Die großen Western 202 - G.F. Waco - E-Book

Die großen Western 202 E-Book

G. F. Waco

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Beschreibung

Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Sie liegen wie Brüder nebeneinander und handeln für eine gemeinsame Sache. Ive Torpin, der Mann aus Davenport, ist Deserteur der Nordstaatenarmee gewesen. Er hat noch vor einem Jahr gegen die Rebellen aus dem Süden gekämpft. Und Vic Roggers ist ein Rebell. Vielleicht haben sie irgendwann früher aufeinander geschossen, aber das kümmert sie längst nicht mehr. Der Krieg ist vorbei. "Pst!" zischt Torpin leise, und der schlanke Roggers wendet leicht den Kopf. "Du links – ich rechts, klar?" "Klar", sagt Roggers, dann kriecht er wie eine Schlange los. "Der arme Narr!" Er meint den dritten Mann, der nicht ahnt, daß sich zwei andere ihm nähern. Er hat ein Gewehr unter dem Arm. Er raucht, kommt jetzt die Corralgasse hoch und blickt zum Himmel. Im rechten Corral wandern die Pferde. Roggers kriecht an ihnen vorbei. Kaltblütig läßt er den Pferdewächter der Fields-Ranch herankommen. Roggers liegt im Schatten der Corralpfosten neben dem Gatter. Weit hinter Roggers liegt der erste Schuppen der Ranch. Dort ist der Bach, und am Bach liegen die anderen. Einen Moment muß Roggers an seine wartenden Partner denken. Er stellt wieder einmal fest, daß Captain John Marlons Berechnungen auf die Sekunde stimmen. Als der Posten genau drei Schritt vor dem Corralgatter ist, schiebt sich eine Wolke vor den Mond. Der Pferdewächter wirft nun keinen Schatten mehr. Die dräuenden Wolken am Himmel haben die mondhelle Nacht schwarz werden lassen. Der Posten macht seine letzten vier Schritte. An der anderen Seite der Corralgasse ist der Tränketrog für die Pferde. Dort preßt sich in diesem Augenblick der hagere Ive Torpin an das

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Die großen Western – 202 –

Texas-Song

G.F. Waco

Sie liegen wie Brüder nebeneinander und handeln für eine gemeinsame Sache. Ive Torpin, der Mann aus Davenport, ist Deserteur der Nordstaatenarmee gewesen. Er hat noch vor einem Jahr gegen die Rebellen aus dem Süden gekämpft. Und Vic Roggers ist ein Rebell.

Vielleicht haben sie irgendwann früher aufeinander geschossen, aber das kümmert sie längst nicht mehr. Der Krieg ist vorbei.

»Pst!« zischt Torpin leise, und der schlanke Roggers wendet leicht den Kopf. »Du links – ich rechts, klar?«

»Klar«, sagt Roggers, dann kriecht er wie eine Schlange los. »Der arme Narr!«

Er meint den dritten Mann, der nicht ahnt, daß sich zwei andere ihm nähern. Er hat ein Gewehr unter dem Arm. Er raucht, kommt jetzt die Corralgasse hoch und blickt zum Himmel.

Im rechten Corral wandern die Pferde. Roggers kriecht an ihnen vorbei. Kaltblütig läßt er den Pferdewächter der Fields-Ranch herankommen. Roggers liegt im Schatten der Corralpfosten neben dem Gatter.

Weit hinter Roggers liegt der erste Schuppen der Ranch. Dort ist der Bach, und am Bach liegen die anderen. Einen Moment muß Roggers an seine wartenden Partner denken. Er stellt wieder einmal fest, daß Captain John Marlons Berechnungen auf die Sekunde stimmen.

Als der Posten genau drei Schritt vor dem Corralgatter ist, schiebt sich eine Wolke vor den Mond.

Der Pferdewächter wirft nun keinen Schatten mehr. Die dräuenden Wolken am Himmel haben die mondhelle Nacht schwarz werden lassen. Der Posten macht seine letzten vier Schritte.

An der anderen Seite der Corralgasse ist der Tränketrog für die Pferde. Dort preßt sich in diesem Augenblick der hagere Ive Torpin an das rauhe Holz.

Der Pferdeposten dieser Ranch, auf der das 3. Kavalleriekorps der US Army seine Pferde hält, lehnt sich an den Zaun. Der Mann kann den Trog in der Dunkelheit als länglichen Schatten mit leicht blinkendem Wasser sehen.

Wenn der mich sieht, schießt es Torpin durch den Kopf, heiliger Strohsack, wenn der Kerl, der verdammte…

Torpins Befürchtungen sind wie weggewischt, als der Mann ausspuckt und es im Wasser des Trogs über dem lauernden Torpin leicht klatscht. Dann geht der Posten weiter. Er hätte hundert Yards bis zum Bunkhaus zu gehen, in dem neun Ranchhelps schlafen. Im Haupthaus liegen ein Corporal der Armee und drei Mann. Die Ranch gehörte einmal Fields, doch der kam im Krieg um. Nach dem Krieg übernahm die Armee die Ranch und schuf sich hier ein Zweitgelände, auf dem Armeepferde gedrillt werden.

Als der Posten die nächsten beiden Schritte macht, windet sich Torpin wie ein Regenwurm um den Trog und schiebt sich unter der untersten Corrallatte durch in die Gasse.

Im gleichen Moment taucht von drüben lautlos wie eine heransegelnde Fledermaus auch schon Vic Roggers auf. Er kommt völlig geräuschlos hoch. Vic hat nur seine Hose und ein Hemd in dieser warmen Nacht an und über dem Kopf eine Kapuze, damit sein Gesicht in der Dunkelheit nicht als weißer Fleck zu erkennen ist.

Roggers kommt blitzartig auf die Beine. Dann nickt er unmerklich dem etwas langsamer aufstehenden Torpin zu. Yankee…, denkt Roggers, als er seinen ersten Satz macht und der Posten beim Knirschen des Sandes zusammenzuckt – zu spät, du verdammter Kerl!

Roggers springt auf den Wächter zu und schlägt den Colt herunter. Der Mann verdreht die Augen. Sein Mund öffnet sich in einem erstickten Laut.

Im gleichen Moment stürmt Torpin. Zielsicher stoßen seine Hände vor und packen das Gewehr. Dann rammt Torpin mit der linken Schulter den Rücken des Postens und umschlingt den Mann mit dem linken Arm. Im selben Augenblick packt auch Roggers zu.

Er stopft dem besinnungslosen Posten blitzschnell den Knebel zwischen die Zähne. Dann packt er ihn an den Beinen. Gemeinsam ziehen sie den Mann ein Stück weiter um die Corralecke. Sie legen ihn ab, binden ihn an die Stangen und sehen sich dann um.

Über die Corrals fällt wieder das Licht des Mondes.

»Nun?« fragt Marlon, als die anderen Männer erscheinen und sich sorglos, als gingen sie hier spazieren, zwischen den Corrals bewegen. »Keine Eile, sie lösen erst in anderthalb Stunden ab. Von Westen ziehen Wolkenfelder heran, sie werden in etwa einer Stunde für Dunkelheit sorgen. Bis dahin sind wir weit genug weg. Wird nicht ganz leicht sein, die Spuren zu verfolgen.«

Es ist kein Wunder, daß Marlon diese elf Mann starke Horde beherrscht.

Sie haben seinen überragenden Verstand längst erkannt und gehorchen ihm blindlings. Marlon macht nie einen Fehler. Seine Kühle, seine Ruhe und Umsicht haben auf die anderen abgefärbt. Sie werden uns nie erwischen, denkt Roggers zufrieden. Was John macht, das ist immer gründlich vorbereitet. Er hat im kleinen Finger mehr Verstand, als manch anderer hinter einer hohen Stirn.

»Captain, das war leicht«, meint Roggers und kichert. »Der Mann hat nichts gemerkt. Die werden fluchen, wenn sie keine Pferde mehr finden.«

»Vielleicht, Vic«, antwortet Marlon.

»Los, Kid, vorwärts, die Pferde heraus, immer nur zwei für jeden! Bringt sie hinter den Hang!«

Vic Roggers grinst, als er davonhastet. Er erinnert sich an die Steckbriefe allerorts. Manchmal machen sie sich einen Spaß daraus, den Steckbrief Max­wells und Marlons oder den von Torp irgendwo abzureißen. Man sucht sie seit Monaten und jenem Tag, an dem sie eine Nachschubkolonne der Armee überfielen und den Fahrern die neuen Henrygewehre abnahmen, sich mit Proviant und Munition versorgten und spurlos verschwanden.

Roggers sieht sich noch einmal um und betrachtet den großen schwarzhaarigen und kaltblütigen John Marlon mit offener Bewunderung. Marlon war im Krieg Captain der Südstaatenarmee. Als er nach Hause kam, fand er die Handels­agentur von einem Yankee besetzt. Der verdammte Kerl hatte sich die Agentur und Marlons Ranch an Land gezogen. Kriegsbeute nennt man das. Marlon stellte den Burschen zur Rede und erschoß ihn, als der seine Leute zur Hilfe rief und nach dem Revolver greifen wollte.

Seit jenem Tag ist John Marlon vogelfrei. Auf seiner Flucht fand er bald Gleichgesinnte, die irgendeine Rechnung mit den Besatzungstruppen zu begleichen hatten, Männer, die wegen irgendwelcher Dinge gesucht wurden. Nach Wochen hatte Marlon eine Gruppe um sich, die wie er weder Tod noch Teufel fürchtet. Sie alle verbindet der Haß auf die Yankees, die Leute aus dem Norden. Für Roggers sind Torpin, Chapman und dessen Partner Belmont zwar ehemalige Yankees, aber sie haben der Armee den Rücken gekehrt. Deserteure nimmt Marlon auch auf. So ist es zu der seltsamen Tatsache gekommen, daß acht Südstaatler gemeinsame Sache mit drei Yankeedeserteuren machen.

Elf Männer, elf gesuchte Banditen. Jetzt stehlen sie der US Army neunundvierzig Pferde.

Es ist John Marlons achter Schlag gegen die Yankees.

Und es wird nicht sein letzter sein…

*

Die Hufe klappern laut auf den Steinen. Pferde wiehern. Die Sonne steht schon schräg und wird in zwei Stunden versinken. Staub weht durch das enge Tal, als Maxwells scharfer Schrei John Marlon im Sattel zusammenfahren läßt.

Von hinten treibt Torpin im höllischen Galopp sein Pferd heran.

»Captain«, berichtet er keuchend, während ihm der Schweiß in kleinen Bächen über das Gesicht rinnt, »Verfolger – vier Mann! Sie haben unsere Fährte doch entdeckt.«

Maxwell, ein kräftiger grauköpfiger Mann, der zu Marlon gehört wie der Ast zu einem Baum, schließt die Augen zu schmalen Schlitzen. Dennoch zeigt sich keine Unruhe auf seinem Gesicht.

»So, haben sie?« fragt Marlon trocken. Sein hartes Gesicht mit den hellen Augen bleibt unbewegt. »Wie weit?«

»Zwei Meilen haben sie noch, Captain«, gibt Torpin heiser zurück. »Sie kommen schnell. Roggers fragt, was werden soll.«

Marlon bedeutet den anderen, weiterzutreiben, während er sein Pferd zur Seite lenkt und mit Maxwell hält.

»Es ist doch immer gut, eine Nachhut als Sicherung zu haben«, sagt Marlon dann. »Charles, mit Torpin zurück! Ihr blockiert ihnen den Weg durch dieses Tal! Nehmt den linken Hang, er ist flach genug, um gute Übersicht zu haben. Nicht auf den Mann schießen, nur auf die Pferde! Verstanden?«

»In Ordnung, John«, antwortet Charles Maxwell. »Ive, haben sie euch gesehen?«

»Hältst du uns für Trottel?« erkundigt sich Ive Torpin beleidigt. »Keine Sorge, Graukopf, sie haben nichts von uns entdeckt. Captain, sollen wir danach noch sichern? Es ist nicht mehr weit zur Grenze.«

»Sichern – rechts und links!« befiehlt Marlon scharf. »Keine Minute schlafen, verstanden?«

Für Marlon ist die Sache bereits gelaufen. Er war geschickt genug, ihre Fährte kurz vor dem Morgengrauen über das Gebiet der kahlen Felsen am Maravilla’s Canyon führen zu lassen. Dabei ritt er einige Meilen nach Süden, um dann wieder nach Osten abzubiegen. Dieser Trick hat sich bezahlt gemacht. Von all den ausgeschickten Suchtrupps scheint nur einer die wahre Fluchtrichtung Marlons erkannt zu haben. Aber dieser Trupp ist zu klein, um der Bande des Captains gefährlich zu werden. Keiner der beiden Vorreiter hat bis jetzt irgendwo Staubwolken gemeldet. Marlons Taktik, im steinigen Gelände zu bleiben, zahlt sich wieder einmal aus. Dennoch wird Marlon nicht leichtsinnig.

»Patty!«

Marlons scharfer Zuruf gilt einem der Reiter.

»Captain?«

»Reite voraus, den anderen Bescheid zu geben, Richtung Süden einschlagen!«

»Was? Captain, so kurz vor der Grenze…«

»Die Dämmerung kommt bald. Wenn jemand an der Grenze lauert, könnten ihn Schüsse aufmerksam machen. Wir weichen nach Süden aus und benutzen die Höhen am Beagan Canyon, verstanden? Ich kümmere mich selbst nachher darum. Laß sofort die Richtung ändern, Patty!«

»In Ordnung, Captain.«

Dem rothaarigen Patty, gesucht wegen Totschlags an einem Yankee, den er in seinem Haus bei seiner Frau fand, als er aus dem Krieg kam, leuchtet die Maßnahme jetzt ein. Durch den Schwenk nach Süden müssen sie jedem heranreitenden, durch Schüsse alarmierten anderen Suchtrupp ausweichen können. Zudem dürfte dann die Nacht gekommen und damit der Grenzübergang leichter sein.

»Er schafft es«, sagt sich Patty, als er davonjagt.

Maxwell und Torpin erreichen hinter dem Hang am Eingang des Tals den lauernden Vic Roggers. Maxwell steigt hastig ab, wirft einen Blick nach Norden und kraust die Stirn. Dort unten, im vorletzten Tal, zeigt sich eine Staubfahne. Sie ist nur dünn und läßt die vier Verfolger gut sichtbar werden.

»Sie reiten rechts der Fährte«, stellt Maxwell fest. »Das werden sie auch im Tal hier tun. Lassen wir den Eingang frei und suchen wir uns die breiteste Stelle aus. Sie sollen glauben, daß hier niemand ist und sie ungefährdet einreiten können. Sollte mich wundern, wenn sie nicht den Talausgang umgehen und den Hang drüben hochkommen. Wir müssen sie eher packen.«

Die Männer nicken sich stumm zu.

*

Roggers pfeift schon wieder mal den Texas-Song. Und Torpin flucht bissig: »Hör auf, Mensch! Sollen sie uns hören, wenn sie uns schon nicht sehen können?«

Vic Roggers grinst spöttisch.

»Hast du Nerven, Torpin? Oder hast du was gegen den Song, he?«

»Gegen den und deine verdammte vorgetäuschte Kaltblütigkeit«, zischt Torpin zurück. »Pfeifen, wenn diese Burschen kommen, und dann dieses ganz verdammte Lied. Ich weiß allmählich ja, daß du Texaner bist, Mister.«

»Und du bist ein Yankee«, stichelt Roggers. »Dahinten kommen deine Brüder, sieh mal!«

Torpin will sich wütend aufstemmen, aber in diesem Moment tauchen die vier Reiter am Eingang des Tals auf.

»Ruhig, ihr Narren!« faucht Max­well. »Müßt ihr euch gerade jetzt streiten? Da sind sie – verdammt, sie halten an!«

Die vier Verfolger reiten plötzlich auseinander. Und dann geschieht das, was Charles Maxwell mit seiner Erfahrung geahnt hat – sie preschen nach links und rechts. Jeweils zwei Mann nehmen eine Hangseite und sichern aufmerksam.

»Alle Teufel, die sehen sich ja um«, meint Roggers überrascht. »Charlie, wenn sie auf unsere Spur stoßen, dann…«

»Sagte ich dir nicht, sie würden vorsichtig sein?« knurrt Maxwell. »Da haben wir es – sie wittern was. Mann, da ist ein Sheriff!«

In diesem Moment sieht auch Vic Roggers das Blinken an der Weste des einen Mannes, der den anderen Hang entlangreitet. Die beiden anderen Männer nähern sich dem Versteck der drei Banditen schnell.

»Runter!« zischelt Maxwell, während das Tacken der Hufe deutlich zu hören ist. »Deckung, vorbeilassen, nicht rühren!«

»Sie sehen die Pferde!«

»Ach was, sie sind zu weit oben«, sagt Maxwell gepreßt zurück. »Unsere Pferde stehen unten hinter Felsen, sie sehen sie nicht. Weg hier, kriechen und… Halt, liegen bleiben! Diese Narren!«

Was sich gerade noch als Bedrohung erwiesen hat, besteht schon gar nicht mehr. Von drüben kommt der scharfe Ruf des Sheriffs. Dann verstummt das Hufgeklapper keine sechzig Yards seitlich der drei Männer. Auch die beiden anderen des Suchtrupps halten jetzt an.

Vic Roggers lugt über die Deckung. »Bist du wahnsinnig? Runter!« brummt Torpin.

»Leck mich doch am…«

Torpin knirscht vor Wut mit den Zähnen. Roggers ist ein verwegener Bursche, der keine Furcht kennt und es riskiert, sich nach den Verfolgern umzusehen, obwohl er dabei ausgemacht werden kann.

»He, was gefunden, Carpenter?«

»Nichts, Sheriff, sie sind glatt durchgegangen mit den Pferden – keine Sicherungen rechts.«

Die Stimme des einen Reiters auf dem nur sechzig Yards entfernten Hang klingt so deutlich durch die Abendluft, daß Maxwell jedes Wort genau versteht.

»Also runter! Hängen wir uns an und sehen wir zu, daß wir sie bald überholen und ihnen den Weg verlegen!« sagt der zweite Mann heiser. »Carpenter, ob noch andere Suchtrupps hier unterwegs sind?«

»Rechts von uns am Boquillas Canyon müßten welche sein«, erwidert Carpenter laut. »Möchte wissen, wo die anderen stecken. Sieben Suchtrupps in allen Canyons…«

Das andere verliert sich im donnernden Hufschlag. Die vier Mann reiten wieder aufeinander zu und treffen sich in der Mitte des Tals.

Aha, denkt Charles Maxwell grimmig, das also war es, darum haben sie uns gefunden. Sie kontrollieren alle Canyons, weil nur dort jemand sein kann, der schnell verschwinden muß. John hat die richtige Nase gehabt. Wir müssen nachher über Felsen und die Canyonsenke vermeiden. Gut, daß ich es weiß, die Burschen sollen sich gleich…

»Laßt sie vorbei!« zischt er den beiden anderen zu. »Erst schießen, wenn sie sich sicher fühlen und die Sonne sie anscheint! In die Mitte lassen!«

Roggers umklammert sein Gewehr und dreht sich leicht. Der kaum zwanzigjährige Kid hat die Erfahrung und Kaltschnäuzigkeit eines alten Kriegers. Er hat Dutzende Männer sterben sehen und auf viele selber gefeuert. So jung Victor Roggers ist, der Krieg hat ihn zu einer Tötungsmaschine werden lassen. Und er wird diese Eigenschaft niemals mehr verlieren.

Maxwell sieht, wie der junge Bursche sich wie eine Raubkatze bewegt. Er schiebt sich an den einen Felsen, nimmt das Gewehr hoch und hat ein seltsam gefroren wirkendes Lächeln um die Lippen liegen.

»Roggers, nur auf die Pferde feuern!« sagt Maxwell leise.

In diesem Augenblick sind die vier Verfolger an ihnen vorbei. Sie nähern sich jetzt dem rötlichen Geröll im Tal und wenden den drei Banditen bereits die Rücken zu. In der nächsten Sekunde erfaßt die vier Mann die Sonne mit ihrem rotgoldenen Abendschein.

»Achtung!« sagt Maxwell halblaut. Er hat das Gewehr an der Schulter und den einen Gaul vor dem Lauf. »Paßt auf… Jetzt!«

In derselben Sekunde zieht der ehemalige Transportbegleiter der Südstaatenarmee und altgediente Sergeant Charles Maxwell den Abzug durch.

Über dem Tal steht plötzlich das belfernde, brüllende Krachen der Schüsse.

Durch die Rauchfahne vor seinem Gewehr sieht Charles Maxwell, wie das Pferd zusammenbricht. Dann repetiert er blitzartig durch. Der Lauf der Waffe schwenkt zum nächsten Pferd, das einen Satz nach vorn macht.

Einen Augenblick hat Maxwell das Gesicht des Reiters vor sich. Der Mann hat den Mund weit aufgerissen.

Maxwell feuert erneut, trifft das anspringende Pferd in die Flanke. Der Gaul steigt, macht zwei verrückte Sätze und rennt in Maxwells dritte Kugel, ehe er sich überschlägt. Der Reiter fliegt in hohem Bogen aus dem Sattel und landet auf dem harten Boden, bleibt reglos liegen.

Im selben Moment sieht Maxwell links außen den Sheriff. Während das dritte Pferd zu Boden kracht und seinen Reiter abwirft, unter sich einklemmt, feuert Roggers wie besessen.

Maxwell bemerkt, daß Vic Roggers nicht auf das Pferd, sondern auf den Sheriff feuert. Die Kugeln aus dem Gewehr des Kid schlagen in Hüfthöhe drüben gegen den linken Steilhang. Sie lassen kleine graue Wölkchen entstehen.

»Vic, du verdammter…«

Maxwell verzieht vor Zorn sein Gesicht, denn Roggers mißachtet wieder mal jeden Befehl. Mit der vierten oder fünften Kugel erwischt der Kid den flach auf dem Pferd liegenden Sheriff, der langsam an der Flanke des Pferdes herabrutscht, mit dem Kopf nach unten, und immer tiefer sinkt. Schon schlagen seine Hände gegen die Steine. Im nächsten Moment muß sein Kopf aufprallen und zerschmettert werden.

Torpin, der geborene Langfinger, beobachtet die Szene ohne jede Regung. Ihm sind Sheriff’s auch verhaßt.

Es spricht für den Haß von Roggers, daß der Junge nun nicht mehr feuert. Aus glitzernden Augen starrt er auf die grausige Szenerie.

Es kracht ohrenbetäubend neben Roggers. Seine Trommelfelle drohen zu platzen. Dann sieht er, wie der Gaul des Sheriffs steigt, sich halb dreht und auf die Seite kracht. Dabei fällt der Sheriff auf den Bauch des Pferdes und rutscht sanft dem Boden entgegen.

»Maxwell, du verdammter…«

Maxwell hat geschossen und dadurch Roggers freudige Erwartung enttäuscht.

»Idiot!« knirscht Maxwell, als eine Kugel gegen die Felsen klatscht, heulend abzirrt. »Du solltest auf das Pferd schießen. Der Gaul wäre entwischt, und damit hätte uns einer der Kerle weiterverfolgen können. Was bist du doch für ein Hundesohn, Vic. Zurück, schnell!«

»Du grauköpfiger Einfaltspinsel!« stößt Roggers wild hervor. »Der Sheriff hätte nicht mehr lange gelebt. Jetzt ist er davongekommen, er ist… Mensch, das vergesse ich dir nicht.«

Die heranpfeifenden Kugeln zwingen ihn zu schweigen und zurückzukriechen. In seiner Wut würde Roggers auf Maxwell losgehen, aber er weiß zu genau, daß John Marlon alles, nur nicht das schlucken würde. Maxwell hat schon unter Marlons Vater gearbeitet. Später ist er mit John Marlon zur Südstaatenarmee gegangen.

Sie laufen geduckt den jenseitigen Hang hinunter und hinter die Felsen. Dort sitzen sie auf, reiten an und sehen sich nicht mehr um. Nur Roggers kann seinen Mund mal wieder nicht halten.

»Wenn ich schon ’nen Sheriff sehe«, knurrt er vor sich hin. »Da tragen diese Halunken einen Orden und sind bis auf die Knochen korrupt. Die sollen das Gesetz vertreten? Was für ein Gesetz, frage ich dich, Max? He, was für ein Gesetz ist das, das Lügnern, Ausbeutern und Schurken das Recht gibt, friedliche Leute zu erschießen? Mein Vater war ein friedlicher Mann, er hat niemandem etwas getan.«