Die drei !!!, Ach, wie gut, dass niemand weiß ... (drei Ausrufezeichen) - - - E-Book

Die drei !!!, Ach, wie gut, dass niemand weiß ... (drei Ausrufezeichen) E-Book

乔治 德 马尔蒂诺

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Beschreibung

Kim, Franzi und Marie sind "Die drei !!!". Mutig und clever ermitteln die drei Detektivinnen und sind jedem Fall gewachsen. In dieser märchenhaft nostalgischen Schmuckausgabel lösen die drei !!! fünf knifflige Fälle, die jeweils ein bekanntes Märchenmotiv aufgreifen: Rapunzel, Rotkäppchen, Hänsel und Gretel, Der Froschkönig und Die Bremer Stadtmusikanten. Keine Frage: Auch in diesen spannenden Abenteuern sind die Freundinnen einfach sagenhaft gut. Autorinnen des Buches: Jule Ambach, Kari Erlhoff , Ann-Katrin Heger, Anne Scheller, und Kirsten Vogel.

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Seitenzahl: 192

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Ach, wie gut, dass niemand weiß …

Erzählt von Anne Scheller, Ann-Katrin Heger, Jule Ambach, Kari Erlhoff und Kirsten Vogel

Mit Illustrationen von Andrea Jansen und Ina Biber

KOSMOS

Covergestaltung: Nakischa Scheibe unter Verwendung von Illustrationen von Ina Biber (Gilching) und Silhouetten von shutterstock/KENG MERRY paper art (Bäume); shutterstock/Ann Baker (Pilze); shutterstock/Norbert9 (Hänsel & Gretel); shutterstock/KatarinaF (Frosch); creativmarket/Nicky Laatz (Vogel 1, Vogel 2); Freepik.com (Hexe, Wolf) und Vecteezy.com (Eule, Reh, Igel)

Innenillustrationen: Andrea Jansen

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele

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Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2021, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,

Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-440-50364-5

Layout: Nakischa Scheibe

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Marie schlug die Augen auf. Warmer Wind streifte ihr Gesicht und verwehte die Reste ihres Traums.

»Wir sind gleich da.« Helmut Grevenbroich hatte das Autofenster geöffnet. Er steuerte den Wagen durch eine Landschaft aus Wiesen und Seen.

»Na, ausgeschlafen?«, fragte Franzi, die neben ihr saß.

»Fast«, murmelte Marie.

»Schaut mal aus dem Fenster!«, sagte Maries Vater. »Gleich müsste man das Schloss sehen können.« Er bog auf eine Kopfsteinpflaster-Straße ein und fuhr über die Kuppe eines Hügels. Marie blickte zwischen den Vordersitzen hindurch auf ihr Reiseziel. Das kleine Schloss stand auf einer Anhöhe aus frisch gemähtem grünen Rasen. Mit seinem alten Gemäuer wirkte es beinahe wie eine Burg. Ringsherum war das Schloss von einem breiten Wassergraben umgeben. Als Marie zwei Minuten später ausstieg und sich streckte, roch sie den herrlichen Frühsommerduft, der hier so viel intensiver war als in der Stadt. Doch da lag auch noch etwas anderes in der Luft – ein Hauch von kaltem Moder. Irgendwo ganz in der Nähe bellte ein Hund, dann ein zweiter. Er klang nicht gerade vertrauenerweckend.

»Willkommen auf Schloss Unkenburg!« Ein blonder Mann kam ihnen mit ausladenden Schritten entgegen. Er wurde von zwei riesigen Irischen Wolfshunden begleitet.

»Heinrich!«, rief Maries Vater erfreut. Der eine Hund hob den Kopf und der andere machte einen Schritt vor. Doch der Mann gebot den riesigen Tieren, sich ruhig zu verhalten.

»Schön, dass du es tatsächlich geschafft hast.« Der Mann schüttelte Herrn Grevenbroich herzlich die Hand. »Ich wusste doch, dass ich dich mit den Theaterfestspielen am Schwanensee locken kann.«

»Wir freuen uns schon alle darauf«, sagte Marie.

Ihr Vater hatte die Karten für das Festival schon vor Monaten gekauft und seinen alten Freund Heinrich Freiherr von Unkenburg gefragt, ob sie während der Vorstellungen bei ihm im Schloss wohnen durften. Schließlich lag die Unkenburg nur wenige Kilometer vom Theatergelände entfernt. Da der Rest der Familie Grevenbroich keine Zeit hatte, waren Maries Freundinnen Kim und Franzi als Verstärkung mitgekommen. Herr Grevenbroich stellte die Mädchen nun der Reihe nach vor.

Der Mann gab ihnen die Hand. Bei Marie blieb er staunend stehen. »Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du eine Erstklässlerin mit Zahnlücken und Einhorn-Haarreifen.«

»Es ist ja auch schon ein paar Jahre her«, sagte Marie.

Der Freiherr hatte sich dieser Zeit allerdings kaum verändert. Mit federnden Schritten führte er die Gäste über die Zugbrücke zum Schloss – gefolgt von den riesigen Wolfshunden.

»Das Schloss muss schon sehr alt sein«, sagte Kim, als sie das Eingangstor erreichten.

Herr von Unkenburg nickte. »Es stammt aus dem späten 15. Jahrhundert und wir entdecken immer wieder neue Geheimnisse.«

Bei diesem Wort horchte Kim auf. »Was für Geheimnisse denn?«

»Vor zwei Wochen hat ein Restaurator bei uns im Schloss einen rätselhaften Text entdeckt. Eine Inschrift, die unter einer Farbschicht auf der Rückseite eines Gemäldes versteckt war.«

»Darüber würde ich gerne mehr erfahren«, sagte Kim.

»Wenn du magst, kann ich gern gleich beim Essen die ganze Geschichte erzählen«, bot der Schlossherr an.

»Die Mädchen interessieren sich bestimmt auch für den geheimen Schacht«, sagte Herr Grevenbroich. Er wandte sich an die drei !!!. »Letztes Jahr wurde durch die lange Trockenheit ein Gang in einem Brunnen sichtbar.«

»Das stimmt.« Herr von Unkenburg blieb in der Eingangshalle stehen. »Es scheint sich um einen alten Fluchttunnel zu handeln. Leider ist er nach ein paar Metern nicht mehr zugänglich.«

»Schade!«, meinte Franzi. »Dann kann man den Gang wohl nicht erkunden.«

»Bewahre!« Eine junge Frau in einem marineblauen Kleid stöckelte ihnen entgegen. Ihre blonden Haare waren perfekt frisiert.

»Daphne«, sagte Herr von Unkenburg mit einem strahlenden Lächeln. »Darf ich dir meinen alten Freund Helmut vorstellen?«

»Daphne Sorcière«, sagte die elegante Frau und hielt Herrn Grevenbroich die Hand hin. Es sah so aus, als würde sie einen Handkuss erwarten. Herr Grevenbroich zog es jedoch vor, die Hand zu schütteln. »Heinrich hat mir schon viel von Ihnen erzählt. Wie ich hörte, wollen Sie im Spätsommer heiraten.«

»Ganz recht.« Die Frau lächelte kurz. Dann musterte sie die Mädchen. »Und ihr seid … äh …«

»Marie, Franzi und Kim«, sagte Marie schnell.

»Aha«, machte Daphne Sorcière uninteressiert. Die junge Frau war Marie nicht gerade sympathisch, aber Herr von Unkenburg sah seine Verlobte geradezu verzaubert an. Strahlend drückte er auf den Knopf neben einem Fahrstuhl. »Etwas zu modern, aber dafür praktisch. Meine Mutter wohnt nämlich bei uns. Sie ist nicht mehr gut zu Fuß und könnte unmöglich all die Treppenstufen bewältigen.«

Kim räusperte sich. »Dürfte ich vielleicht die Treppe nehmen? Ich bin ja noch ziemlich gut zu Fuß und ich … mag keine engen Räume.«

»Genau wie Daphne«, rief der Schlossherr. »Sie wird dich auf dem Weg nach oben begleiten.«

Eine halbe Stunde später saßen sie an einem großen Tisch in einem Saal. Warme Frühsommerluft wehte durch die großen Fenster herein und trug das Quaken von Fröschen bis zu ihnen herauf. Außer Herrn von Unkenburg und seiner Verlobten war nun auch die Mutter des Schlossherrn anwesend: Victoria, Freifrau von Unkenburg. Obwohl sie einen Stock zum Gehen benötigte, hielt sie sich kerzengerade. Sie begrüßte ihre Gäste freundlich und tauschte ein paar nette Worte mit allen aus. Als das Gespräch jedoch während der Vorspeise auf das Gemälde und die rätselhafte Inschrift kam, verfinsterte sich ihre Mine. »Salientia Anura von Unkenburg spukt seit fast zweihundert Jahren in diesem Haus, aber seit ihr Porträt von der Wand genommen wurde, ist ihr Geist unruhig geworden.«

Daphne gab einen genervten Laut von sich. Herr von Unkenburg legte seiner Mutter eine Hand auf den Arm. »Mutti, es gibt keine Geister.«

»Und wieso leuchtet es dann nachts in ihrem geliebten Brunnen?«, fragte die alte Dame energisch.

»Daphne und ich haben nichts gesehen.«

»Natürlich nicht. Ihr schlaft im Nordflügel. Da bekommt ihr nicht mit, was sich im Garten abspielt. Außerdem war es spät, sehr spät – in den klammen Stunden der Nacht.«

»Es war bestimmt nur ein Traum«, sagte Herr von Unkenburg beruhigend.

»Es war kein Traum«, gab die alte Dame zurück. »Ich sah aus dem Turmzimmer und der Brunnen hat geleuchtet. Und einmal wanderte eine Nebelgestalt mit einer Laterne zum wilden Garten. Doch ehe ich genau hinschauen konnte, war die Gestalt im Nebel der Wiesen verschwunden.«

»Das könnte ein Einbrecher gewesen sein«, sagte Daphne – nun auch angespannt.

»Wie kommst du darauf?«, fragte Herr von Unkenburg erstaunt.

»Die Haushälterin hat mir heute gebeichtet, dass Lebensmittel aus der Speisekammer fehlen«, sagte Daphne.

»Wir haben hier keine Diebe«, sagte die alte Dame energisch. »Es ist der rastlose Geist von Salientia. Sie weint mit den Fröschen.«

»Die Viecher weinen nicht, sie gehen einem mit ihrem Gequake auf den Geist«, korrigierte Daphne.

Herr von Unkenburg schüttelte den Kopf. »Ich glaube weder an Geister noch an Diebe, die in unsere Speisekammer einbrechen. Die Hunde hätten angeschlagen. Sie sind sehr wachsam.«

»Eckbert glaubt auch an Salientias Geist«, sagte die alte Freifrau nun beinahe störrisch. »Er behauptet, dass der Nachtwind ihr Klagelied bis zu seinem Zimmer hinaufweht.«

»Wer ist Eckbert?«, wollte Kim wissen.

»Das ist unser Butler«, sagte Herr von Unkenburg. »Er scheint in letzter Zeit etwas abergläubisch zu sein. Aber unsere Haushälterin redet ihm gut zu. Nicht, dass er am Ende noch kündigt.«

»Oft stecken hinter seltsamen Vorkommnissen ganz normale Erklärungen«, sagte Kim. »Manchmal auch Anzeichen für ein Verbrechen.«

»Vielleicht können wir helfen«, bot nun Franzi an.

»Wir arbeiten erfolgreich als Detektivinnen.« Kim griff in ihre Hosentasche und zückte die Visitenkarte der drei !!!. Gerade wollte sie die Karte überreichen, als ein Windstoß durch den Raum fegte. Irgendwo im Schloss knallte geräuschvoll eine Tür zu. Die Glasprismen an den Leuchtern klirrten und das weiße Tischtuch bauschte sich auf. Die Karte wirbelte durch die Luft und wurde direkt aus dem offenen Fenster in den Schlosspark geweht.

»Salientia widersetzt sich.« Die alte Frau von Unkenburg seufzte.

»Verzeihung.« Ein Mann im dunkelgrauen Anzug betrat den Saal. »Ich habe unten gelüftet und dabei wohl versehentlich für Durchzug gesorgt.«

»Kein Problem, Eckbert. Das kann vorkommen«, sagte Herr von Unkenburg matt. Er wandte sich an seine Mutter. »Da hast du es, Mutti. Es gab eine natürliche Erklärung. Eckbert hat es mit dem Lüften übertrieben.«

Kim suchte unterdessen nach einer zweiten Karte, fand jedoch keine. Auch Franzi und Marie konnten nicht aushelfen. Ihre Karten lagen in ihren Rucksäcken – oben im Zimmer der Mädchen.

»Wir würden Ihnen jedenfalls gerne unsere Dienste als Detektivinnen anbieten«, kam Kim auf das Gespräch von eben zurück.

»Na, da sage ich doch nicht Nein.« Herr von Unkenburg lachte auf. »Mädchen, ihr seid engagiert.«

Eine Stunde später saßen die Mädchen an dem Weiher vor dem Schloss. Über den Seerosen tanzten kleine Mücken, während sich weiße Wattewolken im dunklen Wasser spiegelten. Kim war ganz in ihre Notizen versunken. »Wir haben es bei unserem Fall mit seltsamen Lichtern, verschwundenen Lebensmitteln und einer nächtlichen Erscheinung im Garten zu tun. Noch ist nicht geklärt, ob diese drei Vorkommnisse miteinander in Verbindung stehen. Die Lebensmittel könnte sich ein Tier geschnappt haben. Die Gestalt im Park war hingegen menschlich.«

»Oder ein Geist«, murmelte Marie leise und schaute ihre beiden Freundinnen ängstlich an.

»Freifrau von Unkenburg schwört darauf, dass die Lichter erst auftauchten, als das Bild von der Wand genommen wurde«, sagte Franzi. Sie hatte sich nach dem Essen mit der alten Dame unterhalten.

»Ich konnte eben noch mit der Haushälterin sprechen«, sagte Marie. »Sie heißt Hedwig Gelderlein und arbeitet seit zehn Jahren im Schloss. Frau Gelderlein glaubt nicht an Geister und sagt, dass sie hier noch nie etwas Mysteriöses oder Übernatürliches erlebt hat. Dafür bestätigt sie das Fehlen von Lebensmitteln.«

»Gut zu wissen.« Kim machte sich erneut Notizen. »Der Freiherr sagt, dass es im Schloss eine Alarmanlage gibt. Nur wer den Code kennt und einen Schlüssel besitzt, kann ins Schloss – und damit auch in die Küche.«

»Und dort würden dann ja auch die beiden Hunde anschlagen«, fügte Franzi hinzu. »Das spricht absolut gegen einen Einbrecher.«

»Es ist natürlich möglich, dass jemand aus dem Schloss hinter den seltsamen Ereignissen steckt«, meinte Kim. »Ich habe mich erkundigt. Letzte Woche waren Gärtner hier und vorgestern die Reinigungskräfte aus der Kleinstadt. Im Schloss wohnen nur Haushälterin Gelderlein, Eckbert, der Butler, und natürlich die von Unkenburgs: Heinrich und seine Mutter. Alle anderen Familienmitglieder sind entweder verstorben oder vor Jahren ausgezogen.«

»Dafür gibt es jetzt Daphne – die Verlobte«, sagte Marie. »Perfekt gestylt, aber kalt wie ein Drei-Sterne-Eisfach.«

Franzi beugte sich vor, da sie einen kleinen Frosch entdeckt hatte. »Wo fangen wir mit unseren Ermittlungen an?«

»Na, eindeutig beim Brunnen«, sagte Kim entschlossen. »Das Gemälde ist ja leider beim Restaurator.«

»Er ist auf meine Hand gehüpft!« Franzi starrte entzückt auf den kleinen Frosch hinab.

»Küss ihn«, sagte Marie scherzhaft. »Das ist bestimmt ein verzauberter Prinz!« Doch Franzi setzte das Tier bereits wieder vorsichtig ab. Es hüpfte schnell davon und sprang mit einem Platsch in den Weiher.

Im Schacht sieht man die Überreste von Eisenstufen«, sagte Herr von Unkenburg wenig später. Er zeigte den Mädchen den Brunnen im Garten. Dazu hatte er das Schutzgitter aufgeschlossen und leuchtete nun mit einer Stablampe in die Tiefe hinab. »Man kann das Einstiegsloch ganz gut erkennen. Früher stand das Wasser höher. Aber die letzten Sommer waren so heiß, dass viel verdunstet ist.«

Marie beugte sich langsam vor und spähte in die Tiefe. Der Lufthauch, der ihr entgegenwehte war kühl und roch leicht nach Moder. Ein schwarzes Loch klaffte etwa ein Meter über dem dunklen Wasserspiegel.

»Vorsicht!«, mahnte Herr von Unkenburg.

»Unheimlich«, fand Franzi. »Wo der Gang wohl hinführt?«

»Fluchttunnel in Brunnen waren zur Bauzeit des Schlosses durchaus nicht ungewöhnlich«, erklärte der Schlossherr. »Es könnte sein, dass dieser Brunnen früher mit anderen Brunnen verbunden war. Jetzt gibt es auf unserem Gelände aber nur noch zwei davon. In beiden befinden sich eingestürzte Fluchtwege.«

»Ich wüsste gern, was auf der Rückseite des Gemäldes stand – unter der Farbschicht«, bat Kim.

Der Schlossherr kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Es ist wohl eine echte Botschaft von Salientia von Unkenburg. Ich habe Fotos von dem Text erhalten. Sie liegen oben in meinem Büro. Ihr könnt sie gerne anschauen.«

»Dann machen wir uns doch gleich mal ans Enträtseln!«, sagte Franzi unternehmungslustig.

Wie sich jedoch herausstellte, war die Schrift kaum zu entziffern. Die schnörkeligen Buchstaben waren zwar ausgesprochen schön, aber winzig.

»Fachleute haben den Text bereits ausgewertet. Er handelt von Salientias verschollenen Prinzen.«

»Können Sie uns mehr davon erzählen?«, fragte Marie.

»Dein Vater und ich treffen uns gleich am Schwanensee mit ein paar Bekannten«, sagte der Schlossherr. »Daher muss ich euch leider auf unsere Familienchronik und die Berichte der Fachleute verweisen. Unsere Bibliothek befindet sich gleich dort drüben.« Er wies auf eine Tapetentür, die nur angelehnt war. »Ihr könnt euch dort gerne ausgiebig umsehen. Und wenn ihr Fragen habt: Meine Verlobte wird hierbleiben und Frau Gelderlein steht euch jederzeit zur Verfügung.«

Franzi spähte aus dem Fenster in den Garten. »Wollen wir bei dem schönen Wetter denn wirklich in der Bibliothek sitzen?«

»Wir können uns gerne aufteilen«, schlug Kim vor. »Ihr untersucht den zweiten Brunnen und ich sehe mir die Unterlagen an.«

Als Marie und Franzi über den Rasen zum hinteren Teil des Schlossgeländes wanderten, mischten sich seltsame Töne in das Quaken der Frösche und das Zirpen der ersten Grillen. Franzi blieb stehen und lauschte. Auch Marie hielt im Gehen inne. Sie konnte die Geräusche nicht einordnen. Das merkwürdige Konzert erinnerte zugleich an Flöten und Eulenrufe, aber auch an einen traurigen Gesang.

»Das kommt von dort drüben.« Franzi zeigte auf das Gebiet hinter dem Weiher des Schlossgartens. Die Mädchen setzten sich wieder in Bewegung. Ihr Weg führte sie unter hochgewachsenen Buchen hindurch zu einer wilden Wiese. Ein Trampelpfad führte dort zu einem weiteren Teich. Es war ein verwunschener Ort, versteckt zwischen hohem Schilf und Sumpfblumen. Dahinter begann ein dunkler Wald. Mit jedem Schritt wurden die Töne lauter. Marie fand, dass sie unwirklich klangen. So, als gehörten sie nicht in diese Welt. Doch Franzi hatte die Quelle der Geräusche entdeckt. »Es sind Frösche! Nein, warte!« Sie bückte sich, als sie das Ufer erreichte. »Es sind Kröten.«

»Sie klingen so merkwürdig«, gab Marie zu.

»Ja, nicht?« Franzi strahlte und griff in ihre Tasche. »Das muss ich unbedingt für meinen Papa aufnehmen. Er interessiert sich sehr für Amphibien.«

»Mach das.« Marie sah sich um. Schmetterlinge und andere Insekten schwirrten durch die Luft und genossen die warmen Strahlen der Sonne.

»So ein Mist«, fluchte Franzi. Sie sprang auf, was einige Kröten dazu veranlasste, die Flucht ins tiefere Wasser anzutreten. »Mein Handy liegt im Schloss. Wie konnte ich das nur vergessen?«

»Ich trage meins immer bei mir«, sagte Marie, aber ihre Freundin hörte ihr nicht zu.

»Pass auf, ich laufe schnell ins Schloss und hole das Handy. Dann können wir hier weitermachen.«

»Dir fehlt wohl deine tägliche Joggingeinheit.« Marie grinste. »Aber pass bitte auf die Hunde auf.«

»Keine Sorge. Die sind bei Frau von Unkenburg im Turmzimmer.« Schon düste Franzi davon.

Marie schlenderte langsam weiter. Irgendwo am Waldrand knackte es im Unterholz. Mit jedem Schritt wuchs in Marie das Gefühl, beobachtet zu werden. Versteckte sich hier jemand? Die Sonne verschwand hinter einer großen dunklen Wolke. Marie fröstelte. War das der Einbrecher? Oder nur ein Fuchs? Oder gar ein Geist? Marie ging nun schneller. Brombeersträucher und Efeuranken überwucherten die niedrigen Mauerreste eines zerfallenen Gebäudes. Davor stand ein Brunnen aus Feldsteinen. Der zweite Brunnen! Marie zögerte. Es war leichtsinnig, sich zu nah an die Ruine heranzuwagen. Gleichzeitig wollte sie aber wenigstens einen Blick in den Brunnen werfen. Er zog sie geradezu magisch an. Marie entdeckte eine rostige Kette, die an einer Kurbel hing. Neugierig blieb sie am Brunnenrand stehen und beugte sich vor. Ein kühler Hauch stieg aus der Tiefe zu ihr empor.

Der feuchte Modergeruch war hier noch stärker als im Keller des Schlosses. Marie blinzelte. In der Dunkelheit des Schachtes konnte sie kaum etwas erkennen. Irgendwo ganz weit unten schimmerte es. Marie hob einen kleinen Kieselstein auf und warf ihn hinab. Es platschte leise. Marie lehnte sich auf den Brunnenrand, um besser sehen zu können. Dann geschah alles so schnell, dass sie die Ereignisse kaum mitbekam. Ein Stein nach dem anderen brach aus der Brunnenwand heraus und stürzte in den Schacht. Marie verlor das Gleichgewicht. Sie ruderte für ein paar Sekunden mit den Armen in der Luft, um dann kopfüber zwischen Steinen, Kieseln und Dreck in die Dunkelheit zu stürzen. Ihr Denken war wie ausgelöscht. Stattdessen handelte ihr Körper mechanisch. Ihre Hände packten die Kette, die mit einem rasselnden Geräusch nachgab. Ein Stück weit sauste Marie noch in die Tiefe, dann wurde sie von der Eisenkette aufgefangen. Ein Ruck ging durch ihren Körper. Doch ihre Hände hielten das rostige Eisen fest. Marie keuchte. Ihr Herz raste. In ihren Ohren rauschte es unnatürlich laut. »Ganz ruhig«, sagte sie zu sich selbst. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Röcheln. Langsam schlang sie die Beine um die Kette. Ihre Arme schmerzten bereits und ihre Handflächen brannten. Franzi wäre einfach an der Kette hochgeklettert, aber schaffte Marie das auch? Sie sah nach oben. Die Kurbel, an der die Brunnenkette befestigt war, knarrte bedrohlich. Wenn sie brach, würde Marie doch noch in die Tiefe stürzen. Es half nichts, sie brauchte Unterstützung.

»Fr…a…nz…i!« Marie versuchte zu rufen, aber es klappte erst beim zweiten Anlauf. »Franzi! Hilfe!«

Marie hörte etwas. Das Geräusch kam jedoch nicht von oben, sondern von unten! Etwas bewegte sich im Brunnenschacht. Marie wurde schwindelig. Ihr Hals wurde ganz eng. Vor Angst vergaß sie sogar ihre Schmerzen. Aus dem Brunnenschacht erschien ein Wesen und kletterte an der Steinwand zu ihr hinauf! Marie unterdrückte ein Wimmern. Das Wesen hatte menschliche Züge. Es sah aus wie ein Elf – mit langen, weißen Haaren. Das blasse Gesicht mit den schwarzen Augen war auf sie gerichtet.

»Halte durch. Ich helfe dir.«

Der Elf sprach mit ihr und wollte ihr sogar helfen! Aber Marie konnte vor lauter Angst und Anstrengung nicht antworten. Das Wesen war nun auf einer Höhe mit ihr. Es packte Marie und zog sie zu sich.

»Hier sind Tritte eingebaut. Kannst du einen erreichen?«

Marie wollte die rettende Kette auf keinen Fall loslassen.

»Direkt vor dir, schau mal. Keine Sorge. Ich helfe dir!« Die Stimme war leise, aber eindringlich.

Im Zwielicht des Brunnens entdeckte Marie tatsächlich einen Bügel aus Metall. Jetzt konnte sie auch sehen, dass es überall Vorsprünge aus Felsen und Steinen gab. Dazwischen ragten Wurzelreste und Eisenbügel in den Schacht hinein. Mit etwas Mut war es möglich, die Wand wieder hinaufzuklettern. Man durfte nur nicht nach unten schauen. Sie atmete einmal tief ein, dann griff sie nach dem Tritt. Das Wesen stützte sie. »Und jetzt nach oben! Ich bin direkt hinter dir.«

Marie verdrängte die Angst. Es gab nur noch den Weg aus dem Brunnen. Stück für Stück arbeitete sie sich hinauf. Schließlich kletterte sie über den eingestürzten Brunnenrand ins Freie. Sie robbte auf allen vieren ein Stück, dann ließ sie sich ins Gras fallen. Jetzt erst traten Tränen in ihre Augen.

»Der Brunnen ist uralt. Es war gefährlich, sich auf den Rand zu stützen«, sagte das Wesen.

Marie drehte langsam den Kopf. Erstaunt stellte sie fest, dass ihr Retter kein Brunnengeist war, sondern ein Junge. Sein Alter war schwer zu schätzen, aber Marie vermutete, dass er zwei oder drei Jahre älter war als sie. Er war hochgewachsen und schlank und trug ein schwarzes Hemd zu dunklen Hosen. Sein glattes, weißblondes Haar – das er lose zu einem langen Zopf gebunden hatte – bildete einen auffälligen Kontrast zu seinen dunklen Augenbrauen. Er sah ausgesprochen gut aus, wäre da nicht der spöttische Zug um seinen Mund gewesen.

»Danke«, sagte Marie matt.

»Gern geschehen. Für heute kann ich dann wohl die Rettung einer Prinzessin auf meiner To-do-Liste abhaken.« Der Junge schmunzelte.

»Normalerweise muss ich nicht gerettet werden.« Marie richtete sich auf. »Ich hoffe, du willst als Dank jetzt nicht von meinem Tellerchen essen und aus meinem Becherchen trinken.«

»Nun, ich habe nicht vor, in deinem Bettchen zu schlafen«, sagte der Junge. »Aber für etwas Essen wäre ich dir dankbar. Und bitte erwähne im Schloss nicht, dass du mich gesehen hast.«

Marie sah ihn misstrauisch an. »Hast du im Schloss Lebensmittel geklaut?«

Das »Nein« kam eindeutig zu spät und weckte Maries Misstrauen. »Nenn mir einen guten Grund, dich nicht im Schloss zu verpfeifen.« Marie hatte entdeckt, dass Franzi beim Teich angekommen war. Jetzt fühlte sie sich wieder etwas stärker, auch wenn ihre Knie noch weich waren.

»Ich bin kein Einbrecher«, sagte der Junge ernst. Die Strahlen der Sonne leuchteten hinter ihm durch die Blätter einer Buche und umrahmten seinen Kopf wie eine goldene Krone.

»Aber ich muss ein echtes Verbrechen verhindern. Mehr kann ich dir nicht erzählen.«

»Aber–«, begann Marie, doch da hatte der Junge Franzi erblickt und verschwand mit einem Satz im Unterholz.

Warum habt ihr ihn nicht verfolgt?«, fragte Kim, als sich die drei !!! kurz darauf auf ihrem Zimmer im Schloss trafen.

»Der merkwürdige Typ war schon weg, als ich beim Brunnen ankam«, verteidigte sich Franzi. »Und Marie war fix und fertig.«

»Das kann ich verstehen«, sagte Kim mitfühlend. »Immerhin haben wir einen Teil des Falls gelöst. Ich denke sogar, dass ich weiß, mit wem wir es zu tun haben.«

»Echt?«, fragte Marie verblüfft.

»Im Arbeitszimmer des Schlossherrn stehen mehrere Fotos von einem schlanken, blonden Jungen mit langen Haaren. Etwa fünfzehn Jahre alt, mit dunklen Augen«, erklärte Kim. »Aber natürlich«, sagte Marie. »Herr von Unkenburg hat einen Sohn. Ich habe ihn nie getroffen, aber ich glaube, er hat bis vor drei oder vier Jahren hier gewohnt. Nach der Scheidung seiner Eltern ist er mit seiner Mutter weggezogen.«

»Ein Sohn«, wiederholte Franzi. »Den kennen die Hunde natürlich gut – was wiederum erklärt, weswegen sie nicht angeschlagen haben.«

»Einen Hausschlüssel könnte er auch haben«, überlegte Marie. »Und bestimmt kennt er den Code der Alarmanlage – sofern der nicht regelmäßig ausgetauscht wird.«

»Vermutlich«, sagte Kim. »Aber findet ihr es nicht merkwürdig, dass der Junge heimlich im Brunnen sitzt, statt im Schloss zu wohnen?«

»Und ob«, bekräftigte Franzi.

»Hast du denn in der Zwischenzeit etwas herausgefunden?«, wollte Marie von Kim wissen.

Kim nickte und klappte ihr Notizbuch auf. »Salientia Anura von Unkenburg wurde 1782 geboren. Ein Prinz machte ihr den Hof und Salientia verliebte sich in ihn. Es kam jedoch nie zur Hochzeit, da der Prinz eine Reise ohne Wiederkehr antrat. Sein Schiff galt nach einem Sturm als verschollen und Salientia blieb mit gebrochenem Herzen zurück. Ihr Vater wurde schließlich ungeduldig und gab sie einem Grafen zur Frau.«

»Die Arme«, sagte Marie mitfühlend. »Erst verschwindet ihr Liebster und dann wird sie einfach verheiratet.«

»Die Legende besagt, dass sie jeden Abend am Brunnen saß und den Fröschen ihr Leid klagte. Die Frösche sind nämlich das Wappentier der von Unkenburgs.«