebe es aber auch, auszuprobierenund fantasievolle Geschichten zu erdenken“.

Mayjidah lachte und sprach: „Dann sind wir wohl wahrlich nicht weit voneinander entfernt, denn auch mich fasziniert die Fülle der verschiedenen Tanzarten und auch ich fühle mich zu Euren Reigen hingezogen. Allerdings finde ich die alemannischen Volkstänze nicht so aufregend wie die unseren. Die Euren erscheinen steif und wenig abwechslungsreich, wohingegen die orientalischen Tänze Bewegungen zulassen, bei denen sich eine Frau fühlt wie eine Göttin“. Ihr Blick ging in die Ferne, als sie weitersprach: „Die Bauchwelle, die durch den Körper rollt, als hätte man keine Wirbelsäule. Arme, die sich wie Lianen im Wasser schlängeln und Hüften, die ausschlagen wie der Pendel einer Uhr. Es gibt so vieles, liebste Ilanah, was Ihr bei uns lernen könntet und ich weiß mit Sicherheit zu sagen, dass es Euch gefallen würde“.

Und noch an diesem Tag ergaben wir uns, tief verbunden in der Liebe zum Tanz, der vertraulichen, freundschaftlichen Anrede, dem „Du“.

Welche Abenteuer sie erleben? Ob sie auch in diesem Leben auf alte Freunde oder Feinde treffen? Ob das Wort Feind überhaupt zutreffend ist? Ob Liebe und Hass dicht beieinander liegen? Ob Maylana auch heute noch tanzt?

Was immer deine Frage ist: heute Nacht musst du ohne Antwort schlafen! Doch richte deine Fragen gen Mekka und verschenke ein paar Tropfen deines nächsten Glases Perlwein an die Götter über, neben und unter dir, sage dank den Freundinnen, die du hast und ehrlich liebst und dann wirst du bald den Rest der Geschichte hören dürfen!

Möge Allah mit dir sein, dir schöne Träume und ein langes Leben bescheren. Mögest du immer wissen, wer Freund und wer Feind ist und mögest du auch weiterhin die Sonne im Leben von Ilanah sein.

Es grüßt mit tausend und einem Kuss

die Andere

Kapitel 3Safar

Während dieser gemeinsamen Zeit brachte Mayjidah Ilanah das Geheimnis bei, wie sich Teile des Körpers unabhängig von anderen Teilen und zum Teil sogar vollkommen gegensätzlich bewegen ließen. Sie zeigte ihr, wie sie sich wie eine Schlange bewegen konnte: Die Arme allein bewegten sich schließlich, dass es den Anschein hatte, Ilanah habe eine Schlange um die Arme gewickelt. Auch der gesamte Körper ließ sich so bewegen, als sei Ilanah selbst eine Schlange von unermesslicher Größe, die sich, hoch aufgerichtet, zur Melodie eines Liedes wiegt.

Sie lernte Handbewegungen, die aufblühenden Blumen ähnelten, konnte schließlich sogar kleine Wellen allein mit den Händen nachahmen und lachte schließlich herzlich, als Mayjidah ihr vorführte, wie ein Kamel laufe. Ein Kamel - dieses Tier kannte sie aus einem bebilderten Buch: ein großes Pferd mit hellem Fell und zwei riesigen Buckeln mitten auf dem Rücken. Wie gern würde sie einmal ein solches Tier erleben und prüfen, ob Mayjidah sich hier nicht nur einen großen Spaß mit ihr erlaubte.

Letztlich brachte Mayjidah ihr Bewegungen für einen vollständigen Tanz bei. „Wir nennen diese feste Folge von Schritten Choreografie. Es ist wie bei euren Tänzen: der Sinn darin ist, dass alle Frauen gemeinsam denselben Tanz gleichzeitig vorführen können. Denn eigentlich tanzt bei uns jede Frau für sich selbst, bringt sich selbst in der Musik zum Ausdruck. Und da keine Frau der anderen gleicht, bewegt sich auch jede unterschiedlich“ erklärte Mayjidah - und schenkte Ilanah ein großes, fast durchsichtiges Tuch, welches von nahezu unzähligen Grüntönen durchsetzt war. Mayjidah nannte es Schleier – obgleich für Ilanah ein Schleier etwas gänzlich anderes war - und erklärte: „Ich habe diesen Schleier sehr sorgsam und nur für dich ausgesucht. Er soll dich immer an mich erinnern, denn wir müssen bald schon wieder abreisen“.

Nur über die Benutzung dieses Tuches, darüber erzählte Mayjidah nichts und so ging Ilanah davon aus, dass es ein Tuch wie jedes andere war – nur um ein Vielfaches schöner -, geschaffen, sich die Schultern warm zu halten, sich zu schmücken und auch mal Haupt und Gesicht bedecken zu können, wenn es gar zu stark regnen sollte. Erst sehr viel später sollte sie an diesem Tuch noch ihre wahre Freude haben…

Auch die Musiker des Scheichs, mit denen Mayjidah umherzog, waren von der Lernfähigkeit und der Freude Ilanahs am Tanz begeistert, so dass sie sich ihretwegen mit den Hofmusikern des Königs zusammensetzten und die Musik zum erlernten Tanz in Noten niederschrieben. In diesen Stunden war viel Gelächter aus dem Raum zu hören, in dem sich die Männer unterschiedlichen Glaubens und vollkommen andersartiger Lebensweisen trafen - die lediglich die gemeinsame Freude an Melodie, Klang und Takt verband – und die Verehrung für die Leidenschaft Ilanahs. Oft ging es dort so hoch her, dass die Wachen des Königs versucht waren einzuschreiten und dem vermeintlichen Scharmützel ein Ende zu setzen. Doch letztlich war es offenkundig reine, schiere Freude, die zu lauten Worten führte, und ein Durchgreifen wurde zu keiner Zeit erforderlich.

Dann aber kam der Tag des Abschieds. Mayjidah musste fort. Fort aus Deutschland, zurück in das Morgenland, aus dem sie kam. Fort von Ilanah. Fort nun bald auch all die Freude, die Hoffnung und die Träume. Mayjidah schloss Ilanah mit feuchten Augen in die Arme und sprach: „Unser Wort für Reise heißt „Safar“. Und ich sehe, dass Allah eben dieses für dich plant. Auch wenn mir das Herz schwer wird, dich verlassen zu müssen: wir sehen uns wieder. Denn dein Schicksal lautet Safar, meine Liebe!“

Und dann stand Ilanah, tapfer gegen Tränen, Trauer und zu erwartender Einsamkeit ankämpfend und dagegen, dass man ihr die Traurigkeit ansah, an der Schlossmauer und winkte noch lange der Kutsche hinterher, mit der Mayjidah zurück zum Schiff und damit in ihre Heimat fortfuhr. Erst als die Kutsche schon lange außer Sicht war, konnte Ilanah sich lösen und zu ihrer Wohnung und der kranken Mutter zurückkehren….

Ich.

Am ersten Morgen nach Mayjidahs Abreise und einer durchwachten, tränenreichen Nacht fand ich beim Anziehen in meiner Kittelschürze ein Stück Papier. Ich stutzte: wann und wer sollte es mir gegeben haben? Sollte ich einen Auftrag der königlichen Köchin übersehen haben? Als ich jedoch das Papier entfaltete, kamen die Notenblätter der erlernten Choreografie zum Vorschein, geschrieben von einer Handvoll Männer, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, die kein einziges Wort miteinander auszutauschen in der Lage waren, und doch eine gemeinsame Sprache kannten - die Musik.