Die Geschichte des Eurokorps - Matthias Blazek - E-Book

Die Geschichte des Eurokorps E-Book

Matthias Blazek

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Beschreibung

Das 1992 ins Leben gerufene, multinationale Eurokorps, Nachfolger des Deutsch-Französischen Rats für Verteidigung und Sicherheit, ist als das europäische militärische Hauptquartier für die es tragenden Rahmen- und zusätzlichen Nationen vor dem Hintergrund der immer öfter erhobenen Rufe nach EU-Streitkräften in der tagespolitischen Diskussion präsenter denn je. Matthias Blazek stellt in seinem vorliegenden Band nicht nur die 25-jährige Geschichte dieses in europäischem Geist gegründeten Verbandes dar, sondern setzt sich in dem ihm eigenen, fesselnden Stil auch mit den Gedanken und Zielsetzungen auseinander, die dem Eurokorps zugrunde liegen. Den Rahmen dazu bildet ein Abriss der Geschichte Straßburgs sowie der facettenreichen Geschichte der deutsch-französischen Zusammenarbeit und Freundschaft. The multinational Eurocorps is the European military headquarters for its framework and contributing nations. Created in 1992 and successor of the German-French Council for Defence and Security, it has become – in these times where calls for a European army have once again been growing – a prominent part of discussions of everyday politics. In his book, Matthias Blazek not only presents the 25-year history of this truly European formation but also discusses in his own compelling style the Eurocorps' fundamental goals and ideas. He embeds his approach in a short history of Strasbourg and the many facets of the German-French friendship and cooperation.

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EPUB

Seitenzahl: 127

Veröffentlichungsjahr: 2017

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ibidem-Verlag, Stuttgart

Den ersten Anstoß, ein multinationales Korps aufzustellen, gaben der französische Staatspräsident François Mitterand und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl. In einem Schreiben an den amtierenden Vorsitzenden des Europäischen Rates vom 14. Oktober 1991 kündigten sie die Absicht an, die deutsch-französische militärische Zusammenarbeit in ihren Strukturen über die Deutsch-Französische Brigade hinaus zu erweitern und einen neuen Großverband zu schaffen, der auch anderen Nationen offen stehen sollte. Wörtlich heißt es in dem Brief: „Diese verstärkten deutsch-französischen Einheiten können somit den Kern für ein europäisches Korps bilden, wobei die Streitkräfte der Mitgliedstaaten der WEU einbezogen werden könnten. Diese neue Struktur könnte damit auch Modellcharakter für eine engere militärische Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der WEU insgesamt haben.“

Paul Klein: „Das Eurokorps“

in: Handbuch Militär und Sozialwissenschaft, 2., akt. und erw. Aufl., Wiesbaden 2006, Teil V, S. 416-423

 

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

Die Geschichte des eurokorps

Zuhause in Neuhof

Quartier Aubert de Vincelles

Quartier Lizé

Quartier Lyautey

Das Eurokorps

Anlage: Das Eurokorps – Einsatzorientierung und gelebte Multinationalität

f. Der Verfasser

g. Ortsregister

Impressum

Geleitwort Walter Spindler, Generalmajor2011-2013 Stellvertretender Kommandierender General des Eurokorps

25 Jahre Eurokorps – eine wahre Erfolgsgeschichte. Im Wesentlichen drei Faktoren haben dazu beigetragen, aus diesem ursprünglich deutsch-französischen Projekt ein multinationales, einsatzbereites Instrument zum Wohle der Europäischen Union und der NATO zu formen.

1. Der politische Wille und die politische Weitsicht nach dem Fall der Mauer in Europa nicht nur die Friedensdividende einstreichen zu wollen, sondern das erste multinationale Korps seiner Art zu gründen. In Anbetracht der sich ständig verringernden nationalen Streitkräfte war absehbar, dass kein Staat allein den damaligen und künftigen Herausforderungen unilateral zu begegnen in der Lage sein wird. So war und ist die Multinationalität das Gebot der Stunde.

2. Die Wahl eines außerordentlich geschichtsträchtigen und attraktiven Standortes, nämlich die „Hauptstadt Europas“, wie die Bürger Straßburgs ihre Stadt gerne und nicht zu Unrecht nennen. Diese elsässische Stadt hat nicht nur eine wechselhafte deutsch-französische Vergangenheit, wie in diesem Buch nachfolgend ausführlich dargestellt werden wird. Sie ist auch der Sitz zahlreicher europäischer Einrichtungen, wie dem Europarat, dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dem Europäischen Bürgerbeauftragten und als vorläufigem Schlussstein dem Eurokorps. Zwischen den Einrichtungen dieser wunderschönen Stadt, den europäischen Institutionen und den Angehörigen dieses Korps findet ein enger, lebhafter und fruchtbringender Austausch im wahrhaft zivil-militärischen Sinne statt, der für die erforderliche vernetzte Sicherheit einen echten Mehrwert bringt.

3. Die im Wesentlichen aus den sechs Rahmennationen des Eurokorps (DEU, FRA, BEL, ESP, LUX und POL) kommenden Soldatinnen und Soldaten, die sich mit ernsthafter Leidenschaft der Ausbildung für alle möglichen Einsätze in dieser Welt stellen. Sie haben es vor allem in den Einsätzen in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo und in Afghanistan unter Beweis gestellt, wo sie unter Einsatz ihres Lebens für dieses großartige europäische Projekt mit Erfolg gedient haben.

Auf das Eurokorps war, ist und wird Verlass sein, wenn die NATO oder die EU es benötigen. Möge es leben, blühen und gedeihen! Bei der Lektüre dieses Buches wünsche ich Ihnen viel Spaß und interessante Erkenntnisse.

Walter Spindler

 

Vorwort

Bundeskanzler Helmut Kohl und Präsident François Mitterrand brachten am 14. Oktober 1991 beim Europäischen Ministerrat eine gemeinsame Initiative für ein europäisches Verteidigungskorps ein.

Zu Beginn der 1980er Jahre kam es zu neuen Impulsen für die im Elysée-Vertrag vereinbarte deutsch-französische Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik. Das Einrichten eines Eurokorps 1992 war der letzte Schritt in diesem Prozess der deutsch-französischen Kooperation. Zuvor wurde 1988 der Deutsch-Französische Rat für Verteidigung und Sicherheit geschaffen sowie im Anschluss 1989 die Deutsch-Französische Brigade. Nach und nach traten Belgien (1993), Spanien (1994) und Luxemburg (1994) dem Eurokorps bei. Somit wurde das bilateral entstandene Eurokorps zu einem Modell für eine engere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und beschleunigte den europäischen Einigungsprozess.

In dem vorliegenden Werk sollen neue Akzente gesetzt werden. Nicht allein die 25-jährige Geschichte dieses multinationalen Verbandes soll dargestellt werden. Losgelöst von den äußeren Umständen würde diese Arbeit den zugrundeliegenden Gedanken und Zielsetzungen nicht gerecht werden können. Das Ganze soll eingebettet werden in die Geschichte Straßburgs und in die abwechslungsreiche Geschichte der deutsch-französischen Zusammenarbeit und Freundschaft.

Der Verfasser, der in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts beim Deutschen Militärischen Bevollmächtigten in Frankreich mit Sitz in Fontainebleau gedient hatte und im Zeitraum 2006-2014 als Reservist beim Stab des Eurokorps eingesetzt war, hat diese Arbeit, die Erstellung einer Chronik zum 25-jährigen Bestehen, als eine Herzensangelegenheit angesehen. Es hat ihm viel Freude bereitet, tief in die Akten und in die Geschichte des Eurokorps und seines Standortes Straßburg einzutauchen.

Es steht zu hoffen, dass das Interesse geweckt wird und manche neue Erlebnis­perle zum Vorschein kommt. In jedem Fall steht hier eher ein historischer Querschnitt als eine wertende Darstellung in Anlehnung an die bisherigen Print-Editionen im Vordergrund.

Viel Freude an dem vorliegenden Buch wünscht

Matthias Blazek

 

Abkürzungsverzeichnis

 

a. a. O. am angegebenen Ort

bearb. bearbeitet

d. der, den

f. folgend

M Mark

m Meter

Nr. Nummer

sen. senior

u. a. unter anderem

v. von

z. B. zum Beispiel

 

Die deutsch-französische Zusammenarbeit

Was lange währt, wird endlich gut. Das deutsche Sprichwort trifft die Entwicklungen im elsässischen Straßburg. Seit 25 Jahren wird dort multinationale Zusammenarbeit praktiziert. Und das ist nicht gerade selbstverständlich.

Eine gute Zusammenarbeit wäre in früheren Epochen allein unter Deutschland und Frankreich nur schwerlich denkbar gewesen. Gerade zwischen diesen beiden Staaten, die sich von Haus aus aufgrund ihrer eigenen Geschichte und Traditionen von jeher gut verstehen müssten, ist es in der Vergangenheit zu manchen kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen.

Die deutsch-französische „Erbfeindschaft“ hat nach Ansicht von Historikern ihren „Urgrund“ in einer „Reichsteilung“, und zwar in der Aufteilung des Karolingischen Reichs der Franken in ein West- und Ostfränkisches Reich, aus denen sich Frankreich und Deutschland entwickelten – beide mit dem gleichen universellen Herrschaftsanspruch auf die Führungsrolle in (West-) Europa.

Kaiser Karl der Große (748-814) hinterließ seinem Sohn Ludwig I. „dem Frommen“ (778-840) ein geeintes, stabiles Reich. Ludwigs Bestrebungen, seinen Söhnen aus zwei Ehen jeweils eigene Teilreiche zu hinterlassen, dabei aber zugleich die Reichseinheit durch Vergabe der Kaiserkrone und der außenpolitischen Oberhoheit an den Sohn Lothar I. zu sichern, führte noch zu Lebzeiten Ludwigs zu Macht- und Verteilungskriegen. Drei Jahre nach seinem Tod kam es zur dauerhaften Teilung des Frankenreiches im Vertrag von Verdun vom 10. August 843. Westfrankenreich, der westliche Teil mit Aquitanien, woraus sich im Lauf des 9. und 10. Jahrhunderts Frankreich entwickelte, ging an Karl den Kahlen (823-877), Mittelreich (Lothringen), der mittlere Teil von der Nordsee über Aachen und Rom bis ans Mittelmeer, ging an Lothar I. (795-855), und das Ostfrankenreich, der östliche Teil, ging an Ludwig den Deutschen (804-876).

Seit der Zeit des Ausklangs des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648), als Frankreich mit der osmanischen Türkei den traditionellen „Erbfeind“ des christlichen Abendlands und speziell des habsburgischen Österreich unterstützte, wurde der Begriff der Erbfeindschaft geprägt, um ein schlechtes Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich zu beschreiben.Hinzu kamen ab 1667 die etwa 47 Jahre andauernden französischen Kriege Ludwigs XIV. (1638-1715), in deren Folge die Regionen Elsass und Lothringen von Frankreich annektiert und die Pfalz verwüstet wurden.

Deutsche und Franzosen standen sich weiterhin im Siebenjährigen Krieg (1756-1763), in den Koalitionskriegen (1792-1815) und in den 1813 und 1814 ausgetragenen Befreiungskriegen gegen Napoleon (1769-1821) gegenüber. Danach überrannten die deutschen Truppen unter Führung Preußens Frankreich im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, lagen Soldaten beider Nationen 1914-1918 in einem vier Jahre andauernden Stellungskrieg in den Schützengräben Nordfrankreichs, marschierten im Januar 1923 unter einem Vorwand fünf französische Divisionen nebst einigen belgischen Einheiten ins Ruhrgebiet ein, wie auch im Jahr 1940 Deutschland nach Frankreich einmarschierte, um es erst 1944 wieder zu verlassen. Frankreich wirkte als Besatzungsmacht in Teilen der späteren Bundesländer Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sowie im Saarland in der Zeit nach Ende des Zweiten Weltkrieges (1945).

In der folgenden Zeit setzte aber eine neue Ausrichtung ein. Offensichtlich besannen sich beide Nationen, allen voran deren Staatsoberhäupter, der Sinnlosigkeit der immer wiederkehrenden Konflikte zwischen den beiden Nachbarländern Deutschland und Frankreich.

Einige Ereignisse trieben in der Nachkriegszeit die Entwicklungen erfolgreich voran. Da war zunächst der französisch-englische Bündnisvertrag von Dünkirchen vom 4. März 1947. Er sah die gegenseitige Hilfeleistung gegen jede Wiederaufnahme einer deutschen Angriffspolitik vor.

Am 5. Juni 1947 schlug der amtierende US-Außenminister George C. Marshall (1880-1959) ein Wirtschaftsaufbauprogramm für Europa vor. Mit dem „Marshallplan“ sollte nicht nur das kriegszerstörte Europa wieder aufgebaut werden, auch ein friedliches, geeintes Europa war eines der Ziele.

An der Marshallplan-Konferenz im Juli 1947 in Paris nahmen 16 europäische Staaten teil. Der Außenminister der Sowjetunion, Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow (1890-1986), lehnte – nicht unerwartet – auf der Sitzung am 2. Juli 1947 die ERP-Hilfe (European Recovery Program oder Europäisches Wiederaufbau-Programm) ab, Moskau verbot auch den Ländern seines Einflussgebiets (einschließlich der Tschechoslowakei) die Annahme.

Den Brüsseler Pakt schlossen Frankreich, Großbritannien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg am 17. März 1948 in Brüssel. Dieses Militärbündnis wurde auch als „Westunion“ bezeichnet.

Am 16. April 1948 unterzeichneten die Vertreter von Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Island, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Portugal, Schweden, Schweiz, Türkei und Großbritannien sowie die Militärkommandeure der französischen, britischen und amerikanischen Besatzungszonen in Paris ein Abkommen über die Gründung der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC). Es trat am 1. Juli 1948 in Kraft.

Am 4. April 1949 gründeten zwölf westeuropäische Staaten in Washington den Nordatlantik-Pakt: Belgien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal und die USA. Die ersten organisatorischen Maßnahmen ergriff die NATO im Herbst 1949.

In Bonn wurde am 23. Mai 1949 das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland feierlich verkündet und unterzeichnet. Wenige Monate später, am 7. Oktober 1949, wurde aus der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands die Deutsche Demokratische Republik. Als „Tag der Republik“ wurde dieser Tag zum Nationalfeiertag der DDR.

Frankreich, die Benelux-Staaten, Italien und die Bundesrepublik Deutschland unterzeicheten am 27. Mai 1952 den Vertrag zur Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG). Das Projekt scheiterte 1954, als es im französischen Parlament keine Mehrheit erhielt.

Die Pariser Verträge wurden am 23. Oktober 1954 von den Mitgliedern der Westunion, der Bundesrepublik Deutschland und Italien in Paris unterzeichnet. Geschaffen wurde ein kollektiver militärischer Beistandspakt mit der Bezeichnung Westeuropäische Union (UEO).

Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876-1967) besiegelte am 6. Mai 1955 in Paris mit seiner Unterschrift den Beitritt Deutschlands zur NATO.

Fünf Jahre später, am 13. Februar 1960, explodierte in der Sahara bei Reggane in Algerien die erste französische Atombombe. 6500 französische Wissenschaftler, Techniker und Soldaten hatten zusammen mit 2500 algerischen Arbeitern zwei Jahre lang gearbeitet, um die französische Atomstadt mit ihren Fertighäusern, Betonbunkern und Stahltürmen aus der Erde zu stampfen.

Der als „Élysée-Vertrag“ bezeichnete deutsch-französische Freundschaftsvertrag wurde am 22. Januar 1963 von Bundeskanzler Konrad Adenauer und vom französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle (1890-1970) im Pariser Élysée-Palast unterzeichnet.

In einem Brief an den damaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson (1908-1973) teilte der französische Präsident de Gaulle am 7. März 1966 seine Entscheidung mit, Frankreich werde der NATO keine Truppen mehr zur Verfügung stellen.

Staatspräsident François Mitterand und Bundeskanzler Helmut Kohl sprachen sich auf ihrem Gipfeltreffen in Karlsruhe am 13. November 1987 für die Aufstellung eines gemeinsamen deutsch-französischen Großverbandes aus.Zwei Jahre später wurde die Deutsch-Französische Brigade in Dienst gestellt.

Mit einem am 14. November 1988 unterzeichneten Protokoll traten die Portugiesische Republik und das Königreich Spanien der Westeuropäischen Union bei.

Am 2. Oktober 1989 erfolgte die offizielle Aufstellung der Deutsch-Französi­schen Brigade (Brigade franco-allemande).

In der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1990 wurde die Fahne der Einheit an einem großen Fahnenmast vor dem Berliner Reichstag gehisst. Damit wurde die Deutsche Einheit vollzogen.

François Mitterrand und Helmut Kohl vereinbarten am 14. Oktober 1991 in Lille anlässlich eines deutsch-französischen Gipfeltreffens, einen Großverband aus Truppenteilen beider Länder aufzustellen. Am gleichen Tag richteten sie einen entsprechenden Brief an den amtierenden Vorsitzenden des Europäischen Rates und Ministerpräsidenten des Königreichs der Niederlande, Ruud Lubbers.

Auf der Grundlage des Beschlusses des deutsch-französischen Gipfeltreffens wurde am 22. Mai 1992 in La Rochelle das Eurokorps gegründet.

In ihrer Petersberger Erklärung beschloss die Westeuropäische Union am 19. Juni 1992, der UNO und der KSZE Truppen zu friedensschaffenden Kampfein­sätzen zur Verfügung zu stellen.

Im „SACEUR-Abkommen“ vom 21. Januar 1993 wurden die Beziehungen und Kompetenzen zwischen NATO und Eurokorps geregelt.Das Abkommen, unterzeichnet vom damaligen Obersten NATO-Befehlshaber US-General John M. Shalikashvili (1936-2011), dem französischen Generalstabschef Jacques Lanxade und dem deutschen Generalinspekteur General Klaus Naumann, legt fest, dass das Eurokorps, das nunmehr NATO-Strukturen einnahm, im Bedarfsfall nach Artikel V des NATO-Vertrages für die gemeinsame Abwehr einer gegen die Allianz gerichteten Aggression eingesetzt werden kann.

 

Zuhause in Neuhof

Das Eurokorps hat seinen Platz in Neuhof, einem Stadtteil der elsässischen Großstadt Straßburg, gefunden. Die Geschichte dieses eher trist anmutenden Fleckens unweit der deutsch-französischen Grenze dürfte den dort stationierten Soldaten gleich welcher Nationalität eher unbekannt sein beziehungsweise unbekannt geblieben sein. Man erlebt den Stadtteil zudem nur auf der Durchreise von einer Kaserne zur anderen oder beim Pendeln zwischen Wohnung und Dienststelle. Der Blick fällt auf die regelmäßig verkehrende Straßenbahn, hübsche und ruhig gelegene Altbauten, kleine Geschäfte und riesige Wohnblöcke, in denen sozial schwache Familien eine Bleibe gefunden haben.

Bei Einbruch der Dunkelheit machen sich junge und waghalsige Leute auf den Weg, ohne Helm auf frisierten Motorrädern. Und ab und zu kracht es auch. Aber niemanden scheint dies zu interessieren, es gehört eben dazu.

Das alles hat auch wenig zu tun mit dem guten Ansehen und der nachhaltigen Integration der Soldaten der drei Kasernen Lizé, Lyautey und Aubert de Vincelles („AdV“) in die zivile Umgebung. Vorbehalte und Ängste scheinen da eher unangebracht oder kein Thema zu sein. Mit Vorsicht werden die Anfahrtswege zum Hauptquartier in der AdV-Kaserne bedacht. Aber: Den Soldaten wird vonseiten der Bevölkerung keine besondere Beachtung geschenkt.

Straßburg-Neuhof, seit 1992 Standort des Eurokorps, auf einer Postkarte um 1910.

 

Aber nun zum Ort, einem Flecken, dem man seine 650-jährige Geschichte nicht ansehen mag. Ein Dokument in den städtischen Archiven von Straßburg (Bestand VII 69 1) belegt, dass ein reicher Bürger aus der Stadt namens Walter Wasicher im Jahre 1370 das Land bei Neuhof erworben hat. Näheres ist zunächst nicht zu finden. Aber die „Neue Vaterländische Geschichte der Stadt Straßburg und des ehemaligen Elsaßes“, 1792 vom Jugendlehrer Johannes Friese (1741-1817) zu Papier gebracht, weiß mehr auszusagen über die Person. Walter Wasicher war im schlimmen Seuchenjahr 1381 zum Ammeister (Zünftemeister) der Stadt Straßburg gewählt worden. Eine Wiederwahl vier Jahre später gelang Wasicher allerdings nicht.

Am Ende war es „Neuhof“ links des Rheins, welches Walter Wasicher erwarb. Conrad II. von Lichtenberg hatte den linksrheinischen Teil der Gemarkung Hundsfeld mit allen Eigentums- und Hoheitsrechten an Wasicher verkauft, er war fortan als abgesonderter Bann oder gemeindefreies Gebiet anzusehen. 1378 verpachtete Wasicher einen Hof an das Dorf Vogelsang. 1412 wird seine Witwe, Katharina Bettschold, Tochter von Johannes Bettschold, erwähnt.

Dies sind eher kleine Fragmente als eine große Geschichte.

Der Name „Neuhof“ war damals noch nicht gebräuchlich. Erst fünfzig Jahre später tauchte er auf. Das Kirchenarchiv zu St. Wilhelm erwähnt Thoman Adolph von Brumt „uff dem neuen hoffe“ bei Straßburg, welcher in den Jahren 1424 und 1460 den Wilhelminermönchen in Straßburg etliche Feldstücke schenkte. In einem amtlichen Bericht aus dem Jahre 1617 wurde ausdrücklich „der neue Hof“ erwähnt.

Wo sich dieser „neue Hoff“ genau befand, lässt sich heute nicht mehr feststellen.