Die großen Western 114 - U.H. Wilken - E-Book

Die großen Western 114 E-Book

U. H. Wilken

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Mit gleitenden Schritten kam der Tod über den heißen Hinterhof. Leise klingelten die Sporen an den verstaubten Stiefeln und verstummten neben dem kleinen Haus. Helles Lachen tönte aus dem Haus, das abseits der anderen Behausungen der Stadt lag. Dämmerlicht herrschte im Zimmer. Das Fenster war verhangen. Nur wenig Tageslicht drang durch die ausgeblichene Gardine. »Du riechst so gut, Darling.« »Das riecht nicht, das stinkt«, entgegnete der schwarzhaarige Mann. »Verdirb dir die Nase nicht.« »Seit wann stinkt denn Geld?«, flüsterte sie und ließ die Hand sanft über seine Brust gleiten. »Du hast viel Geld. Ich liebe dich und dein Geld.« »Du bist wenigstens ehrlich. Sonst hätte ich dich auch nicht aus dem Saloon geholt.« Er richtete sich mit dem bloßen Oberkörper auf. Die Decke rutschte nach unten. Langsam beugte er sich über das blonde Mädchen und küsste es. Die Leidenschaft erfasste ihn.

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Die großen Western – 114 –

Blutige Skalps

U.H. Wilken

Mit gleitenden Schritten kam der Tod über den heißen Hinterhof. Leise klingelten die Sporen an den verstaubten Stiefeln und verstummten neben dem kleinen Haus.

Helles Lachen tönte aus dem Haus, das abseits der anderen Behausungen der Stadt lag.

Dämmerlicht herrschte im Zimmer. Das Fenster war verhangen. Nur wenig Tageslicht drang durch die ausgeblichene Gardine.

»Du riechst so gut, Darling.«

»Das riecht nicht, das stinkt«, entgegnete der schwarzhaarige Mann. »Verdirb dir die Nase nicht.«

»Seit wann stinkt denn Geld?«, flüsterte sie und ließ die Hand sanft über seine Brust gleiten. »Du hast viel Geld. Ich liebe dich und dein Geld.«

»Du bist wenigstens ehrlich. Sonst hätte ich dich auch nicht aus dem Saloon geholt.«

Er richtete sich mit dem bloßen Oberkörper auf. Die Decke rutschte nach unten. Langsam beugte er sich über das blonde Mädchen und küsste es. Die Leidenschaft erfasste ihn. Mit rauer Hand fuhr er über ihre nackte Schulter, die im Dämmerlicht wie Marmor schimmerte und dennoch so weich und warm war wie Samt.

»Du bist schön, Doreen«, flüsterte er mit belegter Stimme, »ich will dich haben!«

»Nimm mich«, hauchte sie und legte den Kopf weit zurück. Das lange blonde Haar lag ausgebreitet auf dem Kopfkissen.

Seine spröden Lippen glitten über ihren Hals und über die Brust. Sie schlang die Arme um seinen Nacken, fuhr mit langen Fingernägeln über seinen Rücken und seufzte.

»Ich will nur dich, Casey Bradford«, stöhnte sie, »nur dich allein. Ich gehöre dir – von heute an und für alle Zeit.«

Er antwortete nicht, küsste sie, saugte die Lippen an ihrem Mund fest. Sie fuhr durch sein schwarzes Haar und krallte die Hände jäh hinein. Mit einem verhaltenen Seufzer trennten sie sich, lagen dicht beieinander und atmeten schwer.

Wie aus weiter Ferne drangen die Stimmen der Einwohner herüber. Heiß war es im Zimmer. Ein Schweißfilm lag auf Casey Bradfords Gesicht. Mit der Rechten erfasste er das blonde Haar und roch daran.

»Du hast einen schönen Skalp, Doreen. Warum bist du keine Indianerin?«

»Lass doch die Witze, Casey.« Sie entglitt ihm, verließ das zerwühlte Bett und ging nackt zum Fenster.

Er hob den Kopf und sah ihr nach. Und sie wusste, dass er sie betrachtete, doch sie empfand keine Scham und keine Scheu, öffnete das Fenster und ließ die Gardine wieder zurückgleiten.

»Komm her«, sagte er leise, »komm!«

Im Dämmerlicht kam sie auf ihn zu, legte sich neben ihn und kitzelte mit dem Zeigefinger seine ausgetrockneten Lippen.

»Du bist viel und lange unterwegs, Casey. Und wenn du zurückkommst, dann hast du so manchen Skalp bei dir.«

»Die Regierung hat ein Kopfgeld ausgesetzt«, erklärte er. »Für jeden Indianerskalp bekomme ich eine Handvoll Dollars. Es ist eine leichte Arbeit für einen guten Schützen.«

»Und du bist einer.« Sie lächelte. »Eines Tages wirst du ein reicher Mann sein, Casey, und die kleine Doreen längst vergessen haben. Für dich wird es nur ein kleines Abenteuer gewesen sein. Aber ich will dich glücklich machen, Casey.«

Sie glitt zu ihm und küsste ihn. Das lange Haar streifte seine Schulter.

Eine knochige Hand schob sich durch den Spalt der Gardine und drückte sie ein wenig zur Seite. Düster, mit flackernden Augen, starrte der Mann von draußen in das Zimmer und beobachtete das Mädchen und den Skalpjäger. Langsam ließ er die Gardine wieder zurückschlagen. Horchend verharrte er am Fenster.

Doreen lachte plötzlich auf und wich von ihm, verließ das Bett und blieb daneben stehen.

»Was hast du denn?«, fragte er. »Lachst du über mich?«

»Aber nein, nein!«, beteuerte sie. »Ich habe eben nur an etwas gedacht.«

»Dann sag es!« Er richtete den Oberkörper auf und blickte sie forschend an, wollte weitersprechen und bemerkte in letzter Sekunde die Bewegung der Gardine.

Blitzschnell warf er sich vom Lager. Kugeln klatschten ins Bett, genau dort hinein, wo er gerade noch gelegen hatte. Und während der Colt des heimtückischen Schützen am Fenster Feuer spuckte, riss Casey Bradford seine Waffe aus dem Halfter, die neben dem Bett am Boden lag, und feuerte mehrere Schüsse durch die Gardine.

Schrill schrie das Mädchen auf, presste die Hände an den Mund und starrte entsetzt hinüber.

Mit rauchendem Colt schnellte Bradford zum Fenster, riss die durchlöcherte und qualmende Gardine weg und warf einen Blick hinaus.

Unten lag leblos ein Mann. Blut rann aus Kopf und Brust. In der vom Tod erstarrten Hand hielt er noch die Waffe.

Steif drehte Bradford sich um und blickte das Mädchen kalt an.

»So ist das also«, flüsterte er heiser, »eine abgemachte Sache, wie? Du solltest mir den Verstand rauben und mich ablenken, und dieser Dreckskerl sollte mich umlegen.«

»Nein, Casey, nein, ich schwöre es!«, hauchte sie und war blass unter der verwischten Schminke. »Ich weiß ja noch nicht mal, wer auf dich geschossen hat.«

»Nein?«, schrie er auf, kam auf sie zu und packte sie mit plötzlicher Wut an den Haaren, riss sie zum Fenster hin und stieß sie fast hinaus. »Sieh ihn dir an! Ich habe dich gesehen, wie du mit diesem Lumpen gesprochen hast.«

Er ließ sie los, raffte seine Kleidung zusammen und zog sich an. Wütend zerrte er die Stiefel über die Füße und legte den schweren Waffengurt um.

»Zieh dich an!«, fauchte er. »Ich kann dich so nicht mehr sehen. Du bist eine verdammte Schlange, zum Teufel! Eine miese, billige Hure, die mich aufs Kreuz legen wollte. Deine Geldgier ist so groß, dass du sogar dieses Risiko eingegangen bist. Bestimmt hast du diesem Kerl da draußen dich und dazu noch viele Dollars geboten. Du kotzt mich an.«

»Das ist nicht wahr«, wimmerte sie, nach ihrem Kleid greifend. »Ich kenne diesen Mann nur flüchtig und …«

»Halt den Mund!«, unterbrach er sie und ging zur Tür. »Kümmere dich um seine Beerdigung. Von mir bekommst du keinen Cent dafür.«

Knallend fiel die Tür hinter ihm zu.

Weinend stand sie am Fenster, wandte sich ab und ließ sich auf das Bett fallen.

»Oh, Bruel!«, stöhnte sie. »Warum hast du nicht besser geschossen. Warum nicht, Bruel?«

Der Tote konnte nicht antworten. Auf dem Hof standen viele Menschen und starrten auf den Toten.

Neben dem Haus verweilte Casey Bradford.

»Der Kerl wollte mich abknallen, Leute«, sagte er laut und zynisch. »Der ist es nicht wert, eingescharrt zu werden. Werft ihn den Geiern zum Fraß vor!«

Im Haus schluchzte das Mädchen.

Bradford verzog den Mund und entfernte sich gemächlich. Unterwegs lud er den Colt nach.

Im Mietstall sattelte er sein Pferd. Dunkle, eingetrocknete Flecken bedeckten den Sattel. Selbst am Pferd waren noch die Spuren geronnenen Blutes.

Ohne Eile zog er das Tier aus dem Stall, drückte dem Stallmann zehn Cents in die Hand und stieg in den Sattel.

»Diese Dummköpfe«, murmelte er, »die glauben noch immer, mein Geld bekommen zu können. Sollen sie es nur versuchen. Ich mache sie alle fertig.«

Langsam ritt er über den staubigen Hof und lenkte das Pferd ins Tal. Nur ein einziges Mal drehte er sich halb um und blickte zurück. Niemand folgte ihm. Er lächelte kalt vor sich hin und ritt zu den dunklen Bergen.

Wieder war Casey Bradford unterwegs – ein Menschenjäger, dessen Grausamkeit keine Grenzen kannte, ein Mann, den die Hölle in dieses gewaltige Land geschickt hatte.

*

Sanft legte Sam die Hand auf die Schulter seines Sohnes und zeigte über die Täler, in denen der Dunst in Schleiern dahinzog. Über die bewaldeten Berghänge wallten die Nebel empor, und in rauchiger Ferne verwischten die Konturen bizarrer Felsen und urwüchsiger Wälder.

»Das ist das Land der Indianer, mein Junge«, sagte Sam fast feierlich. »Dieses Land hat den Sioux, Crows, Arapahos und Cheyennes schon immer gehört. Aber Männer, die weiß wie wir sind, wollen die Stämme ausrotten oder vertreiben. Ich muss dir noch viel über die Weißen erzählen, Billy, damit du die Indianer verstehst.«

Der zehnjährige Billy verstand noch nicht alles auf dieser Welt, obwohl er seit dem Tod seiner Mutter vor zwei Jahren mit dem Vater durch die Wildnis zog.

»Es sind doch viele Indianer, Dad. Warum tun sie sich nicht zusammen und kämpfen gegen die Weißen?«

»Sie werden es, mein Junge, doch es wird zu spät sein, ehe sie etwas unternehmen.«

Sam Dundee nahm seinen Jungen an die Hand und ging mit ihm den Berghang herab. Sie tauchten in den Nebelfeldern unter und erreichten das Pferd. Sam schob die Flinte in den Scabbard und hob die schlanke Gestalt seines Sohnes in den Sattel. Dann saß er auf und ritt durch die tiefe Bergfalte.

»Der Winter wird streng sein«, sagte er. »Ich rieche es. Die Luft ist kühler als in den anderen Jahren. Die Indianer haben nicht mehr viel Zeit zum Jagen der Büffel und des Rotwilds, aber sie werden es wissen und schon über die Ebenen streifen.«

»Lass uns doch zu Lean Bear reiten, Daddy«, schlug Billy vor. »Die Cheyennes kennen dich. Sie werden uns nichts tun. Du hast mir so viel über Lean Bear erzählt, ich möchte ihn gern sehen.«

Sam zügelte das Pferd und blickte nachdenklich in die graue Wand der Dämmerung. Vögel zogen über die Bergfalte hinweg, und der Wind ließ die Bäume rauschen.

»Ja, du bist jetzt groß genug, Billy. Reiten wir hin.«

*

»Ich hasse Bradford! Ich werde ihn so lange hassen, bis er tot ist.«

Das Animiermädchen Doreen saß am Tisch im Saloon und blickte in das Glas. Unruhig zupfte sie an ihrem blonden Haar.

Über den Tisch schob sich eine schlanke Hand, hielt ein Glas und stieß es sanft gegen das ihre. Erst dann sah sie auf und in das pulverzerfressene, narbige Gesicht des Mannes, der ihr gegenüber am Tisch saß.

»Auf unsere Zukunft, Doreen.«

Seine hellen Augen funkelten im Schein der Talglichter. Sein Lächeln war irgendwie kalt.

»Unsere Zukunft?« Das Mädchen zuckte die Achseln. »Wovon redest du, Hadley? Ich kenne nur eine Zukunft: die Rache an Bradford.«

»Davon rede ich, Doreen.« Er lächelte ausdruckslos. »Und von den Skalps.«

Sie horchte auf, beugte sich vor und trank hastig.

»Sprich schon, Hadley!«

Er lehnte sich zurück und legte die verschmutzten Stiefel auf den Tisch. Lässig setzte er das Glas ab und rauchte ein Zigarillo an, ließ das Mädchen nicht aus den Augen. Mit einer Kopfbewegung lenkte er Doreens Aufmerksamkeit zur Theke hinüber, wo mehrere Männer standen und tranken.

»Der Kleine dort, das ist Yukon, mein Freund. Wer ihn zum Feind hat, kann sich sein eigenes Grab schaufeln.«

In diesem Moment drehte der kleine Mann in derber Lederkleidung sich halb um und sah zum Tisch herüber. Sein runzliges Gesicht war von einem Schweißfilm überzogen. Er grinste und lüftete den Hut. Doreen sah einen kahlen Schädel, der feuerrot war.

Sie wurde unwillkürlich blass, und als Yukon sich abwandte, flüsterte sie: »Hadley, ist er skalpiert worden?«

»Ja, vor Jahren. Normalerweise überlebt ein Mann das nicht. Aber Yukon hat überlebt. Er hasst die Indianer wie kein zweiter. Sprich niemals in seiner Anwesenheit über seinen Kopf, sonst dreht er dir den schönen Hals um.«

Sie atmete tief ein und schüttelte den Kopf.

Genießerisch rauchte Hadley und wippte mit dem Stuhl.

»Ich habe nicht geahnt, dass Bradford so viel Geld mit sich herumschleppt. Wenn ich das eher gewusst hätte, wäre er jetzt ein toter Mann.«

»Bradford ist gefährlich, Hadley. Unterschätze ihn nicht!«

»Schon gut.« Er winkte lässig ab, zog die Füße vom Tisch und nahm das Glas. »Es lohnt sich, Bradford umzulegen. Das werden wir tun, wenn wir ihn treffen. Wir werden auch die Indsmen abknallen, wo immer wir sie sehen. Zufrieden, Doreen?«

»Ja«, sagte sie spröde und lächelte abwesend vor sich hin. »Ja, bringt Bradford um!«

»Sicher, Doreen, sicher. Hast du Zeit für mich?«

Sie presste die Hände um das Glas. Die Augenlider flatterten einen Atemzug lang. Seltsam sah sie ihn an. Dann erhob sie sich und antwortete leise: »Ich bin in meinem Haus.«

Der Rauch von Lagerfeuern wehte über den Ash Creek. Vor dem Feuer des Sonnenuntergangs hoben sich die spitzen Wigwams dunkel ab. Cheyennes zogen Pferde hinter sich her. Jungen tollten herum. Hunde kläfften. Dörrfleisch hing an Stangen vor dem Lager und trocknete im Wind. Ein Haufen Knochen war von den Hunden auseinandergescharrt worden.

Sam Dundee verhielt.

»Das ist ihr Lager, mein Junge. Gleich wirst du Lean Bear kennenlernen, und vielleicht sind auch Black Kettle und Wolf Chief hier.«

Der Sohn bekam glänzende Augen. Der rote Schein der Sonne verklärte sein Gesicht.

Langsam näherte Sam sich dem Lager.

Krieger erblickten ihn. Rufe schallten durch das Lager. Squaws kamen aus den Wigwams. Manche trugen kleine Kinder auf den Armen. Kläffend kamen die Hunde heran und sprangen um das Pferd herum.

Tiefgebeugt kam ein Krieger aus einem Wigwam und richtete sich auf. Langsam hob er die Hand und stieß einen kehligen Laut aus.

Die jungen Krieger, die Sam Dundee bereits umstellt hatten, traten sofort zurück, und Sam ritt weiter in das Lager der Cheyennes hinein. Vor dem Wigwam des schon ergrauten Kriegers glitt er vom Pferd und half seinem Jungen herunter. Grüßend nahm er die Rechte hoch.

Der Rauch zog über sie hinweg. Unwillkürlich griff Billy nach der Hand seines Vaters. Die fremde Welt der Indianer war ihm im ersten Augenblick unheimlich, und dennoch faszinierte sie ihn. Er sah die Stangen aus den Wigwams ragen, die schweren Felle auf den Stangengerüsten, die lodernden Feuer und die knochigen Gesichter der Indianer. Und er blickte in das faltige Gesicht des Kriegers.

Ein Lächeln spielte um seinen Mund.

»Sei willkommen, mein Bruder! Viele Sonnen sind dahingegangen, viele Monde, und der Wind ist von den kalten Bergen im Norden und aus dem dürren Süden gekommen. Lean Bear ist glücklich, den Bruder wiederzusehen.«

»Ich habe an meinen Bruder Lean Bear gedacht«, sagte Sam, »und ich konnte nicht anders, ich musste zu ihm reiten.« Er strich seinem Jungen über das dunkle Haar. »Das ist mein Sohn, Lean Bear.«

Nichts von Feindschaft schlug ihnen entgegen. Kein Hass war in den Augen der Cheyennes, die Mann und Sohn betrachteten.

»Ich sehe die große Fahne, Lean Bear«, sprach Sam und deutete zum Wigwam, wo die riesige Garnisonsfahne der Vereinigten Staaten mit den vierunddreißig goldenen Sternen an einer hohen Stange hing. »Ist Black Kettle an diesen Feuern?«

»Mein Bruder hat es nicht vergessen?« Lean Bear lächelte. »Es war Frühling, die Gräser wurden grün, und der Schnee schmolz auf den Bergen, als Black Kettle und Lean Bear nach Fort Lamed zogen und dort mit den Blauröcken Worte des Friedens sprachen. Der große weiße Vater hat Black Kettle und Lean Bear Orden verliehen. Und Colonel Greenwood hatte Black Kettle gesagt, dass diese Fahne Frieden bedeutete, dass kein Soldat auf ihn schießen würde, solange die Fahne über dem Lager der Cheyennes wehte. Unsere Jäger suchen nach Wild. Black Kettle wird bald kommen.«

Er schlug den Wigwam auf, und Sam und sein Junge schlüpften hinein. Lean Bear folgte ihnen und hockte sich hin. Ein kleines Feuer flackerte in der Mitte des Wigwams. Der Rauch zog durch das obere kleine Loch ins Freie.

»Lasst uns eine Pfeife rauchen«, sagte Lean Bear. »Mein Herz ist leicht, denn die Freude ist darin.«

Sie waren willkommen im Lager.

Schweigend rauchten Sam und der Häuptling. Lean Bears Gesichtszüge nahmen einen ernsten Ausdruck an.

»Die Langmesser haben Cheyennelager am South Platte River überfallen. Mein Bruder, sage mir warum. Unsere Wunden sind noch nicht verheilt. Die jungen Krieger dürsten nach Rache. Wir haben die Lager abgebrochen und sind hierhergezogen. Wir haben uns vereint, damit wir stärker sind. Warum halten die Weißen nicht ihr Wort, Bruder?«

Sam neigte den Kopf.

»Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Ich weiß nicht, was in ihren Herzen vorgeht.«

Draußen entstand plötzlich Unruhe. Reiter kamen zurück. Sam Dundee und Lean Bear verließen sofort das Zelt. Sie stießen fast mit Black Kettle zusammen, der gerade das Zelt hatte betreten wollen. Es blieb ihnen keine Zeit zur Begrüßung. Sam sah, wie mehrere Cheyennes über den Platz preschten, von den Pferden sprangen und herangelaufen kamen.

Sie hatten Wild gesucht und Soldaten entdeckt.

»Blauröcke kommen!«, rief einer der Jäger. »Sie haben Wagen und Kanonen, die so schrecklich laut brüllen!«

Bevor sich die Unruhe und die Furcht der Squaws steigern konnte, gebot Black Kettle mit erhobener Hand, zu schweigen. Silbern schimmerte sein Haar im ersten Mondlicht, während die Sonne jenseits der Berge sank.

»Lass mich zu ihnen reiten und sie fragen, was sie wollen«, sagte Lean Bear. »Ich habe die Schrift vom großen weißen Vater auf dem Papier. Das Papier spricht, dass Lean Bear ein Freund der Weißen ist.« Er zerrte das abgegriffene Papier unter der Jacke hervor und zeigte es Sam, und der fand seine Worte bestätigt. Schon heftete Lean Bear sich die Ordensspange an die Jacke und verstaute das Papier wieder.

»Gut«, sagte Black Kettle ernst, »reite den Langmessern mit ein paar Kriegern entgegen.«

(Anmerkung des Verfassers: Diese und alle folgenden Geschehnisse haben sich wirklich ereignet. Sie sind amerikanische Geschichte.)

Sam drehte sich um und kniff in die Wange seines Sohnes.

»Bleib hier, Billy. Wer weiß, was die Soldaten in diesem Gebiet wollen. Sie können sich nur in der Route geirrt haben.«

Schon galoppierten Lean Bear und mehrere Krieger zu Pferde aus dem Lager und durchquerten den Fluss. Bellend folgten ihnen die Hunde und kehrten vor dem Ash Creek um.

Black Kettle beugte sich zu Billy hinunter. Sein Lächeln war gut. Er nahm Billy an die Hand und schritt mit ihm durch das Lager. Zuerst zögerte der Junge, aber dann – ganz plötzlich – hatte er Zutrauen zu diesem Häuptling mit dem silbergrauen Haar. Vor dem Wigwam des Häuptlings wartete eine Squaw und legte den Arm um den Jungen.

Sam ritt unterdessen an den Wigwams vorbei und trieb das Pferd durch den Creek. Lean Bear war mit dem jungen Wolf Chief und den anderen Kriegern schon über den Hügel geritten und verschwunden. Niemand vernahm die bitteren Worte Sams, niemand sah den Ausdruck der Sorge in seinem Gesicht.

Er schonte sein Pferd nicht und versuchte, den Vorsprung der Cheyennes einzuholen, doch Lean Bear und die anderen hatten bereits einen der nächsten Hügel erreicht und sich dort oben zusammengerottet.