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Georg Becker aus Hamburg erbt von seiner Tante Maria aus Mexiko ein Haus und einen Expeditionsbericht. Dieser Bericht wurde von ihrem Vorfahr Raul Hernandez im Jahre 1527 geschrieben und über die Jahrhunderte in der Familie Hernandez weitergegeben. Georg erkennt die Brisanz des Inhalts und beschließt, diesen Inhalt zu prüfen. Hierzu geht er mit Professor Marquez, einem Museumsdirektor aus Mérida in Mexiko auf Spurensuche. Während dieser Spurensuche stößt er auf Hinweise, die eine Verbindung zwischen dem Gott der Maya Quetzalcoatl und Atlantis vermuten lassen.
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Seitenzahl: 334
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Will Helmson
Die geheimnisvolle Erbschaft
Woher kam Quetzalcoatl?
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Literaturverzeichnis
Impressum neobooks
New York, 7. April 2030 12:00 Uhr
Hauptsitz der UNO
Dr. Sophia Linnek saß an ihrem Schreibtisch und wischte sich ein Haar aus ihrem Gesicht. Sie hatte schulterlanges braunes Haar, das immer wieder seinen Weg in ihr Gesicht fand. Normalerweise ließ sie sich davon nicht ablenken, doch das, was in den letzten Stunden geschehen war, belastete sie so sehr, dass sie die Haare störten.
Sie nahm ihre Tasse Kaffee in ihre beiden Hände und schaute aus dem Fenster.
Der Blick war atemberaubend. Sie konnte aus dem 20. Stock die gesamte New Yorker Skyline sehen.
Viele sahen diesen Blick als Belohnung für gute Dienste an. Mit ihren 45 Jahren hatte sie es bei der UNO auch schon weit gebracht.
An der Wand links neben dem Fenster hingen drei Urkunden, die ihre herausragenden Leistungen in den letzten 15 Jahren bescheinigten. In der Ecke daneben stand eine handgefertigte Figur eines Elefanten aus Mahagoni-Holz. Ein Geschenk vom Indischen Präsidenten als Dank für ihre hervorragende Tätigkeit als Vermittlerin bei den letzten beiden Krisen zwischen Pakistan und Indien. Auch der chinesische Präsident zeigte seine hohe Wertschätzung ihrer diplomatischen Fähigkeiten im Zusammenhang mit den territorialen Unstimmigkeiten mit Japan.
Sophias Blick fiel auf die beiden äußerst seltenen Vasen aus der Ming-Dynastie, die rechts neben ihrem Schreibtisch standen. Eigentlich dachte sie, dass ihr neuestes Projekt ein Meilenstein in ihrer Karriere sein könnte. Alles andere in den Schatten stellen und die gesamte Menschheit nicht nur beeinflussen sondern maßgeblich gestalten würde.
Als sie mit dem Projekt vor zwei Jahren begonnen hatte, hatte sie nur die grenzenlosen Möglichkeiten gesehen und nicht an Risiken oder Gefahren gedacht. Nach der 18-monatigen Testphase lief auch alles gut. Auch die ersten beiden Versuche waren planmäßig gelaufen und brachten genau die gewünschten Ergebnisse. Alles lief zu ihrer Zufriedenheit. Im nächsten Monat wollte sie den nächsten Schritt machen und das Projekt dem Generalsekretär vorstellen. Eigentlich hätte sie ihm schon vorher von dem Projekt erzählen müssen, aber sie wollte ihn erst mit einbeziehen, wenn sie klare, greifbare Ergebnisse hatte. Als Leiterin des Ressorts Verhandlungen hatte sie ja auch weitreichende Kompetenzen. Und da sie ein sehr freundschaftliches Verhältnis hatten, ging sie davon aus, dass das für ihn so in Ordnung wäre.
Sie konnte ja nicht ahnen, dass vor 10 Stunden etwas geschah, das nicht nur alles gefährden sollte, sondern auch zu einer Tragödie führen könnte.
Vor 10 Stunden brach der Kontakt zu Michael ab.
Hamburg, Dienstag ,den 11. März 2014
Es war ein ganz gewöhnlicher Dienstag.
So dachte er jedenfalls. Georg hatte sich wie immer sein Samsung Tablet, eine Salami ( selbstverständlich die gute vom Metzger an der Straßenecke neben seiner Wohnung), ein frisches Ciabatta und eine kleine Flasche Bier eingepackt und freute sich bereits auf sein wöchentliches „Picknick“ an der Alster. Noch zwei Stunden, dann war Feierabend und er konnte sein Büro verlassen und die herrliche Frühlingssonne genießen. Doch es kam ganz anders. Das Telefon klingelte.
Georg drückte die Annahme-Taste: „Becker“.
„Schönen guten Tag, meine Name ist Bollmann. Spreche ich mit Herrn Georg Becker?“
„Ja“
„Das ist gut. Mein Name ist Rainer Bollmann. Ich bin Notar und arbeite im Auftrag der Kanzlei „Frenzen, Brown & Johnson“. Unser Hauptsitz in Los Angeles ist mit der Nachlassverwaltung von Frau Maria Hernandez beauftragt. Ist es richtig, dass Sie der Neffe von Frau Hernandez sind?“
„Äh, ja, das ist richtig. Wieso?“
„Gut, dann kann ich Ihnen mitteilen, dass wir wegen einer Erbschaftsangelegenheit Ihre Anwesenheit benötigen. Könnten Sie am Donnerstag in unser Büro nach Köln kommen um die Details zu besprechen? Ich weiß, dass das jetzt sehr kurzfristig ist, aber aus Gründen, die ich Ihnen jetzt nicht erläutern darf, konnte ich Sie erst jetzt anrufen.“
Georg konnte seinen Ohren nicht trauen. Tante Maria tot? Das wusste er noch gar nicht. O.K., seit mehr als 15 Jahren hatte er keinen Kontakt mehr zu ihr. Sie war die Schwester seiner Mutter. Sein Vater, Klaus Becker, hatte seine Mutter, Conchita Hernandez, während einer Urlaubsreise in Mexiko kennen gelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Nach der Rückkehr nach Hamburg hatte er alles ihm zur Verfügung stehende Geld zusammen gesammelt und ermöglichte somit seiner Mutter die Reise nach Hamburg. Sie verloren keine Zeit und heirateten bereits nach zwei Monaten. Durch die Hochzeit erhielt sie eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Als Sekretärin stieg sie in das Immobiliengeschäft seines Vaters mit ein. Nach zwei Jahren wurde Georg geboren. Durch die große räumliche Trennung waren die gegenseitigen Besuche der beiden Familien leider selten, sodass mit der Zeit der Kontakt weniger wurde. Georg hatte allerdings nur gute Erinnerungen an seine Tante, doch wie es leider häufig so war, war man mit seinem eigenen Leben so stark beschäftigt, dass die Verwandten in Mexiko in Vergessenheit geraten sind. Georg war ganz in Gedanken, als er die Stimme seines Anrufers vernahm:
„Hallo, Herr Becker, sind Sie noch da?“
Georg schüttelte kurz seinen Kopf und sagte:
„Ja, bitte entschuldigen Sie. Also am Donnerstag? Aber was habe ich denn mit dem Erbe meiner Tante zu tun?“
Etwas entschuldigend sagte der Notar:
„Herr Becker, leider darf ich Ihnen am Telefon keine Details nennen. Aber ich werde Ihnen gerne die Einladung per E-Mail schicken und Sie sagen mir bitte kurzfristig Bescheid, ob Sie kommen können. Ist das für Sie in Ordnung?“
Georg sagte, immer noch leicht verwirrt:
„O.K. Ich werde schauen, ob ich das zeitlich hinbekomme.“
Er gab ihm seine E-Mail-Adresse.
„Gut, vielen Dank. Ich hoffe, Sie am Donnerstag begrüßen zu dürfen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und auf Wiedersehen."
„Ja, vielen Dank und auf Wiedersehen.“
Tante Maria, Mexiko, Testamentseröffnung? Georg war wirklich durcheinander. Was könnte das denn wohl heißen? Hatte er etwas geerbt? Was war Tante Maria nochmal von Beruf gewesen? Ach ja, Sie war Englisch-Lehrerin in irgendeiner Kleinstadt in Mexiko. Wie hieß die nochmal? Er kam jetzt nicht auf den Namen. Und ihr Mann arbeitete damals auf eine Kakaoplantage als Vorarbeiter. Aber der war doch schon gestorben, als er vor ca. 15 Jahren das letzte Mal Kontakt zu seiner Tante hatte. Der Kontakt war leider abgebrochen, weil sein Vater sich mit ihr wegen irgendetwas verworfen hatte. Er wusste nicht mehr, was das war. Und da seine Mutter zu dem Zeitpunkt schon zwei Jahre nicht mehr lebte, ist dann auch der komplette Kontakt zu der Verwandtschaft in Mexiko abgebrochen.
Georg war damals selber knapp 16 Jahre alt und musste erst einmal sein eigenes Leben meistern. Das war schon schwierig genug gewesen. Nach dem Tod seiner Mutter verbrachte er viel Zeit alleine, da sein Vater mit dem Immobiliengeschäft wahnsinnig viel zu tun hatte. Es kam dann leider auch immer wieder zu Streitereien zwischen ihm und seinem Vater, sodass er direkt auszog, als er 18 wurde und somit auf sich allein gestellt war. Nach dem Abitur machte er eine Ausbildung zum Tischler. Schrittweise arbeitete er sich in der Firma hoch und war nun die rechte Hand des Geschäftsführers bei dem mittelständischen Unternehmen „Burkhard Kremer Holzbau“. Mit seinen jetzt 31 Jahren war er mit seiner beruflichen Situation sehr zufrieden.
In den ganzen Jahren hatte er Tante Maria aus den Augen verloren. Umso mehr wunderte es ihn jetzt, dass er angeblich im Testament von ihr vorkam.
Wie es aussah, war sein geliebtes Dienstag Picknick vorerst passé. Er musste sich erst einmal mit der E-Mail von Herrn Bollmann beschäftigen, denn die erschien soeben auf seinem Schirm. Georg las den Text kurz durch.
Tatsächlich. Es war die Einladung für die Besprechung der Erbschaftsangelegenheit der Mandantin Maria Hernandez. Und zwar am Donnerstag, den 13. März 2014 um 09:00 Uhr in Köln, Salzgasse 3. Sollte er die Einladung annehmen?
Er schloss die Augen. Was kam da auf ihn zu? Wenn er etwas geerbt haben sollte, dann wird er wohl auch nach Mexiko reisen müssen, oder?
'Ach, was soll's?' sagte er sich. 'Ich kenne Tante Maria doch eigentlich gar nicht mehr. Was sollte sie mir schon vererbt haben? Da lohnt sich der Aufwand doch gar nicht. Oder vielleicht könnte ich das ja mit einem Kurzurlaub in Köln verbinden?? Was sagt denn mein Kalender?'
Er öffnete seinen Kalender und prüfte die Einträge für Donnerstag und Freitag. Er hatte zwar drei Termine, doch die könnte er auch verschieben. Sollte er mit seinem Vater darüber reden? Er konnte ihm vielleicht mehr zu Tante Maria sagen. Die Beziehung zu seinem Vater hatte sich zwar in den letzten Jahren verbessert, aber als sehr eng konnte man sie noch nicht bezeichnen.
'Ich ruf ihn mal an' sagte sich Georg.
Gespannt auf die Reaktion seines Vaters wählte er seine Nummer.
„Becker“
„Hallo, hier ist Georg. Wie geht’s dir?“
„Georg? Mensch, du hast ja schon lange nicht mehr angerufen. Was gibt’s denn? Ich muss gleich zu einem Termin.“
Da war es wieder. Wie immer hatte sein Vater keine Zeit. „Natürlich, warum sollte das auch anders sein als sonst?“
Sein Vater seufzte:
„Georg, du weißt doch, dass ich viel zu tun habe. Also, was ist los?“
Georg holte tief Luft: „Es geht um Tante Maria. Wusstest du, dass sie gestorben ist?“
„Maria, tot? Nein, das wusste ich nicht. Aber du weißt doch, dass wir schon seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr hatten. Also, was hat ihr Tod mit Dir zu tun?“ fragte sein Vater leicht genervt.
„Nun, ja. Mich hat ein Notar aus Köln angerufen und der sagte, ich solle zur Testamentseröffnung kommen. Anscheinend habe ich was geerbt, oder so.“
„Was, du hast was von Maria geerbt? So ein Unsinn!“ sagte sein Vater leicht genervt.
Georg war schon kurz davor, wieder aufzulegen. So war sein Vater immer. Immer kurz angebunden und alles was er sagte erst einmal anzweifeln.
„Ja, deshalb wollte ich dich fragen, ob du etwas zu Tante Maria sagen kannst. Ich meine, du kennst sie doch besser als ich.“
„Ja, aber du weißt doch, dass ich seit damals nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte!“
„Nein!“ sagte Georg. „Ich habe nie verstanden, warum du den Kontakt so plötzlich beendet hattest. Du hast das mir ja nie erklärt. Also, willst du mir jetzt weiterhelfen oder nicht?“ fragte Georg schon leicht gereizt.
„Ich werde jetzt keine alten Sachen wieder ausgraben.“ erwiderte sein Vater: „Du kannst ja gerne zu dieser Erbschaftsgeschichte fahren. Wenn sich etwas ergibt, kannst du mich ja anrufen. Also, viel Spaß bis dahin. Ich muss jetzt los. Tschüß!“
Toll! Das war ja ein hilfreicher Anruf. Egal, dachte sich Georg. Ich werde fahren. Er griff zum Telefonhörer und wählte die Nummer seines Chefs.
„Hallo Georg, was kann ich für dich tun?“ fragte Burkhard Kremer. In den letzten Jahren hatten sie nicht nur immer enger miteinander zusammen gearbeitet, sondern es hatte sich auch ein freundschaftliches Verhältnis zwischen ihnen entwickelt.
„Hallo Burkhard. Ich wollte fragen, ob ich Donnerstag und Freitag frei nehmen könnte? Meine Tante ist gestorben und ich muss zur Testamentseröffnung nach Köln.“
„Oh, das tut mir leid. Ich wusste gar nicht, dass du eine Tante hast?“
„Ja, danke. Ich hatte auch lange keinen Kontakt. Sie war die Schwester meiner Mutter und lebte in Mexiko. Jetzt muss ich das mit dem Testament klären. Geht das mit dem Urlaub klar? Ich kann die Termine, die ich habe, ohne Problem verschieben.“
„Logisch geht das klar“ sagte sein Chef.
„Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Sag mir nur Bescheid, falls es länger dauert.“
„Gut, vielen Dank!“ sagte Georg erleichtert.
Jetzt musste er nur noch seine Termine verschieben, dem Notar zusagen und ein Hotelzimmer buchen.
Nachdem er dies erledigt hatte, schaute er auf die Uhr. 18:05 Uhr.
Er sollte besser nach Hause gehen und seine Sachen für den Kurztrip packen, denn er würde Morgen direkt nach der Arbeit nach Köln fahren.
Nachdem Georg am Mittwoch in Köln im City Class Hotel am Dom eingecheckt hatte, gönnte er sich eine Currywurst mit Pommes und ging zu Bett. Es war mal wieder Stau auf der A 1, sodass er total geschafft erst um 22:00 Uhr ankam und zu nichts mehr Lust hatte. In der Nacht konnte er nicht gut schlafen. Seine Gedanken kreisten um seine Tante und was sie ihm wohl vererbt haben könnte.
Er stand um 07:00 Uhr auf, machte sich fertig und nahm im Hotel ein umfangreiches Frühstück zu sich.
Das Büro der Kanzlei war nur ein paar Meter zu Fuß vom Hotel entfernt. Er hatte wirklich Glück gehabt, so kurzfristig noch ein Zimmer zu bekommen. Er wurde ungeduldig und ging früh los, sodass er bereits um 08:30 Uhr vor dem Gebäude ankam, in dem er sich mit dem Notar treffen sollte. Es war ein altes Gebäude, wahrscheinlich aus dem 19. Jahrhundert. Die Außenmauern waren weiß, die große Eingangstür aus massivem Eichenholz. Links neben der Tür war eine große Tafel angebracht. Die Kanzlei „Frenzen, Brown & Johnson“ hatte ihr Büro im Erdgeschoß. Drei weitere Kanzleien und auch zwei Steuerberater konnte er auf der Tafel entdecken.
Also ging er zur Tür und öffnete sie. Er betrat einen großen Flur mit einem hellen Parkettboden und einer hohen Stuckdecke. Auf der rechten Seite sah er eine große Glastür, auf der in schwarzer Schrift „Frenzen, Brown & Johnson“ stand. Er ging hinein und sah eine freundliche Dame am Empfangstresen sitzen. Der Parkettboden aus dem Flur fand sich hier wieder, die weißen Wände sowie die hohe Stuckdecke vermittelten dem Besucher ein helles, warmes Gefühl. Kleine, dezente Bilder an den Wänden sowie kleine, frische Blumen in den Ecken rundeten diesen Eindruck ab. Er ging zur Empfangsdame. Sie hatte ihr blondes Haar hoch gesteckt, ein dunkelblaues Kostüm an und sagte lächelnd:
„Guten Morgen. Willkommen bei „Frenzen, Brown & Johnson“. Mein Name ist Frau Martina Kressel.
Was kann ich für Sie tun?“
„Guten Morgen. Mein Name ist Georg Becker. Ich habe einen Termin um 09:00 Uhr mit Herrn Bollmann.“
„Ja, ich schau einmal nach. Richtig. Bitte nehmen Sie hier links Platz. Ich gebe Herrn Bollmann Bescheid, dass Sie da sind. Ihren Mantel können Sie dort drüben an der Garderobe aufhängen. Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“
„Nein, danke.“
Georg setzte sich hin und wartete. Sein Blick streifte durch den Raum. Von dem Flur zweigten zwei Gänge ab, die relativ lang waren. Das Büro erstreckte sich anscheinend über die ganze Etage.
Er schaute auf die Uhr. Es war 08:45 Uhr. Auf dem Tisch vor ihm lagen verschiedene Zeitschriften.
Er nahm die Wirtschaftswoche in die Hand und blätterte sie durch.
„Herr Becker, bitte kommen Sie mit mir. Ich bringe Sie zu Herrn Bollmann.“ sagte Frau Kressel und zeigte in die Richtung des Ganges, der er nehmen musste.
Auf der rechten Seite des ersten Ganges betraten sie das zweite Büro, in dem Herrn Bollmann saß. Er stand auf und kam ihm entgegen.
„Guten Morgen Herr Becker. Rainer Bollmann. Schön, dass Sie gekommen sind. Das freut mich ja, dass Sie es alles so kurzfristig einrichten konnten. Könnten Sie bitte Frau Kressel Ihren Personalausweis geben, damit sie sich eine Kopie für unsere Unterlagen machen kann?“
„Guten Morgen. Ja, selbstverständlich“
Er gab Frau Kressel seinen Ausweis, die einen kurzen Blick darauf warf und Herrn Bollmann kurz zunickte. Daraufhin verließ sie das Büro.
„Bitte setzen Sie sich doch. Herr Becker, wie ich Ihnen bereits am Telefon sagte, sind Sie hier wegen der Erbschaft von Frau Maria Hernandez. Frau Hernandez war Mandantin in unserem Hauptsitz in Los Angeles. Sie verstarb am 13. Februar 2014. Durch verschiedene rechtliche Komplikationen in Mexiko konnten wir leider erst letzte Woche mit der Bearbeitung dieses Mandates beginnen. Sie werden sich wahrscheinlich schon gefragt haben, warum der Termin so kurzfristig stattfinden musste.“
„ Ja, das habe ich“
„Als Frau Hernandez verstarb, hatte sie keine direkten Erben. Die Gesetzliche Erbregelung in Mexiko besagt normalerweise in diesem Fall, dass die gesamte Erbmasse dem Staat zufällt. Frau Hernandez hat allerdings einen Teil ihres Vermögens einer Stiftung vermacht. Das Haus, in dem sie zuletzt lebte, hat sie Ihnen vermacht. Deshalb sitzen Sie nun hier. Der Zeitdruck ist entstanden, weil es in Mexiko eine Bestimmung gibt, dass in solchen Fällen die Begünstigten innerhalb von fünf Wochen das Erbe annehmen müssen.“
„Ich habe ein Haus geerbt? Damit habe ich ja gar nicht gerechnet.“
„Herr Becker, wenn Sie diese Annahmeerklärung unterschreiben, dann sind Sie stolzer Besitzer einer Immobilie in Mexiko. Die Immobilie liegt in Hunucmá, einem Vorort von Mérida auf der Halbinsel Yucatàn mit ca. 22.000 Einwohnern.“
Das war jetzt eine Überraschung für Georg. Ein Haus in Mexiko!
„Habe ich denn irgendwelche Verpflichtungen aus diesem Haus? Und bis wann genau muss ich mich entscheiden?“
„Die Annahmeerklärung muss bis zum 20. März 2014 beim zuständigen Amtsgericht in Mérida vorliegen. Wenn Sie diese Annahmeerklärung unterschreiben, gehen Sie lediglich die Verpflichtung jedes Hausbesitzers in Mexiko ein. Die besagt, dass Sie für die Instandhaltung der Immobilie verantwortlich sind bzw. für einen ggf. erforderlichen Abriss sorgen müssten.“
„20. März. Das ist ja in einer Woche. Da habe ich ja kaum noch Zeit. Kann ich mir das Haus vorher anschauen?“
„Selbstverständlich. Ich kann Ihnen gerne die Adresse geben. Wenn Sie möchten, stelle ich den Kontakt zu einem meiner Kollegen in Los Angeles her. Der kann mit Ihnen dann die Besichtigung des Hauses vor Ort besprechen.“
„Ja, das wäre sehr nett.“
„Gut, Frau Kressel wird Ihnen die Daten geben. Bitte bedenken Sie aber, dass Sie entweder hier oder in Los Angeles die unterschriebene Annahmeerklärung rechtzeitig abgeben.“ Er stand auf.
„Herr Becker, ich persönlich habe das Haus nicht gesehen, aber ich hoffe, dass es Ihnen gefallen wird, und sie Freude daran haben werden.“
Georg stand auch auf und reichte ihm die Hand.
„Vielen Dank. Auf Wiedersehen Herr Bollmann.“
„Auf Wiedersehen.“
Georg ging zu Frau Kressel, die ihm die Unterlagen und seinen Mantel gab. Er verließ das Haus und ging Richtung Heumarkt. Er musste erst einmal Luft schnappen. Das war ja schon ein Ding. Was sollte er tun? Ein Haus in Mexiko, das reizte ihn natürlich. Und er hatte dieses Jahr noch keinen Urlaub geplant, konnte also das sehr gut verbinden. Er musste ins Hotel. Auf seinem Laptop konnte er dann seinen Kalender überprüfen. Georg ging ins Hotel. In seinem Zimmer kontrollierte er seinen Kalender und stellte fest, dass er bis zum 20.3. ein paar Einträge hatte. Er rief seinen Chef an. „Burkhard Kremer“
„Hallo Burkhard, hier ist Georg.“
„Oh. Hallo Georg. Wie geht’s? Was ist bei der Erbsache rausgekommen?“
„Ich soll ein Haus in Mexiko geerbt haben.“
„Ach was. Das ist ja eine Überraschung“
„Ja, das dachte ich auch. Jetzt muss ich aber nach Mexiko, um das alles zu klären. Ich wollte daher den Urlaub um eine Woche verlängern. Ich könnte meine Termine, die ich habe, verschieben. Geht das bei dir klar?“
„Sicher, wenn du alles verschieben kannst, geht dass in Ordnung.“
„Super, dann werde ich das machen. Vielen Dank! Ich geb dir Bescheid, falls sich was Neues ergibt.“
Georg war sehr froh, dass ihn Burkhard so unterstützte. Jetzt musste er aber erst noch ein paar Dinge erledigen. Den Flug nach Mexiko, den Aufenthalt dort und die Kanzlei in Los Angeles kontaktieren. In den Unterlagen, die Frau Kressel ihm gegeben hatte, fand er den Namen des Ansprechpartners. Viktor Gonzales. Er schrieb ihm eine E-Mail, in der er ihn um seine Unterstützung bat. Danach kümmerte er sich um die Termine, die er verschieben musste. Als nächstes buchte er einen Flug. Er hatte Glück. Direkt am Freitag könnte er von Hamburg losfliegen. Mit der Lufthansa über New York und Houston nach Mérida. Abflug 08:00 Uhr, Ankunft in Mérida um 18:48 Uhr Ortszeit. Er würde zwar auch am Freitag ankommen, aber durch den Zeitunterschied von 6 Stunden würde er insgesamt ca. 19 Stunden unterwegs sein.
Kein Zuckerschlecken! Den Rückflug hatte er für Montag gebucht. Er teilte Herrn Gonzales per E-Mail die Ankunftszeit mit und auch die Anschrift seines Hotels.
Nachdem auch das erledigt war, hatte er Hunger. Es war ja auch schon nach 12:00 Uhr. Also ging er in das Hotel-Restaurant, aß eine leckere Metaxa-Pfanne und nachdem er die Hotelrechnung bezahlt hatte, machte er sich auf den Weg nach Hamburg.
Die Autobahn war mal wieder voll, sodass er erst gegen
19:00 Uhr zu Hause ankam. Nachdem er seine Sachen für den Aufenthalt in Mexiko gepackt hatte, rief er noch seinen Vater an. Er wollte ihn auf den Laufenden halten.
"Ja, Klaus Becker hier."
"Hallo, ich bin's. Ich war in Köln. Stell dir vor, Tante Maria hat mir ihr Haus in Mexiko vererbt. Ich werde aber erst einmal hinfliegen und es mir anschauen. Ich fliege morgen früh los und werde am Montag wieder zurückkommen. Das wollte ich dir nur sagen"
"O.K. Danke Georg. Also, ich wollte mich noch für mein Verhalten bei unserem Telefonat entschuldigen. Aber das hat so einiges bei mir wieder hoch geholt.
Ich wünsch dir viel Erfolg in Mexiko. Und wenn du was brauchst, ruf mich an. O.K.?"
"O.K. Danke!"
Da war Georg aber überrascht. Sein Vater entschuldigte sich bei ihm. Das war bisher sehr selten vorgekommen. Wenn er wieder aus Mexiko zurück sein würde, wollte er mit seinem Vater darüber sprechen, was damals genau geschehen war.
Georg war hundemüde. Jetzt wollte er noch was essen und dann konnte es am nächsten Tag losgehen.
New York, 7. April 2030
Hauptsitz der UNO, Büro von Dr. Sophia Linnek
Was sollte sie jetzt nur machen?
Das ganze hatte eine Entwicklung genommen, mit der sie nicht mehr alleine fertig werden konnte. Sie hatte schon sehr weitreichende Kompetenzen, was ihr Aufgabengebiet anging. Der Generalsekretär hatte ihr immer freie Hand gelassen. Doch es war schon sehr gewagt von ihr, den letzten Schritt ohne Abstimmung mit ihm gemacht zu haben. Aber jetzt musste sie ihn einweihen. Sie schloss die Augen, atmete tief ein und sagte:
'O.K., dann ruf ich ihn jetzt an.'
Sie wusste, dass Herschel Morgenstern heute im Hause war, also wählte sie die Nummer seiner Sekretärin.
„Ja, Helen hier. Hallo Sophia. Was kann ich für dich tun?“
Wie immer war Helen freundlich und voller Elan. Es tat gut, ihre Stimme zu hören.
„Hallo Helen. Ich müsste mal Herschel sprechen. Wann hätte er Zeit für mich?“
„Oh, er hat noch Besuch vom australischen Botschafter, aber das wird nicht mehr lange dauern. Danach hätte er bis 15:00 Uhr Zeit. Ich geb ihm Bescheid, dass er dich dann anruft. O.K.?“
„Ja, das hört sich gut an. Danke. Er soll mich dann bitte hier anrufen. Bis später.“
„Gut, bis später.“
Sie hatte also noch etwas Zeit. Wie sollte sie ihm das alles erklären? Vielleicht hat sich etwas Neues bzgl. Michael ergeben. Sie wählte Mario Duncans Nummer. Mario war ihr engster Mitarbeiter, und in diesem Projekt war er für den gesamten technischen Bereich verantwortlich.
„Mario hier, hallo Sophia.“
„Hallo Mario. Hat sich was getan?“
„Nein, keine Veränderung. Wir haben alles versucht, aber wir konnten das Fenster nicht neu öffnen.“
„Verdammt! Ich wollte dir nur sagen, dass ich mich entschieden habe, Herschel einzuweihen. Ich werde in Kürze mit ihm sprechen.“
„Oh, das ist eine gute Idee. Ich weiß zwar nicht, was Herschel noch bewirken kann, aber dann stehst du wenigstens nicht mehr alleine da. Ich drück dir die Daumen. Wenn ich etwas Neues habe, melde ich mich bei dir.“
"O.K. Danke.“
Mario hatte Recht. Sie wusste auch nicht, was Herschel an der Situation ändern könnte, aber sie musste ihn einweihen, denn sie hatte ihre Kompetenzen schon sehr weit ausgereizt.
Das Telefon klingelte.
„Ja, Sophia hier.“
„Hallo Sophia, hier ist Herschel. Du wolltest mich sprechen?“
„Hallo Herschel. Ja, ich hab was Wichtiges mit dir zu besprechen. Hast du jetzt Zeit?“
„Um 15:00 Uhr ist mein nächster Termin, wir haben also knapp zwei Stunden. O.K. Komm vorbei.“
„Super, danke. Ich bin gleich da.“
Puh, jetzt wurde es also ernst. Sie stand auf, rückte ihre Kleidung zurecht und ging los. Sie musste nur den Flur links runter und war schon da. Helen winkte sie direkt durch.
„Hallo Sophia. Die Tür ist auf. Er wartet schon auf dich.“
„Danke.“
Sophia betrat das Büro. Der Generalsekretär saß hinter seinem Schreibtisch. Als er sie sah, stand er auf, kam ihr entgegen und streckte seine Hand aus. Herschel Morgenstern war schlank, hatte einen grauen Anzug an und wirkte trotz seiner 61 Jahre noch recht sportlich. Dies zeigten auch die vielen Bilder von ihm und seinen Pferden an den Wänden. Anders als seine Vorgänger legte er keinen großen Wert darauf, sich Bilder hinzuhängen, die ihn mit allen möglichen Staatsoberhäuptern oder anderen Größen der Welt zeigten. Die Bilder zeigten ihn als begeisterten Reitsportler und Naturliebhaber. Er hatte keine Frau und keine Kinder, sodass er seine wenige Freizeit mit seinen Pferden in der Natur verbrachte. Daher hatte er auch eine relativ braune Haut, die seine kurzen, grauweißen Haare zur Geltung brachten.
„Hallo Sophia, schön dich zu sehen.“
„Hallo Herschel, danke, dass du Zeit für mich hast.“
„Setzt dich doch. Möchtest du etwas zu trinken?“
„Nein, danke.“
„Sophia, was kann ich für dich tun?“
Sophia war leicht nervös.
„ Also, es geht um mein neuestes Projekt.“
„Oh, ich wusste gar nicht, dass du gerade an einem Projekt arbeitest.“
„Ja, das ist eigentlich auch eher ein noch inoffizielles Projekt.“
„Mmhh, jetzt machst du mich aber neugierig. Worum geht es da?“
„Also du weißt ja, dass ich meine größten Erfolge bei der Unterstützung von diplomatischen Verhandlungen hatte. Und das macht mir ja auch sehr viel Spaß.“
„Ja, das kann man wohl so sagen.“
„Mein Bestreben ist es immer, noch besser zu werden und zu schauen, mit welchen Verhandlungsstrategien ich in Zukunft schneller und besser vorwärts kommen kann. Vor knapp zwei Jahren erfuhr ich von einem Physiker aus Dallas, der einen Weg gefunden haben wollte, wie soll ich's sagen, einen genaueren Blick in die Vergangenheit zu werfen.
Er behauptete, durch ein Gerät, das er erfunden hatte, eine Tür oder ein Fenster in die Vergangenheit öffnen zu können.
Ich weiß, du wirst jetzt denken, was das denn jetzt soll, eine Zeitreise ist doch Unsinn. Tja, das dachte ich zuerst auch. Ich habe davon ja eigentlich auch keine Ahnung, aber Mario Duncan, er ist technisch deutlich versierter als ich, sagte mir, dass ich mir das mal anhören bzw. anschauen sollte. Er stellte auch den Kontakt her. Der Physiker, sein Name ist Ben Mastersen, sollte uns seine Idee erst nur vorstellen.
Ich wollte dann entscheiden, ob das für mich interessant sein könnte. Ich habe ihn dann mit Mario Duncan zusammen besucht. Er hat eine Lagerhalle für seine Forschungen und Experimente gemietet.
Ich war natürlich sehr skeptisch, aber er sollte uns das ruhig einmal vorführen. Tja, was soll ich sagen, ich kann dir das Gerät und die Funktionsweise nicht im Detail erklären.
Das können dir gerne Mario oder Herr Mastersen später erklären. Aber auf jeden Fall schaffte er es, einen fensterartigen Blick in die Vergangenheit zu erzeugen.
Das Gerät sah wie ein großer Fernseher aus.
Er gab die Koordinaten – Längen-und Breitengrade – in sein Gerät ein und auch das Datum und die Uhrzeit. Er wählte als Zielort die Fläche vor seiner Lagerhalle mit der Zeitangabe 15 Minuten zuvor, damit er uns zeigen konnte, wie wir ankamen. Nachdem er die Daten eingegeben hatte und das Gerät angestellt hatte, füllte sich die ca. ein Meter mal drei Meter große Fläche mit Blitzen und Farben und tatsächlich, wir konnten etwas sehen. Zuerst nur den Platz vor der Halle, doch dann sahen wir uns auf die Halle zugehen.
Ich war perplex. Ich sagte Herrn Mastersen, dass das doch eine Videoaufnahme von uns sei. Um uns zu zeigen, dass dem nicht so war, verstellte er irgendwelche Knöpfe und Räder an dem Gerät und die Perspektive änderte sich. Wir flogen quasi um den Platz herum und sahen uns von allen Seiten.
Er zoomte ran und wieder raus. Das war unglaublich. Das konnte keine Aufzeichnung sein. Das war eindeutig ein Blick in die Vergangenheit.“
Der Generalsekretär schaute Sophia ungläubig an.
„Also, wenn nicht du mir das erzählen würdest, dann würde ich kein Wort glauben. Aber ich kenne dich ja als eher nüchterne und seriöse Person. Also muss ich dir wohl erst einmal glauben, bis ich es selber gesehen habe.“
„Ja, dazu wollte ich später kommen. Zuerst möchte ich dir noch die weiteren Ereignisse schildern. Du wirst dich wahrscheinlich auch fragen, was das alles mit meiner Abteilung zu tun hat. Wie mir das bei meinen diplomatischen Verhandlungen helfen könnte.
Wie gesagt, diese Vorführung war vor ca. zwei Jahren. Danach haben Mario und ich darüber gesprochen. Er sagte mir, dass er zufälligerweise Herrn Mastersen aus seinem Heimatdorf kannte. Sie waren Nachbarn. Deswegen hat sich Herr Mastersen auch zuerst an ihn gewandt, und auch weil er eine friedliche Nutzung durch die Kontrolle der UNO sicherstellen wollte und nicht irgendein Industrieunternehmen seine Idee nur ausbeuten sollte. Das fand ich ja schon mal sehr gut.
Das Problem waren natürlich die Kosten. Sein Gerät verschlingt sehr viel Energie und die Materialien sind auch sehr teuer. Also bot ich ihm an, seinen Prototyp durch unsere Techniker zu prüfen und weitere Tests durchzuführen.“
„Aber du weißt schon, dass dies eigentlich nicht in dein Aufgabengebiet fällt, oder?“
„Ja, ich weiß. Aber ich komme jetzt zu dem von mir gedachten Einsatzgebiet des Gerätes. Wenn ich mit dieser kleinen Zeitmaschine ein Fenster in die Vergangenheit erstellen könnte, dann könnte ich doch aus den erfolgreichen Verhandlungen vergangener Tage lernen. Ich würde ja nicht in die Geschichte eingreifen. Nur einen Blick auf Verhandlungen werfen und natürlich auch die Gespräche mithören, das war auch möglich, und dann wieder spurlos verschwinden. Das wäre doch super, oder?“
„Ja, das sehe ich ein, wenn das so möglich wäre.“
„Dafür habe ich ja unsere Techniker beauftragt, die Zeitmaschine genauestens unter die Lupe zu nehmen und für einen Test vorzubereiten. Ich habe mir natürlich Gedanken gemacht, welche Verhandlung ich mir anschauen und anhören wollte. Immer vorausgesetzt, das klappt alles wie ich das bei Herrn Mastersen gesehen hatte. Als erstes wollte ich die Verhandlungen zum Westfälischen Frieden 1648 in Münster in Deutschland ansehen. Ist dir das ein Begriff?“
„Ähm, ja, aber nur ganz grob.“
„O.K. Dann nur kurz als Erklärung für dich:
Als „Westfälischer Frieden“ werden die im Jahre 1648 in Münster und Osnabrück geschlossenen Friedensverträge bezeichnet, die den Dreißigjährigen Krieg in Deutschland und zugleich den Achtzigjährigen Unabhängigkeitskrieg der Niederlande beendeten. Es waren zwei getrennt voneinander verhandelte Friedensverträge.
Der deutsche Kaiser Ferdinand III. und der französische König Ludwig XIV. unterzeichneten den Münsterschen Friedensvertrag. Kaiser Ferdinand III. und die schwedische Königin Christina unterzeichneten den Osnabrücker Friedensvertrag. Beide Verträge wurden am selben Tag in Münster bzw. in Osnabrück unterzeichnet. Diese beiden Verträge beendeten den vorausgegangen 30-jährigen Krieg. Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 war ein Konflikt um die Herrschaftsverhältnisse im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in Europa und zugleich ein Religionskrieg. Gemeinsam mit ihren jeweiligen Verbündeten im Reich trugen die habsburgischen Mächte Österreich und Spanien ihre dynastischen Interessenkonflikte mit Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden aus. Als Auslöser des Krieges gilt der Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618, mit dem der Aufstand der protestantischen böhmischen Stände offen ausbrach. Die protestantischen Stände versuchten die Rekatholisierungsversuche des böhmischen Königs aus dem Haus Habsburg, der zugleich römisch-deutscher Kaiser war, zu beenden.
Diese beiden Friedensverträge gelten als Vorbild für spätere Friedenskonferenzen, da er dem Prinzip der Gleich-berechtigung der Staaten, unabhängig von ihrer tatsächlichen Macht, zur Durchsetzung verhalf. Zugleich trug der allgemeine Frieden von Münster und Osnabrück zur gesamteuropäischen Stabilität bei, da sich spätere Friedensschlüsse bis zur Französischen Revolution immer wieder an ihm orientierten.
Es wurden zwar viele Aufzeichnungen gemacht und auch gefunden, doch wollte ich die Möglichkeit durch die Zeitmaschine nutzen, die Gespräche live zu sehen und zu hören. Da würde mit Sicherheit einiges dabei sein, was ich für meine Arbeit nutzen könnte.
Als zweite Situation hatte ich die Kuba-Krise ausgewählt. Ich weiß, dass du dich mit der Kuba-Krise gut auskennst, aber wir haben doch nur Zugriff auf ausführliche Informationen der amerikanischen Seite. Ich wollte mir die sowjetische Seite ansehen. Was ist damals tatsächlich im Kreml passiert? Die Menschheit stand im Oktober 1962 kurz vor dem 3. Welt-krieg, vor einen Atomkrieg mit verheerenden Ausmaßen. Und deshalb wollte ich mir das live anschauen und etwas dabei lernen.“
„Also, so wie du das sagst, könnte diese Zeitmaschine tatsächlich ein hervorragendes Mittel für uns sein. Wenn das so geklappt hat. Aber mir scheint, dass dem wohl nicht so war, sonst wärst du ja nicht hier bei mir, oder?“
„Nein, ich kann dir sagen, dass diese beiden Tests sehr erfolgreich verliefen. Ja, wirklich. Es war unglaublich. Aber ich will nicht vorgreifen.
Vor drei Monaten wagten wir den ersten Versuch. Es war fantastisch. Ich war live bei den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden dabei!! Wir zeichneten alles auf. Alles verlief planmäßig, keine Störungen. Wir waren so euphorisch, dass ich entschied, gleich eine Woche später den zweiten Versuch zu starten.
Die Kuba-Krise. Auch das verlief einwandfrei. Ich konnte einen Blick in den Kreml werfen. Die ganzen Gespräche und Abläufe im Oktober 1962. Das war der Wahnsinn! Was ich da an Informationen erhielt war unglaublich. Ich entschied, erst einmal alle Daten, die wir bei beiden Versuchen aufgezeichnet hatten, zu analysieren.
Ich weiß, du wirst jetzt vielleicht sagen, dass ich dich hätte einschalten müssen. Aber du warst so eingespannt mit der EU-Afrika-Krise, dass ich entschied, Dich erst zu informieren, nachdem uns weitere Ergebnisse vorliegen.“
„O.K., da war ich wirklich unter Dauer-Stress. Und wirklich beendet ist dieser Konflikt ja leider immer noch nicht.“
„Stimmt. Also wo war ich stehengeblieben? Ach ja, der nächste Schritt. Ich war total begeistert von den Informationen, die wir gewonnen hatten, dass ich Herrn Mastersen eine langfristige Zusammenarbeit anbot. Zuvor kam Mario Duncan auf die Idee, diese Zeitmaschine zu nutzen, um eins der wohl größten Geheimnisse der Geschichte zu beantworten“
„Welches denn?“
„Atlantis.“
Mérida, Mexiko, Freitag, den 14. März 2014
Flughafen
Nach einem normalen Reiseverlauf landete Georg schließlich fast planmäßig um 18:50 Uhr in Mérida. Er holte sein Gepäck vom Transportband und ging durch die Schwingtür in die Vorhalle. Dort hielt er Ausschau nach Herrn Gonzales, dem Mitarbeiter der Kanzlei. Herr Gonzales wollte ihn hier abholen. Als er den Blick durch die Halle schweifen ließ, sah er auch recht schnell einen Mann mit einem Zettel in der Hand stehen, auf dem sein Name stand. Ihr Blicke trafen sich und er ging auf ihn zu. Sie reichten sich die Hände.
„Herr Georg Becker?“ fragte der Mann auf Deutsch.
„Ja, und Sie sind Herr Gonzales? Oh, Sie können Deutsch?“
„Ja, ich bin Viktor Gonzales. Wir können uns gerne auf Deutsch unterhalten. Schön, dass Sie hier sind. Hatten Sie einen guten Flug?“
Herr Gonzales war ca. 1,80 m groß, ca. 45 Jahre alt, braungebrannt und trug einen beigen Anzug. Er hatte ein freundliches Gesicht und braune Augen.
„Es ging, vielen Dank. Ich merke, dass ich schon fast 20 Stunden unterwegs bin.“
„Klar, das ist immer eine lange Tour von Deutschland nach Mittelamerika. Ich bin bei uns für die Mandanten aus Mittel-und Südamerika zuständig und begleite öfter Angehörige aus Europa und auch viele aus Deutschland. Daher ist es gut, dass ich Deutsch sprechen und verstehen kann. Ich kann mir schon vorstellen, was Sie als erstes möchten. Ein kühles Bier und ein wenig Schlaf? Richtig?“
„Ja, ein Bier wäre perfekt. Aber bevor ich ins Bett gehe, möchte ich doch lieber ins Hotel, meine Sachen kurz auspacken, und dann gerne mit Ihnen beim Essen die ersten Dinge besprechen. Wäre das für Sie in Ordnung?“
„Ja, natürlich. Kommen Sie bitte mit. Ich fahre Sie ins Hotel.“
Sie verließen den Flughafen und gingen zu einem braunen Toyota Prius. Georg verstaute sein Gepäck in den Kofferraum und stieg ein. Auch wenn es schon Abend war, war es immer noch sehr schwül und er war sehr froh, in das klimatisierte Auto einzusteigen.
„Wir brauchen ca. eine Stunde zu Ihrem Hotel. Waren Sie schon einmal in Mexiko?“
„Nein, ich habe die Familie meiner Mutter leider nicht kennen gelernt. Also meine Tante Maria, die war ein paar Mal in Hamburg und hat uns besucht. Aber es ist auch schon über 15 Jahre her, dass ich sie gesehen habe. Deswegen bin ich auch so verwundert und gespannt, dass ich das Haus erben soll.“
„Na, dann werden Sie ja wohl auch gespannt auf das Haus sein.“
„Richtig, und vielleicht werde ich es als mein Erbe annehmen. Wir werden sehen.“
Die Fahrt verlief ruhig. Er sah aus dem Fenster und beobachtete die vorbeiziehende Natur. Jetzt machte sich die lange Reise bemerkbar und er schloss die Augen.
„Herr Becker, wir sind da.“
Georg zuckte zusammen und öffnete die Augen. Er sah etwas verwirrt zu Herrn Gonzales.
„Oh, ich bin wohl eingeschlafen. Bitte entschuldigen Sie, aber ich war wohl doch sehr müde.“
„Kein Problem.“
Georg stieg aus und holte seinen Koffer aus dem Kofferraum. Sein Blick fiel auf das Hotel. Es war ein Bau aus dem 19. Jahrhundert, von außen machte es einen sehr guten Eindruck.
„Dies ist Ihr Hotel Herr Becker. Ich hoffe, es wird Ihnen gefallen.“
Sie gingen die vier Steinstufen hoch und betraten durch eine schwere Holztür die Empfangshalle. Der gute Eindruck von außen bestätigte sich auch hier. Alles sah sauber und gepflegt aus. Die Klimaanlage sorgte für eine angenehme Temperatur. Georg ging zur Rezeption und erledigte die Formalitäten.
„Ich geh dann kurz ins Zimmer und werde mich schnell duschen und umziehen. Danach würde ich gerne mit Ihnen beim Essen schon mal ein paar Dinge besprechen. Ist das O.K. für Sie?“
„Klar, ich warte dann hier untern auf Sie.“
Georg ging die Treppe in den ersten Stock hoch und den Flur rechts runter. Sein Zimmer war das dritte auf der linken Seite. Auch das Zimmer war sauber und gepflegt. Wie das Hotel war auch die Ausstattung des Zimmers schlicht, aber geschmackvoll im Stil des 19.Jahrhunderts eingerichtet. Georg packte sein Koffer schnell aus und ging unter die Dusche. Frisch geduscht und umgezogen ging er zurück in die Empfangshalle zu Herrn Gonzales.
„Herr Gonzales, ich bin fertig.“
„Schön. Wir können gleich hier im Hotel-Restaurant etwas essen.“
„Ja. Gerne.“
Sie gingen durch eine breite Holztür ins Restaurant. Auch hier sah wieder alles sauber und gepflegt aus. Georg bestellte sich Chili Con Carne und ein kühles Bier. Herr Gonzales bestellte sich zwei Burritos und ebenfalls ein Bier.
„So, jetzt bin ich also hier und werde mir Morgen mit Ihnen das Haus ansehen.“
„Ja, ich habe die Schlüssel mit. Es ist gar nicht weit von hier entfernt. Fünf Minuten zu Fuß, wenn Sie gehen möchten.“
"Klar, ich gehe gerne zu Fuß. Kannten Sie meine Tante?“
„Ja, Sie war meine Mandantin schon seit vielen Jahren. Ich habe sie in allen rechtlichen Fragen beraten. Sie war eine sehr nette Frau. Ich war sehr traurig, als ich von ihrem Tod erfuhr.“
„Woran ist sie denn gestorben?“
„Das Herz. Sie war ja auch schon 73. Ich wusste, dass sie schon länger ein schwaches Herz hatte, somit war das dann auch nicht allzu überraschend für mich.“
„Sie kannten sie näher?“
„Ja, sie war meine Englischlehrerin. Ich bin hier geboren. Vor knapp 25 Jahren bin ich in die USA eingewandert und habe in L.A. studiert. Irgendwann meldete sie sich bei mir und wurde meine Mandantin. Wir hatten ab und zu Kontakt.“
Das Essen wurde gebracht. Es sah sehr gut aus und roch typisch mexikanisch. Sie begannen zu essen.
„So, dann kannten Sie sie ja viel besser als ich. Es wäre schön, wenn Sie mir vielleicht später mal mehr über ihr erzählen könnten.“
„Ja, sehr gerne.“
„Was passiert denn, wenn mir das Haus morgen gefällt und ich dem Erbe zustimme?“
„Ich habe alle Unterlagen für die Annahme der Erbschaft mitgebracht. Außerdem habe ich für Sie die Unterlagen mitgebracht, die Ihnen die Verpflichtungen eines Hausbesitzers in Mexiko beschreiben.“
„O.K., diese Verpflichtungen würde ich mir gerne mal durchlesen. Hat meine Tante mit Ihnen auch über mich gesprochen?“
„Nur flüchtig. Sie sagte mir nur, dass sie einen Neffen in Hamburg habe und es sehr bedauert, keinen Kontakt zu Ihnen zu haben. Ihr Vater hatte den Kontakt wohl vor vielen Jahren abgebrochen.“
„Ja, ich weiß leider auch nicht so richtig, weshalb er das damals gemacht hatte. Was da passiert ist. Ich selber habe dann leider nie den Kontakt zu meiner Tante wieder aufgenommen. Ich weiß auch nicht, aber irgendwie ist das schon schade. Jetzt im Nachhinein kann ich das gar nicht mehr verstehen. Ich hätte sie doch mal besuchen sollen. Sie hat sich allerdings auch nie bei mir gemeldet, daher bin ich ja auch so überrascht, dass sie mir ihr Haus vererben möchte.“
„Na ja, sie wird wohl ihre Gründe gehabt haben.“