Die Dschinn-Reihe: Sammelband der magisch-romantischen Dschinn-Dilogie - Natalie Luca - E-Book

Die Dschinn-Reihe: Sammelband der magisch-romantischen Dschinn-Dilogie E-Book

Natalie Luca

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Beschreibung

**Was würdest du dir wünschen, wenn du drei Wünsche frei hättest?** »Vollends begeistert und überzeugt!« (Top-1000-Amazon Rezensentin) Schuld ist eine missglückte Wette: Weil die 17-jährige Lori zu schüchtern ist, um Jungs anzusprechen, muss sie die hässlichste Lampe auf dem Markt kaufen und kommt dabei völlig unverhofft in den Besitz eines mächtigen Artefakts. Als kurz darauf ein echter Dschinn vor ihr auftaucht, traut sie ihren Augen nicht. Sie soll sich etwas wünschen. Aber was? Während Lori noch grübelt, kommt sie den Geheimissen und dem Dschinn Tag für Tag ein Stück näher. Doch dann taucht plötzlich ein fremder Junge an ihrer Schule auf und beginnt Fragen zu stellen, die Lori gefährlich werden könnten ... //Dies ist ein Sammelband der magisch-romantischen Dschinn-Reihe. Er enthält alle Romane der Fantasy-Liebesgeschichte:  -- Die Dschinn-Reihe 1: Gefährliche Wünsche -- Die Dschinn-Reihe 2: Wunschlos verliebt// Die Dschinn-Reihe ist abgeschlossen. 

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Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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Impress Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2020 Text © Natalie Luca, 2015 Lektorat: Christin Ullmann Coverbild: shutterstock.com / © Serov / © Soloviova Liudmyla / © Sveta Yaroshuk Covergestaltung der Einzelbände: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck / Derya Yildirim Satz und E-Book-Umsetzung: readbox publishing, Dortmund ISBN 978-3-646-60616-4www.carlsen.de

Die hässlichste Lampe der Welt

»Lori! Was ist, kommst du endlich?«

Julia und Becky warten an der Treppe, während die anderen Schüler an ihnen vorbeiströmen. Julia tritt ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Ich knie vor meinem Spind und stopfe Bücher hinein. Der Inhalt des Schranks ist ein einziges Chaos, so wie der Rest meines Lebens. Plötzlich kippt mir der ganze Bücherstapel entgegen und verteilt sich über den Flur. Ich höre Julia genervt schnauben.

»Gleich!« Ich rutsche auf Knien über den Boden und sammele meine Sachen wieder ein, während die anderen Schüler über mich drübersteigen.

»Lori!«

Eigentlich heiße ich Hannelore, nach meiner toten Großmutter, die ich nie kennengelernt habe. Meine Mutter versteht nicht, was mir an dem Namen nicht gefällt. Aber meine Mutter ist auch nicht siebzehn, sie ist kein bisschen pummelig und sie läuft auch nicht rot an, sobald sie vor anderen Menschen den Mund aufmachen muss.

Ich hingegen schon. Hannelore Kozlowski-Swoboda zu heißen, ist dabei nicht hilfreich.

Becky lässt Julia an der Treppe stehen und hilft mir beim Aufsammeln.

Julia verdreht die Augen. »Könnt ihr euch ein bisschen beeilen?«

»Sie will unbedingt auf den Markt«, raunt Becky mir zu.

Ich greife nach meinem zerschlissenen Chemiebuch – ›100 chemische Experimente‹, als ich die roten Converse daneben bemerke. Mein Blick gleitet über die Unterschenkel, die in den Converse stecken, und bleibt auf Kniehöhe hängen.

Ich weiß genau, wer vor mir steht.

Warum, warum, warum muss es ausgerechnet Alex Ritter sein?

Warum?

»He, Kotzi-Schwabbelig! Machst du Großputz?« Phillip, der Vollidiot, und seine dämlichen Freunde lachen, während sie über meine Bücher steigen.

Ich spüre, dass ich knallrot anlaufe, und starre auf das Chemiebuch.

Warum muss Alex nur diese idiotischen Freunde haben? Und warum stehen die roten Converse noch immer vor meiner Nase?

Ich wünschte, ich könnte mich in Luft auflösen, so peinlich ist mir die ganze Sache. Himmel, jetzt bückt er sich auch noch zu mir runter.

»Hier. Ich glaube, das ist deins.« Er hält mir das Chemiebuch hin, ein kleines Lächeln auf den Lippen.

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, Schweiß schießt mir aus allen Poren, ich starre ihn stumm an und bin mir der roten Flecken auf meinem Gesicht nur allzu bewusst. Ohne ein Wort herauszubringen nehme ich das Buch, rappele mich auf und wende mich zu meinem Spind um.

Ich überlege einen Moment lang ernsthaft, ob ich mich in den Spind quetschen könnte, um mich darin zu verstecken. Aber wahrscheinlich bin ich dafür auch zu fett.

Becky kommt an meine Seite und hält mir den Stapel Bücher hin, den sie aufgesammelt hat.

»Kannst weiteratmen«, sagt sie. »Er ist weg.«

Ich schiele an ihr vorbei und sehe gerade noch, wie Alex' Jeansjacke um die Ecke verschwindet.

»Gott sei Dank«, stöhne ich. Meine Hände sind schweißnass.

»Kommt ihr endlich?« Julia wippt mit verschränkten Armen auf den Fußballen auf und ab. »Ich würde gern auf dem Markt ankommen, bevor er schließt!«

Ich stopfe das Chemiebuch in den Spind, knalle die Tür zu und trotte mit Becky hinter Julia her.

Der Stadtmarkt ist der größte Markt Wiens. Es gibt Lebensmittel, Blumenstände, jede Menge fahrende Händler und viele Lokale und Cafés.

»Meinst du, er wird da sein?«, fragt Becky, als wir in der U-Bahn sitzen.

Julia spielt mit ihren blonden Locken und beißt auf ihre Unterlippe.

Er heißt Jens, ist Student und arbeitet in einem Bistro als Kellner. Er ist der Grund, warum wir zum Markt fahren.

»Heute musst du ihn anquatschen«, sagt Becky.

Julia verzieht in gespielter Entrüstung das Gesicht, kichert aber.

»Es bringt doch nichts, ihn immer nur aus der Ferne anzuschmachten«, fügt Becky hinzu.

»Was soll ich denn sagen?«

»Wie wäre es mit ›Hallo‹?«

»Sehr einfallsreich.«

»Wenn du nicht vorhast, ihn anzuquatschen, warum fahren wir dann überhaupt hin?«, frage ich.

»Weil ich …«, beginnt Julia, »weil … weil er der süßeste Typ weit und breit ist. Und weil ich weiß, dass er auf mich steht. Er guckt mich immer so an.« Sie imitiert Jens' Blick und kichert wieder.

»Quatsch ihn an.« Beckys Blick ruht auf der Schlagzeile der Gratiszeitung, die neben uns auf dem Boden liegt.

»Ich mache das doch nicht allein.« Julia verschränkt die Arme. »Wenn ich es mache, dann müsst ihr es auch machen.«

»Wen sollen wir denn anquatschen?«, frage ich und bereue die Frage noch im selben Moment.

»Ist doch egal, irgendwen. Ich suche Jungs für euch aus. Abgemacht?«

»Abgemacht«, murmelt Becky zu meinem Entsetzen. Sie scheint gar nicht richtig zuzuhören, weil sie jetzt einen kleinen Terrier beobachtet, der sich mit der Pfote die Schnauze putzt.

»Ich weiß nicht …«, sage ich, doch Julia macht eine wegwerfende Handbewegung.

»Abgemacht ist abgemacht, Lori.«

Wir erreichen den Markt und schlendern zwischen den Ständen hindurch, bis wir bei dem Bistro ankommen, in dem Jens arbeitet. Dort setzen wir uns an unseren üblichen Tisch in der Ecke, Julia mit dem Rücken zur Wand, damit sie die beste Sicht hat. Mittlerweile sind wir hier schon Stammgäste, aber alles, was Julia Jens bisher entlocken konnte, waren ein Lächeln und ein ›Wollt ihr noch einen Kaffee?‹.

Als Julia sich nervös die Frisur zurechtzupft, weiß ich, dass sie ihren Schwarm entdeckt hat. Kurz darauf taucht er auch schon an unserem Tisch auf, um die Bestellung aufzunehmen. Er ist groß und ein bisschen schlaksig, hat verstrubbelte Haare und Lachgrübchen.

»Was darf ich den Ladys heute bringen?«

Julia kichert und strahlt ihn an. »Einen Café Latte, bitte!«

»Heiße Schokolade.« Beckys Stimme klingt abwesend, ihre Aufmerksamkeit scheint von irgendetwas hinter dem Tresen angezogen zu werden.

»Einen Cappuccino«, murmele ich und starre dabei auf die Speisekarte, um Jens nicht ansehen zu müssen. Er ist süß, ich würde bestimmt knallrot anlaufen.

»Habt ihr gesehen, wie er mich angeguckt hat?«, flüstert Julia, sobald Jens außer Hörweite ist. »Er ist so cool! Und Mann, diese Jeans …«

»Ist euch schon mal aufgefallen, dass sich die Deckenlampen in der Kaffeemaschine spiegeln?« Becky legt den Kopf schief und betrachtet die verchromte Kaffeemaschine hinter dem Tresen.

»Was soll ich bloß zu ihm sagen?« Julia rutscht aufgeregt auf dem Stuhl hin und her. »Oh Gott, ich sterbe gleich, er kommt zurück!«

Jens serviert unsere Getränke mit einem Lächeln und verschwindet dann wieder hinter die Bar.

»Er war letzte Woche mit seinen Freunden in der Kletterhalle.« Julia nippt verträumt an ihrem Café Latte. »Ob er mich auch mal dorthin mitnehmen würde? Bestimmt kennt er viele Leute von der Uni. Er wird sicher mal ein toller Arzt, meint ihr nicht?«

Ich starre sie ungläubig an. »Woher weißt du das alles über ihn?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Facebook.«

»Das nennt man Stalking.«

»Nein! Nicht, wenn ich es mache«, fügt sie mit einem verschmitzten Lächeln hinzu.

»Mehrfach«, sagt Becky plötzlich, vollkommen abwesend. »Die Lampen spiegeln sich mehrfach …«

Ich mag Becky sehr, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass sie nicht ganz dicht ist.

»Hallo?« Julia rüttelt an Beckys Arm. »Wir sind hier wegen meinem Jens! Vergiss die blöden Lampen!«

»Deinem Jens?« Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.

»Jedenfalls wird er bald mein Jens sein«, erklärt Julia entschlossen. »Also gut, wie sieht der Plan aus?«

»Geh hin und lade ihn ein.« Ich löffele Zucker in meinen Cappuccino. »Vielleicht zum Klettern?«

»Sehr witzig«, brummt sie. »Andere Vorschläge?«

Ich lehne mich zurück. »Wir kommen jetzt schon seit drei Wochen fast jeden Nachmittag her. Entweder du quatschst ihn endlich an oder das wird nie was mit euch.«

»Bist du jetzt eine Expertin im Aufreißen, oder was?« Julia verzieht die Lippen. Sie ist die Hübscheste von uns, ihre Haare sind blond, nicht rot wie meine. Ihre Locken fallen perfekt, meine sind so widerspenstig, dass ich sie immer mit einem Haargummi zurückhalten muss. Sie sieht toll aus in ihren Skinny-Jeans und ihren engen Shirts, während ich meine Kilos unter weiten Pullis verstecke. Sie weiß auch, wie man sich schminkt, ohne wie ein Papagei auszusehen – ich habe es mal mit dem Make-up meiner Mutter versucht, als sie Nachtdienst hatte, und habe das papageienähnliche Ergebnis sofort wieder abgewaschen. Meine helle Haut und die Sommersprossen lassen sich nicht verdecken und wahrscheinlich werde ich einfach damit leben müssen, dass ich rot im Gesicht bin, sobald ich mit jemandem rede.

Becky hingegen macht sich überhaupt nichts aus Make-up. Sie trägt immer knallbunte Sachen, die überhaupt nicht zusammenpassen, flicht sich Perlen und Bänder in die Haare und scheint sich nicht darum zu kümmern, was andere von ihr denken.

Wie ich sie beneide. Ich wünschte, ich wäre auch so hübsch wie Julia oder so … unbekümmert wie Becky – aber das bin ich nicht. Ich bin die graue Maus, die keiner bemerkt.

Schon gar nicht ein Junge wie Alex Ritter.

Wenn ich nur an die Blamage heute auf dem Schulflur denke, möchte ich am liebsten im Boden versinken. Warum muss Alex es immer mitkriegen, wenn ich mich blamiere? Andererseits hat er das Chemiebuch für mich aufgehoben. Und er hat nicht mit Phillip und den anderen über mich gelacht.

Er hat mich aber auch nicht gegen diese Idioten verteidigt.

Du hast dich ja nicht einmal selbst verteidigt, murmelt eine gemeine, kleine Stimme in meinem Kopf.

»Ob ich zum Tresen hinübergehen soll und zufällig mein Handy dort liegenlasse? Dann muss er es mir zum Tisch bringen. Lori?« Julias Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.

»Was? Ach so … Ich weiß nicht. Was ist, wenn jemand dein Handy klaut?«

»Hast du eine bessere Idee?«

»Warum schreibst du ihm nicht deine Nummer auf die Rechnung, wenn wir zahlen?«

Sie beißt sich auf die Unterlippe. »Und wenn er nicht anruft?«

»Dann kommen wir nie wieder hierher.«

»Ich weiß nicht …«

Becky kehrt mit ihrer Aufmerksamkeit wieder zu uns zurück. »Was ist jetzt? Quatschst du ihn an, oder nicht?«

Julia ringt mit sich, dann beugt sie sich verschwörerisch zu uns vor. »Also gut, ich mach’s. Aber vorher müsst ihr Jungs anquatschen.«

Oh je. Ich hatte gehofft, dass sie die Wette vergessen hätte.

»Julia, hör mal, ich …« Meine Hände werden schon bei dem Gedanken daran, einen wildfremden Jungen anzusprechen, kalt und schwitzig.

»Abgemacht ist abgemacht. Okay, lasst mal sehen …« Julia lehnt sich zurück und sieht sich im Lokal um. »Dort drüben, an der Bar … seht ihr die vier Jungs?«

Ich drehe mich um und mir wird schlecht. Die Typen, die sie meint, sind viel zu gut aussehend, viel zu selbstbewusst … nie im Leben werde ich den Mut aufbringen, die anzusprechen. Ich weiß schon jetzt, dass ich rot wie eine Tomate anlaufen und keinen Ton hervorbringen werde.

»Julia, ich kann nicht …«, widerspreche ich, doch zu meinem Entsetzen nickt Becky und steht auf.

»Okay. Ich mach’s.«

Julia grinst, ich starre Becky mit offenem Mund hinterher, während sie schnurstracks auf die Jungs zugeht und sich neben sie an die Bar stellt.

»Hallo. Ich bin Becky. Ist euch schon mal aufgefallen, dass sich die Lampen in der Kaffeemaschine spiegeln?«

Julia lacht schallend auf und schlägt sich schnell die Hand vor den Mund, aber sie fällt fast vom Stuhl und ihr schießen vor Lachen Tränen in die Augen.

Einer der Jungs scheint etwas zu erwidern, aber ich kriege den Rest des Gesprächs nicht mit, weil genau in diesem Moment eine Gruppe japanischer Touristen hereinkommt und sich zwischen unserem Tisch und den Jungs platziert.

Ein paar Minuten später kommt Becky zurück und setzt sich wieder neben mich.

»Und?«, fragt Julia gespannt, ihr Make-up ist von den Lachtränen verschmiert.

»Sie heißen Gregor, Andi, Robert … den vierten Namen habe ich vergessen. Sie kommen aus Kärnten, einer von ihnen studiert hier und die anderen sind zu Besuch.« Becky nippt an ihrer heißen Schokolade.

Ich schüttele sprachlos den Kopf, Julia stupst mich mit dem Ellbogen an.

»Du bist dran.«

»Vergesst es. Ich mache das nicht.«

»Ist doch nicht so schwer«, sagt Julia.

»Ach ja?«, zische ich. »Dann geh du doch zu Jens und quatsch ihn an!«

»Mach ich. Aber erst nach dir.«

»Geh einfach hin und sag was.« Becky nickt mir zu.

Meine Hände sind eiskalt. »Was denn?«

»Ist doch egal. Irgendwas.«

Die bloße Vorstellung, die Jungs anzusprechen, reicht aus, um meine Wangen zum Glühen zu bringen. »Ich sage bestimmt nichts, was mit Kaffeemaschinen oder Lampen zu tun hat, so viel ist sicher.«

Ich spiele einen Moment mit dem Gedanken, tatsächlich zu der Gruppe hinüberzugehen.

»Na los, Lori. Jetzt mach’s einfach.«

Ich stemme mich langsam hoch. Ich habe noch nie in meinem Leben fremde Jungs angesprochen, ich kann ja nicht einmal mit Jungs reden, die ich schon kenne! Mein Herz pocht heftig.

»Du schaffst das!« Julia grinst. Ich weiß genau, dass sie erwartet, dass ich kneife.

Oh, wie gern ich kneifen würde!

Meine Knie fühlen sich an, als wären sie aus Gummi, während ich mich an den Japanern vorbeiquetsche und auf die Kärntner Jungs zugehe. Je näher ich ihnen komme, desto weniger Luft kriege ich. Mein Puls rast, ich habe einen dicken Kloß im Hals und mir wird plötzlich so heiß, als hätte jemand in meinem Inneren einen Backofen aufgedreht.

Einer der Jungs bemerkt mich und sieht mich an. Jetzt, Lori, jetzt musst du es tun! Sag etwas zu ihm!

Ich öffne den Mund, doch es kommt kein Ton heraus. Ein paar endlose Sekunden vergehen, dann schiebe ich mich hastig an den Jungs vorbei und verschwinde auf der Toilette.

Mein Herz schlägt so schnell, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen. Ich stütze mich auf das Waschbecken und starre mein Spiegelbild an. Reife Tomaten sehen blass aus im Vergleich mit meiner Gesichtsfarbe.

Na großartig. Julia wird mich ewig damit aufziehen, dass ich gekniffen habe!

Ich warte eine Weile, doch schließlich bleibt mir nichts anderes übrig, als zu meinen Freundinnen zurückzukehren. Mit eingezogenem Kopf schleiche ich zum Tisch und lasse mich auf meinen Stuhl sinken.

»Feigling.« Julia stupst mich an. »Du hast die Wette verloren, jetzt werden wir uns eine Strafe für dich überlegen!«

»Mir egal. Alles ist besser, als fremde Jungs anzuquatschen«, murmele ich vor mich hin.

»Los jetzt, Julia, du bist dran.« Becky nickt in Richtung Tresen, wo Jens gerade Gläser sortiert.

Das fegt Julias Grinsen augenblicklich aus ihrem Gesicht. Plötzlich wirkt sie nervös.

»Abgemacht ist abgemacht«, sagt Becky unbeeindruckt. »Los.«

Julia holt tief Luft und steht auf. Dann wirft sie ihre blonden Haare zurück und schreitet auf die Bar zu.

Wegen der Japaner verstehe ich nicht, was sie zu Jens sagt, aber die Art, wie sie sich über den Tresen zu ihm lehnt und dabei mit einer Haarsträhne spielt, bringt ihre Botschaft auch ohne Worte rüber. Er erwidert etwas, die beiden lachen, und dann kommt Julia zu uns zurück, freudestrahlend.

»Ich habe gesagt, dass er sportlich aussieht und ihn gefragt, ob er vielleicht eine Kletterhalle kennt, die er mir empfehlen kann«, flüstert sie aufgeregt. Auch ihre Wangen sind gerötet, aber bei ihr sieht es hinreißend aus. »Er hat gesagt, dass er Montagnachmittag klettern geht und gefragt, ob ich mitkommen will!« Ihre Stimme überschlägt sich fast. »Wir haben ein Date!«

»Das ist klasse, Julia«, murmele ich.

»Jetzt müssen wir schnell hier raus, ich glaube, ich drehe gleich durch!« Julia hüpft im Sitzen auf ihrem Stuhl auf und ab. Wir lassen das Geld auf dem Tisch liegen, schieben uns an den Japanern vorbei zur Tür hinaus und ein paar Schritte vom Bistro entfernt kreischt Julia los.

Ich ziehe sie zwischen die Marktstände, damit Jens sie nicht durch das Fenster sieht und seine Einladung vielleicht noch mal überdenkt. Es dauert fast fünfzehn Minuten, bis Julia sich wieder einkriegt.

»Was soll ich bloß anziehen? Und wie trage ich meine Haare?« Sie blubbert unaufhörlich drauflos, während wir uns auf den Weg zurück zur U-Bahn machen.

»Anscheinend gefällst du ihm, wie du bist«, erwidere ich.

Sie wirft mir einen entgeisterten Blick zu. »Ist das dein Ernst? Das sind wichtige Entscheidungen, Lori! Immerhin ist es unser erstes Date!« Plötzlich bleibt sie stehen. »Warte! Da fällt mir ein, dass du deine verlorene Wette noch gar nicht eingelöst hast.«

Mist. Sie hat es nicht vergessen. Ich seufze.

»Na schön. Was soll ich machen? Aber ich werde niemanden anquatschen«, füge ich schnell hinzu.

Julia überlegt. »Hast du eine Idee, Becky?«

Becky zuckt mit den Schultern. »Die Lampen im Bistro waren hässlich. Wie wäre es, wenn Lori eine noch hässlichere Lampe finden muss als die im Bistro?«

Julia schüttelt den Kopf. »Ehrlich, was hast du nur mit diesen Lampen?«

»Du könntest bei eurem Date Jens mal danach fragen«, fährt Becky unbeirrt fort. »Die sind nämlich wirklich nicht besonders hübsch …«

Julia schnauft abwertend. Mit Jens ausgerechnet über die Lampen im Bistro zu sprechen steht garantiert ganz unten auf ihrer Liste akzeptabler Gesprächsthemen fürs erste Date.

»Also gut. Lori, du musst die hässlichste Lampe kaufen, die es auf dem Flohmarkt gibt, okay?«, sagt sie schließlich zu mir.

»Was? Was ist denn das für eine blöde Idee? Was soll ich denn mit einer Lampe?«

»Ist doch egal. Wettschulden sind Ehrenschulden.«

Da ich weiß, dass Julia nicht nachgeben wird, nicke ich. Immer noch besser, als irgendwelche Jungs anzuquatschen und mich dabei bis auf die Knochen zu blamieren.

»Also gut. Sucht die Lampe aus, ich werde sie kaufen.«

Wir schlendern zwischen den Ständen hindurch, wobei Julia unaufhörlich über das bevorstehende Date quasselt und Becky interessiert die Berge von Antiquitäten und Ramsch betrachtet, die von den Händlern angeboten werden. Meine Gedanken schweifen ab und ich frage mich, ob Alex wohl auch Klettern geht. Ob er wohl mit mir klettern gehen würde?

Nicht, dass ich sportlich genug dafür wäre. Aber in meiner Fantasie male ich mir einen Nachmittag mit Alex in der Kletterhalle wunderschön aus …

»Diese hier?« Becky zeigt auf eine Stehlampe aus den Siebzigern, mit einer großen orangen Plastikkugel als Lampenschirm.

»Nein, wir finden noch etwas Besseres.« Julia durchstöbert den nächsten Stand. »Wie wäre es mit der da?« Sie deutet auf einen verstaubten Kronleuchter mit zwei verbogenen Armen.

»Okay«, murmele ich, um die Sache hinter mich zu bringen. »Was soll das Ding denn kosten?«

»Wartet!«, ruft Becky. Sie steht ein paar Meter hinter uns an einem Stand mit Räucherstäbchen und orientalischem Krimskrams. »Ich habe sie gefunden!«

Julia packt mich am Arm und zieht mich zurück zu dem Stand, an dem wir schon vorbeigegangen sind.

»Die haben hier doch keine Lampen …« Ich verstumme, als Becky mir ein handtellergroßes, stark verschmutztes Teil aus Messing unter die Nase hält.

Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Was soll denn das sein?«

»Das ist eine Öllampe«, sagt der Mann, dem der Stand gehört. Möglicherweise ist er Ägypter, ich kann seinen Akzent aber nicht einordnen. »Ein seltenes Stück, handgemacht, und wirklich sehr alt.«

»Das sehe ich«, murmele ich.

»Die ist perfekt!« Julia klatscht in die Hände. »Wir werden keine häss… ähm, ich meine, passendere Lampe finden!«, fügt sie mit einem Seitenblick auf den Verkäufer hinzu.

»Also gut.« Ich krame nach meinem Geldbeutel. Wenigstens passt die Lampe in meine Tasche, was man von dem Kronleuchter und der Siebzigerjahre-Stehlampe nicht behaupten konnte. »Was soll sie denn kosten?«

»Achtzig Euro.«

»Was?« Ich starre Julia an. Wette hin oder her, nie und nimmer gebe ich achtzig Euro für einen Klumpen Messing aus!

»Das ist zu viel«, sagt Becky zu meiner Erleichterung. »Wir zahlen acht Euro.«

Acht Euro? Ich schnappe nach Luft. Der Händler wird uns wahrscheinlich gleich beleidigt davonjagen.

»Siebzig Euro«, sagt er.

»Neun Euro«, sagt Becky.

Der Mann schnauft und fährt sich durch die Haare. »Sechzig Euro. Mein letztes Angebot.«

»Zehn Euro und Sie legen noch eine Packung Räucherstäbchen drauf.«

Meine Kinnlade klappt runter, während ich Becky beim Feilschen zuhöre. Ich kenne sie, seit sie vor zwei Jahren hergezogen ist, und seitdem überrascht sie mich jeden Tag aufs Neue. Mit Julia bin ich schon seit der Unterstufe befreundet. Warum sie immer noch mit mir befreundet sein will, weiß ich allerdings nicht, denn sie wurde hübsch und cool, und ich … na ja, nicht. Als Becky vor zwei Jahren in unsere Klasse gekommen ist, wollte keiner etwas mit ihr zu tun haben, weil sie ein bisschen merkwürdig ist. Das hat sie aber überhaupt nicht gestört, sie hat sich einfach von den anderen ferngehalten. Mich schien sie zu mögen und irgendwann wurde aus ›Julia und ich‹ ›Becky, Julia und ich‹.

»Junge Frau, Sie ruinieren mich«, jammert der Verkäufer.

»Zehn Euro.« Becky bleibt eisern. »Oder Sie bleiben auf der Lampe sitzen.«

Dieses Argument scheint ihm einzuleuchten. Widerwillig stimmt er zu.

»Und vergessen Sie nicht die Räucherstäbchen.« Becky streckt die Hand aus, während ich den Mann bezahle.

Er drückt ihr mürrisch eins der schmalen Päckchen in die Hand und ich lasse die hässliche Lampe so schnell wie möglich in meiner Tasche verschwinden.

»Ich habe das grauenhafte Teil gekauft. Zufrieden?«, frage ich, während wir uns in Richtung U-Bahn bewegen.

Julia nickt. »Weißt du, du solltest trotzdem an deiner Schüchternheit arbeiten. Öfter mal fremde Leute anquatschen, einfach nur so. Würde dir guttun.«

Würde mir höchstens einen Herzinfarkt verpassen.

»Tu bloß nicht so, als wäre es dir leichtgefallen, nur weil das mit dem Date mit Jens geklappt hat«, brumme ich. »Du hast volle drei Wochen gebraucht, um mehr zu ihm zu sagen als bloß: Ich hätte gern einen Café Latte.«

»Stimmt«, schmunzelt sie. »Aber das Entscheidende ist: Ich hab’s getan.«

Mist. Sie hat natürlich Recht. Ich stapfe missmutig vor mich hin. Ich war immer der Meinung, dass sich meine Schüchternheit schon irgendwann von selbst geben würde, wenn ich älter werde.

Ist bis jetzt nicht passiert.

Ich wechsele das Thema. »War übrigens toll, wie du den Preis gedrückt hast, Becky. Warum kannst du so gut feilschen?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Ich wollte eigentlich bloß die Räucherstäbchen.«

Wir steigen die Treppen zur U-Bahn-Station hinunter und warten am Bahnsteig auf den Zug.

»Vielleicht könntest du Jens vorschlagen, das Bistro mit Öllampen zu beleuchten«, überlegt Becky, als wir in die U-Bahn einsteigen.

Julia verdreht die Augen und wirft mir einen Blick zu, der deutlich sagt: Ganz bestimmt nicht.

***

Ich denke über Julias Worte nach, als ich den restlichen Weg von der U-Bahn allein nach Hause gehe. Wahrscheinlich hat sie Recht und ich sollte mich meiner Schüchternheit stellen. Schließlich ist Julia heute auch über ihren Schatten gesprungen und hat Jens angesprochen.

Allerdings ist das leichter, wenn man blond und hübsch ist und in Kleidergröße 36 passt. Oder wenn man wie Becky ist. Ich muss grinsen, als ich daran denke, wie sie die Kärntner Jungs angesprochen hat, oder wie sie mit dem Händler gefeilscht hat. Aber wem mache ich hier etwas vor? Ich bin nicht wie Becky. Niemand ist wie Becky.

Ich sperre die Haustür auf und steige die Treppen hinauf. Wir wohnen im fünften Stock, meine Mutter, unser tauber Kater Gargamel und ich. Mein Vater hat uns verlassen, als ich noch klein war. Er lebt jetzt mit seiner neuen Familie in der Nähe von Salzburg. Ich habe das letzte Mal etwas von ihm gehört, als ich sieben war.

Während ich die Stufen hinaufsteige, überlege ich, was ich mir zum Abendessen in der Mikrowelle warm machen soll. Meine Mutter hat wieder einmal Nachtdienst. Sie ist Krankenschwester und übernimmt so viele Nachtschichten wie möglich. Damit wir besser über die Runden kommen, sagt sie.

Lasagne hört sich gut an, und ich glaube, dass wir noch Schokoladeneis im Kühlschrank haben …

»Pass doch auf!« Eine hohe, zittrige Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Ich blicke auf und pralle zurück, beinahe wäre ich in eine Wand aus plüschigem Leopardenfell gelaufen. »Gib acht, wo du hinläufst, Göre!«

»Entschuldigung«, murmele ich und mache der alten Frau Platz.

Es ist Madame Grizelda, die verrückte Alte aus dem Dachgeschoss – unsere Vermieterin. Sie ist einen Kopf kleiner als ich, eine zaundürre Gestalt mit hochtoupierten Haaren und unglaublich viel Schminke im Gesicht. Soweit ich mich zurückerinnern kann, trägt sie immer diesen Leopardenfellmantel und eine knallrote Lederhandtasche, glitzernde Halsketten, Ringe und Armreifen.

»Davon kann ich mir auch nichts kaufen«, murmelt sie und mustert mich mit schmalen Augen. Ihr Blick flackert missbilligend über meinen Schlabberpulli, bleibt kurz an meiner Schultasche mit den Buttons hängen und gleitet dann über die weiten Jeans bis zu meinen abgewetzten Sneakers. Dann schiebt sie sich an mir vorbei und schwankt weiter die Treppen hinunter, während sie ununterbrochen etwas vor sich hinmurmelt.

Meine Mutter hat Madame Grizelda einmal gefragt, warum sie denn unter dem Dach wohnt, wenn es doch ihr Haus ist und sie sich mit dem Treppensteigen so schwertut. Darauf hat sie geantwortet, dass der Auftrieb im sechsten Stock besser wäre als im Erdgeschoss.

Die Alte hat einfach einen Knall.

Ich erreiche unsere Wohnung, sie ist dunkel und leer. Ich sperre die Wohnungstür zu, dann laufe ich durch die Räume und schalte überall das Licht ein. Das mache ich immer so, wenn ich allein zu Hause bin, schon seit ich ein kleines Kind bin. Es ist vielleicht albern, aber dann fühle ich mich nicht so einsam.

»Na, Gargamel, hast du mich vermisst?« Ich kraule dem alten Kater die Ohren, als er um meine Beine streicht. Mit meinem tauben Kater zu sprechen ist noch so eine alberne Angewohnheit. Es ist egal, dass er mich nicht hören kann, wenn ich mit ihm spreche, ist es wenigstens nicht so still in der Wohnung.

Ich gehe in die Küche und stelle eine Portion Lasagne in die Mikrowelle, drehe den Fernseher auf und hole das Schokoladeneis aus dem Tiefkühlfach. Während ich wahllos durch die Kanäle zappe, löffele ich Eis in mich hinein. Ich esse meistens zuerst den Nachtisch, während ich auf das Klingeln der Mikrowelle warte. Noch so eine Angewohnheit.

Nach dem Essen dusche ich, ziehe meinen Pyjama an und hocke mich auf die Couch im Wohnzimmer. Wir haben nur einen Fernseher, aber wenn meine Mutter nicht zu Hause ist, kann ich so lange fernsehen, wie ich will. Heute ist Freitag, sie wird das ganze Wochenende arbeiten, also steht mir ein Zwei-Tages-Schokoladeneis-Fernsehmarathon bevor.

Außerdem mache ich am Wochenende noch zwei Ladungen Wäsche in unserer Waschküche im Keller, bringe den Müll raus und füttere unseren Kater – aber den Rest der Zeit verbringe ich zwischen Couch und Kühlschrank.

Am Sonntagabend zappe ich bis spätabends durch die Kanäle. Mein linker Fuß ist vom langen Sitzen eingeschlafen, ich strecke meine Beine aus und schubse dabei meine Schultasche von der Couch. Sie fällt mit einem lauten, metallischen »Klonk« auf den Parkettboden.

Was zum …? Da fällt mir ein, dass die hässliche Lampe noch zwischen meinen Schulsachen steckt. Ich lehne mich über die Couch, greife nach der Tasche und fische die Lampe heraus.

Jetzt sehe ich sie mir zum ersten Mal richtig an. Sie ist recht flach, mit einem langen Schnabel und einem geschwungenen Griff am anderen Ende. Ihr Bauch ist rund, sie hat einen Deckel. Ich versuche, ihn zu öffnen, aber er klemmt. Entweder ist sie wirklich ziemlich alt oder ihr früherer Besitzer hat sie schlicht und einfach nie gereinigt, denn dicke Schichten von Staub und Schmutz kleben an der Oberfläche. Ich drehe die Lampe in meinen Händen. Auf der Unterseite scheint etwas eingeprägt zu sein, aber ich kann es vor lauter Dreck nicht erkennen. Sind das Buchstaben? Ich lecke meinen Daumen an und rubble über die Prägung. Schriftzeichen kommen zum Vorschein, es scheint Arabisch zu sein …

Irgendetwas stimmt nicht. Spinne ich oder fühlt sich die Lampe plötzlich wärmer an? Ich umfasse sie mit beiden Händen. Nein, ich täusche mich nicht, das Metall erwärmt sich. Die Lampe erwärmt sich von innen.

Was geht hier vor? Schnell wird das Metall so heiß, dass ich es nicht länger halten kann, und ich stelle die Lampe auf den Wohnzimmertisch. Was …?

Ich schreie auf, als plötzlich Rauch aus der Lampe aufsteigt. Was hat mir dieser wahnsinnige Händler da angedreht? Ich springe vom Sofa, renne in die Küche und hole einen Kübel Wasser.

Wenn diese blöde Lampe unser Wohnzimmer abfackelt, wird meine Mutter mich umbringen! Mit dem Wasserkübel in den Händen renne ich zurück zum Couchtisch, aus der Lampe steigen jetzt richtige Rauchschwaden auf. Es ist merkwürdig, wo dieser ganze Qualm plötzlich herkommt … ich habe die Lampe doch gar nicht angezündet! Ich weiß bloß, dass ich den Rauch ersticken muss, bevor die ganze Wohnung brennt. Die Rauchsäule ist mittlerweile größer als ich! Ich hole mit dem Kübel aus, ziele, und schütte den gesamten Inhalt in Richtung der qualmenden Lampe.

Im selben Augenblick manifestiert sich etwas in all dem Qualm. Die Silhouette eines menschlichen Körpers erscheint im dichten Rauch – und ich schreie los.

Die Lasagnen-Halluzination

Es ist die Gestalt eines jungen Mannes, der sich mir zuwendet. »Ich bin dir zu Die…« Platsch! Der Wasserschwall trifft ihn mitten ins Gesicht.

Ich stehe wie angewurzelt da, den leeren Eimer in der Hand, und starre die Erscheinung vor mir mit offenem Mund an. Die Rauchschwaden verziehen sich, langsam kann ich ihn deutlicher erkennen: Er ist ungefähr in meinem Alter, ein wenig größer als ich und er sieht irgendwie … orientalisch aus. Sein Oberkörper ist nackt, er trägt blaue Pluderhosen und goldene Armreifen, hat tiefschwarze Haare und dunkle Augen. Und im Moment ist er triefend nass, das Wasser läuft ihm in Bächen den Körper hinab und tropft auf den Parkettboden.

»Bei allen Kamelen des Sultans!«, schimpft er los und schaut an sich herunter. »So bin ich noch niemals empfangen worden!«

Ich gaffe ihn von oben bis unten an, von seinen pechschwarzen Haaren bis zu seinen nackten Zehen, um die sich eine Wasserpfütze bildet. Bin ich verrückt geworden? Ist das eine Halluzination? Was zum Teufel war in der Lasagne drin?

Er schaut mich ebenfalls an, sein Ausdruck eine Mischung aus Verärgerung und Verwirrung.

»Stell dich bitte auf den Teppich«, stottere ich, bevor ich überhaupt weiß, was ich sage. »Meine Mutter wird sauer, wenn der Parkettboden nass wird.«

Er blickt an sich hinunter, sieht die Pfütze zu seinen Füßen und macht langsam einen Schritt zur Seite, so dass er auf dem Wohnzimmerteppich steht.

Ich starre ihn weiterhin an, sprachlos, bis Gargamel plötzlich angetrottet kommt. Er beäugt zuerst den nassen Fremden in Pluderhosen, dann mich, wie ich im Pyjama und mit dem Kübel in der Hand danebenstehe, dann leckt er ein wenig Wasser vom Boden auf und trottet seelenruhig weiter in Richtung Küche.

Können Katzen Halluzinationen sehen? Ich stehe wie angewurzelt vor der merkwürdigen Erscheinung und warte darauf, dass sie wieder verschwindet. Sekunden vergehen, mir kommt es vor wie eine Ewigkeit.

Der nasse Typ in Pluderhosen steht immer noch vor mir.

»Wer …?«, beginne ich schwach. »Was …?«

»Warum hast du das gemacht?« Er runzelt die Stirn, das Missfallen in seiner Stimme ist deutlich.

»Was gemacht?«, hauche ich.

»Mich mit Wasser übergossen! Warum hast du das gemacht?«

»Wegen des Rauchs«, murmele ich. »Ich habe gedacht, die Lampe würde brennen …«

Er faucht geringschätzig. »Die Lampe. Brennen. Was für ein Unsinn! So etwas habe ich ja noch nie erlebt.«

Er hat so etwas noch nie erlebt?! Ich suche verdattert nach den richtigen Worten.

»Was …? Wie …?«, stottere ich. »Wer bist du?«

Er verzieht das Gesicht, dann lässt er sich zu einer übertriebenen Verbeugung herab. »Ich bin Dschinn. Dein ergebener Diener«, beginnt er und rattert einen Monolog herunter: »Seit Anbeginn der Zeit bin ich der Geist der Lampe, dazu verpflichtet, demjenigen zu dienen, dem sie gehört, ich habe die Wünsche von Königen, Kalifen und Sultanen erfüllt, und nun gewähre mir die Ehre, dir die deinen zu erfüllen, Herrin der tausend Kamele.« Damit verharrt er in einer tiefen Verbeugung, die Arme zur Seite ausgestreckt.

»Herrin der tausend …? Was?« Ich starre ihn an, glaube es nicht, dass er noch immer vor mir im Wohnzimmer steht, anstatt einfach zu verschwinden. Lösen sich Halluzinationen nicht irgendwann wieder in Luft auf?

Er verharrt in der tiefen Verbeugung, dreht aber den Kopf zu mir hoch. »Kamele«, zischt er mir aus dem Mundwinkel zu. »Herrin der tausend Kamele.« Dann dreht er den Kopf wieder nach unten und wartet offenbar darauf, dass ich irgendetwas tue.

»Ich … äh … habe aber keine tausend Kamele«, stottere ich. Es ist das Einzige, was mir einfällt.

»Viele«, stößt er zwischen den Zähnen hervor. »Tausend bedeutet viele. Es bedeutet, dass du reich bist.« Er klingt ungeduldig und etwas gereizt. Die ganze Situation wird immer verrückter.

Ich beuge mich zu ihm runter und verdrehe den Hals, damit ich ihm ins Gesicht sehen kann. »Ich, äh, bin aber nicht reich.«

Plötzlich hebt er den Kopf, legt ihn schief und guckt mich an. »Wärst du es gern?«, fragt er mit einem ganz anderen Ton in seiner Stimme.

»Ob ich gern reich wäre? Ich … weiß nicht … kannst du dich bitte mal aufrichten, ich kriege gleich einen Krampf im Nacken.« Ich massiere meinen Hals, während er sich aus der tiefen Verbeugung aufrichtet und sich mir gegenüberstellt. Jetzt muss ich den Kopf heben, damit ich ihn ansehen kann. »Wer zum Teufel bist du?«

»Bei allen Goldmünzen des Kalifen. Sie ist schwer von Begriff.« Er sieht mich mit einem Ausdruck an, als würde er an meinem Verstand zweifeln, holt tief Luft und rattert von vorn los: »Ich bin Dschinn, dein ergebener Diener, seit Anbeginn der Zeit bin ich der Geist der Lampe, dazu verpfl…«

»Ich habe dich schon beim ersten Mal gehört«, unterbreche ich ihn. »Und ich hab’s schon beim ersten Mal nicht kapiert.«

Er stutzt. Die übertrieben würdevolle Maske fällt von ihm ab. »Nicht kapiert? Wie, nicht kapiert? Was gibt’s daran nicht zu kapieren?«

Spinne ich? Bin ich auf dem Sofa eingeschlafen, nach zu viel Schokoladeneis und Lasagne? Ist das ein Traum?

»Bist du eine Halluzination?« Bescheuerte Frage.

Er verzieht das Gesicht. »Ich bin der Geist der Lampe …«

»Träume ich? Du kannst doch nicht echt sein!« Ich strecke vorsichtig meine Hand aus und stupse mit dem Finger gegen seinen Arm. Er fühlt sich warm und lebendig an und mein Finger wird nass von dem Löschwasser.

»Bin ich verrückt?«, flüstere ich.

Er beobachtet mit gerunzelter Stirn, wie ich gegen seinen Arm stupse und dann meinen Finger anstarre.

»Würde dein Verhalten jedenfalls erklären«, murmelt er gedehnt.

Für eine Halluzination fühlt er sich verdammt real an, wie er da tropfnass mitten im Wohnzimmer steht, mit einem ziemlich irritierten Ausdruck im Gesicht.

»Wer bist du?«, flüstere ich, und als er wieder zu seinem Monolog ansetzt, stoppe ich ihn mit einer Geste. »Und sag jetzt nicht wieder: Der Geist der Lampe.«

Er schüttelt den Kopf und stemmt die Hände in die Seiten. »Was für eine seltsame Herrin bist du eigentlich?«

Seltsam? Ich soll diejenige sein, die hier seltsam ist?!

Ich öffne den Mund und schließe ihn wieder ohne ein Wort herauszubringen. Ich habe keinen Schimmer, was hier vor sich geht.

Der Pluderhosen-Typ kratzt sich am Kopf. »Also gut. Du bist im Besitz der Lampe, richtig?« Er deutet auf das Teil aus Messing, das so unscheinbar auf dem Wohnzimmertisch steht.

Ich nicke verwirrt. »Ich habe sie am Freitag gekauft.«

»Hast du daran gerieben? Vielleicht, weil du sie reinigen wolltest?« Er macht eine unschuldige Geste. Mir kommt der Verdacht, dass er diese Unterhaltung nicht zum ersten Mal führt.

»Ja. Sie war schmutzig, ich konnte die Schrift auf der Unterseite nicht erkennen.« Ich greife nach der Lampe und drehe sie um, zeige ihm die arabischen Schriftzeichen. »Weißt du, was da steht?«

Er zieht eine Augenbraue hoch. »Ja. Da steht: ›Nicht reiben‹.«

»Oh.« Ich lasse die Lampe sinken. »Und du bist … wirklich da drin gewesen? Und mit dem Rauch rausgekommen?« Ich komme mir so blöd vor, als ich meine eigenen Worte höre, und kann nicht glauben, dass ich ihn das tatsächlich gefragt habe. Aber diese Traumgestalt oder Halluzination oder was auch immer er ist hält sich hartnäckig. Er scheint nicht daran zu denken, wieder zu verschwinden.

»Ja.«

»Äh … warum?«

Er verdreht die Augen, so als würde er etwas völlig Offensichtliches erklären müssen. »Weil du an der Lampe gerieben hast.«

Ich starre abwechselnd die Lampe und dann ihn an. Die Pluderhosen, die Armreifen, die tiefdunklen Augen, die ganze orientalische Aufmachung …

»Dann bist du – so was wie ein … Flaschengeist?«

»Lampen. Ich bin ein Lampengeist.« Er schnalzt geringschätzig mit der Zunge. »Flaschengeist, also wirklich …«

»Tut mir leid«, murmele ich. »Und wie … heißt du?«

»Dschinn.«

»Dschinn? Und wie weiter?«

»Nichts weiter. Nur Dschinn.«

Ich blinzele. »Du bist ein Dschinn und heißt Dschinn?«

»Wir Lampengeister haben keinen Namen.«

»Oh … okay. Ich bin Lori.« Ich presse die Lippen zusammen. »Tut mir leid wegen dem Wasser.«

Er fährt sich durch die nassen, pechschwarzen Haare und oh Mann, jetzt fällt mir auf, wie attraktiv der Typ ist. Er hat dunkle Augen und schwarze Wimpern, so dicht, als hätte er seine Augen mit Kajal umrahmt. Sie geben ihm ein verwegenes Aussehen. Sein Oberkörper ist muskulös und durchtrainiert, er kann sich definitiv ohne Shirt sehen lassen. Und diese Wassertropfen auf seiner braunen Haut … er sieht aus wie eins dieser Models aus einer Parfümwerbung für Männer, das gerade aus dem Ozean steigt. Er trägt breite Goldspangen an beiden Handgelenken, die dunkelblaue Pluderhose ist ebenfalls mit goldenen Ornamenten verziert – der Aufzug müsste eigentlich lächerlich wirken, aber an ihm sieht es verdammt maskulin aus.

»Du bist also wirklich … ein Flaschengeist? Lampen! Ein Lampengeist!«, korrigiere ich mich hastig, als ich seinen entrüsteten Gesichtsausdruck sehe.

Er nickt würdevoll.

»Aber …«, stottere ich, »euch gibt’s doch gar nicht! Das sind doch bloß Geschichten!«

Er verschränkt die Arme. »Ich stehe vor dir, oder etwa nicht?«

Gutes Argument.

»Und du … kannst meine Wünsche erfüllen?«

»Du bist die Besitzerin der Lampe«, erwidert er schlicht.

Entweder habe ich den Verstand verloren und bilde mir das alles bloß ein, was beinahe noch schlimmer wäre … oder aber – und ich wage kaum, diese Möglichkeit überhaupt in Erwägung zu ziehen – vor mir steht ein tatsächlicher, leibhaftiger Dschinn. Bereit, meine Wünsche zu erfüllen.

Das wäre wie ein Hauptgewinn im Lotto. Nein, besser, viel besser, ich könnte mir alles wünschen, was ich nur will!

Spinnst du, Lori? So was passiert nicht wirklich, schon gar nicht jemandem wie dir!

Ich kneife mich in den Arm.

»Aua!«

»Was ist?«, fragt der Dschinn.

Ich reibe mir die schmerzende Stelle. »Ich wollte wissen, ob ich träume.«

»Du träumst nicht.«

»Du bist wirklich … echt?«

»Warum fragen mich das immer alle?« Er verdreht die Augen. »Jedes Mal dieselbe Leier! ›Bei allen Göttern, ist er ein Dschinn? Ein echter Dschinn? Bla bla bla …‹ – nur ein einziges Mal möchte ich einem Herrn der Lampe begegnen, der sich tatsächlich freut, mich zu sehen!«

Ich fasse es nicht, er ist beleidigt!

»Tut mir leid«, stammele ich. »Ich, äh, freue mich ja, aber … wenn du wirklich ein Dschinn bist, dann … beweise es.«

Ich bereue meine Worte augenblicklich. Die Augen des Dschinns werden schmal, er legt den Kopf schief, zum Zeichen, dass er meine Herausforderung annimmt.

Bevor ich noch ein Wort herausbringe, packt er mich am Arm – und im nächsten Augenblick umklammere ich einen Felsblock in schwindelnder Höhe.

»Was zum …?!« keuche ich erschrocken, kralle mich an dem Sandstein fest und blicke mich um. Es ist Nacht, wir befinden uns in einer Wüste, umgeben von hohen, spitz zulaufenden Bauwerken. Der Dschinn und ich hocken auf dem höchsten der Steinbauten und während ich mich in Todesangst festklammere, sitzt er entspannt auf einem Felsblock, die Beine übereinandergeschlagen. Seine Mundwinkel zucken.

»Und? Glaubst du mir jetzt?«

»Du hast mich … auf die Spitze … einer Pyramide … gebracht?«, japse ich fassungslos.

Er grinst. »Wirkt immer. Hat schon einen Sultan, zwei Kalifen und Hassan, den Kameltreiber, beeindruckt.«

»Hassan den …?«, hauche ich schwach. »Bring mich hier weg!«

Er verschränkt seelenruhig die Arme hinter dem Kopf. »Glaubst du jetzt, dass ich ein echter Dschinn bin?«

»Ja! Ja, ich glaube dir, okay? Ich will bloß noch hier runter!«

Er schmunzelt und im nächsten Augenblick befinden wir uns wieder in meinem Wohnzimmer. Ich sacke keuchend auf die Knie, mein Herz schlägt wie verrückt.

Der Dschinn lässt sich gemütlich auf der Couch nieder. »Also dann, Herrin? Welche Wünsche soll ich dir erfüllen?«

»Lass mich … eins … klarstellen«, schnaufe ich. »Keine Ausflüge mehr … auf Pyramidenspitzen … kapiert?«

Er zuckt grinsend mit den Schultern. Langsam beruhigt sich mein Puls wieder. Ich vertraue meinen Beinen noch nicht, meine Knie fühlen sich an wie Wackelpudding, also bleibe ich vorerst auf dem Teppich sitzen.

»Also gut«, murmele ich. »Damit ich das richtig verstehe: Ich darf mir wünschen, was immer ich will, und du musst meine Wünsche erfüllen?«

Der Dschinn richtet sich auf der Couch auf. »Ganz so einfach ist es nicht. Es gibt da ein paar Regeln.«

»Regeln? Du meinst Einschränkungen?«

Er nickt. »Erstens, ich kann die Vergangenheit nicht verändern. Würde ein unglaubliches Durcheinander in der Gegenwart erzeugen, also frag gar nicht erst danach. Zweitens: ich habe keinen Einfluss auf die Gefühle und Gedanken von Menschen. Ihr seid für das Chaos in euren Köpfen selbst verantwortlich, ich halte mich da raus. Und drittens: Ich kann Dinge nicht erschaffen, ich kann nur ihren Aufenthaltsort zu einem bestimmten Zeitpunkt verändern.«

»Den letzten Punkt verstehe ich nicht.«

»Es bedeutet, dass alles, was du dir wünschst, schon irgendwo existieren muss. Ich kann es dir herbeizaubern, aber nicht erschaffen, verstehst du? Wenn du dir beispielsweise eine Maschine wünschen würdest, die fliegen kann, dann müsste es die geben, damit ich sie herzaubern kann.«

»Oh. Weißt du, äh, die gibt’s schon. Nennt sich Flugzeug.«

Der Dschinn stutzt. »Jemand hat eine Maschine gebaut, die fliegt?«

Ich nicke langsam. Mir kommt der Verdacht, dass der Dschinn seine Lampe schon seit einer Weile nicht mehr verlassen hat.

»Menschen können sogar zum Mond fliegen.«

Er schüttelt den Kopf. »Das ist Unsinn, Herrin. Niemand kann zum Mond fliegen.«

»Nenn mich nicht Herrin, ich heiße Lori. Wie lange warst du in der Lampe eingesperrt?«

»Fünfhundert Jahre, mehr oder weniger.« Er überlegt. »Oder waren es siebenhundert? Vielleicht auch achthundert … Zeit bedeutet nichts für mich, das ist einer der wenigen Vorteile, die man als Dschinn hat. Wie könnten wir sonst die Ewigkeit in einer Lampe zubringen, ohne verrückt zu werden? Und einen übergeschnappten Lampengeist will niemand haben, glaub mir.«

»Kann ich mir vorstellen«, murmele ich. Ich habe zwar keine Ahnung vom Ausmaß der Kräfte des Dschinns, aber ich will mir gar nicht ausmalen, was für Schaden ein wahnsinniger Dschinn anrichten könnte. »Heißt das, du warst jahrhundertelang da drin?«

Er nickt.

Wow.

»Und du hast keine Ahnung, was währenddessen hier draußen passiert ist?«

»Was soll schon groß passiert sein? Wurden dem Sultan die Kamele geklaut?«

»Ob dem Sultan …?« Ich blase die Backen auf. »Weißt du, niemand hier reitet auf Kamelen. Während du in der Lampe warst, haben wir alles Mögliche erfunden, es gibt Autos, Handys, das Internet …«

»Ich verstehe nicht, wovon du sprichst.« Dann hellt sich sein Gesicht auf. »Wünschst du dir diese Dinge? Ich kann sie für dich beschaffen, wenn du willst.«

Unsicher starre ich ihn an. »Wie kannst du etwas herbeizaubern, was du gar nicht kennst?«

»Das ist Teil der Magie der Lampe. Sie unterstützt alles, was zur Erfüllung deiner Wünsche nötig ist. Deshalb spreche ich auch deine Sprache … die Laute sind übrigens ungewöhnlich.« Er streicht über seinen Kehlkopf. »Welche Sprache ist das?«

»Deutsch«, erwidere ich verwirrt. »Ich weiß noch gar nicht, was ich mir wünschen soll … Kann ich mir alles wünschen, was ich will?«

»Mit den genannten Einschränkungen, ja.«

»Und wie viele Wünsche habe ich frei?«

»Drei. Mehr Wünsche wünschen ist nicht erlaubt, also denk nicht mal dran.«

Drei Wünsche! Oh, Mann. Ich wäre gern beliebt, ich wäre gern dünn und ich will, dass sich Alex Ritter in mich verknallt.

Mist, warum kann der Dschinn keine Gefühle beeinflussen?

»Weißt du schon, was du haben willst?«, fragt er und krault Gargamels Kopf. Mein Kater, der sich sonst von keinem Fremden anfassen lässt, ist auf den Schoß des Dschinns gesprungen und hat es sich dort bequem gemacht. Verblüfft beobachte ich, wie er die Augen schließt und zu schnurren anfängt. Ist das ein gutes Zeichen?

»Ich muss mir das gut überlegen«, antworte ich, fasziniert vom ungewöhnlichen Verhalten meines Katers. »Bis wann muss ich denn meine Wünsche äußern?«

»Lass dir so viel Zeit, wie du willst.«

Drei Wünsche. Drei Wünsche. Drei Wünsche! Lori, reiß dich zusammen! Ich atme tief durch.

Was soll ich mir bloß wünschen? Die Entscheidung muss wohlüberlegt sein. Was würde mich am glücklichsten machen?

Rote Converse kommen mir in den Sinn. Alex Ritter.

Ah, Mist.

Und am zweitglücklichsten? Tausend Ideen schwirren durch meinen Kopf, ich kann kaum noch klar denken. Wie soll ich mich nur entscheiden?

Mein Handy klingelt und reißt mich aus meinen Gedanken. Geistesabwesend ziehe ich meine Tasche zu mir heran und krame nach dem Smartphone. Julias Nummer erscheint auf dem Display.

»Hallo?«

»Ich stehe gerade vor meinem Kleiderschrank und habe keine Ahnung, was ich morgen zum Date mit Jens anziehen soll!«, heult sie aus dem Hörer.

»Glaub mir, das ist egal«, murmele ich, überhaupt nicht bei der Sache. »Du siehst in allem toll aus.«

»Lori, das hier ist wichtig! Es ist das erste Mal, dass wir gemeinsam etwas unternehmen, und wahrscheinlich werden seine Freunde dabei sein, da ist es absolut entscheidend, was ich anhabe! Ich dachte, vielleicht das graue Top mit den Strasssteinen?«

»Ihr geht klettern, Julia.«

»Ich weiß«, sagt sie ungeduldig. »Aber danach gehen wir vielleicht noch etwas trinken und da kann ich ja schlecht in Sportkleidung auftauchen, oder?«

Ich habe im Moment weder die Nerven noch die Geduld mich mit Julias Modeproblemen herumzuschlagen und muss mich gewaltig zusammenreißen. »Das mit den Strasssteinen ist zu viel. Nimm doch das Blaue, das du gestern angehabt hast.«

»Das Blaue? Das kennt er doch schon! Soll er denken, dass ich immer dasselbe trage?«

Ich atme lautlos aus, zähle im Geist bis zehn. Mein Handyakku piepst. »Das ist ihm bestimmt egal, Julia.«

»Aber mir nicht! Es muss perfekt sein, verstehst du? Das ist immerhin unser erstes …«

»Ich weiß«, unterbreche ich sie. Der hohe Ton geht mir auf die Nerven. »Ich wünschte, der blöde Akku würde nicht mehr piepsen! Jetzt pass auf, wie wäre es, wenn wir morgen in der Schule Becky fragen?«

»Becky?« Julia klingt entsetzt. »Seit wann hat die denn Ahnung von Mode?«

Seit wann habe ich denn Ahnung von Mode?! Doch ich halte lieber den Mund.

»Das rote«, sage ich schließlich. »Nimm das rote Top.«

»Daran habe ich auch schon gedacht … keine schlechte Idee …«

»Lass uns morgen noch mal drüber reden, okay? Ich muss jetzt Schluss machen.«

»Ich probier’s gleich mal mit den neuen Jeans an …«

Ich seufze und lege auf. Julias Probleme möchte ich haben. Die wüsste bestimmt gar nicht, was sie mit drei Wünschen anfangen sollte, ihr Leben ist ja schon perfekt.

»Drei Wünsche …«, murmele ich vor mich hin. »Drei Wünsche …«

»Entschuldige?« Der Dschinn streichelt jetzt Gargamels Bauch, während sich der Kater auf seinem Schoß auf dem Rücken räkelt. »Du bist bei zwei Wünschen angelangt.«

Ich runzele die Stirn. »Was? Wovon redest du da?«

»Du hast deinen ersten Wunsch soeben verbraucht.«

»Ich verstehe kein Wort. Ich habe doch keinen Wunsch verbraucht!«

»Doch. Du hast gesagt: Ich wünschte, der blöde Akku würde nicht mehr piepsen. Ich habe zwar keine Ahnung, was das bedeutet, aber ich habe deinen Wunsch erfüllt.«

Ich starre ihn sprachlos an, meine Kinnlade klappt herunter. Dann blicke ich auf mein Handy. »Lautlos? Du hast den Ton auf lautlos gestellt?!«

»Es piepst jetzt nicht mehr, oder?«

Ich schnappe nach Luft. »Aber … aber … das war doch kein Wunsch!«

»Da bin ich anderer Meinung. Du hast alles richtig gemacht: die richtige Formulierung, sie unterlag keiner der Beschränkungen, alles in allem ein perfekter Wunsch.«

»Das war kein perfekter Wunsch!« Ich springe auf. Das darf doch nicht wahr sein! »Das war überhaupt kein Wunsch, das war doch bloß so dahingesagt!«

Durch mein Herumgefuchtel aufgescheucht faucht Gargamel und springt vom Schoß des Dschinns. Ein dünnes Lächeln erscheint auf den Lippen des Lampengeists.

»Gern geschehen.«

»Ich wollte das gar nicht! Du musst den Wunsch ungeschehen machen, sofort!«

Der Dschinn richtet sich auf. »Tut mir leid, das kann ich nicht. Einmal ausgesprochen, kann ein Wunsch nicht zurückgenommen, und einmal erfüllt, kann ein Wunsch nicht rückgängig gemacht werden. Das gehört auch zu den Regeln.«

»Ach ja?« Ich spüre, wie mir die Hitze in die Wangen steigt. Wahrscheinlich ist mein Gesicht schon voller roter Flecken, aber das ist mir in diesem Moment so was von egal. »Und du bist nicht auf die Idee gekommen, mir das früher zu sagen?!«

Er steht auf und tritt mir entgegen. »Ich bin nicht verantwortlich dafür, was du dir wünschst. Ich sorge nur dafür, dass sich deine Wünsche erfüllen.«

»Das war aber keiner meiner Wünsche!«, schreie ich ihn an. »Denkst du im Ernst, dass ich einen Wunsch an das blöde Handy verschwenden würde?«

»Ist doch nicht meine Schuld, wenn du nicht weißt, was du willst!«, blafft er zurück. Auch ihm scheint gleich der Kragen zu platzen.

»Ich weiß vielleicht nicht, was ich will, aber es ist bestimmt kein verdammtes stumm geschaltetes Handy!«

»Das solltest du dir beim nächsten Mal überlegen, bevor du einen Wunsch äußerst! Ich habe nur meine Aufgabe erledigt!«

»Du hättest dir doch denken können, dass das bloß so dahingesagt war! Wer wünscht sich schon so etwas Banales?!«

Die Miene des Dschinns versteinert. »Vergib mir, Herrin«, zischt er eisig. »Es steht mir nicht zu, deine Wünsche in Frage zu stellen. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich ziehe mich zurück. Es sei denn, du willst mich noch weiter anschreien.«

Er wartet nicht auf meine Zustimmung, sondern verschwindet in einer Rauchsäule zurück in die Lampe.

»Dschinn! Dschinn! Ach, verdammt!« Ich schnappe mir die Lampe und schüttele sie, doch der Dschinn lässt sich nicht wieder blicken.

»So ein Mist!« Ich trete wutentbrannt gegen den Wohnzimmertisch. »Aua!« Vor Schmerz schießen mir Tränen in die Augen. Ich hüpfe einbeinig durchs Wohnzimmer und halte mich schließlich am Bücherregal fest.

Das darf doch nicht wahr sein! Habe ich wirklich einen Wunsch an mein blödes Handy verschwendet?!

Während das schmerzhafte Pochen in meiner großen Zehe langsam nachlässt, ebbt meine Wut genauso langsam ab und macht reinem Ärger Platz – Ärger auf mich, ich war leichtsinnig, einfach so gedankenlos vor mich hinzuplappern.

Ich humple zur Couch, lasse mich in die Kissen fallen, blase die Backen auf und lasse die Luft langsam entweichen.

Okay, Lori, du musst in Zukunft ganz genau darauf achten, was du sagst und wie du dich ausdrückst.

Schließlich will ich meine verbliebenen beiden Wünsche nicht an ein vergessenes Schulbuch oder Ähnliches verschwenden.

Es ist ganz still im Wohnzimmer, die unscheinbar wirkende Lampe steht vor mir auf dem Tisch. Ich starre sie an und beiße mir auf die Unterlippe. Das schlechte Gewissen steigt in mir auf. Schließlich, und das muss ich mir selbst eingestehen, ist es wirklich nicht seine Schuld gewesen.

Unschlüssig greife ich nach der Lampe und drehe sie in meinen Händen. Ich sollte mich bei ihm entschuldigen.

»Dschinn?«

Keine Reaktion.

»Äh … kannst du da rauskommen, bitte? Ich will mit dir sprechen.« Ich fühle mich wie eine Idiotin, während ich so auf die Messinglampe einrede. Trotzdem zeigt sich keine Reaktion, die Lampe wird weder heiß noch steigt Rauch auf.

»Dschinn? Hör mal, ich will mich entschuldigen.« Ich halte die Lampe so, dass ich in den Schnabel hineinsprechen kann. »Komm raus, ja?«

Gar nichts.

Ist er wirklich so beleidigt?

»Na gut«, murmele ich trotzig. »Dann bleib eben da drin.«

Ich stelle die Lampe zurück auf den Tisch. Erst trommele ich auf meinen Oberschenkeln herum, dann stehe ich auf und hole einen Mob, um die Überschwemmung im Wohnzimmer wieder trockenzuwischen, in der Hoffnung, dass meine Mutter nichts davon bemerkt, wenn sie morgen früh nach Hause kommt. Zum Glück hat der Dschinn das meiste Wasser abbekommen und den Rest hat der Teppich aufgesaugt.

»Du verrätst kein Wort.« Ich werfe Gargamel einen strengen Blick zu, als der Kater es sich auf der Couch bequem macht und mir beim Arbeiten zusieht. Meine Mutter hätte garantiert kein Verständnis für überschwemmte Wohnzimmer oder qualmende Lampen vom Flohmarkt, und erst recht nicht für beleidigte Dschinns in Pluderhosen. Ich kann mir ihren Gesichtsausdruck lebhaft vorstellen, wenn ich ihr vom Dschinn erzählen würde. Sie würde mich entweder für verrückt erklären oder aber sie würde mich zum Drogentest schicken. Da ich auf beides keine Lust habe, beschließe ich, ihr gegenüber besser den Mund zu halten.

Ich nehme die Lampe mit in mein Zimmer und verstecke sie in der Schublade meines Nachttischs. Als ich kurz darauf im Bett liege und im Dunkeln an die Decke starre, grübele ich darüber nach, ob ich vielleicht doch verrückt bin.

Entweder das, oder es ist vorhin wirklich ein Dschinn in meinem Wohnzimmer aufgetaucht, hat mich auf die Spitze der Pyramide und zurückgebeamt, und dann habe ich den ersten meiner drei Wünsche an mein blödes Handy verschwendet.

Lori, du bist verrückt.

Bestimmt wache ich morgen früh auf und alles ist bloß ein Traum gewesen.

***

Die Zeit schleicht dahin, ich liege hellwach im Bett und starre an die Decke. Meine Gedanken kreisen nur um meine Begegnung mit dem Dschinn. Schließlich gebe ich auf, schalte die Nachttischlampe ein und ziehe die Lampe aus der Schublade hervor.

Mein Herz pocht wie verrückt, während ich die Lampe anstarre. Sie sieht so unscheinbar aus!

Ich räuspere mich. »Dschinn? Äh … kannst du rauskommen, bitte?«

Ich warte gespannt. Nichts geschieht.

»Dschinn? Ich will mit dir reden. Bitte komm heraus.«

Nichts rührt sich, die Lampe bleibt kühl.

»Dann eben anders.« Ich rubbele mit dem Finger über den Bauch der Lampe – und prompt wird sie warm. Qualm steigt aus dem Schnabel auf und Augenblicke später sehe ich den Dschinn vor mir, mit verschränkten Armen und einem grimmigen Gesichtsausdruck.

»Was?«, faucht er.

Der Dschinn steht tatsächlich da, es ist keine Halluzination! Es dauert einen Moment, bis ich meine Stimme wiedergefunden habe.

»Hör mal, es … es tut mir leid. Ich hätte dich nicht so anschreien dürfen.«

»Mh«, brummt er. Dann blinzelt er mich an. »Du willst dich bei mir entschuldigen?«

»Ja.«

Er sieht misstrauisch aus. »Kein Herr hat sich jemals bei mir entschuldigt.«

»Ich schon. Es tut mir leid, dass ich dich angeschrien habe. Es war nicht deine Schuld. Verzeihst du mir?«

»Ob ich …?« Der steinerne Ausdruck auf seinem Gesicht löst sich auf. Seine Stimme klingt ebenso verwundert wie würdevoll. »Ja, ich verzeihe dir.«

Es scheint, als kämen ihm diese Worte zum ersten Mal über die Lippen.

»Hat dich wirklich noch nie jemand um Verzeihung gebeten?«, frage ich leise.

Er schüttelt den Kopf.

»Das gibt’s doch nicht. Was waren das bloß für Leute?«

»Ich war immer nur ein Diener. Niemand hat es für nötig befunden, sich Gedanken über meine Gefühle zu machen.« Er spricht ruhig, aber mit so viel Würde in der Stimme, dass sich in meinem Hals ein Kloß bildet.

Ich schlucke. »Na ja … ich mache mir Gedanken um deine Gefühle. Und falls ich sie verletzt habe mit meinem Wutausbruch, dann tut es mir ehrlich leid.«

Ein ungläubiger Ausdruck tritt in seine Augen und ich habe das Gefühl, dass er mich zum ersten Mal richtig ansieht. Dann lächelt er, fast ein wenig schüchtern.

Ich rücke ein Stückchen zur Seite, mache ihm Platz auf dem Bett. »Willst du dich zu mir setzen, bitte? Ich habe ein paar Fragen an dich.«

Er nimmt neben mir Platz und wirkt fast ein bisschen unbeholfen, so anders als noch vor ein paar Minuten. Da war er noch zynisch, gelangweilt und überheblich. Jetzt verschränkt er unsicher die Hände in seinem Schoß.

»Was ist mit dir?«, frage ich leise.

»Nichts, ich …«

»Habe ich etwas Falsches gesagt?«

»Nein. Im Gegenteil, du bist so … so anders als die anderen.«

Plötzlich glaube ich, zu verstehen. »Ist es möglich, dass keiner der früheren Lampenbesitzer jemals freundlich zu dir war?«

Er zuckt mit den Schultern. »Sie haben mich benutzt, um ihre Wünsche zu erfüllen. Ich war ihr Diener, das war alles.«

»Oh. Tut mir leid.« Ich fasse seine Hand und drücke sie. Er starrt ungläubig auf unsere Hände hinunter. Plötzlich steigt Ärger in mir auf, Ärger auf die früheren Besitzer, die nur die Dienste des Dschinns in Anspruch genommen und es offenbar nie für nötig gehalten haben, den Dschinn respektvoll zu behandeln. Er ist doch auch nur ein Mensch. Gewissermaßen.

»Hör mal, ich möchte gern wissen, woran ich mich halten muss, damit diese Sache mit dem Wunsch-Verschwenden nicht noch einmal passiert. Was genau gilt denn als Wunsch?«

»Alles, was du mit den Worten ›Ich wünsche‹ aussprichst.«

»Passiert es auch, wenn ich es bloß denke?«

»Nein. Du musst es laut aussprechen.«

Ich verbanne die Worte Wunsch und wünschen auf der Stelle aus meinem Wortschatz – bis ich weiß, wofür ich meine letzten beiden Wünsche verwenden will.

»Ich könnte mir selbst dafür in den Hintern treten, dass ich den ersten Wunsch verschwendet habe«, brumme ich vor mich hin und beiße mir auf die Zunge. Jetzt ist mir direkt schon wieder das W-Wort rausgerutscht!

»Sei froh, immerhin hast du zwei Wünsche«, erwidert der Dschinn, und seine Stimme klingt plötzlich dunkel.

»Was meinst du damit? Kannst du dir selbst denn gar nichts wünsch… äh, herzaubern?« Mist, Lori, konzentrier dich! So schwer kann das doch nicht sein!

»Doch. Meine Kräfte sind fast unbegrenzt, ich kann alles herbeizaubern, was ich will.« Er lächelt, traurig und bitter. »Mit einer Ausnahme. Leider ist das die einzige Sache, die ich wirklich will.«

Ich richte mich auf. »Was ist es? Was kannst selbst du mit deiner Magie nicht bewirken?«

Er blickt auf seine Hände hinunter, dann hebt er den Kopf und sieht mich an. In seinen dunklen Augen brennt ein Feuer aus Sehnsucht und Traurigkeit. »Meine Freiheit.«

Ich verstumme für einen Moment. »Wirklich? Du bist nicht frei?«

»Ich bin an die Lampe gebunden für alle Ewigkeit, dazu verpflichtet, die Wünsche der Besitzer zu erfüllen.« Er lacht freudlos. »Ich verfüge über fast unbegrenzte Macht und doch bin ich ein Gefangener.«

»Mann«, murmele ich. »Im Ernst? Ein Dschinn, der sich die Freiheit wünscht? Klischeehafter geht’s ja fast nicht.«

Er zuckt mit den Schultern. »Sag mir eine einzige Sache, die mehr wert ist als die eigene Freiheit. Nicht länger jahrhundertelang darauf warten zu müssen, dass irgendjemand kommt, dessen Wünsche ich erfüllen muss … sondern stattdessen meine eigenen Entscheidungen treffen zu können, zu kommen und zu gehen, wann es mir gefällt, kein Sklave mehr zu sein – das ist mehr wert als alles andere auf der Welt.«

Ich schaue ihn schweigend an und fühle mich plötzlich wie eine egoistische Idiotin. Da sitzt er, so würdevoll, und gleichzeitig liegt so viel Sehnsucht in seiner Stimme, wenn er davon spricht, wie es wäre, frei zu sein … und ich habe ernsthaft überlegt, mir zu wünschen, dünner zu sein.

»Ich schenke dir meinen dritten Wunsch«, sprudelt es aus mir heraus.

Er hebt erstaunt den Kopf. »Was?«

»Meinen dritten Wunsch. Ich schenke ihn dir. Du kannst damit machen, was du willst.«

Er runzelt sanft die Stirn. »Wünsche können nicht verschenkt werden«, sagt er langsam.

»Oh … tja, dann wünsche ich es mir für dich. Wenn du deine Freiheit willst, wirst du sie bekommen.«

Er wendet sich ab, dann schnauft er, ein sarkastischer Ton in der Stimme. »Ja. Klar. Du opferst mir einen deiner letzten beiden verbliebenen Wünsche.«

»Glaubst du mir nicht?«

Seine Hand ballt sich zu einer Faust. »Bitte treibe keine so grausamen Scherze mit mir.«

»Das ist kein Scherz. Ich meine es ernst.«

Er starrt mich an, sprachlos, sein Blick so intensiv, dass ich den Kopf senke.

»Du willst mir wirklich meine Freiheit schenken?« Seine Worte sind so leise, dass ich sie kaum verstehe.

Ich nicke und spüre, wie mir die Röte in die Wangen steigt.

»Warum?«, fragt er leise. »Warum willst du das für mich tun?«

»Ich weiß nicht«, flüstere ich. »Vielleicht, weil es das Richtige ist?«

Er starrt mich immer noch an, sein Blick so ungläubig und gleichzeitig so voller zurückgehaltener Hoffnung, dass es mir das Herz bricht. »So etwas wollte noch nie jemand für mich tun.«

»Ich tue es. Mit meinem dritten Wunsch. Du hast mein Wort.« Ich strecke ihm meine Hand hin.

Er zögert, dann hebt er ganz langsam seine Hand und schüttelt meine. »Okay«, flüstert er. »Ich schätze, ich habe nichts zu verlieren.«

***