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Eine Gruppe aus unsterblichen Außenseitern und Magiern namens ,Die Eternos` wehrt sich im Neapel des 15. und 16. Jahrhunderts gegen religiöse Fanatiker, welche die ,Eternos` vernichten wollen. Im Jahr 1516 eskaliert die Situation und die Eternos müssen die Stadt verlassen. 500 Jahre später flammt der Krieg erneut zwischen den beiden Parteien auf, wobei diesmal der sterbliche Bamberger Krankenpfleger Pierre und seine Freundin Sofia mit hineingezogen werden.
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Seitenzahl: 1053
Veröffentlichungsjahr: 2025
Hiermit danke ich meiner besten Freundin Alina für die tolle Unterstützung während des Schreibens, für all die Motivation, guten Einwände, Ideen und Vorschläge. Ohne dich hätte ich es nicht soweit geschafft!
Außerdem gilt der Dank meinem Mann Manuel, der mir immer wieder den Rücken zum Schreiben freigehalten hat, sowie auch all den anderen Menschen, die mein Buch gelesen und mir wertvolle Ratschläge gegeben haben!
© 2024 Anna Christina Frey
Coverdesign von: Jennifer Wunderwald
Satz & Layout von: Jennifer Wunderwald
Covergrafik von: Jennifer Wunderwald, Midjourney
Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.
Inhaltsverzeichnis
Raffaele Monti - Neapel, Neujahr 1459
Antonio Monti
Pierre Durant - Bamberg, Oktober 2016
Luciano Morelli - Neapel, September 1516
Anna Travino
Luciano Morelli
Anna Travino
Bamberg, Oktober 2016
Luciano Morelli
Pierre Durant
Sofia Arendt, Erlangen, zwei Tage später (Oktober 2016)
Luciano Morelli
Bamberg, kurze Zeit später (Oktober 2016)
Caterina Gonzalez, Neapel, Oktober 1516
Luciano Morelli, Stunden später im Hause Morelli /Marini (Neapel, Oktober 1516)
Alessandro Marini in Sartorris Taverne, zur gleichen Zeit
Luciano Morelli, kurz darauf (Oktober 1516)
Kurze Zeit später im Hause Marini/Morelli
Alicia Durant, Erlangen, Oktober 2016
Alicia Durant, Ein paar Stunden später
Alicia Durant, eine halbe Stunde später in Bamberg
Anna Travino
Bamberg, Oktober 2016
Alicia Durant
Bamberg, drei Stunden später (Oktober 2016)
Eine halbe Stunde später
Luciano Morelli
Giovanni Bernadi, Nur wenige Stunden später, irgendwo außerhalb von Bamberg
Giovanni Bernadi, Nürnberg, September 1999
Giovanni Bernadi, 17 Jahre später (Oktober 2016)
Sofia Arendt, Erlangen, Dezember 2016
Luciano Morelli, Neapel, Oktober 1516
Kurze Zeit später
Riccardo Gonzalez, zwei Wochen später (November 1516)
Caterina Gonzalez, zur selben Zeit (Neapel, November 1516)
Felix Tanner, Bamberg, 31. Dezember 2016
Alicia Durant, Bamberg, zur selben Zeit (31.12.2016)
Luciano Morelli, Etwa zur selben Zeit (Bamberg, 31.12.2016)
Charlotte Durant, Paris, Januar 1995
Alicia Durant, 21 Jahre später, Bamberg im Dezember 2016
Pierre Durant, Bamberg, 31.12.2016
Maria und Martin Arendt, Straßburg, Februar 1995
Felix Tanner, Bamberg, Silvester 2016/17
Alicia Durant, zur gleichen Zeit (01.01.2017)
Isabella, Bamberg, zur selben Zeit (01.01.2017)
Alicia Durant, Bamberg, kurze Zeit darauf (01.01.2017)
Luciano Morelli, kurz darauf (Bamberg, 01.01.2017)
Stefano Bernadi, Berlin, zur selben Zeit (Neujahrsnacht 2017)
Die wichtigsten im Überblick
Die Eternos
Weitere Personen
Personen der Gegenwart
Die Autorin
Beklommen starrte Fael hinaus in die Dunkelheit.
Die Kälte und die Finsternis, welche ihm entgegenschlugen, waren wie ein Spiegelbild seiner Gefühle, die ihn wie ein fester Griff umklammerten. Verstohlen sah er sich um, doch er konnte nichts und niemanden erkennen. Dabei war der Junge sich hundertprozentig sicher gewesen, dass da jemand vor ihrem Haus herumgeschlichen war. Aber es war wohl doch einfach nur seine Angst, die mit ihm durchging, sonst war da nichts.
Dennoch wollte Fael nicht weg vom offenen Fenster, denn es graute ihm vor dem, was ihn gleich erwarten würde. Verzweifelt sah er nach oben in den Himmel. Dieser war klar, nur vereinzelt waren ein paar Sterne zu sehen. Fael fragte sich, ob seine Eltern gerade von da oben auf sie herabsahen. Immer wieder flehte er sie stumm an, bat um einen Ratschlag, doch um ihn herum blieb es still.
»Siehst du Fael, da ist niemand«, tönte eine Stimme aus dem Hintergrund.
Es war sein Bruder Antonio, der hinter ihm stand und ungeduldig darauf wartete, dass Fael sich endlich »der Sache« widmete.
»Es ist schon spät, wir sollten schlafen gehen«, sagte Raffaele, wie er mit vollem Namen hieß, ohne auf die Aussage seines Bruders einzugehen oder sich gar zu ihm umzudrehen.
Dieser zog Fael unsanft vom Fenster weg und schloss die Läden. »Stell dich nicht so an, kleiner Bruder. Wovor fürchtest du dich?«
Fael schaute zu der Kerze auf dem Esstisch, die Antonio für den ersten Versuch bereitgestellt hatte. Statt darauf zu antworten, schüttelte Fael den Kopf. »Es ist Sünde, Teufelswerk, schwarze Magie«, flüsterte er gedankenverloren.
»Unsinn …«, fing sein Bruder an, doch Fael sprach einfach weiter: »Vater und Mutter haben es mir verboten!« Er erinnerte sich noch gut daran, wie er nur ein einziges Mal versucht hatte, ein kleines Feuer hinter dem Haus zu zaubern. Sein Vater hatte ihn erwischt und daraufhin windelweich geprügelt. »Hast du den Verstand verloren, Junge?! Wenn dich jemand erwischt, sind wir tot!«, hatte dieser geschrien. »Willst du, dass man uns alle umbringt?!« Fael hatte daraufhin monatelang nicht mehr das Haus verlassen dürfen.
»Wach endlich auf, unsere Eltern sind tot! Wir sind auf uns allein gestellt!«, brach es aus Antonio heraus, doch sofort bereute dieser seinen harschen Ton. Er kniete vor seinem kleinen Bruder nieder und nahm seine Hände. »Hör zu, Fael. Diese Männer haben unseren Vater auf dem Gewissen. Wir müssen sie aufhalten. Aber mit bloßen Händen können wir nichts ausrichten, wir brauchen deine magischen Kräfte.«
Fael öffnete bereits den Mund, doch dieses Mal ließ Antonio ihn nicht ausreden: »Ich weiß, was du sagen möchtest, kleiner Bruder, aber Vater hatte unrecht. Deine magische Gabe hat dir Gott geschenkt, nicht der Teufel, daher nutze sie! Es ist Gottes Wille, dass du sie gegen unsere Feinde verwendest.«
Sein kleiner Bruder wirkte noch nicht überzeugt. »Ich habe solche Angst, Toni«, flüsterte Fael. »Keiner weiß, was diese Kräfte alles anrichten können. Was ist, wenn ich die Kontrolle verliere?«
»Du musst es versuchen. Wir haben keine andere Wahl, Bruder. Unsere Eltern wollten nicht, dass du deine Magie verwendest, weil sie dich vor der Welt da draußen schützen wollten, schützen vor jenen Menschen, denen deine Gabe Angst bereitet. Doch jetzt gibt es nur noch uns zwei und deine Magie ist das Einzige, was uns noch schützen kann vor diesen teuflischen Bastarden, die sich ewige Brüder nennen.« Antonio spuckte vor Verachtung auf den Fußboden. Dann trat er zur Seite und deutete mit der Hand auf die Kerze. »Du schaffst das, kleiner Bruder«, versuchte er Fael zu ermutigen.
Fael schloss die Augen und atmete tief ein. Sekunden verstrichen, doch nichts passierte. »Ich kann nicht!« Tränen der Verzweiflung liefen Faels Wangen herunter.
Antonio verpasste seinem jüngeren Bruder eine sanfte Kopfnuss.
»Natürlich kannst du das! Du hast schon mal ein kleines Feuerchen hinbekommen. Du willst nur nicht!« Er wurde immer wütender: »Willst du nichts unternehmen? Lässt dich Vaters Tod so kalt?!«, schrie er.
»Natürlich nicht!« knurrte Fael und im nächsten Moment gab es ein lautes Zischen und der Tisch stand in Flammen.
Zunächst standen beide Brüder regungslos da und starrten entgeistert auf das Feuer, dann fasste sich Antonio wieder, nahm einen Eimer Wasser und kippte den Inhalt über das Flammenmeer. »Fael«, keuchte er. »Fael, du hast es geschafft! Das ist sogar mehr, als ich zu wagen gehofft hatte!«
Doch Fael konnte die Freude seines älteren Bruders nicht teilen. Als kleiner Junge wollte er unbedingt seine Kräfte ausprobieren, doch mittlerweile bereiteten sie ihm Angst.
»Zaubern ist schwarze Magie, Magie des Teufels. Gottesfürchtige Menschen bedienen sich dieser Macht nicht, sie stellen sich nicht über Gott«, hatte sein Vater immer gesagt und ihm dabei ausgemalt, welche Höllenqualen einem Menschen, der sich von Gott abwandte oder diesen herausforderte, im Totenreich später erwarteten.
»Du weißt, was du zu tun hast?«, riss Antonio seinen kleinen Bruder aus den Gedanken.
»Ich soll sie mit einem Feuer töten?«, fragte Fael zweifelnd.
Selbst wenn es stimmte, was sein großer Bruder behauptete, nämlich, dass diese Männer Schuld am Tod des Vaters trugen, so graute sich Fael dennoch davor, Menschen umzubringen.
Antonio war sich durchaus bewusst, was er da von seinem kleinen Bruder erwartete. Der Junge war gerade mal acht Jahre alt, aber Antonio hatte nun mal nicht diese Zauberkräfte vererbt bekommen, sondern Fael. Also musste Fael es durchführen. So hatte es Antonio ihm erklärt. »Wir zählen alle auf dich, kleiner Bruder. Guiseppe hat mir die Nachricht überbracht, dass diese Bastarde in drei Tagen ein großes Treffen geplant haben.« Guiseppe war der Spion der »Gotteskrieger«, einer radikal religiösen Vereinigung, der sich erst Dario Monti, Raffaeles und Antonios Vater und dann nach dessen Tod dann Antonio angeschlossen hatte. »Das ist unsere Chance. Du wirst durch deine Gedanken ein Feuer entfachen, das sich so schnell ausbreiten wird, dass keiner entkommen kann, der sich in dem Haus befindet. Und falls doch …« Antonio lächelte perfide. »Dann tötest du sie mit deinen bloßen Gedanken. Saugst ihnen mit deinen magischen Kräften das Leben aus.« Das Lachen, das Antonio ausstieß, hatte nichts Menschliches mehr an sich.
Fael bekam es immer mehr mit der Angst zu tun. Er hatte jedoch weniger Angst vor den Männern, die angeblich seinen Vater getötet haben sollen, sondern viel mehr vor seinem eigenen Bruder und den anderen Gotteskriegern, die vor keiner Grausamkeit mehr zurückschreckten und allein den bloßen Gedanken, Menschen zu töten, als amüsant empfanden. »Ihr seid nicht besser als die!«
Kaum hatte Fael die Worte ausgesprochen, erstarb Antonios Lachen abrupt. Mit der flachen Hand schlug dieser seinem kleinen Bruder ins Gesicht.
»Wie kannst du es wagen?!«, brüllte Antonio ihn an.
Fael zuckte zusammen und hielt sich die gerötete Wange.
»Sie haben unseren Vater ermordet!« Antonio war fuchsteufelswild. »Und dich hätten sie als Säugling getötet, wenn sie von deinen Kräften erfahren hätten, nur weil du ihnen gefährlich werden könntest! Wegen dieser Teufelsanbeter mussten wir die ganzen letzten Jahre um unser Leben fürchten und ausgerechnet du stellst dich auf ihre Seite?!«
»Ich wollte doch nur sagen …« Fael kamen die Tränen und er bereute, was er gesagt hatte. Er war sich durchaus bewusst, in welcher Lage sie sich befanden. Er glaubte nur nicht daran, dass ein gewaltsamer Anschlag die Lösung ihrer Probleme war. Gewalt bringt immer nur Gegengewalt, dies hatte Raffaele trotz seiner zarten acht Jahre bereits gelernt.
Außerdem verstand der Junge nicht, warum Antonio wie sein Vater die Eternos als »Teufelsanbeter« bezeichnete. Dario Monti hatte die Eternos so genannt, weil er der Überzeugung gewesen war, dass diese die Macht des Teufels, also Magie, nutzen und daher dem Teufel untertänig waren.
Antonio dagegen hatte stets behauptet, dass die Magie eine von Gott gegebene Gabe war. Wenn Magie von Gott verliehen wird und die Eternos diese Magie nutzen, wie können sie dann Teufelsanbeter sein?Antonio widerspricht sich selbst, fand Raffaele. Doch er traute sich nicht, seinen älteren Bruder darauf hinzuweisen.
Antonio ahnte nichts von Raffaeles Gedankengängen, sondern fuhr ihn weiter an: »Wenn du es nicht willst, muss ich dich eben dazu zwingen. Entweder du machst mit bei unserem Plan oder ich jage dich hinaus auf die Straße. Dann kannst du sehen, wie du für dich selber sorgst, kleiner Bruder. Vielleicht kannst du mich ja dann verstehen.«
Fael zuckte zusammen. »Es tut mir leid«, murmelte er mit gesenktem Kopf. »Natürlich helfe ich euch.«
Antonio legte seine Hand unter Faels Kinn und zwang ihn aufzusehen. Er sah die Tränen in den Augen seines jüngeren Bruders und seufzte. »Weißt du was? Du gehst jetzt am besten schlafen, wir machen morgen früh weiter«, sagte er betont sanft, setzte jedoch hinzu: »Aber hör gefälligst auf zu weinen. Wie soll je ein Mann aus dir werden, wenn du wie ein Mädchen immer gleich zu weinen anfängst?«
Nur eine Stunde, nachdem sie zu Bett gegangen waren, wurde Fael wieder wach. Irgendetwas hatte ihn aus dem Schlaf geschreckt. Der Junge lauschte, doch es war nichts zu hören, alles war mucksmäuschenstill. Fael rieb sich die Augen, vielleicht hatte er es nur geträumt. Er spürte, wie sein Herz klopfte. Sollte er seinen Bruder wecken? Nein, lieber nicht, entschloss er sich, sonst hieß es nur wieder, er wäre ein Weichei, dass er sich verhalten würde, wie ein Mädchen.
Dann ertönte wieder das Geräusch. Diesmal hatte Fael es klar und deutlich gehört. Es klang wie ein Schlag. Hatte da jemand gegen die Türe gehämmert? Mit zitternden Knien stand Fael auf und schlich leise zur Eingangstür. Er vernahm eine sehr leise, kaum zu verstehende Stimme, dann geschah alles sehr schnell.
Plötzlich fiel die Tür nach innen und hätte beinahe Fael unter sich begraben, wenn dieser nicht geistesgegenwärtig beiseite gesprungen wäre.
Entgeistert starrte der Junge die Männer an, die sich gerade gewaltsam den Zutritt zu dem Haus seiner verstorbenen Eltern verschafft hatten.
Sie waren alle in schwarze Kapuzenmäntel gehüllt und hatten riesige Fackeln dabei, die den ganzen Eingangsbereich hell erleuchteten. Auf ihren Gewändern war bei allen dasselbe Wappen genäht: Kränze aus geflochtenen Zweigen als Zeichen für den Sieg über den Tod und außen herum Lorbeer als Symbol ewigen Lebens.
Fael lief der kalte Schweiß über den Rücken, sein Atem wurde schneller. Er wusste sofort, wer die Männer waren: Ewiges Leben und Sieg über den Tod, das konnten nur die Eternos sein. Ein Mann schritt voran und Fael erkannte ihn. Es war Caio de Angelo, der Anführer der Eternos.
Der Mann, der ein halbes Jahr zuvor Faels Vater, Fael selbst sowie seinen älteren Bruder Antonio zu sich hat bringen lassen. Danach war Dario Monti verschwunden gewesen und Antonio, der sich zusammen mit seinem Vater im selben Zimmer aufgehalten hatte, behauptete später, Caios Handlanger hätten Dario Monti im Auftrag Caios getötet.
Fael selbst hatte es nicht gesehen, denn er war die ganze Zeit über beim Anführer der Eternos gewesen. Dessen Untergebenen dagegen dementierten Antonios Behauptung und erklärten, dass Dario Monti sie beim Verhör angegriffen hätte und anschließend geflohen war. Faels älterer Bruder erzählte diesem jedoch, als sie wieder zu Hause waren, dass Caios Männer Dario Monti gefoltert und bei lebendigem Leib angezündet hätten, während Antonio die ganze Zeit dabei zuschauen musste.
Doch Raffaele, so sehr er seinem Bruder auch glauben mochte, konnte es sich nicht vorstellen, dass Caio de Angelo das befehligt hatte. Immerhin hatte dieser Raffaele gütig und freundlich, ja fast schon fürsorglich, behandelt. Er hatte ihm Essen angeboten und Gespräche geführt, wie ein Vater mit seinem Sohn. Dabei hatte der Anführer der Eternos immer wieder erwähnt, dass seine Männer mit Faels Vater sprechen wollten, weil sie nach einem gefährlichen Mann suchten, den Dario Monti gekannt haben soll. Während ihres trauten Gesprächs hatte Caio de Angelo den kleinen Raffaele immer wieder sanft auf die Schulter geklopft.
Doch dieses Mal war alles anders. Der Caio, der vor ihm stand, wirkte kalt und gehässig, von Güte war keine Spur.
Fael war sofort klar, dass er und Antonio in Lebensgefahr schwebten, er wollte zu seinem Bruder und ihn warnen, doch Caio schnitt ihm den Weg ab.
»Hallo Raffaele.«
Fael antwortete nicht, sondern drehte sich blitzschnell um und rannte los, geradewegs auf das nächstgelegene Fenster zu.
»Schnappt ihn euch!«, befahl Caio seinen Männern. Einer von ihnen bekam Faels Nachthemd zu fassen und brachte den Jungen damit zu Fall. Ein anderer zog den Kleinen gewaltsam hoch und hielt ihn im Schwitzkasten.
»Holt mir seinen älteren Bruder«, befahl der Anführer dem Rest seines Gefolges.
»Nein!«, schrie Fael und plötzlich geschah etwas, womit er selbst nicht gerechnet hätte.
Die panische Angst um seinen Bruder entfachte eine Kraft in ihm, wie sie Fael noch nicht gespürt hatte. Innerhalb von einer Millisekunde wurde der Mann, der ihn eben noch im Schwitzkasten gehalten hatte, gegen die Wand auf der anderen Seite des Zimmers geschleudert und blieb mit weit aufgerissenen Augen in einer Blutlache auf dem Boden liegen.
Die Männer in Schwarz standen für einen Moment wie versteinert da, doch Fael selbst war mindestens genauso schockiert. Er hatte gerade einen Menschen getötet. Allerdings hatte er keine Zeit, darüber nachzudenken. Bevor ihn wieder jemand packen konnte, wich er einen Schritt zurück. »Verschwindet von hier!«, versuchte er zu schreien, doch seine Stimme zitterte so sehr, dass es viel mehr ein Flüstern war.
»Verflucht Meister, wir kommen zu spät! Die Magie hat sich in dem kleinen Teufelsbraten schon ausgebreitet, er beherrscht sie bereits! Wir haben die Situation unterschätzt, fürchte ich!«, schimpfte einer von Caios Männern. »Wir hätten zumindest unsere kleine Magierin mitnehmen sollen.«
De Angelo wollte etwas sagen, doch in dem Moment ertönte eine panische Stimme aus dem Hintergrund.
»Fael«, rief jemand.
Die Stimme gehörte Antonio, der mit einem Messer in der Hand in den Raum hineingestürzt kam und erschrocken stehen blieb, als er Caio erkannte. Er hatte offensichtlich mit Dieben oder Ähnlichem gerechnet, aber nicht damit.
Genau wie Fael vorher wollte auch Antonio sich umdrehen und davonrennen, doch Caio war schneller. Er nahm Antonio in den Schwitzkasten und riss ihm das Messer aus der Hand, um es ihm an die Kehle zu pressen.
»Pass auf, Kleiner«, sagte Caio zu Fael, während er Antonio festhielt.
»Wenn du noch einmal auch nur den Versuch wagst zu zaubern, schneide ich deinem Bruder die Kehle durch. Kooperiere mit uns und ihr beide werdet am Leben bleiben. Handelst du gegen uns, stirbt er – verstanden?«
Fael nickte zögerlich. »Tut meinem Bruder nichts, bitte.« Er versuchte so erwachsen wie möglich zu klingen. »Er hat nichts getan. Ich tue alles, was Ihr wollt, aber lasst ihn gehen.«
Antonio schüttelte den Kopf und sagte so schnell er konnte. »Nein, Fael! Sie werden mich so oder so töten und dich werden sie für alle Ewigkeit ein- sperren. Glaub mir, das ist schlimmer als der Tod! Nimm …« Weiter kam er nicht, da hielt ihm Caio den Mund zu.
Fael konnte sich denken, was sein Bruder noch sagen wollte: Nimm auf mein Leben keine Rücksicht und töte sie! Das Leben dieser Männer auszulöschen, war schließlich Antonios einziges Ziel nach dem Tod des Vaters gewesen. Fael wusste, dass Antonio dieses Ziel auch über sein eigenes Leben stellte, dass es ihm egal sein würde, wenn er selbst dabei draufginge. »Hauptsache, der Vater ist gerächt« – das waren immer Antonios Worte gewesen, wenn Fael über diese Möglichkeit gesprochen hatte.
Doch Fael wollte niemanden töten, schon gar nicht, wenn es gleichzeitig den Tod seines Bruders bedeuten würde. »Ich bin kein Mörder«, flüsterte er unter Tränen. »Ich bringe niemanden um, nicht mit Absicht.« Während er die Worte vor sich hin murmelte, wandte er seinen Blick nach unten. Er hatte noch nie so hilflos gefühlt wie in diesem Moment. Er wollte seinen Bruder nicht enttäuschen, aber er wollte ihn auch nicht verlieren, denn Antonio war die einzige Familie, die er noch hatte. »Ich bin kein Mörder.« Nur mit größter Mühe unterdrückte Fael ein Schluchzen. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sein Vater plötzlich auftauchen würde und ihn und Antonio aus dieser Lage befreien würde.
Schließlich nutze einer der etwas im Abseits stehenden Eterno – Männer die Unaufmerksamkeit des jungen Magiers, der voll und ganz auf Caio und seinen Bruder fixiert war, und näherte sich diesem langsam in einem weiten Bogen, sodass er immer mehr in Faels toten Winkel geriet.
Antonio versuchte seinen Bruder noch zu warnen, aber mehr als quietschende Laute brachte er nicht heraus, denn Caio de Angelo hielt ihm immer noch den Mund zu. Auch als Faels älterer Bruder dem Anführer der Eternos in die Finger biss, half das nichts. Dieser zuckte bei dem Biss nicht einmal. Caios Untertan nahm einen Kerzenständer, der auf dem Esstisch stand, und schlug damit Fael auf den Hinterkopf. Antonios kleiner Bruder sank lautlos zusammen.
Schließlich löste Caio wieder seine Hand vor Antonios Mund und dieser brüllte: »Nein, Fael …! Nein! Was habt ihr getan?! Er war unschuldig! Er wollte euch nie etwas tun, ich habe ihn dazu gezwungen, zu zaubern!«
Der Hintermann, der Fael niedergeschlagen hatte, fühlte nach dessen Puls. »Der Junge lebt noch«, sagte er zu seinem Anführer.
»Sehr gut«, sagte dieser zufrieden. »Fesselt ihn und bringt ihn weg.«
Die Männer gehorchten, lediglich Caio und zwei weitere Eternos blieben zurück.
»Bitte«, flehte Antonio Caio an. »Er kann eigentlich keiner Fliege was zuleide tun. Er wollte Euch nie töten. Er wollte mich nur beschützen. Lasst ihn gehen, ich flehe Euch an!«
Caio lachte. »Hältst du uns für blöd, Junge? Damit er sich rächen kann?« Antonio schüttelte den Kopf. »Das wird er nicht, dafür ist er viel zu weich und zu ängstlich. Wie gesagt, ich habe ihn zu allem gezwungen. Er wird Euch nie etwas tun! Lasst ihn verschwinden und er wird nie wieder zurückkehren!« Verzweiflung, Schuldgefühle und Todesangst brannten in Antonio wie Höllenfeuer. Er wusste, dass sein eigenes Schicksal besiegelt war, aber er wollte Fael vor Schlimmerem bewahren, und das, was seinem kleinen Bruder als Magier, gefangen in den Händen der Eternos, bevorstand, war für Antonio schlimmer als der Tod. Außerdem hatte er seinem Vater versprochen, auf Fael achtzugeben, sodass ihm nichts passiert. Antonio hatte gründlich versagt.
Caio schüttelte den Kopf, begleitet von einem spöttischen Lachen. »Vergiss es, wir werden deinen Bruder niemals frei lassen. Für das, was nun mit Fael passiert, lieber Antonio, bist du ganz allein verantwortlich. Wir hätten dich und den Jungen in Ruhe gelassen, aber du bist genauso verschlagen wie dein Vater. Nun ja, wie sagt man, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Du kannst dich darauf verlassen, dass ich deinen Bruder bis in alle Ewigkeit daran erinnern werde, wer ihn mit seinen Rachegelüsten in diese missliche Lage gebracht hat.«
Antonio war es, als ob ihm jemand einen Dolch ins Herz gestoßen hatte. Er verspürte zutiefst Reue. Jedoch nicht wegen seiner Rachepläne, sondern viel mehr deswegen, weil er Fael da mit hineingezogen hat, ihn gezwungen hat, seine Kräfte auszuüben, obwohl sich Fael selbst davor fürchtete. Dieser zahlte nun den Preis dafür. Verzweifelt senkte Antonio seinen Blick. Während er auf den Boden starrte, murmelte er ein Gebet, dass er als Kind gelernt hatte. Es war das erste Mal seit Jahren, dass er wieder freiwillig betete.
Caio unterbrach ihn rüde, indem er Antonio am Kinn fasste und dessen Kopf so weit anhob, dass dieser ihm die Augen schauen musste. Der Anführer der Eternos bedachte den jungen Mann mit einem gehässigen und abschätzigen Blick. »Du hattest übrigens recht, mit dem, was du vorhin zu Fael gesagt hast: Ich hatte keine Sekunde auch nur daran gedacht, dich am Leben zu lassen.« Caio lachte und er zog die Hand unter Antonios Kinn weg, sodass dessen Kopf wieder nach unten sackte. »Warum auch?! Deinen Bruder können wir noch gebrauchen, aber du … du bist so nutzlos wie ein Sack Flöhe.«
Er warf Antonio zu Boden, vor die Füße seiner Männer. Diese packten Antonio jeweils an einem Arm und zogen ihn hoch. Caio hielt einem der Männer das Messer entgegen, das er noch in der Hand hatte. »Tötet ihn! Ich kümmere mich um seinen Bruder.«
Pierre warf das Handy auf den Tisch. Lass es einfach klingeln, dachte er sich. Lass es einfach klingeln. Er hatte keine Lust, seine halbe Stunde Frühstückspause damit zu verbringen, sinnlose Diskussionen zu führen. Er hatte es satt, der Puffer zwischen seiner Mutter und seiner großen Schwester zu sein und ständig in deren Streitigkeiten hineingezogen zu werden. Ruf doch Alicia an und lass mich in Ruhe.
Doch das hatte er ihr bereits geschrieben. Wahrscheinlich rief sie ihn genau deswegen an, weil sie ihre Tochter nicht erreichen konnte und weil sie wusste, dass ihr Sohn gerade Pause hat. Vermutlich will Maman wieder, dass ich Alicia wieder mal etwas ausrichte. Aber das kann sie vergessen, ich bin hier nicht der Botschafter vom Dienst!
Doch das Handy, das nun vor ihm auf dem Tisch lag, hörte nicht auf zu klingeln. Er wagte es nicht, den Anruf wegzudrücken, aber rangehen wollte er auch nicht. Pierre stöhnte. Es war halb zehn Uhr morgens und er war noch viel zu müde, um zu streiten.
Er hatte die ganze letzte Nacht kaum geschlafen, denn er hatte seine Schwester wieder weinen gehört, jedoch nicht gewagt, sie zu stören. Alicia wollte in solchen Momenten allein sein und konnte ungehalten werden, wenn man diesen Wunsch nicht respektierte.
Früher war Pierres ältere Schwester, mit der er sich eine Wohnung teilte, eigentlich ein ziemlich fröhlicher Mensch gewesen. Schon immer durchgedreht und temperamentvoll, aber dennoch ein Gute - Laune - Mensch. Oder zumindest ließ sie sich leicht zur guten Laune anstecken. Doch seit Davids Tod ist nichts mehr, wie es einmal war. Obwohl das Ganze jetzt sieben Jahre her war, schien sie immer noch nicht damit abgeschlossen zu haben.
»Lass dir therapeutisch helfen, Liz. Das ist keine Schande. Manchmal wird man mit Trauer eben nicht allein fertig, vor allem dann nicht, wenn sie mit Schuldgefühlen verbunden ist.« Pierre weiß gar nicht mehr, wie oft er diesen Satz schon zu ihr gesagt hat. Doch Alicia weigerte sich bis heute beharrlich. »Niemand kann das wie- der gut reden, was passiert ist, auch kein Psychologe«, lautete dann stets ihre Antwort.
Seufzend nahm Pierre sich einen Teller und holte sich ein Brötchen aus dem Brotkorb. Dann drehte er sich um und schnappte sich den Brotaufstrich von der Theke hinter ihm.
Endlich hatte sein Handy aufgehört zu klingeln. Pierre schaute aufs Display, eine Voicemail von seiner Mutter. Er schob sein Handy schnell wieder von sich weg. Egal. Ich will jetzt nicht. Er würde es nach der Arbeit abhören. Wahrscheinlich stand seine Mutter später sowieso wieder vor seiner und Alicias Haustüre. Das ist doch immer so.
Plötzlich ging die Tür auf und Martina betrat den Raum. Martina war einer der Pflegerinnen hier auf der Station im Bamberger Klinikum, wo Pierre sein Praktikum für das dritte Ausbildungsjahr zum Krankenpfleger absolvierte. Martina schritt bereits auf die 50 zu, sah aber noch aus wie Anfang 30 mit ihrem langen blonden Haar und dem jung aussehenden Gesicht. Mit ihr verstand sich Pierre am besten, er mochte ihre lockere und beruhigende Art. Selbst in den stressigsten Situationen blieb Martina ruhig und entspannt. Pierre mochte das, weil er selbst so ein ruhiger Typ war. Deshalb freute er sich jedes Mal, wenn er mit ihr zusammen Schicht hatte, so wie an diesem Tag.
»Hey Pierre. Na alles gut?«, begrüßte sie ihn, als sie ihn dasitzend sah. Er nickte nur.Sie verstand sofort, dass etwas nicht stimmte. »Wieder Stress in der Familie?«, riet die Krankenschwester grad hinaus und nahm sich ein Brötchen sowie eine Marmelade aus dem Kühlsch rank.
Sie kennt mich mittlerweile echt gut, dachte sich Pierre. »Ja, der übliche Zoff zwischen meiner Mutter und meiner großen Schwester.«
»Echt?« Martina kaute genüsslich ihr Brötchen und schaute kurz auf ihr Smartphone, nur um es kurzerhand wieder wegzulegen. Interessiert sah sie Pierre an. »Worum geht es diesmal?«
Dieser zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, ehrlich gestanden. Ist mir auch egal. Die sollen ihren Zickenkrieg unter sich aus machen. Die gehen mir gerade beide auf den Senkel.«
Martina nickte verständnisvoll und schnippte sich mit dem Finger ein paar Brotkrümel von der Hose weg. »Ja, da hast du recht. Am besten sich nicht einmischen. Die beruhigen sich von allein irgendwann.«
Hoffentlich bald, dachte sich Pierre.
Seine Mutter und seine Schwester waren beides sehr aufbrausende Menschen und es konnte Tage bis Wochen dauern, bis der Streit verflogen war. Eigentlich kam Pierre mit seiner älteren Schwester gut klar, dennoch freute er sich, wenn er endlich mit Sofia zusammenziehen konnte, was Ende dieses Ausbildungsjahr der Fall sein würde. Endlich werde ich dann nicht mehr in irgendwelche Streitigkeiten mit hineingezogen.
Martina wollte noch irgendwas zu dem Thema sagen, doch da ging die Tür auf und Fenja erschien. Fenja war in Pierres Alter und genau wie er im dritten Ausbildungsjahr zur Krankenpflegerin. Pierre war überrascht. »Hey, Fen. Ich dachte, du hast die Woche frei?« Fenja lachte, wobei ihr wieder mal eine Strähne ihrer wilden Mähne ins Gesicht fiel. Sie hatte das gleiche Blond wie Martina und im Grunde genommen war sie wie eine jüngere Version von ihr: Die gleiche helle Haut, Augenfarbe und fröhliche Art. Fenja war ihm seit dem ersten Tag an der Schule gleich sympathisch gewesen und zusammen mit ein paar anderen Mitschülern bildeten sie eine Clique. »Meine Cousine hatte gestern eine Blinddarm OP und ich habe sie besucht. Bevor ich gehe, dachte ich, ich komme doch kurz mal bei euch vor- bei«, antwortete diese gut gelaunt.
»Oh« kam es von Martina und Pierre gleichzeitig. »Geht es ihr gut?«
»Jaja, alles gut verlaufen.« Fenja schien kein bisschen besorgt, aber das war sie eigentlich nie. Sie war der unbedarfteste Mensch, den Pierre kannte. »Ich wollte dich nämlich noch fragen, Pierre: Heute Abend wieder Bowling und danach was trinken gehen? Vincent würde auch mitkommen, er hat dieses Wochenende frei.«
Vincent war Fenjas Freund. Sie waren etwa ein halbes Jahr, bevor sie die Ausbildung angefangen hatte, zusammengekommen und wohnten seither zusammen. Vincent war etwas älter als Fenja und hatte bereits eine Zwei Zimmer Wohnung und Fenja war einfach bei ihm eingezogen.
»Klar«, erwiderte Pierre begeistert. »Ich schreib gleich mal Sofia, sie kommt sicher auch mit.«
Fenja grinste breit, wie ein Honigkuchenpferd. »Schon erledigt. Der habe ich gleich als Erstes geschrieben. Hab ihr auch gesagt, dass ich dir noch Bescheid sage.«
Sofia und Pierre waren ein dreiviertel Jahr nach Fenja und Vincent zu- sammengekommen. Kennengelernt hatte Pierre sie durch Fenja, denn Fenja und Sofia waren beste Freundinnen seit der 9. Klasse und hatten zusammen an einem Erlangener Gymnasium Abitur gemacht.
Es war Mitte Dezember, als sie sich das erste Mal getroffen haben, Dezember 2014.Nachdem die Gruppe von Pierre und Fenja schon ein paar Abende zuvor auf dem Bamberger Weihnachtsmarkt waren, schlug Fenja vor, mal den Erlangener zu besuchen. Zuerst sträubten sich die anderen ein wenig, weil ja die Zugfahrt extra kostete, schließlich konnte Fenja doch alle überzeugen. Sofia hätte an diesem Tag eigentlich ein Date gehabt, welches jedoch kurz vorher abgesagt wurde, woraufhin sie Fenja einlud, mit ihnen den Weihnachtsmarkt zu besuchen, um sie ein bisschen abzulenken.
Sofia war Pierre gleich sympathisch. Sie war wie er ein »Mischling«, wie sie selbst sagte, denn ihre Mutter kam aus Spanien, ihr Vater war Deutscher. Aufgewachsen war sie genau wie Pierre in Deutschland. Zunächst wirkte sie etwas zurückhaltend, doch kaum hatte Pierre mit ihr ein paar Worte gewechselt, blühte sie plötzlich auf. Während sich der Rest mit Glühwein betrank, standen sie nur da und unterhielten sich. Dabei waren sie so vertieft gewesen, dass sie beide den ganzen Abend über nur einen Glühwein geschafft hatten. Sie hatten bei ihren Gesprächen total die Zeit vergessen und auch um sich herum nicht mehr viel wahrgenommen.
Sofia war wie er Single und das auch schon seit Längerem. »Der Richtige war noch nicht dabei«, hatte sie an diesem Abend immer wieder gesagt. »Und mit irgendjemanden zusammen sein, nur damit ich einen Freund habe, brauche ich nicht.« Mit dieser Aussage wurde sie Pierre nur noch sympathischer. Auch er hatte zu diesem Zeitpunkt seit über einem Jahr keine Freundin mehr gehabt. Seine erste und letzte Freundin, mit der er fast sechs Monate zusammen gewesen war, hatte sich letztendlich mit seiner Schwester so zerstritten, dass sie schließlich wegen dieser Schluss gemachte hatte.
Dabei war es nicht mal so, dass Pierre sich auf die Seite seiner Schwester gestellt hatte, im Gegenteil, er hatte sich auf keine Seite gestellt und sich herausgehalten, so wie er das immer tat. Doch genau das war für Sanna das Problem gewesen: »Du bist einfach nur feige, Pierre. Feige und bequem. Du denkst, wenn du dich grundsätzlich einfach aus allem heraushältst, bist du aus dem Schneider. Aber du kannst dich nicht immer im Leben aus allem heraushalten, manchmal muss man sich für eine Seite entscheiden!«, hatte sie ihn angeschrien. Letztendlich hatte sie dann die Entscheidung getroffen – und zwar die Entscheidung zu gehen. Pierre war darüber weniger traurig gewesen, als er gedacht hätte. Erst nachdem Susanna Schluss gemacht hatte, hatte er gemerkt, wie sehr ihm Sannas Zickereien gestört und zugesetzt hatten. Seine Schwester Alicia konnte schon sehr zickig und anstrengend sein, doch Sanna war, so musste Pierre im Nachhinein feststellen, viel schlimmer.
Als Pierre Sofia das erste Mal zu sich nach Hause einlud, verstanden sich Alicia und Sofia auf Anhieb. Alles war alles so perfekt, dass Pierre dem Ganzen erst einmal insgeheim misstraute. Ständig wartete er auf einen Haken, eine schreckliche Erkenntnis, die ihn zurück in die harte Realität holen würde. Doch das geschah nicht, im Gegenteil. Zum ersten Mal seit Langem war Pierre wieder richtig glücklich.
Sofia und er waren beide eher ruhigere Menschen, die auch gerne einen Abend auf der Couch verbrachten, um sich bei einer Tasse Tee und Chips lustige Geschichte aus der Vergangenheit zu erzählen. Pierre fühlte sich in Sofias Gegenwart so wohl und geborgen, dass er kein Problem hatte, peinliche Geschichten auszupacken. Selbst als Alicia versuchte, ihren Bruder mit diesen in Sofias Gegenwart aufzuziehen, blieb Pierre ruhig. Auch als sie noch gar nicht zusammen waren, störte es Pierre seltsamerweise nicht, wenn Sofia alles von ihm wusste. Es dauerte keine zwei Wochen, bis er ihr seine komplette Familiengeschichte erzählt hatte. Bei Sanna hatte er erst ein paar Monate nach ihrem Zusammenkommen alles erzählt.
Pierre fand es faszinierend und erschreckend zugleich, wie Sofia ihn ohne große Mühe dazu brachte, ihr sein komplettes Herz auszuschütten. Doch die Vertrautheit war nicht einseitig, auch Sofia zögerte nicht lange, ihm von ihren Problemen zu erzählen. Zum Beispiel erzählte sie, dass sie, bevor Fenja in der neunten Klasse dazu kam, sehr mit Mobbing zu kämpfen hatte und dass das heute noch der Grund wäre, warum sie meistens Probleme hatte, auf Leute zuzugehen. Sie erzählte auch, dass Pierre einer der Wenigen wäre, bei dem sie nicht lange gebraucht hätte, um sich zu öffnen und dass sie sich bei ihm genauso wohlfühlte, wie er sich bei ihr.
Pierre kann sich noch genau an den Abend erinnern, er und Sofia saßen auf dem Bett und sahen sich gerade eine Dokumentation über Wildschweine und Ungeziefer in der Stadt an.Es war an einem Sonntagnachmittag Ende Januar 2015, etwa sechs Wochen nach ihrem Kennenlernen. Sofia war spontan zu einem Kaffee vorbeigekommen, weil aber gerade Alicia und ihr Freund Patrick in der Küche waren, verzogen sich Sofia und Pierre ins Pierres Zimmer. Pierre hatte den Fernseher noch an, sie zappten so durch und blieben dann bei dieser Dokumentation hängen, da nichts Besseres lief.
Zuerst herrschte eine Zeitlang schweigen, sie saßen beide mit einer Tasse Kaffee in der Hand auf dem Bett und folgten mehr oder weniger aufmerk- sam der Dokumentation. Doch plötzlich brach Sofia das Schweigen und erzählte, dass ihre kleine Schwester am Freitagnachmittag weinend nach Hause kam, weil die Jungs in ihrer Klasse sie in Sport ausgelacht und sie anschließend noch den ganzen Tag gehänselt haben. Das erinnerte Sofia an ihre eigenen Erfahrungen und ihre Verzweiflung damals, und obwohl ihre Erlebnisse ein paar Jahre her waren, hatte sie noch an diesem Tag Tränen in den Augen deswegen.
Pierre, welcher zuvor noch am anderen Ende des Bettes gesessen hatte, stand auf, setzte sich direkt neben sie und nahm sie in die Arme. Sofia wehrte sich nicht, im Gegenteil, sie schmiegte sich an Pierre. Dabei streichelte er ihr sanft über ihr Haar und ließ jede einzelne Strähne durch seine Finger gleiten. »Wie gut, dass jetzt alles vorbei ist«, versuchte Pierre sie zu trösten. »Aber trotzdem solltet ihr am besten zum Lehrer oder Rektor geh en.« Sofia löste sich langsam von ihm und sah ihn lächelnd an.
»Ja, du hast recht. Ich bin auch froh, dass sie uns das erzählt hat. Ich habe meinen Eltern erst Jahre später davon erzählt.«
Pierre liebte ihr Lächeln. Überhaupt liebte er alles an ihr: Ihre haselnuss- braunen Augen, die leicht gebräunte Haut, sowie ihre dunkelbraunen kurzen, welligen Haare. Das alles verlieh ihr einen südländischen Touch. Aber vor allem liebte er ihre einfühlsame und gutmütige Art, ihr verschmitztes Lächeln sowie ihr Lachen. Es war so ein besonderes Lachen, so quirlig.
Im Gegensatz zu Sofia sah man Pierre nicht gleich an, dass ein Elternteil aus dem Ausland kam: Seine Haut war etwas bräunlicher als die von den meisten, aber der südländische Touch war bei ihm nicht ganz so stark ausgeprägt wie bei Sofia.
Er hatte kurze, leicht wuschelige, hellbraune Haare mit ein paar dunklen Strähnen, die ihn manchmal ein bisschen abstanden, was besonders Sofia als niedlich empfand. Sein ovales Gesicht mit den spitzen Wangenknochen und dem breiten Kinn verliehen ihm zusammen mit den braunen Augen eine besondere Ausstrahlung und ließen ihn gleichzeitig viel älter und reif wirken. Er wurde öfters einige Jahre älter geschätzt, was vor allem Alicia ärgerte, denn sie wurde von Fremden immer für die jüngere Schwester von Pierre gehalten. Im Gegensatz zu ihm hatte Sofia ein eher rundliches, jugendliches Gesicht, was sie jünger wirken ließ.
Pierre nahm vorsichtig Sofias Hände. »Ja, es ist nicht immer leicht, darüber zu reden.«
Sofia lächelte. »Ja, das stimmt.« Mit diesen Worten wendete sie sich wieder der Dokumentation zu, lehnte jedoch ihren Kopf auf Pierres Schulter.
Pierre zog sie noch näher an sich heran und streichelte ihr über den Arm. Da hob Sofia kurz den Kopf und lächelte ihn an, wobei ihre Augen Bände sprachen. Das war eindeutig ein verliebter Blick.
Pierre war nicht besonders selbstbewusst und dass, obwohl er schon von vielen Mädchen gehört hatte, dass er gut aussehe und einen tollen Charakter hatte. Aber gerade den Punkt mit dem guten Aussehen konnte Pierre nicht nachvollziehen. Er fand sich nicht besonders hässlich, aber auch nicht besonders hübsch. Er hatte deswegen oft Probleme, den ersten Schritt zu machen.
Mit Sanna kam er beispielsweise nur zusammen, weil sie ihn nach seiner Handynummer gebeten und dann anschließend penetrant nach einem Treffen gefragt hatte. Und weil sie ihn einfach geküsst hatte.
Aber bei Sofia war das anders. Sie lächelte ihn so offensichtlich verliebt an, dass selbst Pierre, der sonst blind für so etwas war, es nicht übersehen konnte.
Schließlich verlor Pierre seine Hemmungen und drückte ihr einen sanften Kuss auf die Lippen. Sofia wirkte kein bisschen überrascht und erwiderte den Kuss sofort. Erst noch vorsichtig, doch dann plötzlich mit einer Leidenschaft, mit der er nicht gerechnet hatte. Mit ihren Fingern krallte sie sich in seine Haare, während er sie fest an sich drückte.
Erst nach etwa fünf Minuten ließen sie voneinander wieder los und das auch nur, weil Pierre dringend mal wohin musste.
Auf dem Weg von der Toilette zurück traf er auf Alicia mit einer Tasse in der Hand. Sie kam von der Haustür und war auf dem Weg zur Küche. Patrick war scheinbar gerade gegangen. »Na, habt ihr wild rumgeknutscht?«, fragte Alicia beim Vorbeigehen.
Pierre lief hochrot an und folgte ihr kurz in die Küche, wo Alicia gerade Wasser aufkochte und einen neuen Teebeutel in ihre Tasse warf. »Woher weißt du das?«
»Weil deine Haare total verstrubbelt sind, so als hättest du einen Stromschlag verpasst bekommen.« Seine Schwester war da ganz unverblümt, sie war bekannt dafür, das auszusprechen, was ihr gerade durch den Kopf ging.
Pierre konnte nicht verhindern, dass er in diesem Moment grinste wie ein Honigkuchenpferd, er war einfach so überglücklich. »Mhm … ja vielleicht«, sagte er nur und ging zurück in sein Zimmer. Aus dem Augenwinkel jedoch sah er noch Alicia, wie sie lächelnd mit dem Rücken zum Wasserkocher stand und Pierre hinterherschaute.
»Pierre! Pierre!« Martinas laute Stimme holte ihn unsanft in die Gegenwart zurück. Verwirrt blinzelte er sie an. »Was ist?«
Martina lachte. »Du warst gerade mal wieder gedanklich im Nirwana, oder? Du hast geschlagene zehn Minuten nur aus dem Fenster gestarrt und dich nicht geregt. Hatte schon Angst, dass dein Geist deinen Körper verlassen hat und nur noch eine leere Hülle dasitzt. Fenja ist längst gegangen, falls du dich das fragst. Sie hat Tschüss gesagt, doch du hast nicht mal reagiert.«
»Oh, okay. Ja, ich war etwas in Gedanken versunken.« Pierre fluchte innerlich, während er in sein Brötchen biss. Es passierte in letzter Zeit immer öfter, dass er in seiner Gedankenwelt versank und alles um sich herum vergaß. Besonders passierte es dann, wenn er zu wenig geschlafen hatte. Er fiel dadurch ständig in seiner Umgebung auf.
Als Pierre das Krankenhaus verließ, war es relativ frisch, weshalb er sich doch entschloss, über seinen warmen Kapuzenpulli einen Mantel drüber zu ziehen. Es war Mitte Oktober und der Herbst war im vollen Gange. Die bunten Blätter wurden vom Wind weggetragen und die ersten Menschen mit Mütze und Schal liefen an Pierre vorbei. Dieser liebte den Herbst. Er hatte Anfang Oktober Geburtstag und das war in seiner Kindheit der einzige Grund, sich auf den Schul - und Herbstanfang zu freuen. Aber auch jetzt, wo er seinen Geburtstag nicht mehr so groß feierte, verband er trotzdem immer noch Schönes mit der Jahreszeit, nämlich eine Vielzahl an Kindheitserinnerungen.
Ein paar Tropfen auf Pierres Haut kündigten Regen an. Dieser verzog das Gesicht und seine Laune sank in den Keller. So wie es aussieht, würde es heute einen heftigen Regenschauer geben, wahrscheinlich sogar Gewitter. Aber na ja, dann passt das Wetter wenigstens zum restlichen Tag, dachte er sich. Mal abgesehen davon, dass ihn zu Hause wahrscheinlich ein Familiendrama erwartete, so war der bisherige Tag auch nicht besser gewesen. Nur unzufriedene Patienten, Familienangehörige und genervte Kollegen, wie Ärzte. Bis auf Martina natürlich, die blieb als Einzige die Ruhe selbst.
Pierre wollte sich nur noch auf sein Rad schwingen, nach Hause fahren und unter die Bettdecke verkriechen. Am liebsten würde er gar nicht mehr kommen. Doch im selben Moment dachte Pierre, dass er mit diesen Gedanken Unrecht tat. Es gab auch schon andere Tage. Tage, an denen er richtig Spaß an der Arbeit hatte, den ganzen Tag mit den Patienten und deren Angehörigen gescherzt hatte und mit einem breiten Lächeln nach Hause gefahren war. Pierre erinnerte sich noch gut an eine Dame vom letzten Jahr, die mit ihren 97 Jahren zwar körperlich nicht mehr so fit war, jedoch ihn mit Witzen und Geschichten auf Trab gehalten hat. Für Pierre waren Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft eigentlich selbstverständlich, doch die Frau war so dankbar, dass sie ständig seine Hand genommen hatte und sich immer wieder überschwänglich für seine Hilfe bedankt hatte. Sie hatte ihn sogar als »Engel des Klinikums« bezeichnet.
Ja, es gab auch solche Leute, die dankbaren und humorvollen. Deshalb versuchte Pierre, diesen Tag nicht allzu sehr auf die Waagschale zu legen.
Endlich hatte er sein Fahrrad erreicht. Noch nieselte es nur leicht. Kurz bevor er aufstieg, ertönte noch mal sein Klingelton. Pierre stöhnte. Er vermutete wieder seine Mutter. Aber es war zum Glück nur Sofia. Abend, Schatz?
Ja, na klar! Freue mich schon drauf, lieb dich!, schrieb er zurück.
Mit einem verliebten Seufzer steckte er das Handy wieder ein. Jetzt aber los!, sagte er zu sich selbst, mit Blick auf den immer dunkler werdenden Himmel. Er zog seine Kapuze über den Kopf, schwang sich aufs Rad und trat fest in die Pedale. Während der Fahrt fing es dann richtig zu schütten an, doch Pierre versuchte, sich nicht über das Wetter aufzuregen. Er hatte sich heute schon genug aufgeregt.
Stattdessen versuchte er zu überlegen, worum es bei dem Streit zwischen Alicia und seiner Mutter eigentlich ging, doch es fiel ihm nicht ein. Er hatte ehrlich gestanden nicht wirklich zugehört, was er nun sehr bedauerte. Aber er hatte in letzter Zeit einfach keine Lust auf Streitigkeiten gehabt und deswegen geistig abgeschaltet, sobald Alicia die Mutter auch nur im Nebensatz erwähnte.
Schließlich, nass wie ein begossener Pudel, stellte Pierre das Rad im Innenhof ab. Er und Alicia bewohnten eine Zweizimmerwohnung in der Nürnberger Straße, was vor allem für Alicia sehr praktisch war, da sie in Erlangen studierte. Mit dem Fahrrad war sie innerhalb von wenigen Minuten am Bahnhof. Die Wohnung gehörte einem Bekannten seines Stiefvaters, weshalb Alicia und er sofort den Zuschlag bekommen hatten.
Die beiden hatten echt Glück gehabt, denn ohne die richtigen Kontakte eine Wohnung zu finden, war nicht so einfach. Vor allem nicht, wenn man nicht viel verdiente. Pierre hatte noch sein Ausbildungsgehalt und Alicia ging nur einem Nebenjob nach, zusammen reichte es gerade für die Miete. Ohne den Zuschuss ihrer Eltern kämen sie nicht zurecht, vor allem Pierres und Alicias Mutter spendete das Meiste. Das war vermutlich der einzige Grund, warum Alicia manchmal überhaupt noch mit ihrer Mutter sprach.
Das Verhältnis zwischen Alicia und ihrer Mutter war schon immer problematisch gewesen, weshalb Alicia dann auch recht früh ausgezogen war und Pierre gleich mit ihr, damit die Mutter und der Stiefvater mehr Zweisamkeit hatten. Diese wohnten in einem kleinen Hause im Hain, einem Stadtgebiet von Bamberg, was nicht allzu weit weg war von Pierres und Alicias Wohnung. Andernfalls hätte Charlotte, die Mutter von Alicia und Pierre, auch gar nicht zugelassen, dass ihre Kinder ausziehen.
Pierre dachte damals eigentlich, wenn er und Alicia ausziehen und Alicia und ihre Mutter sich nicht mehr so auf die Pelle rückten, dann würde sich das Verhältnis der beiden bessern. Doch er hatte sich geirrt, was vielleicht aber auch daran liegen könnte, dass Charlotte fast jeden zweiten Tag hier aufkreuzte.
Im selben Moment, als Pierre sein Rad im Hinterhof am üblichen Platz abstellte, hörte es zu regnen auf. Gott sei Dank! Er war schon ganz durchnässt und freute sich nur noch darauf, in trockene Kleidung schlüpfen zu können.
Doch die Freude währte nicht lange, da fuhr ein Auto in den Hof, ein silberner Golf. Pierre stöhnte. Das Auto kannte er zu gut.
Eine Frau mittleren Alters stieg aus, mit kurzen, lockigen dunkelbraunen Haaren und einer schwarzen Kunststoffbrille. Sie hatte eine Jeans, eine Bluse und einen Mantel an und schien gerade von der Arbeit zu kommen. Die Frau stieg aus, verriegelte das Auto und drehte sich dann zu Pierre um. Ihr Gesichtsausdruck sagte alles, da waren eigentlich keine weiteren Worte nötig.
»Hallo Pierre«, begrüßte ihn seine Mutter. Dann sah sie ihn kurz von unten bis oben an. »Du bist ja pitschnass, Junge!«
Pierre atmete tief durch. »Ja, der Regen hat mich überrascht, ich ziehe mich gleich um.«
»Ich dachte, nachdem du und deine Schwester mich ignorieren, komme ich einfach mal persönlich vorbei.« Charlotte Jakob, geborene Eckstein und zwischenzeitlich auch mal Charlotte Durant, fackelte nicht lange – sie ging einfach gleich zu ihrem Anliegen über.
Pierre zuckte mit den Schultern. »Das hättest du sowieso getan.«
»Wie war es auf der Arbeit?« Charlotte überging die Spitze ihres Sohnes einfach.
»So wie immer. Ein stressiger Tag«, sagte Pierre ausweichend.
»Schön.« Seine Mutter schien ihm gar nicht richtig zugehört zu haben. Sie hatte die Augen zusammengekniffen, der Mundwinkel war schief und ihre Finger zuckten. Das war so ihre typische angespannte Haltung. Bereit zum Angriff.
Na dann viel Spaß, Alicia, was immer du auch angestellt hast, dachte sich Pierre. Ich mische mich da jedenfalls nicht mehr mit ein. Das nahm er sich zumindest fest vor.
»Ich möchte mit deiner Schwester sprechen«, sagte Charlotte harsch.
»Ja, ich weiß. Das ist meistens der Grund, warum du hier bist.« Pierres Mutter verzog das Gesicht. »Sind das ihre Worte? Fängt sie schon damit an, dich gegen mich aufzuhetzen?«
Pierre verdrehte die Augen, wandte seiner Mutter den Rücken zu und schloss die Haustür auf. Das war so typisch seine Mutter, wenn sie einmal wütend war, dann war plötzlich die ganze Welt gegen sie und alles wurde als Angriff gewertet. »Nein, Mutter. Ehrlich gesagt weiß ich nicht mal, worum es geht. Es war einfach nur so eine Feststellung meinerseits. Also, dass du meistens wegen Alicia hier bist.«
Charlotte lachte, während sie hinter Pierre das Treppenhaus hoch hechtete. Obwohl Pierre eigentlich der gemütliche Typ war, hatte er seltsamerweise beim Treppensteigen immer einen Sprint drauf. Er wusste auch nicht, wieso.
»Fühlt sich mein Sohn etwa vernachlässigt?« Das war keinesfalls zynisch gemeint, denn Pierre war seit seiner Geburt ihr Liebling gewesen.
Pierre vermutete, dass das daran lag, dass er im Gegensatz zu seiner Schwester ein Wunschkind gewesen war und seine Mutter zu dem Zeitpunkt seiner Geburt schon etwas älter und damit reifer war als bei Alicia. Diese war das Ergebnis einer von vielen durchzechten Nächte im Leben der jungen Studentin Charlotte gewesen. Das Ergebnis eines One - Night - Stands mit einem französischen Studenten namens Clément Durant, der zufälligerweise der beste Kumpel von Charlottes damaligen französischen Freundin Audrey gewesen war. Nachdem festgestanden war, dass Charlotte schwanger war, heirateten die beiden und Charlotte zog zu der Familie ihres Mannes nach Frankreich. Vier Jahre später kam Pierre auf die Welt, in der Hoffnung, er würde die zerbrechliche Ehe noch etwas mehr stabilisieren.
Clément versuchte die Bevorzugung von Pierre auszugleichen, indem er Alicia wie eine Prinzessin behandelte. »Ma pétite princess« nannte er sie immer, was auf Deutsch: »meine kleine Prinzessin« bedeutete.
Pierre empfand es immer wieder selbst als Wunder, dass er und Alicia sich so gut verstanden. Es hätte schließlich auch passieren können, dass die beiden aufeinander eifersüchtig werden und sich deshalb zerstreiten. Aber die ständigen Streitereien der Eltern hatten Pierre und Alicia eher zusammengeschweißt. So oft haben sie beide, als sie alle noch in Frankreich lebten, zusammen in Alicias Zimmer auf ihrem Bett gesessen und sich zusammenkauernd unter der Bettdecke versteckt, während die Eltern sich gegenseitig anschrien und beschimpften. Alicia hatte Pierre dann stets in die Arme genommen, so als müsse sie ihren kleinen Bruder vor ihren bösen Eltern beschützen.
Charlotte, die Clément eigentlich nur heiratete, weil sie nun mal ein Kind zusammen hatten, wurde eifersüchtig auf Alicia, woraufhin sich das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter nicht gerade verbesserte.
Schließlich führte ein einziger Streit dazu, dass Charlotte Clément aus dem gemeinsamen Haus warf. Clément flüchtete in die Arme von Audrey, was sich im Nachhinein als fataler Fehler herausstellte. Wieder war es für Clément eine durchzechte Nacht mit schwerwiegenden Folgen. Nur diesmal nicht mit Charlotte, sondern mit ihrer besten Freundin. Es war nur eine einzige Nacht, aber sie hatte ausgereicht.
Kurz nachdem Charlotte erfahren hatte, dass Alicia und Pierre einen kleinen Halbbruder bekommen würden, zog sie einen Schlussstrich. Sie reichte die Scheidung ein und kehrte zusammen mit Alicia und Pierre, ihrem Mann und Frankreich den Rücken zu.
Das alles war vor siebzehn Jahren und seitdem lebten die drei – Charlotte, Alicia und Pierre – in Deutschland, wo Charlotte auch ein paar Jahre nach ihrer Scheidungsflucht ihren zweiten Mann Volker kennenlernte, der genau wie sie Gymnasiallehrer in Bamberg war.
Pierre ignorierte die Frage seiner Mutter und sperrte stattdessen die Wohnung auf, die er und seine Schwester bewohnten. »Alicia!«, rief er übertrieben fröhlich. Das tat er absichtlich, es war eine Art Vorwarnung an seine Schwester, dass gleich etwas Schlimmes auf sie zukommt. Wie eine geheime Botschaft. Als Kinder hatten sie das schon eingeführt, damit der andere eventuell noch rechtzeitig vor dem jeweiligen wütenden Elternteil fliehen konnte. »Maman ist da! Sie möchte mit dir sprechen!«
Pierre und Alicia waren zweisprachig aufgewachsen, auch während ihrer ersten Jahre in Frankreich. Zu jener Zeit dominierte im Alltag natürlich die französische Sprache, doch seit Charlotte mit ihren Kindern wieder in Deutschland wohnte, sprachen sie fast nur noch deutsch. Jedoch flossen gelegentlich französische Ausdrücke, Phrasen oder Schimpfwörter mit in den Sprachgebrauch, wie zum Beispiel »Maman« an- statt »Mama« oder manchmal nannte Alicia Pierre auch »Mon pétit frère«, was übersetzt hieß: »Mein kleiner Bruder.« Aber auch Schimpfwörter, wie zum Beispiel: »Merde!«, gehörten mit dazu. Nichts regte sich in der Wohnung.
Das war auch so typisch seine Schwester. Jedes Mal versuchte sie so zu tun, als wäre sie nicht da, damit ihre Mutter wieder ging und jedes Mal scheiterte sie damit.
Während Pierre sich die nassen Schuhe auszog und vor der Haustüre hinstellte, stürmte Charlotte in die Wohnung rein, gleich zu Alicias Zimmer, das sich schräg gegenüber zur Eingangstür befand und riss deren Zimmertüre auf.
Unglücklicherweise erwischte sie ihre Tochter allerdings damit in einer intimen Situation.
Diese kniete nämlich nur in Unterwäsche bekleidet auf ihrem Bett, dessen Kopfende zur Tür zeigte. Alicias Kopf war zwischen Patricks Beinen verschwunden, der komplett nackt auf dem Bett lag, und zwar mit dem Kopf zu Charlotte, sodass er sie nicht sehen konnte.
Pierre, der sich mittlerweile auch die nassen Socken ausgezogen und barfuß die Wohnung betreten hatte, wollte eigentlich nicht hinschauen, er wusste, das gehört sich nicht. Doch er konnte sich nicht bewegen, stand wie erstarrt da. Es war wie ein Unfall: Man wollte nicht hinsehen, aber man musste.
Alicia schreckte hoch und sah ihrer Mutter direkt in die Augen. »Was zum Teufel …!«, schrie sie entsetzt und gleichzeitig fassungslos über diesen extremen Einbruch in die Privatsphäre.
Patrick war zunächst kurz etwas verwirrt, dann bemerkte er erst, dass wohl jemand anderes noch im Raum stand. Peinlich berührt hielt er sich die Hände vor sein Glied, um es zu verdecken, was im erregten Zustand gar nicht so einfach war und rückte ein bisschen von Alicia weg. Danach setzte er sich auf und drehte sich dabei leicht um. »Hallo Frau Jakob«, stammelte er wie ein kleiner Schuljunge. Er war knallrot im Gesicht.
Obwohl Pierre Patrick noch nie wirklich hatte leiden können, fühlte er in diesem Moment trotzdem ein wenig mit ihm mit. Alicia und ihr Freund waren zwar mittlerweile schon seit über sechs Jahren zusammen, doch es gab Dinge zwischen Himmel und Erde, da würde sich kein Mensch jemals dran gewöhnen. Das hier zum Beispiel. Pierre schämte sich wieder einmal mehr für seine Mutter, die einfach kein Schamgefühl besaß.
Charlotte Jakob störte sich kein bisschen am Anblick des peinlich berührten und splitterfasernackten Freundes ihrer Tochter – im Gegenteil, sie beachtete ihn überhaupt nicht. Ohne irgendeine Begrüßung polterte sie einfach drauflos. »Alicia Bernadette Elisabeth Durant, ich muss sofort mit dir reden! Auf der Stelle!«
Alicia schrie: »Bist du verrückt, Mutter! Hast du noch nie was von Privatsphäre gehört?!«, sprang vom Bett auf und warf Charlotte die Tür vor der Nase zu.
»Hey, Alicia!«, rief Pierre so laut, dass es seine Schwester auch durch die geschlossene Tür hören konnte. »Du müsstest doch langsam wissen, dass, wenn Maman kommt, du lieber die Tür zusperren solltest!«
Charlotte funkelte ihren Sohn böse an. »Halt dich daraus, Pierre. Geh lieber in dein Zimmer und zieh dir frische Sachen an, sonst wirst du noch krank. Das ist eine Sache zwischen deiner Schwester und mir.«
Pierre zuckte nur die Schultern, ging in sein Zimmer zum Schrank, holte sich ein paar Klamotten raus und trabte zum Badezimmer. Dabei sah er Alicia und seine Mutter im Gang stehen und wild gestikulieren. Seine Schwester hatte sich mittlerweile ein T-Shirt angezogen, stand aber ansonsten nur mit Unterhose bekleidet im Gang.
Pierre schüttelte innerlich den Kopf. Manchmal fehlte es auch Alicia ein bisschen an Schamgefühl, genau wie ihrer Mutter – eine ihrer wenigen Gemeinsamkeiten.
»Was fällt dir eigentlich ein, dich in mein Privatleben einzumischen und bei Volker und seiner Familie Lügengeschichten herumzuerzählen, ich bin immerhin noch deine Mutter!«, schrie Charlotte in einer Lautstärke, die bei Pierre ein Klingeln in den Ohren verursachte.
Mehr als einmal hatten sich die Nachbarn über Lärmbelästigung be- schwert, doch Charlotte und Alicia war das egal.
Misch dich nicht ein, Pierre, mahnte eine Stimme in Pierres Kopf. Du bist sonst nur wieder der Dumme!
Pierre fand es immer wieder selbst interessant, wie er gegen seinen inneren Trieb ankämpfen musste, nicht einzuschreiten. Er besaß ein ausgeprägtes Helfersyndrom und er hasste sich dafür. Jedes Mal, wenn er einen Streit mitbekam, verspürte er das Bedürfnis, diesen zu schlichten. Auch dann, wenn es ihn gar nicht betraf. Pierre kannte kaum jemanden, der sich so wie er selbst gerne in Schwierigkeiten brachte. Die meisten Menschen in seinem Umfeld hielten sich aus Streitigkeiten, in denen sie nicht involviert waren, heraus. Nur er konnte das nicht. Manchmal dachte sich Pierre, wenn alle auf der Welt so wie er wären, würde es keinen Krieg geben.
Pierre hatte schon seine Hand an der Klinke der Badezimmertür, schaute aber noch zu seiner Schwester. Er war gespannt auf ihre Reaktion. Was zur Hölle hatte sie herumerzählt?
Seine Schwester schaute der Mutter in die Augen, sie verzog das Gesicht, doch von Reue keine Spur. Ihr Blick war gehässig und kalt. Sie stand da wie eine Rächerin. »Lügengeschichten, sagst du?! Das sind keine Lügengeschichten! Julia hat es selbst gesehen, nämlich als sie ihre kleine Schwester abgeholt hat und die erfindet so was sicherlich nicht! Nicht Julia! Gleich angerufen hat sie mich danach, so geschockt war sie. Hat mich gefragt, ob ich davon weiß, was na- türlich nicht der Fall war. Ich dachte, ich fall vom Stuhl, als ich das hörte!«
Julia war Alicias beste Freundin. Bei dem Namen dämmerte Pierre etwas. Alicia hatte den Namen die letzten zwei Tage immer wieder erwähnt und sich in dem Zusammenhang über irgendwas aufgeregt.
Plötzlich wurde Pierre klar, worum der Streit ging. Er hatte nur Wortfetzen mitbekommen und erst jetzt fügte sich alles zu einem Puzzle zusammen.
Schnell verschwand er ins Badezimmer, um möglichst wenig von dem Schussfeuer, das gleich folgen würde, mitzubekommen.
Doch zu seinem Leidwesen schrien die beiden Frauen so laut, dass er alles durch die geschlossene Tür mithören konnte. Zwar gedämpft, aber dennoch verstand er jedes einzelne Wort.
»Du hast gegenüber Volker behauptet, ich würde es seit längerem mit einem Kollegen treiben! Sag mal, was fällt dir eigentlich ein, so was zu behaupten und dann auch noch gegenüber Volker!«, hörte Pierre seine Mutter schreien.
»Und ist es nicht so?«, Alicia hatte hörbar jeglichen Respekt gegenüber ihrer Mutter verloren.
Krampfhaft versuchte Pierre nicht hinzuhören.
Er streifte sich die nassen Klamotten vom Leib, trocknete sich mit einem Handtuch aus dem Badezimmerschrank ab und zog sich was Frisches an. Währenddessen stritten sich die Frauen seiner Familie hinter der Badezimmertür weiter.
Pierre öffnete vorsichtig die Tür, nachdem er die nassen Klamotten über die Badewanne gelegt hatte, blieb jedoch in der Türschwelle stehen.
Er wusste nicht, was er jetzt tun sollte.
»Julia meinte, sie hätte gesehen, wie ihr euch geküsst habt, als sie ihre kleine Schwester von der Schule abgeholt hat. Du und dieser Lehmann, wie lange geht das schon? Du sollst irgendwas zu ihm gesagt haben von wegen:
‚Ich empfinde auch etwas für dich, Michael, aber ich bin verheiratet?‘ Ich habe Volker angerufen, weil ich dachte, er sollte das wissen. Er hat ein Recht darauf. Weißt du, du hast Papa diesen einen Fehltritt übelgenommen und dich scheiden lassen. Okay, das kann man vielleicht noch verstehen, obwohl du eigentlich diejenige warst, die ihm das Leben zur Hölle gemacht hat und ihn aus dem Haus geworfen hat …«
Charlotte schnappte hörbar nach Luft, doch Alicia ließ sie gar nicht aus- reden. Sie hatte sich gerade erst in Rage geredet.
»Aber, statt ihn einfach gehen zu lassen, hast du ihn jahrelang terrorisiert. Hast immer wieder, wenn er eine Frau kennengelernt hat, ihr gesteckt,
was er getan hat und es dabei immer wieder falsch dargestellt. Dich als Unschuldslamm hingestellt und ihn als den untreuen Ehemann, der dich über Monate hinweg betrogen und dich und deine Kinder im Stich gelassen hat?«
»Er hat mich auch betrogen!« Charlottes Stimme zitterte merklich. Sie war fassungslos, was sie sich von ihrer Tochter anhören musste.
»Ja, einmal und nicht monatelang. Und hat es bitter bereut und dich um eine zweite Chance angefleht. Aber dir war dein Stolz wichtiger und du bist einfach abgehauen. Und uns hast du mitgeschleppt, ob wir wollten oder nicht. Du hast uns nicht einmal gefragt.«
Es war, als ob die ganze Wut, die sich die ganzen letzten Jahre bei Alicia angestaut hatte, plötzlich aus ihr herausbrach.
»Er hat dich einmal betrogen, aber du hast ihn mehr als zehn Jahre lang terrorisiert! Erst als du mit Volker zusammen warst, hast du ihn in Ruhe gelassen, weil du dann dein Glück gefunden hast! Aber Papa ist heute noch allein, deinetwegen. Er hat mehr als einmal zu mir gesagt, dass er es aufgegeben hat, nach jemandem zu suchen, weil du ihm sowieso immer alles kaputt machst.«
»Alicia« Obwohl ihn sein Bauchgefühl warnte, konnte Pierre nicht anders, als sich einzumischen. »So sehr ich Papa auch liebe, das, was er getan hat, war sehr verletzend, vor allem, weil Maman und Audrey Freundinnen waren. Beste Freundinnen. Gerade du müsstest das wissen, wie sich das an- fühlt. Ich sage nur Mark.«
Alicias und Charlottes Köpfe schellten in seine Richtung. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass Pierre mittlerweile auch im Gang stand. Markus, von allen nur Mark genannt, war Alicias erster Freund gewesen. Er kam nicht mehr mit deren ständigen Schuldgefühlen und Wutausbrüchen, bedingt durch Davids Tod, zurecht und hatte sie schließlich mit einer ihrer Freundinnen betrogen. Daraufhin hatte Alicia mit ihm Schluss gemacht und sich in die Arme von Patrick geflüchtet.
Doch das war noch nicht alles: Sie hatte daraufhin mit sämtlichen Leuten gebrochen, weil Mark zusammen mit Davids Schwester gegen Alicia gehetzt hatte und die meisten sich von den zwei einlullen ließen. Sie haben ihnen mehr geglaubt als Alicia, was diese unheimlich verletzte und das Ganze führte schließlich dazu, dass Alicias Freundeskreis sich auf
Julia, die sie von der Uni kannte, deren Freund sowie Patrick, der als Einziger aus der alten Clique zu ihr gehalten hatte, reduzierte. Das alles war vor circa sieben Jahren passiert, doch Alicia nahm das immer noch mit.
Pierre war sich bewusst, dass er sich gerade Alicia zum Feind gemacht hatte, weil er sie an Markus erinnerte und damit auch an alles, was danach folge, aber er konnte keine Ungerechtigkeiten mit ansehen und das, was Ali- cia ihrer Mutter gerade vorwarf, empfand er als ungerecht.