Die Gabe - Tania Prank - E-Book

Die Gabe E-Book

Tania Prank

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Beschreibung

Tina Weiß hat eine besondere und einmalige Gabe. Sie kann gefährliche und falsche Situationen erspüren. Vor Katastrophen wird Tina dadurch nicht bewahrt. Nach einem privaten Schicksalsschlag zieht die junge Deutsche spontan nach Frankreich. Sie flieht vor ihrer Vergangenheit und träumt von einer Zukunft. Matthieu Dubois, ihr neuer Chef, scheint sie aufzufangen. Es läuft gut für Tina, bis der kleine Pierre, ein Junge aus dem Dorf, verschwindet. Dank ihrer Gabe ist sie tief mit seinem Verschwinden verwoben und gerät immer tiefer in einen Strudel aus Verzweiflung und Angst. Bis plötzlich Tinas Leben bedroht wird... Ein fesselnder Psychothriller über Misstrauen, Verrat, Familientragödien und eine zarte Liebe.

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Seitenzahl: 224

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Die Gabe

Tania Prank

Psychothriller

Copyright © 2024 Tania Prank (Pseudonym), 2024.

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Dieses Buch ist ein belletristisches Werk. Sämtliche Inhalte dieses Werkes sind entweder fiktiv verwendet oder von der Autorin erfunden. Die Orte Carsac-Aillac und Groléjac gibt es wirklich. Die Ortschaften haben nichts mit dem Inhalt, den Personen oder Ereignissen zu tun. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen oder mit tatsächlichen Ereignissen und Orten sind frei erfunden, ohne Verbindung und unterliegend dem bloßen Zufall.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Tina

Matthieu

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Er

Matthieu

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Tina

Die Sonne brannte, der Asphalt vor Tina flimmerte und ihre Lungen arbeiteten auf Hochtouren. Es war erst sieben Uhr morgens und die Sonne schien bereits so heiß, dass Tinas Laufkleidung nass vor Schweiß an ihrem schlanken Körper klebte. In schmalen Rinnsalen lief er ihr den Rücken hinunter. Ihre langen, blonden Haare hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden, welcher mit rhythmisch klatschenden Geräuschen auf ihren Nacken traf. Dieser Sommer galt seit Wochen als Jahrhundertsommer und trotzdem konnte sie sich nicht an den Schweiß in den Augen und die Hitze gewöhnen, die wie in Wellen vom Schwarz der Straße zurückprallte. Diese wandte sich einer Schlange gleich die Steigung hinauf. Links der Straße befanden sich trockene Felder und Wiesen, deren Braun die Landschaft prägte. Rechts lag ein kleiner Wald, der auch schon so trocken war, dass man den Staub förmlich riechen konnte.

Tina rieb sich mit ihrem Schweißband über die Stirn, als sie um die letzte Kurve der steilen Bergstraße mitten in Frankreich bog. Ihr Atem ging schnell, einer Maschine gleich und ihre Gedanken rasten. Da sie das Laufen gewohnt war, bewegte sie sich routiniert und sicher trotz ihrer hohen Geschwindigkeit. Sie war nicht von hier. Vor wenigen Wochen wusste sie selbst noch nicht einmal, dass sie hier landen würde. Mitten in der Dordogne, in einem kleinen Häuschen in Carsac-Aillac. Vor wenigen Wochen wusste sie noch, wer sie war und was sie wollte. Sie war Mutter ihrer wunderbaren kleinen Tochter Laura und Ehefrau ihres Mannes Hannes, der sie über alles liebte. Sie war erfolgreich in ihrem Beruf als Lehrerin und konnte sich nicht ausmalen, dass sich all dies irgendwann einmal ändern sollte. Vor wenigen Wochen war ihre Welt noch in Ordnung.

Tina schob mit einer abrupten Handbewegung die Gedanken an ihre Vergangenheit beiseite, als wären sie ein lästiger Schwarm Fliegen. Sie zog ihr Tempo noch einmal an und versuchte, sich auf ihre Atmung zu konzentrieren. Ihre Schritte hallten auf dem heißen Asphalt wider. Ihre Lungen pumpten, ihre Beine arbeiteten wie eine Maschine. Gleichmäßig und fokussiert konzentrierte sie sich auf ihr Lauftempo und die Atmung. Sie lief seit Jahren zum Ausgleich. Beim Laufen vergaß sie normalerweise alles und existierte nur im Hier und Jetzt. Beim Laufen schaffte sie es, ihren Kopf auszuschalten. Darum lief sie. Das Laufen hatte ihr bisher immer eine Klarheit ihrer Gedanken bereitet, die ihr die Kraft für ihre Familie und ihren Beruf gegeben haben. Doch seit wenigen Wochen hatte sich das Gefühl nach Freiheit beim Laufen verändert. Sie lief vor ihrer Vergangenheit davon. Sie lief vor ihrem Gedankenkarussell davon, um nicht an ihrer Vergangenheit zu ersticken. Sie rannte förmlich vor sich und ihrem Leben weg. Doch so sehr sie sich bemühte, es klappte nur begrenzt und ihre Flucht blieb von kurzer Dauer. Das Laufen war das Einzige, was sie aus ihrer Vergangenheit mit nach Frankreich genommen hatte. Das und der schale Geschmack nach Familie.

Matthieu

Matthieu Dubois starrte aus dem Fenster und nippte an seinem Café au lait. Er hatte sie laufen sehen, wie jeden zweiten Morgen. Diese blonde, schlanke Frau aus Deutschland mit ihren grünen Augen. Die Neue im Ort. Jeder sprach von ihr, da die Menschen in Carsac-Aillac nichts anderes zu tun hatten. Hier drehte sich die Welt noch langsam. Matthieu wusste das, denn er war hier aufgewachsen und kannte fast jeden im Dorf. Dass ein solch kleines Örtchen trotzdem nicht immer vor einer Katastrophe schützen konnte, wusste er aus eigener Erfahrung zu gut. Doch darüber wollte er heute nicht nachdenken. Bedächtig nahm er einen Schluck von seinem heißen Getränk. Er war bekannt für die gute Zubereitung seinen Kaffees und das sogar bis in die kleinen Nachbargemeinden und im ganzen Departement. Seit ein niederländischer Urlauber, ein Journalist, von seinem Café „Le Croissant“ in dessen Heimat berichtet hatte, konnte sich Matthieu vor allem im Hochsommer kaum noch vor Gästen aus allen Herren Ländern retten. Ihm war es recht. So lohnte sich das Arbeiten und sein Konzept, mit dem sein Vater und er dieses Café eröffnet hatten, ging auf. Er ließ den Blick über das Interieur gleiten. Warme Farben und eine Mischung aus traditionellen Möbeln und moderne Accessoires zeichnete „Le Croissant“ aus. Die Idee hatte damals tatsächlich sein alter Herr. Er hörte noch heute dessen Stimme in seinen Gedanken und sah die schwere Hand, die seine Schulter drückte: „Vertrau mir, Junge. Die Leute lieben das. Unseren Freunden und Bekannten ist es egal, wie es hier aussieht. Sie kommen wegen uns. Die Touristen aber kommen nach Frankreich und wollen sich aufgenommen fühlen. Es muss hier Französisch aussehen und sich auch so anfühlen.“ Matthieu schmunzelte beim Gedanken daran. Wenn sein Vater wüsste, wie gut sein Plan aufgegangen war. Er konnte sich von April bis Oktober kaum vor Touristen retten und die anfängliche Durststrecke in Herbst und Winter war mittlerweile ein willkommenes, kurzes Durchatmen, bevor es wieder losging. Darum hatte es ihn nicht gewundert, dass eine deutsche, blonde Frau vor wenigen Wochen hier in sein Café gekommen war, um sich „den besten Cappuccino“ der Welt zu bestellen. Tina Weiß hatte seinen Cappuccino getrunken, ihn mit ihren grünen Augen traurig angelächelt und ihn damit direkt in sein einsames Herz getroffen. Es war um ihn geschehen und mit jeder Faser seines Seins schrie es in ihm: „Das ist sie, die Frau deines Lebens.“ Statt sie anzusprechen kassierte er damals ab und sie verschwand genauso schnell, wie sie gekommen war. Er wusste es war idiotisch, denn was hätte er zu verlieren gehabt. Doch seine ständigen Bedenken, etwas falsch zu machen, hatten ihn wieder einmal zögern lassen. Zu dem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass sie noch am selben Tag das kleine, zugewachsene Häuschen von Monsieur Levebre am Ortsrand kaufen und bar bezahlen würde. Allein diese Tatsache sorgte für Gesprächsstoff in Carsac-Aillac. Wer konnte sich ein Häuschen in der Dordogne bar leisten, selbst wenn es noch so klein und zugewuchert war. Sonst wusste man von Tina Weiß nicht viel. Sie galt als verschlossen und wirkte unglücklich. Darüber waren sich alle einig. Matthieu lebte seit 35 Jahren hier, im eigenen renovierten Elternhaus. Seine Eltern gab es nicht mehr, doch das war neun Jahre her. Es erschien ihm so lange her, dass er sich fast daran gewöhnt hatte, seine Schwester all die Jahre nicht zu sehen. Der Tod ihrer Eltern hatte beide Geschwister aufgewühlt. So sehr, dass es Streit gab und Vorwürfe. Diese standen wie eine hohe Mauer zwischen Matthieu und Claire und keiner traute sich mehr auf die andere Seite. Obwohl Claire nur einen Ort weitergezogen war, nach Groléjac, lebte sie doch in einer anderen Welt. Eine Welt, aus der er ausgeschlossen war. Manchmal, wenn Matthieu über die Brücke der Dordogne fuhr, hatte er den Eindruck, diese Brücke gab es nur, um doch einen letzten Funken Hoffnung stehen zu lassen. Eine letzte Möglichkeit, die Verbindung zwischen ihm und seiner Schwester aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig wusste er, dass diese Hoffnung nur er in seinem Herzen hegte. Seine Schwester hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie ihn nie wieder sehen wollte. Und er war auch hier zu feige und unsicher, um etwas daran zu ändern.

Anfangs hatte es ihn sehr geschmerzt, vor allem als der kleine Pierre auf die Welt kam. Das war nun auch wieder sechs Jahre her. Zu gerne hätte er eine Rolle als Onkel in dessen Leben gespielt. Er freute sich für seine Schwester, dass sie es geschafft hatte. Sie hatte eine Familie gegründet und mit ihrem Mann Hugo Girard das große Los gezogen. Claire und Hugo waren bereits ein Jahr vor dem Tod ihrer Eltern liiert. Hugo war liebenswert und kümmerte sich ausgezeichnet um seine Familie. Wie sie sich kennengelernt hatten, hatte Matthieu nie erfahren. Er hatte die beiden auch nie gefragt, als er sie noch treffen konnte und es war aus seiner Sicht unwichtig. Was zählte war, dass Hugo Claire abgöttisch liebte. Das war Matthieu vom ersten Tag an klar. Manchmal wirkte Hugo auf Matthieu fast schon zu fürsorglich und sein Beschützerinstinkt gegenüber seiner Schwester war von Anfang an deutlich sichtbar gewesen. Vor allem ihrem gemeinsamen Freund Fred hatte das zu schaffen gemacht. Doch Claire schien sich sehr wohl bei Hugo zu fühlen und nur darauf kam es an. Matthieu rechnete es Hugo hoch an, dass er ab und zu ins „Le Croissant“ auf einen schnellen Kaffee kam. Vielleicht lag es an Hugos Besuchen, dass Matthieu manchmal hoffte, es könnte doch noch eine Chance für seine Schwester und ihn geben. So hatte er vor sechs Jahren von Hugo persönlich erfahren, dass dieser Vater geworden war und er dadurch streng genommen Onkel. Ihr kleiner Sohn Pierre machte die Liebe der beiden vollkommen und Matthieu hatte sich so sehr für die kleine Familie und für seine Schwester gefreut.

Umso schlimmer war es für Matthieu, dass der Kleine seit gestern am frühen Abend vermisst wurde. Das wusste er von Gästen, die es wiederrum von Claire wussten. Seine Schwester musste verrückt sein vor Sorge und selbst er trat seitdem unruhig von einem Fuß auf den anderen.

Matthieu wünschte sich auch Kinder. Bisher war ihm jedoch keine passende Frau begegnet. Es gab niemanden in seinem Leben, den er eifersüchtig machen konnte oder der ihn eifersüchtig machte. Er war wählerisch und nur wenige Frauen gefielen ihm. Umso überraschter war er, als diese Fremde ihn sofort fasziniert hatte. Ihre grünen Augen, der traurige Schatten in ihnen, ihre schmale Gestalt und ihr herrlicher Duft zogen ihn magisch an. Tina würde er zur Mittagsschicht sehen, denn er hatte sie eingestellt. Das war jetzt vier Wochen her, als sie in sein Leben gestolpert war. Die Menschen im Dorf hatten ihn für verrückt erklärt. Doch sie sprach ganz passabel Französisch, weil sie als Studentin ein paar Wochen in Frankreich verbracht hatte und konnte gut mit den Gästen umgehen. Darum wurde das Getuschel um sie als seine neue Kellnerin schnell durch freundliche Begrüßungen und warme Worte abgelöst. Energisch kippte Matthieu den mittlerweile kalten Café au lait ins Waschbecken und spülte seine Tasse ab. Das Gefühl, unnütz zu sein, hatte sich sofort mit Pierres Verschwinden bei ihm eingestellt. Matthieu grübelte, wie ein Kind verschwinden konnte. Was hatte Pierre von seinem Nachhauseweg abgehalten? Was konnte er als sein Onkel unternehmen? Er fühlte sein Herz schwer von innen gegen die Brust trommeln.

Pierre war mit seinem Fahrrad auf dem Rückweg von einem Freund gewesen, der oben auf der Höhe wohnte. Er hatte noch bei Hugo angerufen, dass er nun losfahre. Doch er kam nicht zu Hause an, die ganze Nacht nicht und, soweit Matthieu wusste, bis heute nicht. Wenn Matthieu daran dachte, krampfte sich sein Magen wie eine Faust zusammen. Er hätte gerne bei der Suche geholfen, doch Claire hatte ihn aus ihrem Leben ausgesperrt. Vor neun Jahren, mit dem Tod ihrer Eltern. Sie wollte ihn nicht sehen und er musste es akzeptieren. Wenigstens war Fred, sein Freund seit seiner Kindheit, für die Suche verantwortlich, denn er war der örtliche Gendarm. Matthieu vertraute Fred blind und wusste, dass ihm persönlich sehr viel an Pierres Auffinden lag. Fred mochte Claire und war schon immer ein bisschen in sie verschossen gewesen. Insgeheim wusste Matthieu, dass Fred sich mit seiner Schwester auch eine Zukunft hätte vorstellen können. Das Schicksal wollte es damals anders und Claire lernte Hugo kennen. Seine Schwester schaffte es trotz der großen Distanz zwischen ihnen beiden und Hugos anfänglicher Eifersucht Fred gegenüber, mit Fred normal umzugehen. Sie wusste, dass Fred Matthieus bester Freund war und sie sich oft sahen. Claire genoss Freds Aufmerksamkeit ihr gegenüber und manchmal schien sie ihren Mann Hugo bewusst damit eifersüchtig machen zu wollen. Warum sie dies nötig hatte, hatte Matthieu nie verstanden. Sollte er einmal die Liebe seines Lebens treffen, so würde er diese festhalten und alles tun, damit Eifersucht kein Thema sein müsste. Matthieu kannte Fred und wusste, dass dieser hartnäckig sein konnte. Bestimmt war er deshalb weiterhin mit Claire befreundet, obwohl Hugo ihre Freundschaft vor allem anfangs mit Argusaugen überwacht hatte. Mittlerweile schien sich Claires Mann mit Fred als Freund der Familie arrangiert zu haben und die beiden verstanden sich sogar ziemlich gut. Umso verständlicher war es, dass Fred sich mehr als beruflich nötig, auf die Suche nach Pierre konzentrierte. Er hatte sämtliche Dienststellen der Umgebung involviert und alle Gendarmen der Umgebung waren in die Suche nach dem sechsjährigen Jungen eingebunden. Matthieu schluckte kräftig, um den Knoten im Hals loszuwerden. Der Gedanke an seinen kleinen Neffen ließen ihn abwesend auf die leeren Barhocker vor ihm starren. Hoffentlich erlaubte sich der Junge nur einen blöden Streich und tauchte im Laufe des Tages wieder auf.

Er blickte auf die Uhr. Es war Zeit, sein kleines Café „Le Croissant“ zu öffnen. Vom Grübeln ließ sich leider kein Geld verdienen. Entschlossen griff Matthieu nach den Schlüsseln der Gartenterrasse.

Tina

Dort war das Schild „Gîtes Domaine des pierres blondes 1km“, an dem Tina abbiegen musste. Sie sah es von Weitem und wusste, dass sie den Anstieg geschafft hatte. Es stellte sich für kurze Zeit das Glücksgefühl ein, das sie bisher beim Laufen erfüllt hatte, vor dem Verlust von Hannes und Laura. Ihre Augen flimmerten, ihr Herz pumpte und der Schweiß lief in Strömen unter ihrem dünnen Laufshirt an ihrem Bauch hinab. Nun konnte sie entlang der D50 weiter und dann bergab bis zu „La maison du passeur“, um dort den Fluss zu überqueren. Diese Strecke lief sie jeden zweiten Tag seit ihrer Ankunft in der Dordogne und sie liebte es, mitten auf ihrer Strecke durch den Fluss zu schwimmen, um dann nass und erfrischt die letzten Kilometer zurückzulegen. Gerade bei der Hitze und dem dauerhaften Schwitzen als unerträglicher Begleiter ihres Tages war die Abkühlung im Fluss ein richtiges Hochgefühl. Beim Gedanken daran, dass sie bald in das kühle Nass tauchen würde, musste Tina sogar kurz schmunzeln.

Ihre Freude über den erfolgreichen Anstieg währte nur kurz, denn etwas nahm ihre Aufmerksamkeit in Beschlag. Tina wusste zunächst nicht, was es war. Sie schob es auf ihr pochendes Herz, das durch die Belastung heftig pumpte. Dann stellten sich ihr die Nackenhaare auf und die Gänsehaut bereitete sich langsam über ihren ganzen Körper aus. Bereits als junges Mädchen hatte sie diese besondere Fähigkeit. „Deine Gabe“, hörte sie die Stimme ihrer Mutter Julia, die sie bei ihrem Umzug nach Frankreich unterstützt hatte und mit der sie einmal in der Woche telefonierte, um über ihr neues Leben zu berichten. Ihre Gabe, bei der sie spürte, nein einfach wusste, wenn etwas nicht stimmte und ihre Nackenhaare machten es ihr in diesem Moment mehr als deutlich. Deshalb war sie als Lehrerin bisher so erfolgreich gewesen. Ihre Antennen funktionierten wie Lügendetektoren, wie eine unsichtbare Verbindung zu ihren Schülerinnen und Schülern. Sie konnte tief in deren Gedanken- und Gefühlswelt eindringen und für eine neue Ordnung sorgen. Die Kinder und Jugendlichen vertrauten ihr und fühlten sich sofort ernst- und wahrgenommen. Seit einigen Wochen hatte sie keine Schülerinnen und Schüler mehr vor sich sitzen. Ihre Antennen waren ihr verloren gegangen, abgestumpft an nur einem Tag, in nur einem Moment, in dieser winzigen verdammten Sekunde, die alles veränderte – bis eben.

Tina spürte schlagartig all ihre Sinne und blieb abrupt stehen. Die Hitze erschien ihr plötzlich noch unerträglicher, der Schweiß tropfte ihr von der Stirn und zischte auf dem heißen Asphalt der Straße. Sie schnappte nach Luft und schloss verzweifelt die Augen. Und dann nahm sie sie wahr. Die Stimmung des Todes. Die Vibration nach totem Fleisch am Straßenrand und sie begann, am ganzen Leib zu zittern. Dieses Gefühl hatte sie schon einmal, im Frühjahr. Der Schock ließ sie wie gelähmt in ihrer Bewegung innehalten. Sie hielt sogar die Luft an, bis sie hinter ihren geschlossenen Lidern Sternchen sah und gierig etwas Sauerstoff in ihre Lungen pumpte. Die typische Gänsehaut, die mit ihrer Gabe einherging, wurde sogar noch stärker und Tina konnte es nicht ignorieren. Ihre Gedanken überschlugen sich. Das Gesicht ihrer Tochter Laura tauchte vor ihrem inneren Geist auf und Hannes‘ lachende Augen, wenn er ihr einen Kuss auf die Stirn drückte. Wie eine Woge der Übelkeit überrollten sie die Gedanken an ihre Familie. Sie konnte kaum atmen und schnappte erneut hilflos nach Luft. Vor ihren Augen begann es zu flimmern und in diesem Moment traf sie eine Entscheidung. Sie konnte ihre Gabe nicht ignorieren, obwohl sie es sich an diesem einen schrecklichen Tag fest vorgenommen hatte. „Deine Gabe ist ein Geschenk“, ermunterte ihre Mutter sie in Gedanken, „du musst sie nutzen.“ Wie ferngesteuert ging Tina mit langsamen, schlürfenden Schritten der Stelle entgegen, die sie magisch anzog. Ihre Beine fühlten sich bleischwer an. Sie stolperte und blickte erst irritiert auf ihre Laufschuhe, die sie bunt und unschuldig ansahen und dann in Richtung des Waldes, aus welcher die unvorstellbare Anziehungskraft kam. Ihr Gefühl wurde stärker und ihre Gänsehaut stellte sich noch deutlicher auf, als sie bisher für möglich gehalten hätte. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht. Mit jedem weiteren Schritt, den sie langsam Richtung Waldrand trat, verstärkte sich ihr Gefühl und ein Zittern lief trotz der Hitze in Wellen durch ihren Körper.

Da sah sie die Hand. Eine kleine Hand, mit einer Haut wie aus dünnem Papier. Fast wie Pergament leuchtete sie zwischen den Blättern des trockenen Waldrands heraus, verdeckt von unschuldigem Farn am Straßenrand. Tina wusste, dass ihre Vergangenheit sie eingeholt hatte.

Er

Er starrte durch das dürre, trockene Laub und zog seinen harten Schwanz aus seiner Hose. Sein Glied lag groß und steif in seiner Hand und er schloss die Augen, um diesen Moment zu genießen. Die Straße flimmerte. Er spannte seine Muskeln an, die er regelmäßig trainierte, um seinen Körper in Form zu halten. Er wusste, dass er Frauen gefiel und das war in den letzten Jahren immer von Vorteil gewesen. Sie vertrauten ihm dadurch und wurden unvorsichtig. Heute spürte er einen feinen Schweißfilm seine Bauchmuskeln hinunterlaufen. Es war bereits so heiß, dass er kaum atmen konnte. Trotzdem fühlte er sich besser denn je. Er rieb seinen Schwanz mit kräftigen Stößen und drückte mit seiner Hand stark zu. Seine Bewegungen wurden schneller und er stöhnte dabei laut auf. Erschrocken öffnete er die Augen. Er musste wachsam bleiben. Sein Blick richtete sich auf die toten, leblosen Augen, die ihm aus dem Farn heraus fast zuzwinkerten, wüsste er es nicht besser. Er konnte nur richtige Hochgefühle bekommen, wenn er mit dem Tod konfrontiert war. Das wusste er, seit er als Zwölfjähriger seinen Hasen Paule erstickt hatte. Damals hatte er zum ersten Mal einen Höhepunkt erlebt, wie es bis dahin für ihn undenkbar war. Andere Jungs in seinem Alter hatten ihm von diesem Hochgefühl berichtet, wenn sie die nackten Körper der Frauen in ihren Magazinen anschauten oder heimlich in die Umkleidekabine der Mädchen spähten. Bei ihm funktionierte das nicht und insgeheim hatte er sich damals bereits Sorgen gemacht, ob etwas mit ihm nicht stimmte, ob er überhaupt sexuelle Empfindungen haben konnte. Als er damals endlich hinter der Gartenhütte seiner Großeltern über den leblosen Tierkörper abspritze, stieß er einen lauten Siegesschrei aus. Endlich hatte er den Beweis. Er war total normal und konnte richtig hart werden. Damals kam er drei Mal und das dunkelbraune Fell des Tiers war übersät mit seinem weißen Sperma.

Leider blieb ihm heute dieses Vergnügen verwehrt. Er durfte keine Spuren hinterlassen. Niemand sollte wissen, dass er für den Tod verantwortlich war. Niemand sollte wissen, dass er hier war. Er dachte zurück an die letzte Nacht. Sein Plan war aufgegangen. Selten hatte er solch ein großes Vergnügen beim Töten gehabt, denn dieser Akt war zu einem ganz bestimmten Zweck notwendig. So musste es sein. So war es vorgesehen. Dieser leblose Körper sollte nicht gleich gefunden werden, oder noch besser – nie. Sein Atem ging mittlerweile stoßweise und er spürte, dass er bald kommen würde. Er starrte auf die toten Augen. „Plan – Kontrolle – Macht“, klang es in seinem Inneren. Jetzt, als sein ausgeklügelter Plan sich dem Ende zuneigte, ließ er seiner Lust freien Lauf. Er spürte, er war total normal. Er wusste, dass seine Sinne lediglich andere Reize benötigten, um zum Höhepunkt zu kommen. Mit dieser Genugtuung und dem Gedanken an die Todessekunde der letzten Nacht ließ er sich fallen und sein Schwanz explodierte in die Plastiktüte, die er extra dazu vorgehalten hatte.

Seine Atmung ging schnell und er fühlte sich großartig. Stark und unbesiegbar. Triumphierend steckte er seinen nun schlaffen Schwanz zurück in seine Hose, sein weißes Hemd zurück in den Bund, verknotete die Tüte mit seinen Lebenssäften und wandte sich ab. Er verschwand unbemerkt im Unterholz.

Matthieu

Die Uhr am Kirchturm schlug 11 Uhr und Matthieu wunderte sich, dass Tina noch nicht da war. In den letzten vier Wochen war sie immer kurz vor Schichtbeginn erschienen und hatte noch einen Cappuccino, ihr Lieblingsgetränk, getrunken. Er wusste es genau, denn in dieser kurzen Zeit hatte er Gelegenheit, sie in Ruhe anzusehen. Er beobachtete jede Bewegung und saugte alles an ihr in sich auf. Ihre feinen Gesichtszüge, ihre spitze Nase und ihre Halsbeuge, die dann in einem sommerlichen Kleidungsstück verschwand. Zudem waren da ihre traurigen Augen und Matthieu hätte alles dafür gegeben, diese Augen nur einmal von innen heraus lachen zusehen. Zugeben konnte es Matthieu nur schwer, doch er hatte sich verliebt. In diese traurige, blonde Deutsche, die wie aus dem Nichts in sein Leben getreten war, besser gesagt in sein Café. Seine Gedanken wurden durch das Klingeln des Telefons seines Cafés unterbrochen. Das war verwunderlich, denn es rief fast nie jemand auf dem Festnetz bei ihm an.

„Hallo?“, fragte er darum zögerlich in den Apparat.