Die Fremden - William Shakespeare - E-Book

Die Fremden E-Book

William Shakespeare

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Beschreibung

Ein Weckruf aus einer anderen Zeit Mit Ausnahme von sechs Unterschriften hat nur ein handschriftliches Zeugnis Shakespeares überlebt. Erst kürzlich konnten Experten seine Urheberschaft verifizieren. Was um 1604 entstanden ist, liest sich heute - vor dem Hintergrund der sogenannten Flüchtlingskrise - wie ein flammendes Plädoyer für ein menschenwürdiges Miteinander. Dringlich, eindrücklich, von erschütternder Aktualität. Mit einem Vorwort von Heribert Prantl Übersetzt und mit einem Essay von Frank Günther

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Seitenzahl: 57

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William Shakespeare

Die Fremden

Für mehr Mitgefühl

Herausgegeben und aus dem Englischen übersetzt von Frank Günther

dtv

Mit einem Vorwort von Heribert Prant

EDITORISCHE NOTIZ

In der Printausgabe von Shakespeares Die Fremden stehen englisches Original und deutsche Übersetzung einander zeilensynchron gegenüber. Um auch digital optimale Lesbarkeit zu gewährleisten, haben wir uns im eBook gegen diese Darstellungsform entschieden. Stattdessen folgt nun das Original auf die Übersetzung, und die Anmerkungen im Anhang schließen unmittelbar daran an.

VORWORT

Heribert Prantl
Wenn wir Flüchtlinge wären

Pegida hieß zu Shakespeares Zeiten noch nicht Pegida; aber die Hetzreden gegen Flüchtlinge waren damals so, wie man sie heute von Pegida hört. Es gab den Hass, es gab die Hetze, und es gab Angriffe auf die Menschen, die aus Frankreich und aus Flandern gekommen waren und in London Schutz suchten; es waren Glaubensflüchtlinge, die zu Hause ihres Lebens nicht mehr sicher waren.

Es grassierten damals die nämlichen Vorurteile gegen die Hugenotten, wie sie heute gegen die Muslime grassieren; und es gab Einheimische, die meinten, sie müssten sich mit Gewalt gegen die Fremden wehren. Der Aufstand der Anständigen dagegen hieß noch nicht Aufstand der Anständigen, aber es gab auch damals den großen Appell an den Anstand und an die Menschlichkeit, wie ihn Shakespeare für Thomas Morus formuliert. Sein Appell, der in dieser Schrift abgedruckt ist, ist ein Appell, der den Leser anrührt und packt, der ihn aber, im Wissen um die Vielhundertjahre, die seitdem vergangen sind, auch fast resignieren lässt. Die Rede von Shakespeare & Morus ist eine historische Rede – nicht nur, weil sie schon so alt ist; sondern weil sie noch immer gilt. Ein Thomas Morus von heute müsste nämlich den Appell fast genau so wieder halten wie der Thomas Morus von damals. Das ist nicht tröstlich, das ist zum Verzweifeln.

 

Gewiss: Zu Shakespeares Zeiten gab es noch keine Flüchtlingskonventionen, keine Charta der Menschenrechte und keinen europäischen Grundrechte-Katalog. Es ist ein gewaltiger Fortschritt, dass es dies alles gibt, dass sich also die Völker und Nationen verpflichtet haben, Flüchtlinge zu schützen. Aber das Papier allein schützt sie nicht. Im Angesicht der Not der Flüchtlinge aus Syrien und den Hunger- und Bürgerkriegsländern Afrikas muss sich zeigen, ob all diese Konventionen mehr sind als ein Wasserfall von Phrasen. Wenn europäische Kernländer Menschen in höchster Bedrängnis nicht aufnehmen, weil sie angeblich den falschen Glauben haben, dann ist das ein Hochverrat an den Werten, deretwegen die Europäische Union gegründet wurde – und ein Vorwand für verbrecherische Hitzköpfe, vermeintliche Notwehr zu üben gegen die Flüchtlinge. Europa lebt nicht nur vom Euro; es lebt von seinen Werten, von der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der Freiheit der Person, der Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz und der Freizügigkeit. Europa lebt davon, dass es die Menschenwürde schützt. Die Menschenwürde ist nicht aus Seife, sie nützt sich nicht ab, nur weil es angeblich zu viele sind, die sich auf sie berufen.

Die Europäer sind stolz auf ihre Grundrechte. Zur Kernsubstanz dieser Grundrechte gehört die allgemeine Urregel, auf die sich Thomas Morus in seiner Rede beruft. Als Sprichwort lautet sie so: »Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu.« Es ist dies die regula aurea, die Goldene Regel, die man mit Shakespeare, ins Positive gewendet, so formulieren könnte: Handeln wir, wie wir behandelt sein wollten – wenn wir Flüchtlinge wären.

Dieser Satz löst das survival of the fittest ab. Nicht Stärke und Anpassungsfähigkeit sind es, die das Leben sichern – nein, die Geltung des Rechts ist die Lebensversicherung. Es geht Shakespeare nicht nur um das Mitleid mit den Flüchtlingen, sondern um die Begründung des Rechts. Shakespeares Morus sagt, dass die Abwehr der Flüchtlinge gleichbedeutend ist mit der Abwehr des Rechts. Wer das Recht abwehrt, der verwandelt die Gesellschaft in ein Haifischbecken. Das Wesen des Rechts besteht darin, dass es aus dem Haifischbecken eine Gesellschaft formt.

»Handeln wir, wie wir behandelt sein wollten« – wenn wir Flüchtlinge wären. Dieser Satz ist also nicht nur eine Grundlage für die Gewissenserforschung von Staats- und Kommissionspräsidenten, er ist nicht nur moralische Handlungsanleitung für den politischen Betrieb und für jedermanns Alltag. Es handelt sich um eine Maxime, die Recht schafft. Als moralischer Imperativ allein trägt nämlich der Satz nicht. Denn die Vorstellung, selber so ein elender schutzbedürftiger Mensch zu sein, kann geradezu die Unmoral anstacheln, den Impuls, diese Fremden abzuwehren, weil man den Anblick der Hilflosigkeit nicht erträgt. Es ist jedoch gerade das Recht, das verhindern soll, dass man selbst schutz- und hilflos wird. Das zu erklären ist Aufklärung. Das tut Thomas Morus in der Rede, die Shakespeare für ihn schreibt. Und diese Aufklärung ist nie zu Ende. Sie ist immer und immer wieder notwendig, weil das Recht nicht einfach da ist und da bleibt, sondern immer wieder erkannt und verteidigt werden muss.

 

Die Gesellschaft in Deutschland ist – wie die in ganz Europa – hin und her gerissen zwischen aufgeklärter Hilfs- und Rechtsbereitschaft einerseits und Ratlosigkeit, Abwehr und Hetze andererseits. Viele sagen ja zu den Flüchtlingen, dahinter folgt, in verschiedener Größe, ein Aber; die Größe des Aber hängt auch und vor allem davon ab, wie die Politik agiert. Es gibt eine immer giftigere flüchtlingsfeindliche Szene, die nicht nur aber sagt, sondern zu deren Kommunikationsmitteln Unverschämtheiten, Morddrohungen und Brandsätze gehören; es ist dies eine Gesellschaft, die ein neuer Thomas Morus lehren muss. Vielleicht wird zu viel von denen geredet, geschrieben und gesendet, die Gift und Galle spritzen; vielleicht wird zu viel Aufhebens gemacht von denen, die nicht die Zivilgesellschaft, sondern die Unzivilgesellschaft repräsentieren.

Vielleicht wird zu wenig geredet, geschrieben und gesendet von denen, die nicht damit protzen, angebliche Tabus zu brechen. Es gibt Zigtausende von Menschen in Deutschland, die den Flüchtlingen helfen beim Deutschlernen, beim Umgang mit den Behörden, beim Fußfassen in diesem Land. Auch sie brauchen einen Thomas Morus – einen, der sie bestärkt, einen, der ihnen sagt: Wir handeln, wie wir selbst, wären wir Flüchtlinge, behandelt werden wollten. Das ist Mikropolitik, aber ohne diese Mikropolitik bleibt alles Reden von Integration Gerede. Diese Mikropolitik addiert sich. Zivilgesellschaftliches Handeln – das ist die Addierung und die Potenzierung von Mikropolitik. Diese Mikropolitik hat daher, wenn es gutgeht, nicht nur die Kraft, einzelne Leben zu ändern, einzelne Schicksale zu verbessern, sie hat auch die Kraft, die Makropolitik Europas zu verändern, sie nämlich so zu verbessern, dass sie ihre nationalen Egoismen aufgibt.