Die Fuchsjagd - Kasimir Peng - E-Book

Die Fuchsjagd E-Book

Kasimir Peng

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Beschreibung

Ein Kommissar ohne Gewissen. Ein Verdächtiger im Clinch mit einer Riesenratte. Ein herrlicher schräger Krimi. Der mit zweifelhaften Methoden arbeitende Kommissar Weidlich ist überzeugt von der Schuld eines Verdächtigen. Doch dieser bestreitet, die Tat begangen zu haben. Entgegen aller Bestimmungen nimmt Weidlich den vermeintlichen Gauner mit auf eine Reise, um ihm die Wahrheit zu entlocken. Doch stattdessen entdecken die beiden ein unvorstellbares Grauen. Witzig, absurd, abenteuerlich: Begebt euch gemeinsam mit Kommissar Weidlich auf ein unvergessliches Unterfangen!

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Epilog
Krautnudel-Rezept für einen Kommissar

 

 

 

 

 

 

Die Fuchsjagd

Kommissar Weidlichs Fall Null

Kasimir Peng

 

Das Buch:

 

Der mit zweifelhaften Methoden arbeitende Kommissar Weidlich ist überzeugt von der Schuld eines Verdächtigen. Doch dieser bestreitet, die Tat begangen zu haben. Entgegen aller Bestimmungen nimmt Weidlich den mutmaßlichen Gauner auf eine abenteuerliche Reise, um ihm die Wahrheit zu entlocken. Doch stattdessen entdecken die beiden ein unvorstellbares Grauen.

 

Der Autor:

 

Kasimir Peng liebt es, seine Leser mit schrägen, lustigen und gleichsam spannenden Krimis zu unterhalten. "Die Fuchsjagd" ist sein erster Kommissar-Weidlich-Roman.

Copyright © 2020 by Kasimir Peng.

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Autorin reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Alle in diesem Roman beschriebenen Personen sind fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Lektorat & Korrektorat: Anne Bräuer, Textbüro Bräuer, Frankfurt am Main

 

Cover unter Verwendung von © Shutterstock / Victor Moussa

 

Originalausgabe – 05/09/2020

 

Impressum:

 

Kasimir Peng

c/o AutorenServices.de

Birkenallee 24

36037 Fulda

 

E-Mail: [email protected]

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

EINLADUNG

 

 

 

 

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

vielen Dank für dein Interesse an meinem Buch! Ich habe für kurze Zeit meinen VIP-Club »Kasimirs Crime Club« für dich geöffnet, und möchte dich einladen, bei uns Mitglied zu werden.

 

Besuche hierfür einfach meine Website und schon verpasst du keine News, Updates und Rabattaktionen mehr!

 

https://kasimir-peng.de

 

Ich freue mich auf dich!

 

Dein

Kasimir Peng

Kapitel 1

Kommissar Weidlich war ein ebenso gelangweilter wie langweiliger Ermittler. Er war dick, faul und auch sonst eine durch und durch bürgerliche Erscheinung. Aber er war zufrieden mit dem, was er hatte. Und das war nicht viel. Die Alte hatte vor kurzem die Biege gemacht, wesentlich früher als Weidlich damit gerechnet hatte. Zwar wusste er selbst gut genug, dass er kein einfacher Mensch war. Umso mehr überraschte es ihn im Nachhinein, dass seine Alte, die er seit der Trennung nur noch die blöde Kuh nannte, jemals Interesse an ihm gehabt hatte.

Zugegeben, auch ein Kommissar Weidlich hatte seine Qualitäten. Er war ein Haudegen der alten Schule, der keinen Schmerz kannte - es sei denn, er verletzte sich beim Zehnagelschneiden, dann jaulte er wie ein gebissener Hund. Er war ein wahrer Gentleman in Gegenwart einer Frau. Und er vergötterte die legendären Krautnudeln seiner Frau. Sie verstand es vorzüglich, Teig, Kümmel, Butter, Knacker, Weißkohl, Salz und Pfeffer ins richtige Verhältnis zu bringen, das musste Weidlich ihr lassen. Besser schmeckten ihm nur noch Skandalnudeln. Doch der wahre Grund aus dem Weidlich einen unwiderstehlichen Sog auf Frauen ausübte, verbarg sich in der Persönlichkeit des charismatischen Kommissars: Er war zum Brüllen komisch. Stets überraschte er seine Zuhörer mit Geschichten, die unerwartete Wendungen nahmen.

So verzwickt ist auch die folgende Geschichte, in der Kommissar Weidlich, seine Krautnudeln-kochende Frau, ein wahnsinniger Militärwissenschaftler und eine gefräßige Riesenratte eine Rolle spielen. Stellen Sie sich vor, wie der dicke Weidlich Ihnen gegenüber sitzt, das Unterhemd auf halb Acht, die Hose – naja, reden wir lieber nicht drüber, das Pistolenhalfter mit der geladenen Waffe auf dem Nachtschränkchen, der Lauf bedrohlich präzise auf Sie gerichtet. Schnuppern Sie das herbe, an Buttersäure erinnernde Aroma seiner beigefarbenen Socken. Ja, das ist der Charmebolzen Weidlich, den Sie lieben werden! Lassen Sie sich von diesem Tausendsassa der Kriminalkunst eine Geschichte erzählen, die Ihnen die Schuhe ausziehen wird. Falls es nicht schon sein Sockenaroma tut.

Kapitel 2

»Es war einmal ein Fuchs«, begann Weidlich und beugte sich über den grünspanzerfressenen Tisch.

 

Seit Tagen hatte der Kommissar kaum geschlafen, doch vom Sliwowitz ließ er die Finger. Dennoch waren ihm die Spuren der durchdachten Nächte anzusehen – dunkle Augenringe hatten sich wie Halbmonde unter seine blassblauen Augen gelegt, die Stirnfalten wirkten im fahlen Licht des Verhörraumes wie Gesteinsfurchen unter einer archäologischen Untersuchungslampe. Die verengten Pupillen wanderten langsamer als sonst durch den Tag, gesättigt von den Eindrücken einer Welt, die dem einsamen Kommissar keine Reize mehr bieten konnte.

 

Ihm gegenüber saß ein junger Mann mit schuldhafter Miene. Er war von schmaler Statur und blickte fahrig im Raum umher, als suche er einen Ausweg. Seine Hände hatte er ineinander verschränkt und seine Beine wippten unter dem Tisch auf und ab. Der letzte Verdächtige für heute!, frohlockte Weidlich. Wehe, der Kerl verlangt seinen Anwalt. Niemand sollte dem Kommissar heute mehr dumm kommen! Gleich war Feierabend und die Alte hatte einen Braten in der Röhre. Die Alte! Sie war doch schon seit zwei Wochen fort, schoss es Weidlich durch den Kopf. Er sehnte sich nach dem Duft ihres Halses, Kölnisch Wasser, er vermisste den Klang ihrer klickernden Stricknadeln, wenn sie am Abend gemeinsam auf der Couch saßen und Wer Wird Millionär? schauten.

Weidlich behauptete dann immer, dass er gar kein Millionär sein wolle, auch wenn er den Jauch locker in die Pfanne hauen würde. Er sei zufrieden damit, Polizist zu sein. Im Grunde sei er ja mehr als das, schließlich arbeitet er beim BKA! Da sei man kein einfacher Streifenpolizist, genau wie ein Streifenhörnchen kein Eichhörnchen sei. Nein, das könne man nicht vergleichen. Frau Weidlich nickte ihrem Mann stets wohlwollend zu und sagte, sie wolle auch gar keinen Streifenpolizisten, oder schlimmer noch, einen Millionär zum Mann. Geld würde sowieso den Charakter verderben, doch solange sie beide sich hätten, sei doch alles in Ordnung. Aber nun war Frau Weidlich fort und nichts war mehr in Ordnung.

Kapitel 3

»Wissen Sie, was ein Fuchs ist?«, fragte Weidlich, den Oberkörper über den Tisch gebeugt. Die Worte des Kommissars waren die einzigen Laute, welche die Stille im Verhörraum durchbrachen.

Der Verdächtige kniff seine Glubscher zusammen und wollte unvermittelt antworten, wie übereifrige junge Männer das eben so tun, doch Weidlich fuhr ihm dazwischen: »Natürlich wissen Sie, was ein Fuchs ist. Sind ja selber einer. Ich habe ein Auge für sowas, mich können Sie nicht austricksen!«

Weidlich redete sich in Rage. Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, der dumpfe Knall der Knöchel ließ den Verdächtigen hochschrecken. Normalerweise wurde der Kommissar im Dienst nicht so emotional wie seine Kollegen, die beim kleinsten Raub gleich an die Decke gingen. Meine Güte, so ein Raub kommt doch in den besten Familien vor!, dachte Weidlich sich dann. Aber das hier war ein gesonderter Fall. So müde und abgekämpft der Kommissar auch war, alle privaten Probleme mussten wie ein treuer Hund vor der Eingangstür der Polizeiwache angeleint und erst nach Dienstschluss wieder abgeholt werden.

 

»Ich-« holte der Verdächtige aus.

 

»Nix hier, ich!«, fuhr Weidlich ihm dazwischen. Seine Stimme wurde kehliger. »N‘ Fuchs sind Sie, das wissen Sie. Also, kommen wir zur Sache. Wo waren Sie am 29. Februar dieses Jahres um Mitternacht?«

 

Eine schlaue Fangfrage, die Weidlich für alle Verhöre nutzte - führte sie den mutmaßlichen Täter gleich auf zwei falsche Fährten. Mit Ausnahme eines Schaltjahres gab es nämlich gar keinen 29. Februar und Weidlich informierte sich selbstredend, wann die besagten Schaltjahre waren. Nicht, dass er sich bei der Befragung selbst noch ein Bein stellte und das betreffende Jahr tatsächlich ein Schaltjahr war!

Die zweite List hing mit der Uhrzeit zusammen. Weidlichs Logik zufolge konnte es die Uhrzeit 0:00 Uhr für einen Tag gar nicht geben. Schließlich wäre dann ja der nächste Tag angebrochen, doch auch das war strenggenommen falsch, denn dann hieße es 0:00 Uhr am 30. Februar, was ja aus zweierlei Gründen nicht möglich war und deshalb war 0:00 Uhr eine Anomalie im Universum, auf die der mutmaßliche Täter unmöglich anders antworten konnte als mit: »Was für ein Unsinn, Herr Weidlich!« Jede andere Reaktion ließ den geschulten Kommissar aufhorchen. Und diesen Burschen würde er auch noch knacken.

Kapitel 4

Der Verdächtige im Verhörraum 101 schwieg und betrachtete Kommissar Weidlich wie einen zu fett geratenen Frosch. Düstere Erinnerungen stiegen in Weidlich auf. Er war wieder neun Jahre alt und schmeckte Schulspeisungskartoffeln, die unter verzweifeltem Drücken seiner Gabel vom Teller hinfort glitschten. Gleich würde Micha kommen, ein gehässiges Sport-As, das mit seiner frechen Art und dem muskulösen Körper einen Schlag bei den Klassenkameradinnen hatte. Micha würde eine dieser glitschigen Kartoffeln von Kommissar Weidlichs Teller nehmen, um sie ihm ins Maul zu stopfen.

Freilich war Weidlich damals kein Kommissar, sondern träumte davon, Herzchirurg zu werden. Das hatte sich jedoch schnell erledigt, als bei Weidlich eine Psychose diagnostiziert wurde. Wenn Kommissar Weidlich nur noch ein einziges Mal die Gelegenheit hätte, Micha heute zu treffen, er könnte sich auf was gefasst machen! Dann würde er ihm seine Kartoffeln in den Arsch schieben! Doch Micha war schon lange verschwunden und vielleicht war das auch gut so.

 

»Dieser Fuchs – was passierte mit dem Fuchs?«

 

Der Verdächtige sprach! Die Worte kamen stockend und von einer bebenden Stimme begleitet, aber immerhin – sie kamen.

 

»Die Fragen stelle ich, Freundchen!«, fuhr es Weidlich heraus. Immerhin stellte er hier die Fragen!

 

»Na schön. Und was wollen Sie wissen?«

 

Der Verdächtige wurde frech. Eine Eigenschaft, ja, eine Unsitte, die Kommissar Weidlich missfiel.

»Komm mal mit«, duzte er ihn.

 

»Bin ich verhaftet? Werden mir jetzt meine Rechte vorgelesen?«

 

»Komm mal mit«, wiederholte Weidlich stoisch.

 

Er packte den Verdächtigen, dessen Namen er nicht nennen wollte, fest am Arm. Er sollte bloß nicht auf die Idee kommen, irgendwelche Faxen zu versuchen!

Wäre die Welt nicht einfacher, wenn jeder statt eines Namens eine Nummer bei seiner Geburt verpasst bekommen würde?, ging es Weidlich durch den Kopf. Ab und an hatte er diese philosophisch-erhellenden Momente. Dieser Typ hier war eine Null, ganz klar für Kommissar Weidlich. Deswegen beschloss er, den Verdächtigen nun nicht mehr den Verdächtigen oder den Fuchs zu nennen, sondern Null.

 

»So, Null, da ist der Wagen. Steig ein.«

 

»Hey, ist ja gut, kein Grund beleidigend zu werden.«

 

»Ruhe jetzt, der Kommissar muss nachdenken.«

 

Während Kommissar Weidlich Nulls Kopf herunterdrückte und ihn in den Wagen schob, wie er es in Polizeiserien gesehen hatte, dachte er darüber nach, wann er sich das letzte Mal bei jemandem entschuldigt hatte. Vielleicht hätte eine aufrichtige Entschuldigung seine Alte davon abgehalten, zu gehen. Vielleicht wäre aus der Alten nie eine blöde Kuh geworden. Und aus der wunderschönen Frau, die er einmal geheiratete hatte, keine Alte. Weidlich konnte manchmal ein ziemliches Ekel sein, aber so war er nun einmal und vielleicht war das auch gut so.

 

Die Gedanken rasten durch seinen Kopf. Wenn Weidlich über eine Situation nachdachte, dann gründlich. Er betrachtete jedes Detail, wendete jeden intellektuellen Stein, bis sämtliches Geröll von der Wiese der Erkenntnis hinweggeschoben war. Aus Kommissar Weidlich hätte ein klasse Philosoph werden können, aber nun war er eben Kommissar und das war auch gut so.

 

»Na Weidlich, wer ist denn der Gast in deinem Auto?«

 

Immer dieser neugierige Schnüffler Ruckert! Stand da wie ein Graf, der auf seine Kutsche wartete. Kommissar Weidlich war selbst ein Schnüffler, aber nicht so ein unerträglich penetranter wie Ruckert. Dieser Arschkriecher! Der hatte es innerhalb weniger Jahre zum Hauptkommissar geschafft, und das, obwohl er jünger als Weidlich war. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen.

Dieser Vegetarier, Alkoholabstinenzler und Nichtraucher war einfach ein übler Workaholic.

Aber hin und wieder machte er die Drecksarbeit, auf die Weidlich keine Lust hatte: Akten sortieren, Berichte schreiben, ballistische Untersuchungen anordnen, zu Tatorten fahren (das konnte zwar hin und wieder ganz nett werden, wenn es so richtig blutig war, aber meistens war es ziemlich öde) und – die lästigste aller Polizeitätigkeiten – mit Angehörigen sprechen. Weidlich kamen die heuchlerischen Beileidsbekundungen einfach nicht über die Lippen.

Wenn jemand ermordet wird, dann hat das immer einen Grund - das hatte Weidlich sich aus seinen Lieblingskrimis behalten. Und warum sollte er um jemanden trauern, den er gar nicht kannte und der irgendeinen Blödsinn angestellt hatte, der einen anderen Menschen mörderisch wütend gemacht hatte? Nein, das ging nun wirklich nicht in Kommissar Weidlichs Kopf.

 

»Ein alter Freund. Wir fahren in den Wald, Pilze sammeln«, log Weidlich und war stolz auf seinen Erfindungsreichtum.

 

»Aber es ist doch so neblig. Findet ihr da überhaupt etwas?«

 

»Ja, ja, auf jeden Fall. Meine Frau hat mir vor kurzem einen von diesen neumodischen Pilz-Detektoren geschenkt, die funktionieren wunderbar, auch bei Nebel! Die kann man sogar mit dem Handy synchronisieren.«

 

Auf dem Revier wusste niemand, dass der Haussegen bei den Weidlichs schief hing. Offiziell blieben sie verheiratet, aber dieses Miststück saß wahrscheinlich just in diesem Moment bei ihrem Anwalt und ließ die Scheidungspapiere aufsetzen. Bisher war Weidlichs Briefkasten in der provisorisch gemieteten Einraumwohnung leer geblieben, doch er rechnete jeden Tag mit unromantischer Post.

 

»Na dann viel Spaß! Dein alter Freund sieht aber nicht so aus, als hätte er große Lust auf Pilze sammeln.«

 

Schnüffler!, dachte Weidlich und rang sich ein bemühtes Lächeln ab, obwohl er viel lieber den Stinkefinger gezeigt hätte. Dabei zog er seine buschigen grauen Augenbrauen derart angestrengt hoch, dass ihm das Gesicht schmerzte. Weidlich setzte sich neben Null auf die Rückbank des Wagens, schloss die Tür und holte seine Pistole hervor, eine SIG Sauer P229 in tadellosem Zustand. Er drückte die Mündung fest in die Hüfte von Null, der zusammenzuckte.

 

»Keinen Mucks, oder ich gehe auf Fuchsjagd, hast du verstanden?«

 

Null, der jetzt bedrohlich blass aussah, nickte.

 

»Wunderbar. Wir machen jetzt Folgendes: du steigst aus – LANGSAM – und gehst in Richtung Fahrertür. Aber keine Faxen! Dann steigst du vorn schön wieder ein, lässt den Motor an und fährst los.«

 

»Wohin soll ich denn fahren?«, fragte Null mit zittriger Stimme.

 

»Wer stellt hier die Fragen?«

 

»Sie.«

 

»Genau. Ich sage dir dann, wohin es geht. Erstmal bringen wir das hinter uns. Wie gesagt, keine Faxen oder Fisimatenten! Einfach ganz ruhig zur Fahrerseite hin, kein hysterisches Gejaule von wegen Hilfe, Hilfe! Glaubt dir sowieso keiner, denn ich bin hier der Kommissar und du nur ein Verdächtiger.«

 

Null nickte und nahm von Kommissar Weidlich die Schlüssel entgegen. Er öffnete die Seitentür und hangelte sich auf wackeligen Beinen am cremefarbenen Wagen entlang. Für einen Moment sah es so aus, als würde Null an Flucht denken. Das war nicht ratsam – Weidlich würde ihm die Hammelbeine langziehen! Null erreichte die Fahrertür und stieg ein.

 

»Augenblick mal!«

 

Verdammt, dieser Schnüffler Ruckert! Was wollte der denn noch?

 

»Ruckert mein Name. Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Sie sind?«

 

»Galilei. Galilei mein Name. Ich-«

 

»So wie Galileo Galilei? Ein großartiger Mann! Dem hätte ich gern mal die Hand geschüttelt! Sie sind nicht zufällig mit ihm verwandt, oder?«

 

Null schüttelte den Kopf. »Nein, bin ich nicht. Tut mir leid.«

 

Ruckert schien enttäuscht, sagte aber trotzdem:

 

»Guter Mann, sie können doch nichts dafür. Wenn Sie mit Galileo Galilei verwandt wären, dann würde man sie wahrscheinlich kennen und dann könnten Sie nicht so entspannt mit dem guten Weidlich hier Pilze sammeln gehen. Waidmannsheil wünsche ich, oder wie man das so sagt.«

 

»Danke.«

 

Langsam hatte Kommissar Weidlich die Faxen dicke. Wenn Ruckert nicht bald abzischte, würde er ihn und Null auf der Stelle plattmachen.

 

»Na dann, ich gehe mal wieder zurück an den Schreibtisch – es warten noch eine Menge Zeugenaussagen auf mich. Ein Kerl soll auf dem Oktoberfest ein paar Besoffene ausgeraubt haben.«

 

Ruckert lachte, es war ein herzhaftes Lachen wie das eines Kindes, vor dem ein Erwachsener Grimassen schneidet. Dann zog er von dannen.

 

Weidlich spannte den Hahn seiner P229 in die Ausgangsposition zurück. Um Haaresbreite hätte es hier ein Blutbad gegeben. Null zitterte am ganzen Leib.

 

»Ruhig Brauner, ruhig«, versuchte Weidlich ihn zu besänftigen. »Das hast du wirklich gut gemacht.«

 

Er klopfte Null auf die Schulter, wie es ein stolzer Fahrlehrer es bei einem Schüler zu tun pflegte, der die praktische Prüfung mit Ach und Krach im zweiten Anlauf bestanden hatte.

 

»Nimm mal Kurs auf die Autobahn. Es wird eine etwas längere Fahrt. Aber keine Angst – wir begehen keine Republikflucht!«

 

Weidlich lachte über seinen Gag. Schließlich war die DDR nur noch Stoff für Bestseller und kein real existierender Sozialismus mehr. Warum um alles in der Welt sollte man also noch Republikflucht begehen? Dann müsste es ja mittlerweile – wenn schon denn schon – BUNDESrepublikflucht heißen.

Weidlich wollte dem ernst dreinblickenden Null den Gag erklären, weil dieser ihn offensichtlich nicht kapiert hatte, doch er kam gar nicht mehr aus dem Lachen heraus. Die ganze Zeit lachte und lachte er und Tränen flossen ihm die runden Wangen hinunter, während der Wagen in einem Halbkreis den Parkplatz des Polizeireviers verließ.

Kapitel 5

Zwei Stunden später waren sie von der Autobahn runter. Der Wagen schlängelte sich auf breiten Alleen mit schattenspendenden Kastanienbäumen entlang. Nur wenige Autos kamen ihnen entgegen. Weidlich blickte in die Wipfel der vorbeiziehenden Bäume und geriet ins Träumen. Was, wenn die blöde Kuh gar nicht so blöd war? Wenn sie sich nicht scheiden lassen wollte, es nie vorhatte? Vielleicht bestand ja doch noch die Chance auf einen Neuanfang? Bei dem Gedanken daran bekam Kommissar Weidlich gute Laune und er begann eines seiner Lieblingslieder zu trällern: Dieselknecht von Gunter Gabriel, dem Hamburger Hafencowboy (so nannte er sich selbst).

 

Ich bin ein Diiieselknecht, und mach es keinem, keinem, keinem recht!

 

Weidlich geriet in Stimmung und schwang seine Hände wie ein Dirigent auf und ab. Es störte ihn nicht, dass Null entgeistert in den Rückspiegel starrte.

 

»Siehst du die Kassette, die blaue neben der Gangschaltung? Mach die mal rein, die ist gut.«

 

Null gehorchte und stöpselte die Kassette in den passenden Schlitz. Schon trällerte Gunter Gabriels rauchige Stimme durch das Auto, diesmal aber mit Ich lieb‘ die Bullen. In diesem Lied schildert er sein problematisches Verhältnis zur Polizei.

Der flotte Ufftata-ufftata-Beat ließ das Blech des Wagens vibrieren. Dann kam Weidlichs Lieblingsstrophe:

 

Ich seh‘ sie, wie sie lauern, hinter Brücken, hinter Mauern, Tag und Nacht. Wie sie Radarfallen stellen, und uns richtig einen verpellen, Tag und Nacht.

 

Und dann folgte Weidlichs Lieblingsstelle:

 

Sie haben Stil – Gefüüüüühl, Sexappeal!

 

Beim Wort Sexappeal geriet der Kommissar außer Rand und Band und stimmte in das süffisante Lachen von Gunter Gabriel mit ein. Null zuckte zusammen.

 

»Immer schön Augen auf die Straße richten, mein Junge!«

 

Der restliche Song handelte davon, dass Polizisten nur in Uniform eine gute Figur machten – eine freche Bemerkung, die Weidlich durchaus unterstützte. Wie die meisten Männer in den 50ern hatte auch er eine ordentliche Plauze. Das hatte er nicht zuletzt den hervorragenden Krautnudeln seiner Noch-Frau zu verdanken.

Kommissar Weidlich war ein Mensch, der über sich selbst lachen konnte. Natürlich hatte er schon beim ersten Hören des Songs gemerkt, dass Gunter Gabriel die Bullen überhaupt nicht liebte, sondern total genervt von ihnen war. Aber Weidlich war sich sicher, dass er als fescher Kommissar für Gunter eine Ausnahme gewesen wäre. Sie hätten an einer Trucker-Raststätte zusammen einen gehoben und sich an der Pissrinne auf die Schulter geklopft. Vielleicht hätten sie noch eine Spritztour mit dem Dienstwagen gemacht. Manchmal fragte Weidlich sich selbst, wie er es so weit innerhalb des BKA gebracht hatte.

 

»Sind wir schon da?«

 

»Nicht so ungeduldig, Sportsfreund. Ist noch ein Stück.«

 

Jetzt nannte Weidlich ihn schon Sportsfreund. Allzu herzlich wollte er mit Null nicht umgehen – schließlich konnte er nicht einschätzen, wie der Typ so tickte. Gerade bei den vermeintlich Gehorsamen musste man besonders aufpassen. Die konnten einen voll aus der Kalten erwischen, wenn man nicht auf der Hut war! Die warteten nur auf eine Gelegenheit wie diese, um ihre Psychosen auszuleben. Aber Kommissar Weidlich machte man so schnell nichts vor. Er hatte die Ungeduld in Nulls Stimme genau bemerkt. Was führte er im Schilde?

 

»Okay, soll mir recht sein. Es gibt da nur ein Problem.«

 

Weidlich fragte nicht nach. Stattdessen starrte er mit zusammengekniffenen Augen in den Rückspiegel. Er fixierte Null, dieser sollte merken, dass er permanent unter Beobachtung stand.

 

»Ich müsste mal dringend. Aufs Klo, meine ich. Schon seit Stunden, aber ich habe mich nicht getraut. Können wir rechts ranfahren?«

 

»Und dann?«, fragte Weidlich. Er wollte das Lügengebäude zum Einsturz bringen.

 

»Was meinen Sie damit?«

 

»Was meinst du damit, du Fuchs? Du führst doch irgendwas im Schilde.«

 

Null stöhnte auf, es klang genervt.

 

»Hören Sie – was immer Sie glauben, ich kann Ihnen versichern, dass ich unschuldig bin. Ich habe keine Ahnung, was Sie oder Ihre Kollegen gegen mich haben. Aber eins weiß ich, Sie können mir den Toilettengang nicht verbieten.«

 

Weidlich sah rot. Er zückte seine Pistole und presste sie Null an den Nacken. Dieser fuhr daraufhin einen entsetzlichen Schlenker.

 

»Mein Gott, nehmen Sie die Knarre da weg!«

 

Ruckartig zog Weidlich die Pistole zurück. Mit Widerstand von Null hatte er nicht gerechnet. Auch wenn es niemand wusste, aber im tiefsten Inneren war Weidlich kein harter Knochen. Wenn ihn jemand anschrie, wich er zurück. Er wusste nicht, ob er das Kartoffel-Micha aus der Schule zu verdanken hatte oder ob dieses Verhalten in seinen Genen verankert war. Fest stand, dass Weidlich eine Schwachstelle besaß und die hatte Null sich soeben zunutze gemacht.

 

»Na gut, du kannst aufs Klo. Aber ich entscheide, wo wir halten.«

 

»Schon klar«, blaffte Null.

 

Klar war Weidlich nur eines: Dass er Null bei der nächsten Gelegenheit zeigen musste, wo der Hammer hing.

Kapitel 6

Sie hielten an einer heruntergekommenen Raststätte. Genau genommen war es keine Raststätte, sondern eine lose Ansammlung von Trucks, in denen die pastellfarbenen Gardinen der Fahrerkabinen zugezurrt waren. Auf einer Picknickbank, direkt neben dem muffelnden Toilettenhäuschen, saß eine vierköpfige Familie und ließ sich Sandwiches, aus denen der Scheibenkäse herauslugte, schmecken. Der Junge, klein und fett, erinnerte Kommissar Weidlich an seine eigene Figur in dem Alter. Er hätte sich gern so eine Familie gewünscht, die mit ihm auf einer Raststätte picknickte. Weidlich wäre ein klasse Familienvater gewesen, aber nun war er eben Kommissar und das war auch gut so.

 

»Fahr rechts ran«, brummte Weidlich. Hastig schlug Null das Lenkrad ein, die Reifen quietschten. Als der Wagen zum Stehen kam, gurtete Null sich in Windeseile ab.

 

»Aber keine Fisimatenten!«, konnte Weidlich gerade noch hinterherrufen, bevor Null aus dem Wagen hechtete und die Metalltür zum Toilettenhäuschen aufschlug.

 

Null hatte direkt davor geparkt, sodass Weidlich nur den Haupteingang sehen konnte. Das war ihm zu unsicher und außerdem wollte er sich kurz die Beine vertreten. Also stieg er aus und lief in Richtung der Familie. Da kam ihm ein schlauer Gedanken – warum sollte er nicht diese braven Bürger mit in die spannende Mission einbeziehen? Immerhin war er als Polizeibeamter Freund und Helfer!

Gesagt, getan. Weidlich marschierte auf den Vater, zu, der ihn misstrauisch musterte. Das kann ich verstehen!, dachte Kommissar Weidlich. Für ihn war er nur irgendein fremder, dicker Typ und nicht der lange Arm des Gesetzes.

 

»Schönen guten Tag. Weidlich mein Name, Kommissar des Bundeskriminalamtes.«

 

Der Kommissar holte seinen Ausweis hervor, ein erhabener Moment. Schon klebten sie ihm an den Lippen, wie Weidlich es gewohnt war. Selbst die Kinder hatten ihr nervtötendes Fangspiel unterbrochen, um dem Onkel Polizisten zuzuhören. Weidlich hätte ein klasse Schauspieler werden können, aber nun war er eben Kommissar und das war auch gut so.

 

»Sie sehen mir aus wie Bürger, die fähig sind, an einer spannenden und aufregenden Mission teilzunehmen.«

 

Vater und Mutter warfen sich einen vielsagenden Blick zu, bevor sie sich wieder dem Kommissar zuwandten und nickten.

 

»Wir helfen gern, wenn wir können.«

 

»Gut, das freut mich. Diese Mission unterliegt strengster Geheimhaltung. Sie müssen Stillschweigen darüber bewahren und dürfen niemandem etwas davon erzählen. Auch nicht meinen Kollegen, selbst, wenn die Fragen stellen sollten. Es ist wie bei ihrer Bank: Die fordert Sie auch nie dazu auf, Ihre PIN irgendwo preiszugeben. Genauso ist es bei uns von der Polizei. Ein echter Polizist wird Sie nie zu den Missionen des Kommissar Weidlich befragen. Sie können dann davon ausgehen, dass es sich dabei um einen Betrüger handelt.«

 

Wie gebannt las die Familie jedes Wort von Weidlichs Lippen ab. Sehr gut, denn er hatte sich schön warm geredet.

 

»Ich beauftrage Sie mit der Observation eines gefährlichen Gefangenen, der gegenwärtig seine Notdurft in dem backsteinummantelten Toilettenhäuschen hinter mir verrichtet. Ich muss nochmals betonen, dass der Gefangene als ausgesprochen gefä...«

 

Plötzlich durchbrach ein markerschütternder Laut Weidlichs Ansprache. Dieses Reifenquietschen kannte er genau – Null versuchte, mit seinem Wagen zu türmen! Schnell wie eine Eidechse auf Futterjagd drehte Weidlich seinen Körper Richtung Auto, zog seine P229 und schoss instinktiv auf die Windschutzscheibe, die in zahllose Einzelteile zerbarst. Dies hielt den Aufmüpfigen hinter dem Steuer jedoch nicht davon ab, weiter kräftig auf die Tube zu drücken.

Für einen Augenblick hatte Weidlich Null sicher im Visier und hätte er abgedrückt, so hätte eine Kugel diesen Nichtsnutz durchbohrt. Doch Kommissar Weidlich wusste, wie scheiße viel Arbeit der anschließende Bericht machen würde. Ruckert, dieser Schnüffler, würde sich auf ihn stürzen wie ein gieriger Karpfen auf umherirrende Kaulquappen. Nein, Null musste anders gestoppt werden. Etliche Szenarien, wie dies zu geschehen hatte, blitzten durch Weidlichs Kopf, doch da eilte ihm der Zufall zur Hilfe.

Mit einem beherzten Satz sprang der kahlköpfige Familienvater in das Loch, das vor wenigen Sekunden noch von einer intakten Windschutzscheibe ausgefüllt wurde. Der Mann schrie wie ein Berserker und wickelte seine Pranken um Nulls Hals. Null fuchtelte wild am Lenkrad herum und versuchte, den parasitär an ihm haftenden Widersacher mit Zickzack-Kurven abzuschütteln. Die frei liegenden haarigen Unterschenkel des Vaters knallten auf die Motorhaube. Der Wagen stoppte.

Kommissar Weidlich hatte sich breitbeinig, mit vorgehaltener Waffe, in den Weg gestellt und brüllte:

 

»Stop!« Das zog!

 

Abgesehen von den Würggeräuschen, die Null durch den engen Griff des wütenden Familienvaters von sich gab, herrschte Stille. Das Rauschen vorbeiwuchtender LKW und dröhnender Familienkutschen hatte längst Weidlich ausgeblendet. Der Kommissar zupfte seinen beigen Mantel zurecht und prustete wie ein Otter, der nach Luft ringend aus dem Wasser emporsteigt. Dann näherte er sich dem Wagen und klopfte dem zornigen Vater, dessen Gesicht von geschwollenen Äderchen durchzogen war, auf die Schulter.

»Ruhig, Brauner, ruhig.«

 

Der Mann löste seinen Griff und starrte hilflos in der Gegend umher. Null keuchte und ehe Weidlich ihn hinausziehen konnte, kotzte er auf den Fahrzeugboden.

 

»Das machst du nachher schön selber wieder weg!«

 

Eigentlich wollte der Kommissar nicht so barsch sein, doch Null hätte ihm unmöglich abgekauft, welch abstrusen Plan Weidlich zu dessen Rettung im Sinn hatte. Obwohl es nur zu Nulls Bestem war, hätte er sich dagegen gewehrt.

 

»Vielen Dank, Sie waren Deutschland eine große Hilfe!«, sagte Weidlich herzensfroh und schüttelte dem mit Schrammen und Schürfwunden gezeichneten Familienvater die Hand.

 

Dieser starrte ihn nur entgeistert an und brabbelte ein paar für Weidlich unverständliche Laute.

 

»Mein lieber Scholli, das sollten Sie verarzten lassen. Mit Gesundheit ist nicht zu spaßen! Die ist das A & O, nicht nur das Tüpfelchen auf dem i!«

 

Erst jetzt bemerkte Weidlich das Wimmern der Kinder, die sich unter den Armen ihrer Mutter eingekrümmt hatten. Das Bild erinnerte ihn an eine Greifvogel-Doku, die er am Sonntag verkatert im Fernseher laufen ließ, während er Spiegeleier briet. Die Frau hatte jetzt denselben Gesichtsausdruck aufgesetzt wie ihr Mann. Meine Güte, das kann doch an jeder Raststätte mal vorkommen! dachte Weidlich. Er verachtete diese Familie, ihre Weichheit und Naivität. Ihren Glauben an das Gute im Alltag, denn anders konnte Weidlich sich das völlig unnötige Risiko, an einer schmierigen Raststätte Sandwiches zu futtern, nicht erklären. Es widerte ihn regelrecht an, wie diese Spießer ihren Freund und Helfer jetzt betrachteten. Dabei hatte dieser Freund und Helfer sie gerettet! Wer hatte sich denn unter Einsatz seines Lebens vor den Fluchtwagen des Kriminellen gestellt?

Es war an der Zeit, den nächsten Zauberspruch eines wirklich guten Polizisten aufzusagen: »Weg hier, zurücktreten, es gibt nichts zu sehen! Treten Sie zurück, es gibt hier nichts zu sehen!«

 

Wenn Weidlich etwas noch mehr verabscheute als Kriminelle, dann waren es Gaffer, die diesen Kriminellen ein williges Publikum boten. Widerlich fand Weidlich das, aber so sind nun mal die Menschen. Entgegen seiner bisherigen Erfahrung wich die Familie keinen Meter zurück. Stattdessen starrten sie ihn nach wie vor entgeistert an.

 

»Mein Gott, geht es ihnen gut?«, fragte der Familienvater.

 

Weidlich wollte schon antworten, als er bemerkte, dass die Frage nicht an ihn, sondern an Null gerichtet war. Null hatte seinen Kopf an die Nackenstütze gepresst. Langsam gewann sein Gesicht wieder an Farbe.

 

»Es tut mir leid, es tut mir leid! Ich wollte sie nicht verletzen, ich ...«, stotterte der Mann. »Sie müssen in ein Krankenhaus!«

 

»Kommt nicht in Frage!«, widersprach Weidlich.

 

»Dieser Mann ist nicht wie Sie und ich. Er ist ein Krimineller und gehört hinter Schloss und Riegel!«

 

»Ja, meine Fresse, sind sie überhaupt ein richtiger Kommissar? Sie haben doch nicht mehr alle Tassen im Schrank, man!«

 

Dass die meisten Bürger sich respektlos gegenüber den Hütern des Gesetzes verhielten, war er zu seinem Leidwesen gewohnt. Dass sie jedoch in dieser Art und Weise mit ihm schimpften, ihn rügten wie ein kleines Kind, ging definitiv zu weit. Plötzlich strömten Bilder wie eine Giftgaswolke in sein Gehirn. Weidlich sah Kartoffel-Micha wieder vor seinem geistigen Auge, glasklar, zähnefletschend, danach gierend, einen der schleimigen Erdäpfel zu fassen und sie dem kleinen Weidlich ins Maul zu stopfen. Und da war Kunibert, ein kräftiger Junge und Michas bester Freund, mit kurzgeschnittenen rabenschwarzen Haaren, der lachte und lachte, während Micha die Kartoffeln an den Wangen des kleinen Weidlich zu Mus zerdrückte.

 

»Nein, nicht schon wieder!

---ENDE DER LESEPROBE---