Die großen Western 265 - G.F. Waco - E-Book

Die großen Western 265 E-Book

G. F. Waco

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Beschreibung

Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Es knackt wieder, aber William Casey hört es nicht. Casey treibt den Meißel in das Gestein, sieht sich nicht um. Dafür blickt Kimbel auf die Decke des Ganges. Und auf die zackigen Steine, die nach unten hängen. Ein Stoß, denkt Kimbel, nur einen, dann bricht es durch. Er müßte unter der Decke sein, wenn sie herabkommt. Der ganze Gang wird zustürzen und ihn begraben. Dann habe ich alles, ich, Arthur Kimbel, werde alles für mich allein besitzen. Soll er nur weiter arbeiten. "Art!" "Ja?" fragt Kimbel heiser. "Was ist, William?" "Ob das tief genug ist?" "Warte, ich sehe mal nach." Kimbel geht los, aber er denkt nicht an die Stahlstange mit dem Haken, den Kimbel in die Wand getrieben hat. Er denkt nur an den Gang, die Stützbalken und das Knacken. Der Gang wird einstürzen, sobald Kimbel die Kurbel des selbstgebauten Flaschenzuges betätigt. Der Flaschenzug hängt an den Stützbalken mit drei dicken Trossen fest. Und über ihm ist der Riß in der Gangdecke.

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Die großen Western – 265–

Keiner kannte Kimbel

G.F. Waco

Es knackt wieder, aber William Casey hört es nicht. Casey treibt den Meißel in das Gestein, sieht sich nicht um. Dafür blickt Kimbel auf die Decke des Ganges. Und auf die zackigen Steine, die nach unten hängen.

Ein Stoß, denkt Kimbel, nur einen, dann bricht es durch. Er müßte unter der Decke sein, wenn sie herabkommt. Der ganze Gang wird zustürzen und ihn begraben. Dann habe ich alles, ich, Arthur Kimbel, werde alles für mich allein besitzen. Soll er nur weiter arbeiten.

»Art!«

»Ja?« fragt Kimbel heiser. »Was ist, William?«

»Ob das tief genug ist?«

»Warte, ich sehe mal nach.«

Kimbel geht los, aber er denkt nicht an die Stahlstange mit dem Haken, den Kimbel in die Wand getrieben hat. Er denkt nur an den Gang, die Stützbalken und das Knacken. Der Gang wird einstürzen, sobald Kimbel die Kurbel des selbstgebauten Flaschenzuges betätigt. Der Flaschenzug hängt an den Stützbalken mit drei dicken Trossen fest. Und über ihm ist der Riß in der Gangdecke.

Er geht die neun Schritte bis an das Ende der Wand. Hier hört die Ader auf, sie wollen trotzdem weitermachen. Vielleicht fängt die Goldader ein Stück weiter wieder an, was? Mag sein, daß es aus ist mit der Goldsucherei, wenn hier nichts mehr im Berg steckt. Sie haben für etwa 25 000 Dollar Gold gefunden. Und die an einer Stelle, an der kein Mensch Gold vermuten würde.

Niemand außer uns beiden kennt die Fundstelle, nur wir beide. Eigentlich hat er das Zeug gefunden, nicht ich, er will teilen, aber ich halte nicht viel vom Teilen, ich kann alles haben. Wenn er tot ist, gehört mir alles, denkt Kimbel.

»Ob das ausbricht?« fragt Casey, als er neben ihm steht und auf die ausgemeißelte Rinne in der Wand blickt. »Müßte genug sein, Art, was?«

Kimbel betrachtet das Ende der Wand, die ausgeschlagene Stelle, die tiefe Kerbe und die Risse im Gestein.

»Man müßte es versuchen«, sagt er brummig. »Lang genug ist es ja, was? Kommt auf einen Versuch an, William.«

»Ich werde noch etwas tiefer stemmen, meinst du nicht?«

»Wenn du willst«, murmelt Kimbel achselzuckend. »Ich karre schon mal die Steine hinaus.«

Dann dreht er sich um, geht zurück und sieht auf die oberen Enden der Stützen. Es sind einfache Baumstämme, über denen ein Keil dafür sorgt, daß die Stützen, wenn sie trocknen, die nötige Festigkeit haben.

Kimbel hat den Keil mit ein paar Schlägen gelockert. Casey schlief so lange. Er konnte es tun, ohne daß Casey es merkte. Es muß genug Gold sein.

Kimbel schiebt das Geröll und die Brocken vor sich her aus dem Gang. Links von ihm, genau an der Stelle, an der sie das erste Gold in einer Ader fanden, war einmal die Bachquelle. Nun ist dort ein Trichter. Die Ader hat sich hier herüber gezogen, sie haben sie freigelegt und in harter Arbeit den Gang aus dem nackten Fels geschlagen. Dafür 25 000 Dollar zu besitzen, ist viel.

Von der Quelle aus plätschert das dünne Rinnsal in die Tiefe. Die Steinbrocken kollern im nächsten Augenblick aus der Karre und fallen in das Wasser.

Kimbel murmelt vor sich hin, dreht sich um. Die Hammerschläge kommen hallend aus dem Gang. Zuerst hat er nie den Gedanken gehabt, Casey umzubringen, aber eines Tages hat Casey ihn selbst darauf gebracht.

»Wenn wir das Doppelte hätten, Art, dann würde es sich lohnen. Es ist ein bißchen wenig für zwei.«

Ein bißchen wenig für zwei.

Dieser Satz ist Kimbel nie mehr aus dem Kopf gegangen.

Ein bißchen wenig für zwei, wie? Aber genug für einen.

Genau das ist es: Genug für einen.

Die Karre rumpelt in den Gang, das Rad quietscht abscheulich. Casey hört auf zu stemmen, hockt sich einen Moment auf den Stein und wischt sich über die Stirn. Er schwitzt heftig, die Laterne bescheint sein Gesicht, ein junges Gesicht. Casey ist erst fünfunddreißig, Kimbel aber wird in drei Jahren fünfzig sein.

Vielleicht ist es der Gedanke an sein Alter gewesen, der Kimbel verrückt gemacht hat. Wenn er etwas anfängt, dann muß er es mit genug Geld anfangen. So jung ist er nicht mehr, um noch zehn Jahre zu schuften. Casey, der ist jung, der kann arbeiten wie ein Pferd, dem macht es nichts aus, sich in den Berg zu wühlen, aber für Kimbel ist es eine einzige Quälerei. Eine verdammte Schinderei ist es.

»Du, Art, das wird genug sein.«

»Sicher«, sagt er heiser. »Jetzt müßte es abbrechen, was? Ich möchte wissen, was mit meinem Bauch los ist, ich hab Schmerzen und muß andauernd rennen.«

»Du hast zuviel Fisch gegessen«, erwidert Casey und stopft sich eine Pfeife. »Wenn es schlimmer wird, dann mußt du Holzkohle essen, Art. Mein lieber Mann, ich wette, dahinter ist noch mehr Gold.«

»Ich glaub’s nicht«, antwortet Kimbel mürrisch und setzt sich auf die Karre, hält sich den Bauch. »Wir machen das ganz umsonst, wirst es sehen. War schon nichts als Zufall, daß zwei Männer, die Felle sammeln wollten, auf Gold stoßen.«

»Nichts ist Zufall«, murmelt Casey. »Das hat so sein sollen, Art. Ich werde mir mit meinem Geld einen Store kaufen und so leben wie mein Vater. Sieben Kinder, nun ja, die werde ich mir nicht anschaffen, aber einen Store will ich haben. Ich bin es satt, umherzureiten. Und Vieh halten, wie du es willst, ist nichts für mich.«

»Ich denke, du bist sechs Jahre Cowboy gewesen, Casey«, sagt Kimbel. »Rinder kann man verkaufen, die vermehren sich von allein, sage ich dir. Was du mit deinem Store willst…«

»Da hat man keine Sorgen«, erwidert Casey und saugt heftig am Mundstück der Pfeife. »Ich war auf zwei Ranches, auf der einen bekamen die Rinder die Rinderpest, auf der anderen kam ein harter Winter, das war in Montana. Die Rinder erfroren, seitdem weiß ich, daß ich lieber etwas einkaufen und wieder verkaufen will. Einen kleinen Store, braucht gar nicht groß zu sein, aber in einer. Stadt, weißt du?«

»Ja, ja, ich weiß«, murmelt Kimbel. »Hast du ja schon hundertmal gesagt. Hör mal, wenn dahinter nichts ist, dann hören wir aber auf. Es ist verdammt kalt draußen, wir könnten einen frühen Winter erwischen. Mein lieber Mann, so ein Winter hier oben und die nächste Siedlung sechzig Meilen weit entfernt, das ist hart, sage ich dir.«

»Wenn nichts ist, hauen wir ab, ich hab es dir versprochen«, antwortet Casey und steht auf. »Na, dann dreh du mal die Kurbel, ich schlag gegen die Felsen, sie werden schon losbrechen.«

Einen Moment sieht Kimbel auf die Kurbel, hält sich dann den Bauch, verfolgt mit seinen Blicken das Stahlseil, das bereits von Casey an dem Haken festgemacht worden ist, und stöhnt leise.

»Verdammter Bauch«, sagt er dann ächzend. »Ich – ich glaub, das bricht so los. Dreh du von mir aus, ich geh mal… Oh, verdammt, mein Bauch, Mann!«

Er wird drehen, ich kenne ihn, denkt er. Bloß raus hier. Gemerkt hat der nichts, auf die Idee würde er niemals kommen, der Narr. Er wird das Seil spannen, wette ich, der kann es nicht erwarten, daß er auf noch eine Ader stößt.

Er steht auf, hält sich den Magen.

»Du, William, ich muß wieder raus. Mach, was du willst, das rumort so… Teufel, es zerreißt einem noch die Eingeweide.«

Dann stolpert er los, sieht sich einmal um. Der Narr geht wirklich an die Kurbel. Er wird es allein tun und nichts von dem lockeren Keil merken, nichts von der herabhängenden, sich nach unten verziehenden Gangdecke.

Kimbel hat es schon vorgestern bemerkt, aber nichts gesagt. Die Gangdecke kann einbrechen, wenn eine der Stützen sich löst.

Es ist neun Uhr, sie arbeiten erst seit zwei Stunden. Dies ist heute der erste Anschlag der Wand. Rutscht der Keil weg, sobald die Seitenbelastung für den Stempel durch den Seilzug zu groß wird, dann bricht die Decke ein. Sie muß es.

Sie muß, denkt Kimbel und wankt hinaus. Das Knacken dauernd – ich kenne das, ich hab mal zwei Jahre in einer Kohlengrube gearbeitet.

Am Ausgang wendet er noch einmal den Kopf. Tatsächlich, Casey steht an der Kurbel. Nun kommt das Klicken der Raste, Casey beginnt zu drehen.

Mensch, denkt Kimbel, Mensch, alles für mich, was?

Er hastet auf die Büsche zu, wartet.

Das Klicken ertönt nun in immer größeren Abständen. Die Raste der Flaschenzugkurbel mit ihrer Sperrklinke muß den Druck aushalten.

*

Casey dreht, das Seil ist straff und zittert. Irgendwo knistert es über ihm. Er achtet nicht darauf, er dreht weiter. Noch eine halbe Umdrehung, noch eine. Das Seil singt, ein Knacken kommt von der Winde.

Verdammt, denkt Casey, ich muß wohl doch noch hingehen und mit der Hacke gegen die Felsen schlagen, was? Na, noch eine Umdrehung.

Dumpfes Grollen ist plötzlich über ihm. Und dann splittert es, knackt laut. Vor ihm lockert sich jäh das Seil, es hängt durch. Dicht neben ihm aber rutscht etwas, die ganze Winde verschiebt sich.

William Casey wendet sich blitzschnell um, sieht den Stempel sich neigen, den Brocken an der Decke kommen.

Weg, denkt er, läßt die Kurbel los und macht einen wilden Satz nach vom. Weg, der Gang stürzt ein.

Er springt, stürzt über das Seil. Ohrenbetäubendes Grollen, als ginge die Welt unter oder als entlüde sich ein Gewitter im Gang. Steine prasseln herab, über ihm, der lang hingeschlagen ist, klafft die Decke auseinander.

William Casey stößt einen fürchterlichen Schrei aus, als etwas krachend auf sein linkes Bein stürzt. Brüllend vor Schmerz und Schreck rollt er sich verzweifelt weiter. Sein gellender Schrei geht im Tosen und Grollen der herabkommenden Steinmassen unter. Etwas trifft seinen Rücken, schlägt gegen seinen Arm. Und dann trifft ein Stein seinen Kopf.

Er sieht nichts mehr als einen gewaltigen Feuerball.

Dann ist alles still. Der Gang ist eingestürzt und hat ihn begraben.

*

Er steht ganz still hinter dem Busch. Unter ihm plätschert der Bach leise. Aber vor ihm wälzt sich nun eine Staubwolke aus dem Eingang des Schachtes. Staub wallt, der Eingang verschwimmt vor seinen Blicken.

Casey, denkt er, du hast einmal zuviel gedreht, was? Alles eingestürzt, alles voll Gestein. Und du darunter. Nun gehört das Gold mir, Casey, mir allein.

Er lacht plötzlich, er lacht kreischend und starrt immer noch auf die Wolke. Nun braucht er keine Furcht mehr zu haben, hart arbeiten zu müssen. Er wird packen, seine Sachen nehmen und sich die besten Stücke aus Caseys Besitz aussuchen. Auch die andere Furcht ist fort: Jemals von Casey vielleicht betrogen zu werden.

Er streicht sich fahrig über den Mund, stiert auf den Staub, der sich langsam legt.

Losgehen, denkt er, ich muß mich überzeugen, ob er auch wirklich tot ist, was?

Er geht langsam, denkt an den Gang, an die Steine, die vielleicht immer noch aus der Decke fallen können, wenn er gerade drin ist.

Vorsichtig betritt er den Gang und sieht schon die ersten Steine. Hinten türmen sie sich immer höher. In der Decke des Ganges ist eine flache Mulde. Es sieht aus wie ein Grabdeckel, der sich über den Steinen am Grund des Ganges wölbt.

Ein Grabdeckel für William Casey.

Kimbel greift nach der Laterne, die vorn im Gang hängt, nimmt sie vom Nagel, dreht den Docht höher und leuchtet.

Das herabgefallene Gestein bedeckt den Gang auf gut anderthalb Schritt Höhe. Da liegen sie – Tonnen von Steinen. Und unter ihnen ist der gute Casey begraben.

Ich hab’s denkt er, ich hab’s für mich allein, ich könnte schreien, jubeln. Warum tue ich es nicht? Weil ich ihn nicht gewarnt habe, weil ich es wußte oder warum sonst? Er hat doch selbst gesagt, daß es für zwei ein bißchen zu wenig ist.

Kimbel kann nicht lachen, er kann auch nicht jubeln. Die Angst ist plötzlich da, die Angst vor der Decke. Wer kann denn wissen, ob sie nicht doch weiter einreißt, ob nicht wieder Brocken herabfallen? Sie werden auch ihn erschlagen, nicht nur Casey.

Er zaudert, bleibt stehen und faßt sich an den Hals. Nein, denkt er, ich gehe nicht nachsehen, raus hier. Was soll ich nachsehen, ich kann auch erwischt werden. Weiß ich, ob da nichts mehr herunterkommt, weiß ich das?

Er starrt auf die Felsbrocken, riesige Klötze, schroffe Steine. Wer da drunter liegt, der steht nicht mehr auf. Genau auf die Winde gefallen, alles zertrümmert, alles tot. William Casey ist tot.

Und er hat ihn umgebracht. Nun gehört das Gold ihm. Art Kimbel dreht sich um. Jetzt holt er das Gold.

*

Drei Schritte macht er, genau drei Schritte. Dann kommt der Ton durch den Gang.

Kimbel bleibt jäh stehen, das Grauen bannt ihn an den Fleck.

Die Laterne in seiner Hand beginnt zu zittern, seine Augen weiten sich vor Entsetzen.

Dort wo die Steinmassen herabgestürzt sind, liegt immer noch der Staub in der Luft. Und durch diese Schleier kommt der gräßliche Ton, einmal, zweimal, weht langgezogen und schaurig zu ihm hin.

Es schüttelt ihn, daß seine Zähne aufeinanderschlagen. Was ist das? Der Geist des toten Casey will mich holen, Caseys Geist.

»Kimbel – Kimbel… Hilf mir doch Kimbel.

Er will mich hinlocken, denkt er. Und dann läßt er die Steine auf mich herabfallen. Caseys Geist will mich holen.

»Arthur – Arthur, komm, schnell, mein linkes Bein ist eingeklemmt.«

Und wieder kollern Steine.

Nicht tot, er ist nicht tot, er redet.

In diesem Moment, als er seine Lampe hebt und der zitternde Schein über die Decke huscht, sieht er es: Die Steine haben sich nicht bis zur Decke gestapelt. Hoch oben ist ein Loch, ein Zwischenraum. Und dorther kommt William Caseys Stimme.

»Art – Art, wo bist du? Art…«

Kimbel schreit heiser los: »William William – he, William!«

Er lauscht, das Echo seiner Worte tost durch den Gang.

»William, ich komme – ich komme, Alter, warte. Ich komme dich holen, warte, keine Angst, ich hole dich raus!«

»Oh, mein Gott, das Bein, mein linkes Bein, hilf mir, Art, hilf mir schnell. Mein Bein liegt unter einem Felsbrocken. Art, hilf mir!«

Es poltert drüben, dann folgt ein Stöhnen, ein heiserer, gepreßter Laut kommt von der anderen Seite der Steinbarriere her.

»Art, ich hab das Bein herausgezogen.«

»Hast du? Dann kriech doch herauf, William. Ich kann hier nicht viel machen. Verdammt, die Steine, wenn da noch mehr herunterkommt? Wie ist das passiert? Wie konnte das passieren? Hast du zu schnell gedreht?«

»Weiß nicht, Art. Mein Gott, die Schmerzen – diese Schmerzen, ich werde noch verrückt vor Schmerzen. Arthur, ich kann kriechen, aber komm doch her, da oben muß Luft sein?«

»Hier liegen Steine davor, ich muß sie erst wegräumen«, lügt Kimbel aus lauter Angst vor der niedrigen Decke, die noch einstürzen könnte. »Komm, kriech, ich schaff sie hier weg, dann hast du den Weg frei, William. Komm, beiß die Zähne zusammen, ich schaffe die Steine fort, ich muß dir den Weg freimachen.«

Er nimmt den Stiel der Spitzhacke und stößt ein paar Steine fort, die gar nicht im Weg liegen. Drüben poltert es, klickert leise. William Caseys Stöhnen nähert sich.

Ganz an die Seite, denkt Kimbel, an der Seite bin ich sicher. Das sieht alles fest aus, aber ist es fest? Und wenn mir nun die Dinger auf den Kopf fallen, wenn er herauskommt, aber ich bleibe liegen?

»Art – Art, ich komme, ich schaff’s schon, ich bin gleich da.«

An der Seite steigt Kimbel die Steine hoch. Er hält sich ganz dicht an der Wand und stiert, die Lampe erhebend, auf das Loch oben. Es kollert, dann taucht eine Hand auf.

Casey sieht ihn gleich darauf an – sie blicken sich in die Augen.

»Arthur… Oh, mein Gott, bin ich froh, dich zu sehen.«

Der ist froh, ihn zu sehen, er ist froh.

Er lacht plötzlich, er kann nicht anders.

Er lacht los, halb irr schon, halb verwirrt. Froh, ihn zu sehen, was für ein Witz. Wenn der wüßte, was?

»William, Mensch«, sagt er keuchend, als der Strom seines Gelächters verebbt ist. »Mann, William, hast du Schwein gehabt, hast du ein Glück.«

Er greift zu, er faßt William Casey an den Händen und zieht. Casey rutscht, Steine poltern, Casey stöhnt.

»Vorsicht, Art, langsam, das Bein.«

»Was ist mit dem…?«

In diesem Augenblick rutscht Caseys Bein ganz langsam und seltsam gedreht über die Steine. Der Fuß steht schief, denkt Kimbel. Er schleift den stöhnenden Casey von den Steinen, packt ihn unter den Armen und trägt ihn bis nach vorn in das volle Tageslicht des Spätherbstes.

»William, Mensch, wie ist das gekommen?«

»Weiß ich nicht. Das Seil war stramm, auf einmal kam der Balken herunter, ich hab’s noch gesehen, wie er kam. Mein Gott, die Schmerzen, das wühlt in meinem Bein.«

»Sieht nicht gut aus«, sagt Kimbel, als ihn Caseys seltsamer Blick trifft, ein Blick, in dem Kimbel Mißtrauen zu lesen glaubt.

»He, was ist? Was siehst du mich so an, Casey?«

»Was ist mit meinem Bein, Art?«

Ah, denkt Kimbel, wegen des Beines hat er mich so angesehen? Ich dachte schon, er ahnte was.

»Nicht gerade gut, vielleicht gebrochen?« sagt er zweifelnd. »Ich werde dich in die Hütte bringen, William, du mußt liegen.«

»Ja, ja, liegen, nur liegen. Tut mir leid, wenn ich dir Ärger mache, aber…«

»Schon gut, du machst mir doch keinen Ärger«, sagt Kimbel hastig. »Was denkst du dir, Mann? Wenn es mir passiert wäre, hättest du mir nicht geholfen? Wir müssen uns doch helfen, oder?«

»Ja, ja, sicher, aber wenn ich nicht gehen kann?«

»Wir haben schließlich Pferde, was? Na, kannst du das linke Bein anziehen?«

»Ich weiß nicht, es schmerzt fürchterlich, Art. Was hast du vor?«

»Ich möchte dich auf den Rücken nehmen, William.«

»Ja, verstehe schon. Faß mal an, hilf mir… Nein, nein, das geht nicht, das halte ich nicht aus.«

»Machen wir es anders, ich lege dich in die Karre.«

»Das geht, ja, das müßte gehen. Aber vorsichtig, vorsichtig, Art.«

»Natürlich, kann mir vorstellen, was du auszuhalten hast. Dann mal los, ich hole die Karre.«

Er geht zurück, holt die Karre. Kimbel brummt: »Das ist ein verdammter Mist. Das Wetter, William, wenn es plötzlich umschlägt und Schnee herbringt.«

»Das wird nicht so schnell umschlagen. Komm, heb mich hoch, aber mach es sacht, das Bein…«

»Ich weiß schon.«