Die Gedichte - Rainer Maria Rilke - E-Book

Die Gedichte E-Book

Rainer Maria Rilke

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Beschreibung

Rainer Maria Rilke hat mit seiner Lyrik ein Werk geschaffen, das in seiner Gesamtheit zum Grundbestand der deutschen Literatur gehört und zugleich, über die Zeiten hinweg, populär geblieben ist. Seine Texte sind ein nicht abreißender poetischer Gedankenstrom um die großen Fragen der Menschheit, und die Eleganz und die Widerständigkeit ihrer Sprache machen sie, einmal gelesen, zu Lebensbegleitern, die einen immer wieder wie eine geliebte Melodie gefangennehmen. Die Ausgabe wird ergänzt durch eine ausführliche Zeittafel, die einen raschen Überblick über Rilkes Leben und Werk erlaubt. Den Band eröffnet das erste überlieferte Gedicht des achtjährigen René, und er schließt mit seinem letzten, auf dem Sterbebett verfaßten Gedicht. In bisher unerreichter Vollständigkeit werden Rilkes sämtliche Gedichte der Reifezeit geboten und von den Jugendgedichten all jene, die von Rilke zu Zyklen zusammengestellt wurden.

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Seitenzahl: 891

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RAINER MARIARILKE

DIE GEDICHTE

INSEL VERLAG

Die Wiedergabe der Gedichte folgt den grundlegenden, auf den Handschriften bzw. auf den maßgeblichen Drucken beruhenden Ausgaben der Werke Rilkes: Werke. Kommentierte Ausgabe in vier Bänden. Herausgegeben von Manfred Engel, Ulrich Fülleborn, Horst Nalewski und August Stahl, Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag 1996.

Sämtliche Werke, herausgegeben vom Rilke-Archiv in Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke, besorgt von Ernst Zinn, Insel Verlag: Wiesbaden 1955 ff. Vgl. auch die editorische Notiz am Schluß des Bandes.

ebook Insel Verlag Berlin 2010

© Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 2006

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung

des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)

ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert

oder unter Verwendung elektronischer Systeme

verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

www.suhrkamp.de

eISBN 978-3-458-73960-9

INHALT

Erste Gedichte (1884-1894)

Larenopfer (1895)

Traumgekrönt (1896)

Advent (1897)

Christus-Visionen (1896/1898)

Dir zur Feier (1897/98)

Mir zur Feier (1897/98; 1909)

Das Stunden-Buch

Erstes Buch: Das Buch vom mönchischen Leben (1899)

Zweites Buch: Das Buch von der Pilgerschaft (1901)

Drittes Buch: Das Buch von der Armut und vom Tode (1903)

Das Buch der Bilder (1902/1906)

Des ersten Buches erster Teil

Des ersten Buches zweiter Teil

Des zweiten Buches erster Teil

Des zweiten Buches zweiter Teil

Die Gedichte 1906 bis 1910

Neue Gedichte (1907)

Der Neuen Gedichte anderer Teil (1908)

Die Gedichte 1910 bis 1922

Duineser Elegien (1912/1922)

Die Sonette an Orpheus (1922)

Die Gedichte 1922 bis 1926

Zeittafel

Alphabetisches Verzeichnis der Gedichtanfänge und -überschriften

Editorische Notiz

ERSTE GEDICHTE

(1884-1894)

FÜR EUEREN TRAUUNGS-TAG〈An die Eltern, zum 24. Mai 1884〉

Ein hoher Festtag ist gekommen, ein klein’ Papier hab ich genommen. Drauf schreib ich all die Wünsche Dir in Dichter-Form, erlaub’ es mir. Fortuna soll dich stets begleiten von nahe oder auch von weiten. Das Glück geleit Euch überall dies ruft Euch zu der Hannibal.* Nun lebe wohl mit Gottes Segen, er schütze Euch auf allen Wegen. Euer Leben sei nur Glück auf Unglück denket nie zurück nie! nie! nie! Nun lebet wohl ich sag Ade und hoffe Euch tut nichts mehr weh Ade Ade Euer Euch innig liebender Sohn René

〈AN DIE MUTTER〉〈Zu ihrem Geburtstage am 4. Mai 1889〉

Liebste Mama!

Es naht ein Tag durch goldne Tore, ein Tag der Freude und des Glücks. Zur Feder greif ich rasch, begeistert von Genien des Augenblicks. – Und golden prangt in reichen Blüten die schöne, große, weite Welt zur hohen Ehr dem schönen Feste, das lächelnd seinen Einzug hält! Zu Deinem Wiegenfest das heut erschienen das Beste, was ein Mensch im Busen trägt, und alles Hohe, alles edle Schöne, wofür ein freies Menschenherze schlägt. Vom reichsten Wunsche ganz durchdrungen fleh ich zum höchsten Vater hin und hoffe, daß aus meinen Bitten der höchste Segen mög erblühn!Herr! schick von deinem höchsten Throne, der stolz sich in die Wolken baut, Zufriedenheit dem Erdensohne der tränenvoll zum Himmel schaut! Ich fleh: »Oh Herr! laß lang noch glücklich sein und schenke Glück und Frieden dem vielgeliebten, teuren Mütterlein. « Der Himmel wird den Wunsch erhören, den fromm ein kleines Herze spricht, des Kindes Wünsche streng verwehren kann der barmherz’ge Vater nicht! So sprech ich hoffend voll Vertrauen, kann fest auf Gottes Hilfe bauen, denn wer, so sagt ein hohes Wort, in Freud und Leid auf Gott vertraut, hat wahrlich nicht auf Sand gebaut!

Mag Dich auch jetzt noch mancher Kummer drücken, ich sag es Dir mit freudigem Entzücken: Ich seh nicht fern ein tröstend Bild, hoch fliegen seh ich Deines Schicksals Sterne, und meine schönsten Träume sind erfüllt! Und nun dem hohen Wiegenfeste ein Wort zu sagen hab ich noch: Hoch möge der Geburtstag leben, hoch, immer höher, ewig hoch! Hoch! Hoch! Hoch!

〈AN DIE MUTTER〉〈Zu ihrem Geburtstage am 4. Mai 1890〉

Hoch!

dem Geburtsfeste.

Wünsche, die im Herzensgrunde längst getagt im Sonnenschein, tönen nun aus meinem Munde, teures Herz, Dich zu erfreun. Des Vertumnus reiche Gaben aus Fortunas goldnem Horn sollen Dich in Segen laben als ein unerschöpflich Born. Freude winke Dir entgegen, Freude kehr Dir stets zurück, wo Du gehst auf allen Wegen blühe Dir das reinste Glück.Lange noch in Glück und Frieden fliehe Dir die schnelle Zeit, sei das Höchste Dir beschieden: »Himmlische Zufriedenheit«. Freude mög Dich stets begleiten, Liebe soll dein Führer sein, Treue Dir den Weg bereiten, überall Dich zu erfreun! – Höre meiner Wünsche Worte, höre sie geduldig an; denn sie haben Dir die Pforte Deines Glückes aufgetan. Einfach zwar die Worte klingen, schmucklos ohne Zier und Glanz, doch weil sie dem Herz entspringen, ist gar blumenreich ihr Kranz. Nun will ich nicht weiter keuchen, sonst hörst Du mich gar nicht an: »’s ist ein Lied, das Stein’ erweichen, Menschen rasend machen kann«. Doch ich wünsch Dir ja das Beste, höre nur mein Flehen an; zu dem hohen Wiegenfeste was nur geht hab ich getan! Nun, ein Leben solls heut werden wie in des Olympos Höhn, wie bisher auf unsrer Erden noch kein Sterblicher gesehn. Doch etwas muß ich Dir noch sagen, eh ich die Zeilen Dir übergieb, Du brauchst nicht weiter zu erfragen: Kannst’s glauben, hab Dich riesig lieb.

Hoch! Hoch! Hoch!

〈AN DEN VATER〉〈Zu seinem Geburtstage, dem 25. September 1891〉

Teuerster Papa!

Zu diesem Feste sieh mich vor Dich treten, der Du von meiner ersten Stunde an für mich gesorgt, in Freude und in Nöten, laß mich recht herzens-innig für Dich beten zu dem, der alles Gute senden kann!

Ein Lenz des Schaffens sei Dein ganzes Leben allüberall der strengen Pflicht geweiht – in stetem Fleiße unermüdlich weben, das läßt den Geist zu goldnen Höhen schweben,

macht ihn erhaben über Raum und Zeit.

Und dennoch siehst du klar in all die Tänze des leichten Lebens offnen Blicks hinein: Die Menschheit freuet sich der muntern Lenze, da forsche wohl, wie sehr ein Ding oft glänze,

ob etwas berget dieser äußre Schein?

Du ließest mir so manches Edle lehren, führst mich den Weg zur Wissenschaft hinan; wie könnt ich also Dich nicht liebend ehren, laß mich zur Fahne reiner Wahrheit schwören:

Ich wills vergelten Dir – als Mann.

Ich will bei meiner Arbeit emsig walten auf daß es wahr, bis ich Dich wiederseh: Durch Fleiß und Mühe kann sich viel entfalten; was er versprach, das wird Dir ewig halten –

in treuer Lieb Dein dankbarer René.

Das scheucht den Kummer, dann wird bange mir nimmermehr vor einer Klag; Gott geb, daß bei demselben Klange ich noch viel Jahre folg dem Drange

zu grüßen diesen schönen Tag! –

GLAUBENSBEKENNTNIS2. April 1893

Ihr lippenfrommen Christen nennt mich den Atheisten und flieht aus meiner Näh’, weil ich nicht wie ihr alle betöret in der Falle des Christentumes geh.

Ich weiß es, eure Lehren, die wissen zu bekehren, die machen fromm und – dumm. Denn nur damit ihr sündigt, hat man euch einst verkündigt das Evangelium.

Und eure Priester sorgen, daß heute oder morgen euch nicht mehr Klarheit wird. Wacht mit Gesetz und Strafe doch über seine Schafe der ›unfehlbare‹ Hirt.

O! heil’ger weiser Vater, der du des Herrn Berater

auf dieser Erde bist,

Du bist der erste Sünder – verzeih, ich sags gelinder: du bist der erste Christ.

Und deine Lämmer lehren: Die Dreiheit sollt ihr ehren jetzt und in Ewigkeit. (Füllt nur den Opferkasten, – dann seid ihr von den Lasten der Schulden bald befreit.)

Die Schafe folgen alle, sobald mit lautem Schalle die Kirchenglocke hallt; – sie fühlen sich entschädigt, wenn nur der Pfaff die Predigt verschlafen niederlallt.

Der spricht von Tod und Ende, . . . sie falten ihre Hände und weinen sich halb blind. Dann murmeln sie ein: Amen, und gehn … in Gottes Namen, – wie glücklich sie doch sind! –

Sie sind ja doch gereinigt und werden nie gepeinigt von Fegefeuerglut. Christ ist für sie gestorben, hat ihnen Heil erworben durch sein geheiligt Blut.

Er lehrte sie dies Leben und alles – hinzugeben wie er, – der Menschensohn. Einst würd’ in andern WeltenGott Vater es vergelten mit seinem höchstem Lohn! …

»Du wirst dann untergehen«, ruft ihr, »nicht auferstehen, wenn die Posaune gellt!« » »Habt Dank, – ich bleibe liegen, ich lasse mir’s genügen an dieser einen Welt. –

Ich glaub an eine Lehre, von der man sagt, sie wäre auf Erden selbst sich Lohn. Die Lehre, die ich übe, die Lehre heißt die Liebe, sie ist mir Religion. « «

〈CHRISTUS AM KREUZ〉〈Ende 1893〉

Noch hatten kaum die Fernen sich gelichtet, so war ich schon der Stadt entflohn und ging durch frische Aun. – Dort stand ein Kreuz errichtet, ein schlichtes Holzkreuz. An dem Kreuze hing ein Christus dort. Nur schlecht und schlicht bemalet mit greller Farbe – nicht von Künstlerhand. Er sah vom Licht des jungen Tags bestrahlet erbärmlich aus. Doch unweit von mir stand ein armes Weib. Zwei Kinder ihr zur Seite – gebetvertieft. Die kannten wohl die Not. Noch hörte ich die Worte: »Gieb uns heute« – – die Kleinen sprachens mit – »das täglich Brot. « – Wer könnte denen diese Hoffnung rauben, die durch das karge Leben knospend bricht! Es lag in ihren Blicken so viel Glauben, in ihren Worten so viel Zuversicht. Dort eilten sie nun wohl zum Tageswerke in schnellem Schritte. Das Gebet verlieh den arbeitsmüden Gliedern neue Stärke . . . . . Da schien es mir – als müßt ich neiden sie. Still stand ich da, das Auge voll von Tränen, das arme Herz zwiespältiger Zweifel voll. Und da vor meinen Augen sah ich jenen, zu dem sie flehten, daß er helfen soll. – Was konnte ich nicht beten? warum schauteich immer nur das bunte Blech – nicht mehr? . . . . Er war ein Mensch, wie ich, – doch er vertraute auf seine eigne Stärke allzusehr. – Er war ja groß – er hatte edle Ziele sich vorgesteckt. Doch eines macht ihn klein: daß er im Übermaße der Gefühle verleugnete ein schlichter Mensch zu sein … Gerade damals, als auf tausend Wegen sich in der Welt verbreitet seine Macht, da hätt er wohl mit Stolze sagen mögen: Ich bin ein Mensch, ein Mensch, der dies vollbracht. Doch da erwachte in ihm das Begehren, geehrt zu sein, das Vieler Größe beugt, – er wollte, daß von goldenen Altären für ihn der Rauch einst in die Lüfte steigt. Er wollte nicht als Mensch verehret werden, – nein, lieber trug er Schande, Schmach und Spott, – nein, lieber wollte leiden er und sterben, am Kreuze sterben, – aber doch – als Gott. Nun ist mirs klar, warum ich ihn nicht lieben noch achten kann, und kein Gebet ihm weihn: Er wär als Mensch so göttlich groß geblieben, und nun als Gott erscheint er menschlich klein! – Ich sah empor, wo mit verdrehten Blicken das bunte Bild am schlichten Kreuze hing. Längst war es Tag – ich drehte ihm den Rücken und trocknete die Tränen mir – – – und ging . . . . .

〈AN VALERIE VON DAVID-RHONFELD〉〈5. August 1894〉

Du warst nie so, wie jene andern waren – erwäge, ob es Lob – ob’s Tadel sei. Von Vorurteil und niederm Denken frei, war niemals noch dein Weg der Weg der Scharen.

Du bist so stark. Du scheutest nicht Gefahren und konntest stolz auch in des Lebens Strom das heilge weiheduftige Arom des edlen reinen Herzens dir bewahren.

Dein süßer Kuß, der Duft, der deinen Haaren entströmt, betäubt mich und berauscht mich schier; doch erst dein dunkles Auge konnte mir das Rätsel deines Wesens offenbaren.

In schweren Stunden hab ich es erfahren und unauslöschlich hab ichs eingeprägt in dieses Herz – das dir für ewig schlägt: Du warst nie so wie jene andern waren.

* (René ist Hannibal, Feldherr der Karthager)

LARENOPFER

(1895)

IM ALTEN HAUSE

Im alten Hause; vor mir frei seh ich ganz Prag in weiter Runde; tief unten geht die Dämmerstunde mit lautlos leisem Schritt vorbei.

Die Stadt verschwimmt wie hinter Glas. Nur hoch, wie ein behelmter Hüne, ragt klar vor mir die grünspangrüne Turmkuppel von Sankt Nikolas.

Schon blinzelt da und dort ein Licht fern auf im schwülen Stadtgebrause. – Mir ist, daß in dem alten Hause jetzt eine Stimme ›Amen‹ spricht.

AUF DER KLEINSEITE

Alte Häuser, steilgegiebelt, hohe Türme voll Gebimmel, – in die engen Höfe liebelt nur ein winzig Stückchen Himmel.

Und auf jedem Treppenpflocke müde lächelnd – Amoretten; hoch am Dache um barocke Vasen rieseln Rosenketten.

Spinnverwoben ist die Pforte dort. Verstohlen liest die Sonne die geheimnisvollen Worte unter einer Steinmadonne.

EIN ADELSHAUS

Das Adelshaus mit seiner breiten Rampe: wie schön will mir sein grauer Glast erscheinen. Der Gangsteig mit den schlechten Pflastersteinen und dort, am Eck, die trübe, fette Lampe.

Auf einer Fensterbrüstung nickt ein Tauber, als wollt er durch den Stoff des Vorhangs gucken; und Schwalben wohnen in des Torgangs Lucken: das nenn ich Stimmung, ja, das nenn ich – Zauber.

DER HRADSCHIN

Schau so gerne die verwetterte Stirn der alten Hofburg an; schon der Blick des Kindes kletterte dort hinan.

Und es grüßen selbst die eiligen Moldauwellen den Hradschin, von der Brücke sehn die Heiligen ernst auf ihn.

Und die Türme schaun, die neueren, alle zu des Veitsturms Knauf wie die Kinderschar zum teueren Vater auf.

BEI ST. VEIT

Gern steh ich vor dem alten Dom; wie Moder weht es dort, wie Fäule, und jedes Fenster, jede Säule spricht noch ihr eignes Idiom.

Da hockt ein reichgeschnörkelt Haus und lächelt Rokoko-Erotik, und hart daneben streckt die Gotik die dürren Hände betend aus.

Jetzt wird mir klar der casus rei; ein Gleichnis ists aus alten Zeiten: der Herr Abbé hier – ihm zuseiten die Dame des roi soleil.

IM DOME

Wie von Steinen rings, von Erzen weit der Wände Wölbung funkelt, eine Heilge, braungedunkelt, dämmert hinter trüben Kerzen.

Von der Decke, rundgemauert, schwebt ob eines Engels Kopfe hell ein weißer Silbertropfe, drin ein ewig Lichtlein kauert.

Und im Eck, wo Goldgeglaste niederhangt in staubgen Klumpen, steht in Schmutz gehüllt und Lumpen still ein Kind der Bettlerkaste.

Von dem ganzen Glanze floß ihm in die Brust kein Fünkchen Segen … Zitternd, matt, streckts mir entgegen seine Hand mit leisem: »Prosim!«

IN DER KAPELLE ST. WENZELS

Alle Wände in der Halle voll des Prachtgesteins; wer wüßte sie zu nennen: Bergkristalle, Rauchtopase, Amethyste.

Zauberhell wie ein Mirakel glänzt der Raum im Lichtgetänzel, unterm goldnen Tabernakel ruht der Staub des heilgen Wenzel.

Ganz von Leuchten bis zum Scheitel ist die Kuppel voll, die hohle; und der Goldglast sieht sich eitel in die gelben Karneole.

VOM LUGAUS

Dort seh ich Türme, kuppig bald wie Eicheln und jene wieder spitz wie schlanke Birnen; dort liegt die Stadt; an ihre tausend Stirnen schmiegt sich der Abend schon mit leisem Schmeicheln.

Weit streckt sie ihren schwarzen Leib. Ganz hinten, sieh, St. Mariens Doppeltürme blitzen. Ists nicht: sie saugte durch zwei Fühlerspitzen in sich des Himmels violette Tinten?

DER BAU(1)

Die moderne Bauschablone will mir wahrlich gar nicht passen. Hier, dies alte Haus darf fassen reiche, weite Steinterrassen,

kleine, heimliche Balkone.

Und die weitgewölbten Decken, die so günstig sind den Lauten, Nischen rings, die eingebauten, draus die Arme sich der trauten

Dämmrung dir entgegenstrecken.

Alle Mauern breiter, stärker und aus echten Quaderkernen; – traun, das Gruseln könnt ich lernen, seh ich auf die Zinskasernen

aus dem kleinen, stillen Erker.

IM STÜBCHEN(2)

Traut ists, wenn verstohlen heulen im Kamine wilde Winde, in der Stube; ganz gelinde tickt auf dem barocken Spinde

fort die Stockuhr mit den Säulen.

Dort, die kleine Silhouette zeigt die alte Tracht der Locken, tief im Fenster steht ein Rocken, und vergeßne Töne stocken

im verlassenen Spinette.

Immer noch liegt die Postille, daß an ihrem Geist erfrische jung und alt sich, auf dem Tische, und der Spruch ob jener Nische

lautet: ›Es gescheh Dein Wille … ‹

ZAUBER(3)

Oft seh ich die heimliche Stube belebt, so lebhaft erzählen die Wände; ein liebliches Mädchen, halb Kind noch, hebt dort zu der Madonna die Hände.

Ein tüchtiger Junge beim Vater steht, der viel zu des Hauses Gewinn tat. An huben sie flüsternd das Abendgebet, und Mutter läßt ruhen das Spinnrad.

Da deucht mich, es wird wohl das Auge naß sogar der Madonne im Rahmen. Ich lausche: – Laut von des Vaters Baß ertönt das versöhnende: »Amen«.

EIN ANDERES(4)

Naht der Sohn mit schwerem Schritt seinem Vater. Schwer die Zunge … »Wirklich, was, ein Bräutchen, Junge?! Vorwärts, nur herein damit!«

Und da steht zum ersten Mal jetzt das Mädchen rot und stille; und der Vater putzt die Brille: »Teufel! Gut war deine Wahl!«

Und er streckt die Arme aus, und das Bräutchen nimmt verlegen seinen Kuß und seinen Segen … Davon weiß das alte Haus.

NOCH EINES(5)

Auch dem blonden Kinde kam es in sein Herz, sein waldseereines, wie das dunkle Ahnen eines großen Glückes oder Grames.

Und die Mutter ließ das Rädchen stocken. – »Kind, was macht dich leiden?« Stürmisch schluchzend schwieg das Mädchen: doch verstanden sich die beiden.

Kurz darauf: Am Pförtchen pochte junger Herr. – »Wollt ihr euch?« – Pause. – Ob! – Wer da noch fragen mochte!? – So geschahs im alten Hause.

UND DAS LETZTE(6)

Still heut die Stube. – Weiß wie Kalk ist Frauchens Antlitz. Müd und lustlos ihr feuchtes Auge; halb bewußtlos lehnt sie bei Vaters Katafalk.

Zuseiten ihr der Gatte kann sie trösten mehr in keiner Weise; nun faßt er ihre Hände leise und sieht sie ernst und bittend an.

»Mein Mütterchen, nimm diesen Strauß!« tönt türher hell das Wort des Kleinen; da glimmt ein Lächeln durch ihr Weinen, und Trost geht durch das alte Haus.

IM ERKERSTÜBCHEN(7)

Nicht zu sehn das Alltagstreiben, flieh ich – wie wenn ich ein Strauß wär – in das alte, alte Haus her; lang dann seh ich nicht hinaus mehr

durch die breit verbleiten Scheiben.

Schlichtheit war der Väter Aussaat, Glück die Frucht, die sie gefunden; sitz so träumend manche Stunden dort im Polsterstuhl, im runden,

mitten in Urväterhausrat.

DER NOVEMBER TAG

Kalter Herbst vermag den Tag zu knebeln, seine tausend Jubelstimmen schweigen; hoch vom Domturm wimmern gar so eigen Sterbeglocken in Novembernebeln.

Auf den nassen Dächern liegt verschlafen weißes Dunstlicht; und mit kalten Händen greift der Sturm in des Kamines Wänden eines Totenkarmens Schlußoktaven.

IM STRASSENKAPELLCHEN

Bei St. Loretto da brennt ein Licht vorm Bilde im Straßenkapellchen; und um das Wandbild schmiegen sich dicht Blechblumen mit farbigen Kelchen.

Die Heiligen machen ein übel Gesicht; denn der Sturmwind, der hastige Knab, hat nicht Achtung für sie; bei Loretto das Licht schaut fromm in den dämmernden Sabbat.

DAS KLOSTER

Im Dämmerdustgeschwel ist schon die Stadt zerronnen, hoch steht das Haus der Nonnen des Ordens vom Karmel.

Der Abend hüpft hangab vorbei mit Feuergarben und windet tausend Farben um jeden Fensterstab.

Er schmückt das düstre Haus umsonst mit Lichtgeglänze: so sehen frische Kränze auf Leichensteinen aus.

BEI DEN KAPUZINERN

Es hat der Pater Guardian vom Klosterschnaps mir angeboten; ich kenn ihn schon, den dunkelroten, der alle Toten wecken kann.

Der Pater sucht den Schlüssel, klein, dort, wo des Sacktuchs Zipfe blauten, und holt den Schatz, den selbstgebrauten, hervor aus dem Reliquienschrein.

Und wie er einschenkt, lacht er feist und spricht: »Zu Staub sind die Gebeine, die einstens ruhten in dem Schreine, doch uns erhalten blieb – – – der Geist!«

ABEND

Einsam hinterm letzten Haus geht die rote Sonne schlafen, und in ernste Schlußoktaven klingt des Tages Jubel aus.

Lose Lichter haschen spät noch sich auf den Dächerkanten, wenn die Nacht schon Diamanten in die blauen Fernen sät.

JAR. VRCHLICKÝ

Ich lehn im Armstuhl, im bequemen, wo oft ich Ungemach vergaß, müd nicken krause Chrysanthemen im hohen Venezianerglas.

Ich las in einem Band Gedichte gar lange; wie die Zeit entschwand! Jetzt erst im Abenddämmerlichte leg ich sie selig aus der Hand.

Mir ist, von göttlichen Problemen hätt ich die Lösung jetzt erlauscht, – hat mich der Hauch der Chrysanthemen, hat mich Vrchlickýs Buch berauscht?

IM KREUZGANG VON LORETTO

Still ist es in dem Kreuzgang, in dem alten, wo über krausen Säulenarabesken herniederschaun aus halbverwischten Fresken geheimnisvolle Heiligengestalten.

Wo eine Wachsmadonna, die man zeiht so manchen gnadenvollen Heilmirakels, prangt hinterm grauen Glas des Tabernakels im silberübersäten Seidenkleid.

Spannt über Blättergold Spätsommerhaar sich draußen auch im Klosterhof Lorettos, – vor einem Bild im Stile Tintorettos steht selig still ein junges Liebespaar.

DER JUNGE BILDNER

Ich muß nach Rom; in unser Städtchen kehr ich aufs Jahr mit Ruhm zurück; nicht weinen; sieh, geliebtes Mädchen, ich mach in Rom mein Meisterstück.

Er sprachs; dann zog er fort im Rausche durch jene Welt, die er erhofft; doch war ihm, seine Seele lausche auf einen innern Vorwurf oft.

Die Unrast trieb ihn heim, die arge: Er bildete mit nassem Blick sein armes, fahles Lieb im Sarge, und das – das war sein Meisterstück.

FRÜHLING

Die Vögel jubeln – lichtgeweckt –, die blauen Weiten füllt der Schall aus; im Kaiserpark das alte Ballhaus ist ganz mit Blüten überdeckt.

Die Sonne schreibt sich hoffnungsvoll ins junge Gras mit großen Lettern. Nur dorten unter welken Blättern seufzt traurig noch ein Steinapoll.

Da naht ein Lüftchen, fegt im Tanz hinweg das gelbe Blattgeranke und legt um seine Stirn, die blanke, den blauenden Syringenkranz.

LAND UND VOLK

… Gott war guter Laune. Geizen ist doch wohl nicht seine Art; und er lächelte: da ward Böhmen, reich an tausend Reizen.

Wie erstarrtes Licht liegt Weizen zwischen Bergen, waldbehaart, und der Baum, den dichtgeschart Früchte drücken, fordert Spreizen.

Gott gab Hütten; voll von Schafen Ställe; und der Dirne klafft

vor Gesundheit fast das Mieder.

Gab den Burschen all, den braven, in die rauhe Faust die Kraft,

in das Herz – die Heimatlieder.

DER ENGEL

Hin geh ich durch die Malvasinka die Kinderreih, wo sanft und gut die kleine Anka oder Ninka in ihrem letzten Bettchen ruht.

Auf einem schmalen Schollenhügel kniet, ganz versteckt in hohem Mohn, mit staubigem, gebrochnem Flügel ein Engelchen aus rohem Ton.

Das flügellahme Kindchen flößte mir Mitleid ein, – das arme Ding … Da, sieh! Von seinen Lippen löste sich leicht ein kleiner Schmetterling. –

ALLERSEELEN

I

Rings liegt der Tag von Allerseelen voll Wehmut und voll Blütenduft, und hundert bunte Lichter schwelen vom Feld des Friedens in die Luft.

Sie senden Palmen heut und Rosen; der Gärtner ordnet sie mit Sinn – und kehrt zum Eck der Glaubenslosen die alten, welken Blumen hin.

II

»Jetzt beten, Willy, – und nicht reden!« Mit großem Aug gehorcht der Knab. Der Vater legt den Kranz Reseden auf seines armen Weibes Grab.

»Die Mutter schläft hier! Mach ein Kreuz nun!« Klein-Willy sieht empor und macht wie ihm befohlen. Ach, ihn reuts nun, daß er am Weg heraus gelacht!

Es sticht im Auge ihn – wie Weinen … Dann gehn sie heimwärts durch die Nacht; ganz ernst und stumm. Da lockt den Kleinen beim Ausgang jäh der Buden Pracht.

Es blinkt durch den Novembernebel herüber lichtbeglänzter Tand; er sieht dort Pferdchen, Helme, Säbel und küßt dem Vater leis die Hand.

Und der versteht. Dann gehn sie weiter … Der Vater sieht so traurig aus. – Doch einen Pfefferkuchenreiter schleppt Willy selig sich nach Haus.

BEI NACHT

Weit über Prag ist riesengroß der Kelch der Nacht schon aufgegangen; der Sonnenfalter barg sein Prangen in ihrem kühlen Blütenschoß.

Hoch grinst der Mond, der schlaue Gnom, und neckend streut er das Gesträhne der weißen Silberhobelspäne hernieder in den Moldaustrom.

Da plötzlich, wie beleidigt, hat zurückgerufen er die Strahlen, weil er gewahr ward des Rivalen: der Turmuhr helles Stundenblatt.

ABEND

Der Abend naht. – Die klare Zone der Stirne schmückt ein goldner Reifen, und tausend Schattenhände greifen verstohlen nach der roten Krone.

Die ersten, blassen Sterne liebeln ihm zu; er steht hoch am Hradschine und schaut mit ernster Träumermiene die Türme und die grauen Giebeln.

AUF DEM WOLSCHAN

Am Abend des Tages von Allerseelen

I

Die dürren Äste übergittern des Himmels abendblasse Scheiben; und über Grüfte, reich mit Flittern geschmückt, geht Wehmut, und es zittern

die Lichter durch das Blättertreiben.

Im müden Blau, im regungslosen, schwimmt fern der Mond. Die Lebensbäume, die seine blanke Stirne kosen, sind schwarz. Der Duft von welken Rosen

schleicht her wie Geister toter Träume.

II

Ferner Lärm vom Wagendamm. – Hier keimt Friede und Vergessen, zwischen zweien Grabzypressen hangt der Mond wie ein Tam-Tam.

Schlägt die Ewigkeit nicht sacht jetzt daran mit schwarzem Schwengel? Bange schaut ein Marmorengel in das Aug der Spätherbstnacht.

WINTER MORGEN

Der Wasserfall ist eingefroren, die Dohlen hocken hart am Teich. Mein schönes Lieb hat rote Ohren und sinnt auf einen Schelmenstreich.

Die Sonne küßt uns. Traumverloren schwimmt im Geäst ein Klang in Moll; und wir gehn fürder, alle Poren vom Kraftarom des Morgens voll.

BRUNNEN

Ganz verschollen ist die alte, holde Brunnenpoesie, da aus Tritons Muschelspalte eine klare Quelle lallte,

die den Gassen Sprache lieh.

Abends bei dem Röhrenkasten sammelte sich Paar um Paar, weil der Quelle lieblich Glasten und ihr Laut der tiefgefaßten

Neigung süßes Omen war.

Aber als durch Menschenmühn dann Wasser treppenaufwärts stieg und kein Paar kam: Misogyn dann ward der Gott; es schlich sich Grünspan

in die Muschel, – und er schwieg.

SPHINX

Sie fanden sie, den Schädel halb zerschlagen, in starrer Hand das heiße Rohr von Stahl. Die Menge gaffte. – Bis der Rettungswagen sie brachte in das gelbe Stadtspital.

Nur einmal hat das Aug sie aufgeschlagen … Kein Brief, kein Name, nur ein Kleid, ein Schal; dann kam der Arzt mit seinem leisen Fragen und dann der Priester. – Sie blieb stumm und fahl.

Doch spät bei Nacht, da wollt sie etwas sagen, gestehn … Doch niemand hörte sie im Saal. Ein Röcheln. – Dann ward sie herausgetragen, sie und ihr Schmerz. –

Und draußen steht kein Mal.

TRÄUME

Es kommt die Nacht, reich mit Geschmeiden geschmückt des blauen Kleides Saum; – sie reicht mir mild mit ihren beiden Madonnenhänden einen Traum.

Dann geht sie, ihre Pflicht zu üben, hinfort die Stadt mit leisem Schritt und nimmt, als Sold des Traumes, drüben des kranken Kindes Seele mit.

MAITAG

Still! – Ich hör, wie an Geländen leicht der Wind vorüberhüpft, wie die Sonne Strahlenenden an Syringendolden knüpft.

Stille rings. Nur ein geblähter Frosch hält eine Mückenjagd, und ein Käfer schwimmt im Äther, ein lebendiger Smaragd.

Im Geäst spinnt Silberrhomben Mutter Spinne Zoll um Zoll, und von Blütenhekatomben hat die Welt die Hände voll.

KÖNIG ABEND

Wie König Balthasar einst nahte, die Stirn vom Kronenreif erhellt, so tritt im purpurnen Ornate der König Abend in die Welt.

Der erste Stern führt ihn wie jenen bis an den fernsten Hügelsaum; dort findet Mutter Nacht er lehnen mit ihrem Kind im Arm, dem Traum.

Dem bringt er just wie jener Weise des Orients das Gold, gehäuft, – das Gold, das uns der Knabe leise erlösend in den Schlummer träuft.

AN DER ECKE

Der Winter kommt und mit ihm meine Alte, die an der Ecke stets Kastanien briet. Ihr Antlitz schaut aus einer Tücherspalte froh und gesund, ob Falte auch bei Falte

seit vielen Jahren es durchzieht.

Und tüchtig ist sie, ja, das will ich meinen; die Tüten müssen rein sein, und das Licht an ihrem Stand muß immer helle scheinen, und von dem Ofen mit den krummen Beinen

verlangt sie streng die heiße Pflicht.

So trefflich schmort auch keine die Maroni. Dabei bemerkt sie, wer des Weges zieht, und alle kennt sie – bis zum Tramwaypony; sie treibts ja Jahre schon, die alte Toni …

Und leise summt ihr Herd sein Lied.

HEILIGE

Große Heilige und kleine feiert jegliche Gemeine; hölzern und von Steine feine, große Heilige und kleine.

Heilge Annen und Kathrinen, die im Traum erschienen ihnen, baun sie sich und dienen ihnen, heilgen Annen und Kathrinen.

Wenzel laß ich auch noch gelten, weil sie selten ihn bestellten; denn zu viele gelten selten – nun, Sankt Wenzel laß ich gelten.

Aber diese Nepomucken! Von des Torgangs Lucken gucken und auf allen Brucken spucken lauter, lauter Nepomucken!

DAS ARME KIND

Ich weiß ein Mädchen, eingefallen die Wangen. – War ein leichtes Tuch die Mutter; und des Vaters Fluch fiel in ihr erstes Lallen.

Die Armut blieb ihr treu die Jahre, und Hunger war ihr Angebind; so ward sie ernst. – Das Lenzgold rinnt umsonst in ihre Haare.

Sie schaut die lächelnden Gesichter der Blumen traurig an im Hag und denkt: der Allerseelentag hat Blüten auch und Lichter.

WENNS FRÜHLING WIRD

Die ersten5 Keime sind, die zarten, im goldnen Schimmer aufgesprossen;

schon sind die ersten der Karossen

im Baumgarten.

Die Wandervögel wieder scharten zusamm sich an der alten Stelle,

und bald stimmt ein auch die Kapelle

im Baumgarten.

Der Lenzwind plauscht in neuen Arten die alten, wundersamen Märchen,

und draußen träumt das erste Pärchen

im Baumgarten.

ALS ICH DIE UNIVERSITÄT BEZOG

Ich seh zurück, wie Jahr um Jahr so müheschwer vorüberrollte; nun endlich bin ich, was ich wollte und was ich strebte: ein Skolar.

Erst ›Recht‹ studieren war mein Plan; doch meine leichte Laune schreckten die strengen, staubigen Pandekten, und also ward der Plan zum Wahn.

Theologie verbot mein Lieb, konnt mich auf Medizin nicht werfen, so daß für meine schwachen Nerven nichts als – Philosophieren blieb.

Die Alma mater reicht mir dar der freien Künste Prachtregister, – und bring ichs nie auch zum Magister, bin was ich strebte: ein Skolar.

SUPERAVIT

Nie kann ganz die Spur verlaufen einer starken Tat; dies lehrt zu Konstanz der Scheiterhaufen; denn aus tausend Feuertaufen

steigt der Hochgeist unversehrt.

Bis zu uns her ungeheuer ragt der Reformator Hus, fürchten wir der Lehre Feuer, neigen wir uns doch in scheuer

Ehrfurcht vor dem Genius.

Der, den das Gericht verdammte, war im Herzen, tief und rein, überzeugt von seinem Amte, – und der hohe Holzstoß flammte

seines Ruhmes Strahlenschein.

TROTZDEM

Manchmal vom Regal der Wand hol ich meinen Schopenhauer, einen ›Kerker voller Trauer‹ hat er dieses Sein genannt.

So er recht hat, ich verlor nichts: in Kerkereinsamkeiten weck ich meiner Seele Saiten glücklich wie einst Dalibor.

HERBSTSTIMMUNG

Die Luft ist lau, wie in dem Sterbezimmer, an dessen Türe schon der Tod steht still; auf nassen Dächern liegt ein blasser Schimmer, wie der der Kerze, die verlöschen will.

Das Regenwasser röchelt in den Rinnen, der matte Wind hält Blätterleichenschau; – und wie ein Schwarm gescheuchter Bekassinen ziehn bang die kleinen Wolken durch das Grau.

AN JULIUS ZEYER

Du bist ein Meister; – früher oder später spannt sich dein Volk in deinen Siegeswagen; du preisest seine Art und seine Sagen, – aus deinen Liedern weht der Heimat Äther.

Dein Volk tut recht, – nicht, voll von wahngeblähter Vergangenheit, die Hand im Schoß zu tragen, es kämpft noch heut und muß sich tüchtig schlagen, stolz auf sich selbst und stolz auf seine Väter.

Es hat dein Volk sich seine Ideale noch nicht versetzen lassen zu den Sternen,

die unerreichbar sind und Sehnsucht glasten;

du aber mahnst, ein echter Orientale, es möge in dem Ringen nicht verlernen

auch im Alhambrahof die Kunst zu rasten.

DER TRÄUMER

I

Es war ein Traum in meiner Seele tief. Ich horchte auf den holden Traum: ich schlief. Just ging ein Glück vorüber, als ich schlief, und wie ich träumte, hört ich nicht: es rief.

II

Träume scheinen mir wie Orchideen. – So wie jene sind sie bunt und reich. Aus dem Riesenstamm der Lebenssäfte ziehn sie just wie jene ihre Kräfte, brüsten sich mit dem ersaugten Blute, freuen in der flüchtigen Minute, in der nächsten sind sie tot und bleich. – Und wenn Welten oben leise gehen, fühlst du’s dann nicht wie von Düften wehen? Träume scheinen mir wie Orchideen. –

DIE MUTTER

Aufwärts die Theaterrampe rollen dröhnend die Karossen, abseits unter trüber Lampe steht ein altes Weib verdrossen.

Nur wenn jäh ein Hengst mal scheute, wars, daß sie zusammenschrecke; niemand aus dem Strom der Leute sieht die Alte in der Ecke.

An die neue ›Größe‹ dachte, von ihr sprach man nur. – Die Güte eines Grafen, hieß es, brachte herrlich ihr Talent zur Blüte.

Später. Jubelstürme hallten in den Schlußklang der Trompeten … Aber draußen kams der Alten, heimlich für ihr Kind zu beten.

UNSER ABENDGANG

Gedenkst du noch, wie guter Dinge wir wallten durch das Nusler Tal; zwei kleine, blaue Schmetterlinge verflatterten im Abendstrahl.

Am Häuschen lehnte die Melone dort – wie auf einem Bilde Dows, und herrlich mit der Kuppelkrone hob sich das Haupt des Karlshofs.

Im West war noch der Weizen golden, blaugrün verdämmerte der Kohl; die ersten weißen Sternendolden umzitterten den Himmelspol.

KAJETAN TÝLBei Betrachtung seines Zimmerchens, das auf der böhmischen ethnographischen Ausstellung zusammengestellt war

Da also hat der arme Týl sein Lied »Kde domov muj« geschrieben. In Wahrheit: Wen die Musen lieben, dem gibt das Leben nicht zuviel.

Ein Stübchen – nicht zu klein dem Flug des Geistes; nicht zu groß zur Ruhe. – Ein Stuhl, als Schreibtisch eine Truhe, ein Bett, ein Holzkreuz und ein Krug.

Doch wär er nicht für tausend Louis von Böhmen fort. Mit jeder Fiber hing er daran. – »Ich bleibe lieber«, hätt er gesagt, »kde domov muj. «

VOLKSWEISE

Mich rührt so sehr böhmischen Volkes Weise, schleicht sie ins Herz sich leise, macht sie es schwer.

Wenn ein Kind sacht singt beim Kartoffeljäten, klingt dir sein Lied im späten Traum noch der Nacht.

Magst du auch sein weit über Land gefahren, fällt es dir doch nach Jahren stets wieder ein.

DAS VOLKSLIED

Nach einer Kartonskizze des Herrn Liebscher

Es legt dem Burschen auf die Stirne die Hand der Genius so lind, daß mit des Liedes Silberzwirne er seiner Liebsten Herz umspinnt.

Da mag der Bursch sich süß erinnern, was aus der Mutter Mund ihm scholl, und mit dem Klang aus seinem Innern füllt er sich seine Fiedel voll.

Die Liebe und der Heimat Schöne drückt ihm den Bogen in die Hand, und leise rieseln seine Töne wie Blütenregen in das Land.

Und große Dichter, ruhmberauschte, dem schlichten Liede lauschen sie, so gläubig wie das Volk einst lauschte dem Gotteswort des Sinai.

DORFSONNTAG

Im Wirtshaus auf den blanken Dielen schwingt sich die Jugend frisch und laut, des Burschen Hand, so hart von Schwielen, drückt die des blonden Mädchens traut; bierfrohe Musikanten spielen ein Lied aus der ›Verkauften Braut‹.

»Trinkt zu! Ich will euch heut besolden. « Der Pfarrherr. Der liebt muntern Geist. Und wie er nach dem Tanz die Holden zu seinem Tische kommen heißt, da geht der Abend draußen, golden, und lacht durch alle Fenster dreist.

MEIN GEBURTSHAUS

Der Erinnrung ist das traute Heim der Kindheit nicht entflohn, wo ich Bilderbogen schaute im blauseidenen Salon.

Wo ein Puppenkleid, mit Strähnen dicken Silbers reich betreßt, Glück mir war; wo heiße Tränen mir das ›Rechnen‹ ausgepreßt.

Wo ich, einem dunklen Rufe folgend, nach Gedichten griff, und auf einer Fensterstufe Tramway spielte oder Schiff.

Wo ein Mädchen stets mir winkte drüben in dem Grafenhaus … Der Palast, der damals blinkte, sieht heut so verschlafen aus.

Und das blonde Kind, das lachte, wenn der Knab ihm Küsse warf, ist nun fort; fern ruht es sachte, wo es nie mehr lächeln darf.

IN DUBIIS

I

Es dringt kein Laut bis her zu mir von der Nationen wildem Streite, ich stehe ja auf keiner Seite; denn Recht ist weder dort noch hier.

Und weil ich nie Horaz vergaß, bleib gut ich aller Welt und halte mich unverbrüchlich an die alte aurea mediocritas.

II

Der erscheint mir als der Größte, der zu keiner Fahne schwört, und, weil er vom Teil sich löste, nun der ganzen Welt gehört.

Ist sein Heim die Welt; es mißt ihm doch nicht klein der Heimat Hort; denn das Vaterland, es ist ihm dann sein Haus im Heimatsort.

BARBAREN

Ich weiß von einem Riesenparke dort, wo die Stadt sich schon verliert; jetzt nagt die Axt an seinem Marke, sie sagen: Er wird parzelliert.

Das ist der Fürstenpark Clam-Gallas, der Mietskasernen weichen soll, der war doch wie ein Hain der Pallas der raunenden Orakel voll.

Jetzt stürmen sie, die Ungeweihten, den Ort, den kein Profaner sah: Es übertönt der Lärm der Zeiten das Götterwort der Pythia.

SOMMERABEND

Die große Sonne ist versprüht, der Sommerabend liegt im Fieber, und seine heiße Wange glüht. Jach seufzt er auf: »Ich möchte lieber … «

Und wieder dann: »Ich bin so müd … «

Die Büsche beten Litanein, Glühwürmchen hangt, das regungslose, dort wie ein ewiges Licht hinein; und eine kleine weiße Rose

trägt einen roten Heiligenschein.

GERICHTET

Am ›Ring‹ stand einst ein Blutgerüst, lang ist es her; doch wenn der Schein des runden Monds das Rathaus küßt, dann wallen aus dem heilgen Teyn Gerichtete in Geisterreihn … Weh wer sie sah!

Viel Herren fielen auf dem Ring; die Herren finden Ruhe nicht; – sie zogen eines Nachts: Es ging voran Herr Christus, groß und licht, mit ernstem, traurigem Gesicht … Und einer sahs!

Der war ein Maler. Und im Flug malt er, wie er geschaut, den Ring. Er malt den ganzen Geisterzug, dem ernst voran Herr Christus ging. Er malt … bis ihn ein Fieber fing … Jetzt ist er tot. –

DAS MÄRCHEN VON DER WOLKE

Der Tag ging aus mit mildem Tone, so wie ein Hammerschlag verklang. Wie eine gelbe Goldmelone lag groß der Mond im Kraut am Hang.

Ein Wölkchen wollte davon naschen, und es gelang ihm, ein paar Zoll des hellen Rundes zu erhaschen, rasch kaut es sich die Bäckchen voll.

Es hielt sich lange auf der Flucht auf und sog sich ganz mit Lichte an; – da hob die Nacht die goldne Frucht auf: Schwarz ward die Wolke und zerrann.

FREIHEITSKLÄNGE

Böhmens Volk! In deinen Kreisen weckt ein neuer Genius alte, heiße Freiheitsweisen, und die mahnen nicht mit leisen Worten, daß dein Fesseleisen ganz zerschmettert werden muß.

Diese Streitpoeten blasen lockend; und in Stücke haun kannst du, Volk, in deinem Rasen des Gesetzes Marmorvasen,doch du kannst aus ihren Phrasen keine Zukunft dir erbaun.

Tief in Herz und Sinn in treuer Hoffnung senk die Liedersaat, sind dir deine Dichter teuer, daß daraus ein Lenz, ein neuer, keime. – Was dann blieb vom Feuer, das entflamme dich zur Tat.

NACHTBILD

Auch auf der Theaterrampe wird es stille nach und nach. – Eine eitle Bogenlampe schaut sich in ein Droschkendach.

Auf dem leeren Gangsteig zucken Lichter. – Sehn nicht dort am Haus helle Dachmansardenlucken wie verweinte Augen aus?

HINTER SMICHOV

Hin gehn durch heißes Abendrot aus den Fabriken Männer, Dirnen, – auf ihre niedern, dumpfen Stirnen schrieb sich mit Schweiß und Ruß die Not.

Die Mienen sind verstumpft; es brach das Auge. Schwer durchschlürft die Sohle den Weg, und Staub zieht und Gejohle wie das Verhängnis ihnen nach.

IM SOMMER

Im Sommer trägt ein kleiner Dampfer auf Moldauwogen uns nach Zlichov zu jenem Kirchlein, hoch und frei. Im blauen Nebel schwindet Smichov; – zur Rechten Flächen braun von Ampfer, zur Linken stolz die ›Loreley‹.

Wir legen an; und sieh, ein Alter begrüßt uns leiernd: »Hej, Slované!« Am Friedhofsrand dann lehnen wir. Hoch blaut des Himmels Prachtzyane, und unser Träumen hebt, ein Falter, auf Sonnenflügeln sich zu ihr.

AM KIRCHHOF ZU KÖNIGSAAL(Aula regis)

Auf schloß das Erztor der Kustode. Du sahst vor Blüten keine Gruft. Der Lenz verschleierte dem Tode das Angesicht mit Blust und Duft; da stieg wie eine Todesode ein Trauermantel in die Luft.

Wir sahn ihn beide und wir schwiegen … Rings feierte Mittsommerlicht, in den Syringen summten Fliegen. – Da lag ein Schädel vor uns dicht; aus seinen leeren Augen stiegen verkümmerte Vergißmeinnicht.

VIGILIEN

I

Die falben Felder schlafen schon, mein Herz nur wacht allein; der Abend refft im Hafen schon sein rotes Segel ein.

Traumselige Vigilie! Jetzt wallt die Nacht durchs Land; der Mond, die weiße Lilie, blüht auf in ihrer Hand.

II

Am offnen Stubenfenster lehn ich und träume in die Nacht hinauf; das Mondlicht windet silbersträhnig sich um den schwarzen Kirchturmknauf.

Sehn wenig Welten aus den Fernen auch durch den engen Hof ins Haus, – es füllte Licht von zehen Sternen ein ganzes, dunkles Leben aus.

III

Horch, der Schritt der Nacht erstirbt in der weiten Stille; meine Schreibtischlampe zirpt leis wie eine Grille.

Goldig auf dem Bücherstand glühn der Bände Rücken: zu der Fahrt ins Feenland Pfeiler für die Brücken.

IV

Sie hat, halb Kind, einst eine Nacht beim toten Mütterlein verbracht und hat geweint und hat gewacht; – dann gingen Jahre, Jahre sacht:

nie hat sie jener Nacht gedacht.

Und dann kam eine andre Nacht. Da hat von Glut und Sünd entfacht die rote Lippe Lust gelacht, doch plötzlich – wie durch höhre Macht

dacht sie der Nacht der Leichenwacht.

DER LETZTE SONNENGRUSSZu einem Bilde des Beneš Knüpfer

Die Sonne schmolz, die hehre, ins weiße Meer so heiß. – Zwei Mönche saßen am Meere, ein blonder und ein Greis.

Der sann: Geh ich einst rasten, so friedlich mög es sein – und jener: Des Ruhmes Glasten sollt mir mein Sterben weihn.

KAISER RUDOLF

Hoch auf seiner Himmelswarte über einer Sternenkarte sitzt der Kaiser Rudolf dort, forschend, ob der langerharrte Flugstern, der die Weisen narrte, streifen würde diesen Ort.

Und er fragt den Astrologen, der am hohen Himmelsbogen alle Wandelwege weiß: »Wird von Unglück der betrogen, den der Stern hineingezogen in den unheilvollen Kreis?«

Und der Alte weicht ihm leise aus: »Der Stern zieht seine Gleise, Herr, im fernen Ätherreich!« Und gen Süden sieht der Weise; – und der Kaiser schaut die Kreise seines Globen, ernst und bleich. –

Und von Süden kommt Verderben, kommt Matthias. – Eilge Erben lassen ihm nur den Hradschin; und der Kaiser spricht im herben Spott: »Mir bleibt nichts, als zu sterben, denn schon bin ich tot für ›ihn‹.

Alter! Laß den Blick uns heben! du hast recht, die Sterne schweben hoch ob allem Erdenbann; aber – die nach ihnen streben, knüpfen selbst ihr dunkles Leben an die lichten Lose an!«

AUS DEM DREISSIG JÄHRIGEN KRIEGEKohlenskizzen in Callots Manier

1. KRIEG

Finster ist die Welt geworden, – darum Dörfer rasch entloht! und die Welt ist grau; – drum rot färbt sie durch das Morden!

Bauer! Bittest um dein Leben? Nimm dirs! Aber bei uns bleib! Herrgott hat dir Ochs und Weib nur für uns gegeben.

Laß den Teufel Felder pflügen; sieh, wir haben stets genung! Vorwärts – einen Werbetrunk aus den vollen Krügen!

2. ALEA JACTA EST

»… Tod oder Sold!« Und jetzt die Trommel schnell her. Auf das Trommelfell Würfel gerollt.

So wird dem Lohn, der unsre Streiche sucht. Sieh, der Baum, reiche Frucht trägt er doch schon!

Solltest schon längst hängen dran, Kamerad! Drum ists nicht jammerschad, wenn du dann hängst!

3. KRIEGSKNECHTS-SANG

Lag auf einer Trommel nackt, kaum zwei Spannen lang, und der rauhe Trommeltakt war mein Wiegensang.

Wild zu wettern taugte ich damals schon im Zorn, meine Milch, die saugte ich aus dem Pulverhorn.

Damals taufte jeden gut der Korp’ral; beim Schopf nahm er ihn, goß Schwedenblut heiß ihm übern Kopf.

4. KRIEGSKNECHTS-RANG

Bei uns gibts nicht Edelinge, die was gelten durch ihr Blut, jedes Rang ist jedes Klinge, und sein Wappen ist der Mut.

Wer nur immer kühn sein Schwert zog, hält den Schild von Schande rein, wer noch gestern unterm Heer zog, Herzog kann er morgen sein.

5. BEIM KLOSTER

Was gibts? – Eine Klosterpforte? – Ei, Potz Blitz! Eine Tür von dieser Sorte renn ich ohne viele Worte

ein mit meiner Nasenspitz!

Auf das Tor ein fester Stempel … Pfaffe, komm! Jetzt heraus mit deinem Krempel, paar Monstranzen zum Exempel

und paar Kelche: wir sind fromm.

Laß jetzt dein: Peccavi, pater … Leucht zum Wein uns mit deiner Nase, Frater, dorten kannst du uns ein Rater

und ein ›Seelensorger‹ sein!

6. BALLADE

Gestern zogen wilde Horden durch das Dörfchen hin mit Morden und ein Mädchen sinnt jetzt still: Ist der Liebste untreu worden, weil er heut nicht kommen will? – Draußen schrien die Dohlen.

Mädchen ging mit bleicher Wange durch das Haus. – Sie harrte lange, und des Nachts floh sie der Schlaf. Und sie schlich hinaus zum Hange, wo sie stets den Teuren traf. Ängstlich schrien die Dohlen.

Und die Nacht war schwarz, die schwüle, fern nur brannte eine Mühle … Weinend wählt die matte Maid sich gar weiches Kraut zum Pfühle und entschlief in lauter Leid. Schrieen noch die Dohlen?

Spät erwacht sie. Nebel grauten rings – soweit die Augen schauten … Weh! – Was sie ein Kraut geglaubt, ist das Haar an ihres Trauten blutigem, zerschelltem Haupt. – Schrecklich schrien die Dohlen.

7. DER FENSTERSTURZ

»Naht Verrat mit leisem Schritte, ungerächt, bei der Madonna, bleibt er nicht! Nach alter Sitte zu den Fenstern!« schrie Colonna.

»Schont den Popel! doch die andern, jeder eine feige Natter, aus den Fenstern laßt sie wandern! Mitleid? – Werft ihn mit, den Platter!«

Bange hangt am Fensterstocke Martinitz noch. – Da Geröchel: Turn schwingt seine Degenglocke und zerschmettert ihm die Knöchel.

Und zum nächsten: »Sag, wie heißt er, Böhmens Herr? du sollst mirs deuten!« »Graf von Turn!« – »Der Bürgermeister lasse alle Glocken läuten!« –

8. GOLD

»Dein Wams, Geliebter, ist voll Gold. Wo hast das Gold du her?« – »Da schaust du, Kind, das ist mein Sold, kein Obrist hat wohl mehr!«

»Nein, das ist gutes, rotes Gold, das kann dein Sold nicht sein!« – »Beim Spielen war das Glück mir hold, und da ward alles mein!«

»Ist wirklich alles dein – das Gold, gesteh, – und ists kein Trug?« – »Nun, Würfel haben wir gerollt, und jetzt laß es genug!«

»Und gibst du mir auch von dem Gold?« »Das weißt du!« – »Nein, du Schelm, just auf der Stelle, sieh, ich wollt, du füllst mir deinen Helm!«

»Es sei!« – »Wie’s durch die Finger bebt, der Glanz gefällt mir gut! – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – … Schau, was dir da am Finger klebt, kam das vom Golde? – Blut!« – …

– – – – – – – – – – – – – – – – – – –

9. SZENE

»Du kniest am Markstein, Alter, sprich! – Das ist kein Heilgenbild!« »Kein Bild? – Ich bet. – Es faßte mich das Schicksal gar so wild. «

»Hast du kein Haus, hast du kein Land, das deiner Hände braucht?« »Das Land zerstampft, das Haus verbrannt, sieh hin – gewiß – es raucht. «

»Was bauts nicht wieder auf dein Sohn und hilft dir aus der Not?« »Mein Sohn zog in den Krieg davon, jetzt ist er sicher tot. « –

»Was streicht dir deines Haares Schnee der Tochter Hand nicht, weich?« – »Der bracht ein Troßbub Schand und Weh, da sprang sie in den Teich. « –

»So sieh mir ins Gesicht! – Und brach das Herz dir auch vor Graus … « – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – »Ich kann nicht, Herr, ein Kriegsknecht stach

mir beide Augen aus. «

10. FEUERLILIE

Winters, als die Äste krachten, keine Bäche konnten frieren, weil die Fluten Blutes ihren Pulsschlag immer neu entfachten.

Als die Zeit kam, da die Blume aufwacht und der Vogel flötet, sprang die Lilie selbst gerötet aus der todgedüngten Krume.

11. BEIM FRIEDLAND

Heimgekehrt von Schlacht und Schlag freut sich Obrist und Gemeiner; denn jetzt hält der Wallensteiner wieder seinen Hof zu Prag.

Just ließ frei den Turn er ziehn; das war so von seinen Trümpfen einer. – Drauf ward Nasenrümpfen Mode … dort bei Hof zu Wien.

Laßt sie zetern. Friedlands Heer muß nicht darben und nicht dürsten, – und aus Knechten macht er Fürsten, unser Herzog. – Wer kann mehr?

12. FRIEDEN

Prag gebar die Mißgestalt dieses Krieges, der voll Tücke hauste. – Auf der Karlsbrücke starb er, dreißig Jahre alt.

Endlich riß das Eisenstück nur dem Acker eine Schramme, und vom Kirchturm schlug die Flamme in den trauten Herd zurück.

BEI DEN URSULINEN

Geh mittags zu den Ursulinen, wenn man den Armen Speise trug, da siehst du, wie in müde Mienen die Not schrieb ihren Namenszug.

Da siehst du Stirnen, die schon frühe des Schmerzes Eisenreif umschloß, und Wangen, die der Dunst der Brühe mit falscher Röte übergoß.

Du hörst, wie leisem Dankesworte sich Fluch bald, bald Gebet gesellt: so brandet an der Klosterpforte das ganze Elend dieser Welt.

AUS DER KINDERZEIT

Sommertage auf der ›Golka‹ … Ich, ein Kind noch. – Leise her, aus dem Gasthaus klingt die Polka, und die Luft ist sonnenschwer.

Sonntag ists. – Es liest Helene lieb mir vor. – Im Lichtgeglänz ziehn die Wolken, wie die Schwäne aus dem Märchen Andersens.

Schwarze Fichten stehn wie Wächter bei der Wiesen buntem Schatz; von der Straße dringt Gelächter bis zu unserm Laubenplatz.

An die Mauer lockt uns beide mancher laute Jubelschrei: drunten geht im Feierkleide Paar um Paar zum Tanz vorbei.

Bunt und selig, Bursch und Holka, Glück und Sonne im Gesicht! – Sommertage auf der ›Golka‹, – und die Luft war voller Licht …

RABBI LÖW

〈1〉

»Weiser Rabbi, hoher Liva, hilf uns aus dem Bann der Not: heut gibt uns Jehova Kinder, morgen raubt sie uns der Tod. Schon faßt Beth Chaim nicht die Scharen, und kaum hat der Leichenwart eins bestattet, nahen andre Tote; Rabbi, das ist hart. «

Und der Rabbi: »Geht und schickt mir einen Bocher rasch herein. « – So geschiehts: »Wagst du nach Beth Chaim diese Nacht dich ganz allein?« »Du befiehlst es, weiser Meister!« – »Gut, so hör, um Mitternacht tanzen all die Kindergeister auf den grauen Steinen sacht.

Birg dich dorten im Gebete, und wenn Furcht dein Herz beklemmt. streif sie ab: Du raubst dem nächsten Kinde kühn sein Leichenhemd. Raubst es, – bringst es her im Fluge, her zu mir! Begreifst du wohl?« »Wie du heißest tun mich, Meister, tu ich!« klingt die Antwort hohl.

〈2〉

Mitternacht und Mondgegleiße, – … und es stürzt der totenblasse Bocher bebend durch die Gasse, in der Hand das Hemd, das weiße.

Da jetzt … sind das seine Schritte? … Jach kehrt er zurück das bleiche Antlitz: Weh, die Kindesleiche folgt ihm nach, im Aug die Bitte:

»… Gieb das Linnen, ohne Linnen lassen mich nicht ein die Geister … « Und der Bocher, halb von Sinnen, reicht es endlich seinem Meister.

Und schon naht der Geist mit Klagen … »Sag, was sterben hundert binnen Tagen? – Kind, du mußt es sagen, früher darfst du nicht von hinnen. «

So der Rabbi. – »Wehe, wehe«, ruft der Geist, »aus unserm Stamme haben zwei entehrt der Ehe keusche, reine Altarflamme!

Hier die Namen! – Sucht nicht fremde Ursach, daß euch Tod beschieden … « Und der Rabbi reicht das Hemde jetzt dem Kinde: »Zieh in Frieden!«

〈3〉

Kaum, daß aus dem Nachtkelch maijung stieg der Tag in rosgem Licht, hielt der Rabbi schon Gericht, – und der Unschuld ward Befreiung.

Mit der Geißel des Gesetzes brandmarkt er die Sünderstirn; – langsam löste jedes Hirn sich vom Bann des Fluchgenetzes.

Manches Paar war da erschienen, dankerfüllt, daß Gott verzieh, und der Weise segnet sie. – Freude lag auf aller Mienen.

Nur der Bocher warf, der bleiche, sich im Fieber hin und her … Doch nach Beth Chaim lange mehr trug man keine Kindesleiche.

DIE ALTE UHR

Bald hättest, alte Rathausuhr, du nimmer dürfen Stunden weisen; sie hätten bald in altem Eisen versplittert deine letzte Spur.

Der Geizhals hätt zum letzten Mal sein Haupt gewiegt in starrem Trotzen, zum letzten Mal der Tod mit Glotzen geschwungen seinen Sensenstahl.

Dann hätt der Hahn auch ausgekräht. Und heut noch kräht er, freilich heiser; noch nickt der Geizhals fort, und leiser droht ihm des Todes Majestät.

KÄMPFEN

I

Ein heißer Eid, ein gramerpreßter, der leicht von jungen Lippen rinnt, der machte zur barmherzgen Schwester fast über Nacht ein blondes Kind.

Des jungen Lebens Wellen fließen fortan durch Krankenstuben still; es träumt ihr Herz noch vom Genießen, wenn auch das Aug es leugnen will.

Denn mit der Strenge der Asketen drängt sie zurück, was in ihr quillt, und geht um Kraft nach Emaus beten zum wunderstarken Gnadenbild.

SIEGEN

II

Der Tag beginnt sich kaum zu lichten; »Heut sei im Glauben stark wie nie und geh mit Gott an deine Pflichten: Es ist ein Fall von Diphtherie … . «

Sie pflegt und küßt den kleinen Kranken, und doch packt ihn der Tod beim Hals … Spät rafft sie auf sich, heimzuwanken, erfröstelnd in den Schutz des Schals.

Als man vorbei beim Kloster gestern den Kleinen trug ins Bett von Lehm, klang aus der ›Kirche von den Schwestern‹ ganz leis ein Totenrequiem …

IM HERBST

Ein Riesenspinngewebe, zieht Altweibersommer durch die Welt sich; – und der Laurenziberg gefällt sich im goldig-bräunlichen Habit.

Weil er so mild herübersieht, sucht müd, gestützt auf Strahlenkrücken, die Sonne hinter seinem Rücken schon frühe ihr Valladolid.

DER KLEINE ›DRÁTENÍK ‹

Kommt so ein Bursche, ein junger, Mausfallen, Siebe am Rücken, folgt mir durch Gassen und Brücken:

»Herr, ich hab ›türkischen Hunger‹.

Nur einen Krajcar, nur einenfür ein Stück Brot, milost’ pánku!«

Da! – Und er stammelt mir Dank zu, doch läßt nicht Ruh er den Beinen.

Lebt nicht von bloßem Gelunger. – Riecht an den Türen den Braten fund muß die Pfannen doch drahten – leer: – das macht ›türkischen Hunger‹.

IN DER VORSTADT

Die Alte oben mit dem heisern Husten, ja, die ist tot. – Wer war sie? – Du mein Gott, sie gab uns nichts, – ihr gab man Hohn und Spott … Kaum, daß die Leute ihren Namen wußten.

Und unten stand der schwarze Kastenwagen. Die letzte Klasse; als der Totenschrein sich spreizte, stieß man fluchend ihn hinein, und dann ward rauh die Türe zugeschlagen.

Der Kutscher hieb in seine magern Mähren und fuhr im Trab so leicht zum Friedhof hin, als wenn da nicht ein ganzes Leben drin voll Weh und Glück – und tote Träume wären.

BEI ST. HEINRICH

Hart am Kirchenaltargitter, wo die Ampel flammt, die matte, schläft ein alter, alter Ritter unter grauer Wappenplatte.

Lebend hielt er hoch sein Wappen, sorgte immer für sein Blinken; – weiß er, daß mit schmutzgen Schlappen alte Weiber drüber hinken?

MITTELBÖHMISCHE LANDSCHAFT

Fern dämmert wogender Wälder beschatteter Saum. Dann unterbricht nur hie und da ein Baum die falbe Fläche hoher Ährenfelder. Im hellsten Licht keimt die Kartoffel; dann ein wenig weiter Gerste, bis der Tann das Bild begrenzt. Hoch überm Jungwald glänzt so goldig-rot ein Kirchturmkreuz herüber, aus Fichten ragt der Hegerhütte Bau; – und drüber wölbt sich ein Himmel, blank und blau.

DAS HEIMATLIED

Vom Feld klingt ernste Weise; weiß nicht, wie mir geschieht … »Komm her, du Tschechenmädchen, sing mir ein Heimatlied. « –

Das Mädchen läßt die Sichel, ist hier mit Husch und Hui, – setzt nieder sich am Feldrain und singt: »Kde domov muj« …

Jetzt schweigt sie still. Voll Tränen das Aug mir zugewandt, – nimmt meine Kupferkreuzer und küßt mir stumm die Hand.

TRAUMGEKRÖNT

(1896)

KÖNIGSLIED

Darfst das Leben mit Würde ertragen,nur die Kleinlichen macht es klein;Bettler können dir Bruder sagen,und du kannst doch ein König sein.

Ob dir der Stirne göttliches Schweigenauch kein rotgoldener Reif unterbrach, –Kinder werden sich vor dir neigen,selige Schwärmer staunen dir nach.

Tage weben aus leuchtender Sonnedir deinen Purpur und Hermelin,und, in den Händen Wehmut und Wonne,liegen die Nächte vor dir auf den Knien …

Träumen

I

Mein Herz gleicht der vergessenen Kapelle; auf dem Altare prahlt ein wilder Mai. Der Sturm, der übermütige Geselle, brach längst die kleinen Fenster schon entzwei; er schleicht herein jetzt bis zur Sakristei und zerrt dort an der Ministrantenschelle. Der schrillen Glocke zager Sehnsuchtsschrei ruft zu der längst entwöhnten Opferstelle den arg erstaunten fernen Gott herbei. Da lacht der Wind und hüpft durchs Fenster frei. Doch der Erzürnte packt des Klanges Welle und schmettert an den Fliesen sie entzwei.

Und arme Wünsche knien in langer Reih vorm Tor und betteln an vermooster Schwelle. Doch längst schon geht kein Beter mehr vorbei.

II

Ich denke an:

Ein Dörfchen schlicht in des Friedens Prangen, drin Hahngekräh; und dieses Dörfchen verloren gegangen im Blütenschnee. Und drin im Dörfchen mit Sonntagsmienen ein kleines Haus; ein Blondkopf nickt aus den Tüllgardinen verstohlen heraus. Rasch auf die Türe, die angelheiser um Hilfe ruft, – und dann in der Stube ein leiser, leiser Lavendelduft …

III

Mir ist: ein Häuschen wär mein eigen; vor seiner Türe säß ich spät, wenn hinter violetten Zweigen bei halbverhalltem Grillengeigen die rote Sonne sterben geht.

Wie eine Mütze grünlich-samten steht meinem Haus das moosge Dach, und seine kleinen, dickumrammten und blankverbleiten Scheiben flammten dem Tage heiße Grüße nach.

Ich träumte, und mein Auge langte schon nach den blassen Sternen hin, – vom Dorfe her ein Ave bangte, und ein verlorner Falter schwankte im schneeig schimmernden Jasmin.

Die müde Herde trollte trabend vorbei, der kleine Hirte pfiff, – und in die Hand das Haupt vergrabend, empfand ich, wie der Feierabend in meiner Seele Saiten griff.

IV

Eine alte Weide trauert dürr und fühllos in den Mai, – eine alte Hütte kauert grau und einsam hart dabei.

War ein Nest einst in der Weide, in der Hütt ein Glück zu Haus; Winter kam und Weh, – und beide blieben aus …

V

Die Rose hier, die gelbe, gab gestern mir der Knab, heut trag ich sie, dieselbe, hin auf sein frisches Grab.

An ihren Blättern lehnen noch lichte Tröpfchen, – schau! Nur heute sind es Tränen, – und gestern war es Tau …

VI

Wir saßen beisammen im Dämmerlichte. »Mütterchen«, schmeichelte ich, »nicht wahr, du erzählst mir noch einmal die schöne Geschichte von der Prinzessin mit goldnem Haar?« –

Seit Mütterchen tot ist, durch dämmernde Tage führt mich die Sehnsucht, die blasse Frau; und von der schönen Prinzessin die Sage weiß sie wie Mütterchen ganz genau …

VII

Ich wollt, sie hätten statt der Wiege mir einen kleinen Sarg gemacht, dann wär mir besser wohl, dann schwiege die Lippe längst in feuchter Nacht.

Dann hätte nie ein wilder Wille die bange Brust durchzittert, – dann wärs in dem kleinen Körper stille, so still, wie’s niemand denken kann.

Nur eine Kinderseele stiege zum Himmel hoch so sacht, – ganz sacht … Was haben sie mir statt der Wiege nicht einen kleinen Sarg gemacht?

VIII

Jene Wolke will ich neiden, die dort oben schweben darf! Wie sie auf besonnte Heiden ihre schwarzen Schatten warf.

Wie die Sonne zu verdüstern sie vermochte kühn genug, wenn die Erde lichteslüstern grollte unter ihrem Flug.

All die goldnen Strahlenfluten jener Sonne wollt auch ich hemmen! Wenn auch für Minuten! Wolke! Ja, ich neide dich!

IX

Mir ist: Die Welt, die laute, kranke, hat jüngst zerstört ein jäh Zerstieben, und mir nur ist der Weltgedanke, der große, in der Brust geblieben.

Denn so ist sie, wie ich sie dachte; ein jeder Zwiespalt ist vertost: auf goldnen Sonnenflügeln sachte umschwebt mich grüner Waldestrost.

X

Wenn das Volk, das drohnenträge, trabt den altvertrauten Trott, möcht ich weiße Wandelwege wallen durch das Duftgehege ernst und einsam wie ein Gott.

Wandeln nach den glanzdurchsprühten Fernen, lichten Lohns bewußt; – um die Stirne kühle Blüten und von kinderkeuschen Mythen voll die sabbatstille Brust.

XI

Weiß ich denn, wie mir geschieht? In den Lüften Düftequalmen und in bronzebraunen Halmen ein verlornes Grillenlied.

Auch in meiner Seele klingt tief ein Klang, ein traurig-lieber, – so hört wohl ein Kind im Fieber, wie die tote Mutter singt.

XII

Schon blitzt aus argzerfetztem Laken der holde, keusche Götternacken der früherwachenden Natur, und nur in tiefentlegnen Talen zeigt hinter violetten, kahlen Gebüschen sich mit falschem Prahlen des Winters weiße Sohlenspur.

Hin geh ich zwischen Weidenbäumen an nassen Räderrinnensäumen den Fahrweg, und der Wind ist mild. Die Sonne prangt im Glast des Märzen und zündet an im dunkeln Herzen der Sehnsucht weiße Opferkerzen vor meiner Hoffnung Gnadenbild.

XIII

Fahlgrauer Himmel, von dem jede Farbe bange verblich. Weit – ein einziger lohroter Strich wie eine brennende Geißelnarbe.

Irre Reflexe vergehn und erscheinen. Und in der Luft liegts wie ersterbender Rosenduft und wie verhaltenes Weinen …

XIV

Die Nacht liegt duftschwer auf dem Parke, und ihre Sterne schauen still, wie schon des Mondes weiße Barke im Lindenwipfel landen will.

Fern hör ich die Fontäne lallen ein Märchen, das ich längst vergaß, – und dann ein leises Apfelfallen ins hohe, regungslose Gras.

Der Nachtwind schwebt vom nahen Hügel und trägt durch alte Eichenreihn auf seinem blauen Falterflügel den schweren Duft vom jungen Wein.

XV

Im Schooß der silberhellen Schneenacht dort schlummert alles weit und breit,