Die Flamme der Liebe - Barbara Cartland - E-Book

Die Flamme der Liebe E-Book

Barbara Cartland

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Beschreibung

Vada, eine junge, reiche, amerikanische Erbin, soll laut dem Wunsch ihrer Mutter einen englischen Duke heiraten. Anders als ihre Mutter träumt Vada aber nicht von einem Titel und Besuchen bei der englischen Königin, sondern von wahrer Liebe. Als sie auf ihrer Reise zu ihrem Bräutigam in Paris Halt macht, um sich eine exquisite Garderobe zu zu legen, trifft sie auf den Symbolisten Pierre, der sie mit dem Paris der Künstler bekannt macht und in den sie sich unsterblich verliebt. Kann Vada sich dem Willen ihrer Mutter widersetzen und ist Pierre wirklich der, für den er sich ausgibt?

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Seitenzahl: 173

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Die Flamme der Liebe

Barbara Cartland

Barbara Cartland E-Books Ltd.

Vorliegende Ausgabe ©2016

Copyright Cartland Promotions 1985

Gestaltung M-Y Books

1.

„Emmeline Nevada Holtz! Du wirst tun, was ich sage!“

Man hörte ein Lachen, und eine Mädchenstimme antwortete: „Nun weiß ich, Mama, daß du böse mit mir bist, denn nur dann nennst du mich Emmeline.“

„Also gut Vada“, lenkte die Mutter ein, „wenn ich auch nicht verstehen kann, daß dein Vater dir erlaubt hat, diesen lächerlichen Spitznamen zu führen.“

„Meine richtigen Namen sind lächerlich! Aber glücklicherweise war ich bereits mit zwei Jahren, oder wann immer ich zu sprechen anfing, vernünftig genug, einen von ihnen abzukürzen.“

„Die Namen sind sehr amerikanisch!“

„Natürlich, Mama, wer wollte auch etwas Anderes sein?“

Bei diesen Worten sprang sie auf und trat ans Fenster des luxuriös eingerichteten New Yorker Salons. Die Bäume im Central Park zeigten das erste Grün, und die Tulpenbeete leuchteten.

„Ich bin glücklich hier mit dir“, sagte sie nach einer Weile. „Ich möchte nicht nach England.“

„Aber ich wünsche, daß du fährst, Liebes.“

 Vada wandte sich vom Fenster ab und ihrer Mutter zu. Mrs. Holtz saß auf einem Sofa am Feuer, die Beine bedeckte eine mit Zobel eingefaßte Hermelindecke.

Eine Woche zuvor, als die Englandreise bereits geplant war, hatte sie sich beim Verlassen ihres Wagens ernsthaft den Rücken verrenkt. Der Arzt bestand darauf, daß sie für mindestens zwei Monate Ruhe hielt.

Mit ihrem hellen Haar, das jetzt in Grau überging, war Mrs. Holtz eine südliche Schönheit gewesen, als sie heiratete. Aber ihre Schönheit war nichts, verglichen mit ihrem einzigen Kind. Emmeline, oder vielmehr Vada, wie sie im Familienkreis genannt werden wollte, war hinreißend.

Ihre Mutter betrachtete sie aufmerksam, als sie nun auf dem dicken Teppich völlig geräuschlos das Zimmer durchquerte und neben ihrer Mutter niederkniete.

Ihr Haar, so blond wie Korn, das noch nicht in der Sonne gereift ist, war zurückgebürstet und gab eine perfekte, ovale Stirn frei, unter der zwei große, dunkelblaue Augen leuchteten, die von langen, schwarzen Wimpern umrahmt waren. Diese Augen beherrschten Vadas Gesicht, doch besaß sie unter einem Paar perfekt geschwungener Lippen ein kräftiges, entschlossenes Kinn, das ihrem Gesicht den Charakter verlieh, der vielen schönen Frauen fehlt.

„Laß mich bei Dir bleiben, Mama“, flehte sie.

Aber wenn Vada entschlossen war, so war es ihre Mutter umso mehr. Mrs. Holtz war schon immer die treibende Kraft in der Familie gewesen.

Ihr Mann war einer der reichsten Öl Magnate Amerikas gewesen, der sein beachtliches Reich mit eiserner Faust regierte, doch zu Hause stand er unter dem Pantoffel seiner eigensinnigen Gattin.

„Nein, Vada“, sagte sie nun. „Ich habe meine Pläne gemacht, und ich beabsichtige nicht, sie wegen solch ärgerlicher Dinge wie eines verletzten Rückens zu ändern.“

„Wir können fahren, wenn es dir bessergeht, Mama. Wie soll ich denn ohne dich in England zurechtkommen?“

„Vielleicht soll das alles so sein“, meinte ihre Mutter philosophisch. „Ich denke oft, du könntest besser zur Geltung kommen, wenn ich nicht dabei bin. Hübsche Mütter stellen ihre Töchter oft in den Schatten!“

Vada lachte.

„Aber ich werde gern in den Schatten gestellt, Mama. Außerdem, was soll ich zu dem Duke sagen, wenn du mir nicht die richtigen Worte in den Mund legst?“

„Das ist der springende Punkt, Vada“, sagte Mrs.Holtz scharf. „Du mußt auf eigenen Füßen stehen. Schließlich wirst du den Duke heiraten, nicht ich!“

Vada erhob sich und setzte sich auf einen Hocker, das Gesicht dem Feuer zugewandt. Die Flammen zauberten goldene Lichter auf ihr helles Haar, und ihr Gesicht war sehr ernst, als sie leise, so leise, daß ihre Mutter es nur schwer verstand, sagte: „Ich kann nicht, Mama! Es tut mir leid, aber ich kann niemanden heiraten, den ich nicht liebe!“

Ärgerlich rief Mrs. Holtz aus: „Wirklich, Vada! Es ist viel zu spät, um jetzt noch solchen Unsinn zu denken! Ich habe dir schon früher gesagt, es gibt in ganz Amerika niemanden, den du sonst heiraten kannst, niemanden!“

Übermut blitzte in Vadas Augen auf und ließ den ernsten Ausdruck verschwinden.

„Wir leben in einem sehr großen Land, Mama, und es gibt unzählige Männer hier!“

„Du weißt genau, was ich meine“, entgegnete Mrs. Holtz scharf. „In der Gesellschaftsschicht, der wir angehören, weiß ich im Augenblick keinen jungen Mann, der dir finanziell gleichkommt.“

„Das ist die richtige Antwort, Mama. Wie du weißt, gibt es eine Menge junger Männer, die den Debütantinnen Ball mit ihrer Anwesenheit beehren und bereit wären, um mich anzuhalten.“

„Denkst du wirklich auch nur für einen Augenblick, daß einer dieser grünen Jungen mehr an dir als an deinen Millionen interessiert wäre?“

Da Vada schwieg fuhr ihre Mutter in ruhigerem Ton fort: „Ich habe dir schon früher erklärt, Vada, daß es unmöglich ist, einen Menschen ohne seinen Besitz zu sehen. Wie kann ein Mann fragen: ,Würdest du mich lieben, wenn ich nicht Präsident, Caruso, der Prince of Wales wäre?‘ Du mußt zugeben, daß es unmöglich ist, sie ohne das zu sehen, was sie umgibt. Und für dich gilt dasselbe.“

„Willst du damit sagen, daß mich nie ein Mann um meiner selbst willen lieben wird?“

„Natürlich nicht! Ich hoffe, du wirst in deinem Leben von vielen Menschen geliebt werden, aber wenn es zur Hochzeit kommt, wie kannst du nach einigen Treffen noch sicher sein, daß er dich um deiner selbst willen liebt?“

„Du meinst, er sieht mich durch einen goldenen Schleier?“

„Genau! Ein sehr gutes Beispiel! Du bist umgeben von dem Glanz, eine Millionärin zu sein, das reichste Mädchen Amerikas!“

In schmeichelndem Ton fuhr sie fort: „Ich liebe dich, Vada, und darum versuche ich, das Beste für dich zu tun, jetzt und für die Zukunft.“

„Indem du mich mit einem Mann verheiratest, den ich nie gesehen habe und dessen einziges Interesse an mir in meinen Reichtümern liegt?“

 Vadas Stimme klang sarkastisch.

„Genau!“ antwortete Mrs. Holtz fest. „Und darum habe ich einen Mann gewählt, der etwas dafür zu geben hat! Was können amerikanische Männer dir geben, das besser ist oder zumindest dem entspricht, was du zu bieten hast? Aber ein englischer Duke kann dir eine Stellung bieten, die nur noch von der Königswürde übertroffen wird.“

„Ich bin nur erstaunt, daß du nicht nach einem Prinzen strebst.“

„Das würde ich sicher, wenn nur einer verfügbar wäre“, gab Mrs. Holtz zurück. „Aber, wenn sich jemand zu Recht königlich nennt, dann heiratet er auch jemanden aus königlicher Familie. Andere, die sich als Prinzen bezeichnen, wie die Italiener, sind meist Schwindler.“

„Ich weiß, du hast dich äußerst sorgfältig mit diesem Thema befaßt, Mama“, sagte Vada, und es klang ganz und gar nicht nach einem Kompliment.

„Ich habe mich damit befaßt“, antwortete die Mutter, „weil ich für mein einziges Kind das Beste will, was die Welt bietet. Auch wenn du das nicht glaubst, möchte ich, daß du glücklich wirst.“

Vada erhob sich und stand nun am Fuß des Sofas.

„Was du bei all dem vergißt, Mama, sind meine eigenen Gefühle. Ich habe ein Herz, und wenn ich auch wie andere Mädchen meines Alters heiraten will, so will ich mich doch auch verlieben!“

Mrs. Holtz seufzte.

„Du verlangst zu viel vom Leben. Du hast so viel, um dankbar zu sein. Ein glückliches Heim, viel Komfort, Schönheit, Reichtum und dennoch willst du mehr! Du willst die Liebe eines Mannes, den du noch nie gesehen hast und eine Märchenromanze, wie es sie nur in Romanen gibt.“

„Aber das ist natürlich! Das muß natürlich sein!“

„Für dich wird es natürlich sein, daß du deinen Mann nach eurer Hochzeit liebst, und er dich. So ist es heute in Tausenden von Ehen in der ganzen Welt.“

Vada schwieg und Mrs. Holtz fuhr fort: „In Frankreich wurden Ehen schon immer arrangiert, und ich habe gehört, sie seien äußerst gut. In England wurden sie seit der Eroberung durch die Normannen arrangiert, weil eine Braut gewöhnlich Landbesitz in die Ehe eingebracht hat.“

„Oder Geld, um mehr zu kaufen“, murmelte Vada leise.

„Im Osten“, fuhr Mrs. Holtz fort, die sich für ihr Thema zu erwärmen begann, „sehen sich Braut und Bräutigam niemals vor der Hochzeitszeremonie. Alles wird von Astrologen, Ehevermittlern und Wahrsagern arrangiert, und trotzdem ist in Indien nie die Rede von Scheidung.“

„Laß uns in England bleiben. Du willst also nicht behaupten, daß es in der Aristokratie nicht viele Skandale gibt. Ich habe schließlich davon gelesen.“

„Dazu hattest du kein Recht! Ich habe immer versucht, diese vulgären, sensationslüsternen Zeitschriften von dir fern zu halten.“

„Aber es gibt Skandale, oder nicht?“

„Wenn es sie gibt, so erst nach der Hochzeit. Natürlich wird über den Prince of Wales und seine Beziehungen zu gewissen hübschen Damen viel geredet. Aber er verhält sich Prinzessin Alexandra gegenüber immer äußerst umsichtig, offiziell gelten sie als sehr glücklich.“

„Ist das die Art Ehe, die du für mich vorschlägst?“

„Ich schlage nichts dergleichen vor“, gab ihre Mutter kühl zurück. „Wenn du mit deinem Mann klug umgehst, so wie ich mit deinem Vater, Vada, ist es sehr unwahrscheinlich, daß er sich für andere Frauen interessiert.“

„Und wenn er es tut?“ beharrte Vada.

Mrs. Holtz breitete ihre Hände aus, an denen Diamantringe funkelten.

„Wärst du mit einem englischen Duke, der von deiner Seite weicht, sehr viel schlechter bedient als mit einem Amerikaner, von dem dir vielleicht nur traurige Erinnerungen bleiben?“

„Du meinst, eine Duchess und im Besitz einer Krone zu sein, entschädigt für alles andere?“

„Es entschädigt für sehr viel. Zumindest wirst du nicht jedes Mal, wenn dein Mann nett zu dir ist, das Gefühl haben, daß er überlegt, wann er dich bitten kann, ihm einen Scheck auszustellen, für den du nichts als Gegengabe erhältst.“

„Das alles ist so schäbig, so schrecklich!“ stieß Vada heftig hervor.

„Liebes, glaube mir, es ist das Beste für dich. Es gibt kein Glück für dich in Amerika, dessen bin ich sicher.“

„Aber ich liebe Amerika, es ist mein Land!“

„Und es gibt keine Frauen, die sich besser verpflanzen lassen und anpassungsfähiger sind als Amerikanerinnen.“

„Aber ich will nicht anpassungsfähig sein. Ich glaube nicht, daß Vater mich gern mit einem Ausländer verheiratet gesehen hätte, am allerwenigsten mit einem Engländer.“

„Da irrst du dich! Dein Vater war mit mir einer Meinung, wie er es immer war, daß wir einen Ehemann für dich wählen müßten, wenn du alt genug bist. Vom Augenblick deiner Geburt an war ihm klar, daß du anders als andere Kinder bist. Deshalb bist du auf dem Land aufgewachsen, fern von Reportern und all der Publicity, die die Kinder anderer reicher Familien umgibt.“

„Papa hatte Angst, ich könnte entführt werden.“

„Natürlich“, stimmte Mrs. Holtz zu. „Muß ich dir sagen, daß das der Grund ist, daß es von dir keine Fotos, keine Porträts gibt?“ Etwas wehmütig fügte sie hinzu: „Ich hätte gern ein großes Porträt, das dich so zeigt, wie du jetzt aussiehst, oder auch nur eine Skizze von diesem jungen Mann, dessen Zeichnungen ich bewundere. Wie war noch sein Name?“

„Charles Dana Gibson“, antwortete Vada automatisch.

„Ja, Gibson. Ich glaube wirklich, er hätte es gut gemacht. Aber dein Vater war immer gegen Abbildungen von dir in den Zeitungen.“

„Ich glaube, er hat die Verleger der meisten Zeitungen bestochen“, meinte Vada.

„Natürlich hat er das! Außerdem gehören ihm auch eine Anzahl Zeitungen. Auf jeden Fall ist der Mangel an Publicity einer der Gründe dafür, daß du ein so ruhiges Leben führen konntest, und deshalb bin ich entschlossen, dich nicht der Ungeschliffenheit auszusetzen, die gewöhnlich die Debütantinnen umgibt.“

„Ich will nicht zu Bällen gehen oder mich unter Leute mischen, die mich nicht wollen.“

„Natürlich wollen sie dich! Aber nichts in New York ist so eindrucksvoll oder hat die Qualität wie die Aufgaben, die dich in England erwarten.“

„Als Duchess?“

„Als Duchess.“

Für einen Augenblick schwieg Vada, dann sagte sie: „Ich mache dir einen Vorschlag, Mama. Laß mich ein Jahr lang ein ganz gewöhnliches Leben in New York oder irgendwo in Amerika führen und jeden treffen, den du für mich aussuchst. Wenn ich in dieser Zeit niemanden treffe, den ich lieben kann, will ich nach England fahren.“

Mrs. Holtz lachte.

„Bist du wirklich so naiv, Vada, daß du glaubst, englische Dukes warten nur darauf, von einer amerikanischen Erbin geheiratet zu werden? Nein, meine Liebe, es ist alles andere als leicht, einen Duke aufzutreiben. Wenn ich in Florenz nicht mit der Mutter des Duke zur Schule gegangen wäre, hättest du diese Chance nie bekommen. Aber unsere Freundschaft hat all die Jahre überdauert. Als die Duchess vor sechs Jahren in Amerika war, besuchte sie uns auf Long Island. Damals sprachen wir miteinander, ein wenig zurückhaltend, aber dennoch in völligen Einverständnis darüber, was geschehen würde, sobald du alt genug bist.“

„Ich kann mich noch an die Duchess erinnern. Sie war ehrfurchtgebietend.“

„Sie kommt aus sehr alter englischer Familie“, erklärte die Mutter. „Da die Ländereien ihres Vaters, er war Marquis, an diejenigen des Duke of Grantham grenzten, war es nur vernünftig, die beiden Familien durch eine Ehe miteinander zu verbinden.“

„Aber dann muß sie den Duke von Kindheit an gekannt haben. Das ist etwas ganz Anderes, als nach England zu fahren, um jemanden zu heiraten, den man noch nie gesehen hat.“

„Ihr werdet euch treffen und verloben. Es ist gar nicht die Rede von einer überstürzten Heirat oder ähnlichem und ich verspreche dir, es wird die sensationellste Heirat, die es je in Amerika gegeben hat.“

„Glaubst du wirklich, daß mir das gefällt?“

„Alle vernünftigen Mädchen genießen ihre Hochzeit. Es ist der Tag, an dem du keine Rivalinnen hast, niemand kommt dir gleich. Du bist die Braut und stehst im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses.“

„Wenn die Hochzeit vorüber ist, ist man mit dem Bräutigam allein.“

 Vadas Stimme klang leicht verzweifelt.

„In deinem Fall mit einem Bräutigam, den du respektieren kannst, von gleichem Niveau. Gibst du ihm ein Vermögen, so bringt er dir eine Stellung und einen Titel, dem nichts gleichkommt.  Es gibt keine Alternative“, fuhr sie ruhig fort. „Ich verspreche dir, Vada, du bist so viel glücklicher, als wenn du irgendetwas dem trügerischen, perfiden und oft grausamen Gefühl überläßt, das man Liebe nennt.“

Da Vada sich nicht vom Fenster abwandte, sagte Mrs. Holtz nach einer Weile: „Es ist alles vorbereitet. Miss Nancy Sparling hat versprochen, dich als Anstandsdame zu begleiten, bis sie dich der Mutter des Duke übergeben hat.“

„Nancy Sparling?“

„Ja, Liebes. Sie ist die Schwester des Bischofs von New York und sehr charmant. Sie reist viel, und ich bin nicht im mindesten beunruhigt, wenn du dich in ihrer Obhut befindest.“

„Wann reisen wir ab?“ fragte Vada mit leiser Stimme.

„Nächste Woche.“

„Nächste Woche? Aber das ist unmöglich! Ich muß mich doch sicher noch neu einkleiden?“

„Daran habe ich bereits gedacht. Ich möchte nicht, daß die Zeitungen von deiner Europareise erfahren und Vermutungen anstellen. Darum wirst du alle Kleider, die du benötigst, in Paris kaufen.“

„Ich fahre nach Paris?“ Zum ersten Mal klang Vadas Stimme interessiert.

„Das hatte ich geplant, und ich bin bitter enttäuscht, daß ich nicht mitkommen kann. Paris im Frühling, das ist in der Vorstellung jeder Amerikanerin der Himmel. Glücklicherweise kennt Nancy Sparling Paris ebenso gut wie ich, wenn nicht besser. Sie hat einige Monate dort gelebt und wird dich zu den richtigen Couturiers bringen: Worth, Doucet, Rouff.“

„Das klingt zumindest interessant.“

„Ich möchte, daß du hübsch und passend gekleidet bist, wenn du in England eintriffst. Nirgendwo kann man solche bezaubernden Kleider finden wie in Paris. Schon das allein sollte die Reise für dich reizvoll machen.“

„Ich freue mich darauf, Paris zu sehen. Es reizt mich schon lange. Du weißt, wie sehr mich die neue Kunst und die neue Denkart interessieren, die immer aus Frankreichs Hauptstadt zu kommen scheinen.“

„Damit wirst du deine Zeit nicht vergeuden“, sagte Mrs. Holtz scharf. „Auf jeden Fall sollte eine Woche in Paris ausreichen, um dich mit allem nötigen zu versorgen, wenn auch einige der Kleider eventuell nachgesandt werden müssen.“

„Ich will Paris im Frühling sehen“, sagte Vada leise wie zu sich selbst.

„Genau das wirst du auch, und du wirst dich anständig und ruhig verhalten und immer daran denken, daß Paris nur ein Vorspiel zu deinem Auftreten in England ist.“

Sie machte eine Pause, um dann umso eindringlicher fortzufahren: „Ich möchte, daß du nicht nur die schönste amerikanische Duchess bist, sondern auch die umsichtigste.“

„Ich werde es versuchen, Mama. Aber wenn der Duke und ich uns wirklich nicht mögen, wenn wir das Gefühl haben, eine Verbindung zwischen uns ist unmöglich, dann werde ich mich weigern, ihn zu heiraten.“

„Das ist so unwahrscheinlich, daß ich es nicht mit dir diskutieren will. Der Duke ist charmant, kultiviert, ein hervorragend erzogener Engländer. Wenn du ihm so gegenübertrittst, wie er dich wahrscheinlich empfangen wird, werdet ihr sicher Zuneigung füreinander empfinden.“

„Ich hoffe, Mama.“

Vada wollte noch mehr sagen, aber ein Mädchen betrat das Zimmer.

„Die Masseuse ist da, Mrs. Holtz.“

„Danke, Jessie. Sagen sie Carlos, er soll den Rollstuhl holen, um mich ins Schlafzimmer zu bringen.“

„Jawohl, Mrs. Holtz.“ Das Mädchen verließ den Raum.

„Ich werde Jessie nicht mit dir nach Europa schicken. Sie würde nicht zu den englischen Bediensteten passen. Darum wirst du Charity mitnehmen.“

„Oh, gut! Ich reise lieber mit Charity als mit jemand anderem.“

„Sie wird sich um dich kümmern, das allein zählt. Charity gehört noch zum alten Schlag. Sie kennt ihren Platz, und man kann sich auf sie verlassen. Sie hat schon viele Reisen mit mir gemacht. Ich werde sie vermissen.“ Nach einer Pause fuhr sie fort: „Noch eins, Vada! Dein Vater haßte Journalisten, genau wie ich. Du mußt sehr vorsichtig sein und niemandem von deiner Europareise erzählen, auch nicht auf dem Schiff. Eure Kabinen sind selbstverständlich auf den Namen Miss Nancy Sparling gebucht. Niemand wird auf die Idee kommen, daß sie von der reichen Emmeline Holtz begleitet wird.“

Vada lachte, bevor sie sagte: „Weißt du, Mama, wir hatten jahrelang solche Angst vor unseren eigenen Schatten, schreckten vor jeder möglichen Erwähnung unserer Namen zurück, daß ich jetzt glaube, der Name Emmeline Holtz sagt den meisten Amerikanern nichts.“

„Er wird ihnen eine ganze Menge sagen, wenn er erst einmal von den Zeitungsjungs aufgegriffen wird und dann, Vada, kannst du nirgends erscheinen, nichts sagen, ohne daß es am nächsten Tag in der Zeitung zu lesen ist.“

Vada seufzte.

„Du hast recht, Mama. Das würde ich hassen.“

„Dann glaube mir, daß das Leben, das dein Vater für dich geplant hat, das richtige war, und daß ich nur seine Wünsche ausführe.“

Vada kniete neben dem Sofa nieder und beugte sich vor, um ihre Mutter zu küssen.

„Ich liebe dich, Mama! Darum werde ich tun, was du möchtest. Ich reise nach Europa, um mir den Duke anzusehen.“

„Du wirst ihn heiraten, Vada!“ sagte ihre Mutter ruhig.

„Ich werde darüber nachdenken.“

Liebevoll streichelte Mrs. Holtz die Wange ihrer Tochter.

„Du bist reizend, mein Kind. Dich bei der Parlamentseröffnung, dem Staatsball im Buckingham Palast und beim Hofknicks vor Königin Victoria, mit den drei weißen Federn des Prince of Wales im Haar zu sehen, würde mich freuen.“

„Das klingt alles sehr unpersönlich“, meinte Vada. „Und wenn ich dann mit meinen drei weißen Federn neben meinem ordengeschmückten Ehemann vom Buckingham Palast heimfahre, worüber soll ich dann mit ihm sprechen?“

„Du wirst tausend interessante Dinge in England finden, und Tausende von Themen zur Unterhaltung.“

„Die alle sehr geeignet sein werden, außer einem.“

„Und welches ist das?“ wollte die Mutter wissen.

„Liebe! Und du mußt zugeben, daß dieses Thema nur schwer über die Lippen kommt.“

Schweigen entstand, bis Mrs. Holtz nochmals die Wange ihrer Tochter streichelte und sagte: „Das ist absurd, Liebes. Versprich mir, nach England zu reisen. Das ist alles, was ich jetzt von dir verlange. Alles andere wird sich wie ein Puzzle von selbst ergeben. Und jetzt wähle die Sachen aus, die du mitnehmen möchtest. Aber nicht zu viele! Vergiß die Einkäufe in Paris nicht!“

„Ich habe Paris nicht vergessen.“

Vada senkte die Stimme, denn Jessie kam mit einem Diener herein, der einen Rollstuhl schob.

Vorsichtig hoben sie Mrs. Holtz hinein, um sie zu ihrem Schlafzimmer im gleichen Stockwerk zu bringen.

Sie bewohnten ein riesiges, braunes Steinhaus, eines der eindrucksvollsten in New York, das Vada jedoch seit dem Tod ihres Vaters immer zu groß erschienen war.

Er war zwei Jahre zuvor gestorben, und nach einem Trauerjahr, das sie auf den verschiedenen Ländereien in Amerika verbracht hatten, waren sie für nur zwei bis drei Monate nach New York gekommen, um sich neu einzukleiden und Vada einigen Freunden vorzustellen. Sie war damals erstaunt gewesen, wie wenige Partys sie besuchen durfte. Auf Bälle durfte sie überhaupt nicht. Auf dem Land hatte es immer Bälle und Partys gegeben, aber schon mit 5 Jahren hatte sie bemerkt, wie streng sie beaufsichtigt wurde. Nie durfte sie ohne Anstandsdame mit ihren Freundinnen Picknicks veranstalten oder Ausfahrten unternehmen. Ihre Freundinnen wurden eingeladen, doch selbst zu Hause wurde sie selten längere Zeit mit ihnen allein gelassen. Sie hatte den Eindruck, mädchenhafte Vertraulichkeiten würden nicht gern gesehen.