Einmal sterben sie alle - Howard Duff - E-Book

Einmal sterben sie alle E-Book

Howard Duff

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. »Prost«, sagte Rodney Weldon und hob die Brandyflasche. »Prost, ihr blöden Viecher sollt leben!« Da standen sie, die blöden Viecher. Drei waren es, die ihn anglotzten und schwiegen, sie brummten nicht mal, sie standen da und ließen die Schwänze traurig herabhängen, denn nachts flogen keine Fliegen, die man mit dem Schwanz vertreiben musste. »Hähä«, gluckste Rodney Weldon. »Hähä!« Dann hatte er den Flaschenhals an den Lippen. Herrlich, dachte Rodney, herrlich schmeckt das. Aller guten Dinge sind drei, wie? Ich muss mir noch etwas für später aufheben, sonst stehe ich trocken wie eine blöde Kuh. Und das würden diese blöden Viecher todsicher geworden sein, wenn ich sie mir nicht geholt hätte – alte, blöde Kühe. Nun sind sie knusprig und frisch. Und der alte Clanton zahlt mir acht Dollar pro Schwanz. Ich werde glücklich und zufrieden nach Hause zurückkehren. Es trieb ihn innerlich, sich auch noch den vierten guten Schluck hinter sein kragenloses Hemd zu gießen, doch nun trank er nicht mehr. Er hatte sich umgewandt und über den Hügel geblickt. Jetzt sah er sie. Es waren drei – nur dass jene drei nicht so blöde waren wie die drei fetten Jungkühe, die er sich vor zweieinhalb Stunden von John Brentons Weide geholt hatte.

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Die großen Western Classic – 54 –

Einmal sterben sie alle

Howard Duff

»Prost«, sagte Rodney Weldon und hob die Brandyflasche. »Prost, ihr blöden Viecher sollt leben!«

Da standen sie, die blöden Viecher. Drei waren es, die ihn anglotzten und schwiegen, sie brummten nicht mal, sie standen da und ließen die Schwänze traurig herabhängen, denn nachts flogen keine Fliegen, die man mit dem Schwanz vertreiben musste.

»Hähä«, gluckste Rodney Weldon. »Hähä!«

Dann hatte er den Flaschenhals an den Lippen.

Herrlich, dachte Rodney, herrlich schmeckt das. Aller guten Dinge sind drei, wie? Ich muss mir noch etwas für später aufheben, sonst stehe ich trocken wie eine blöde Kuh. Und das würden diese blöden Viecher todsicher geworden sein, wenn ich sie mir nicht geholt hätte – alte, blöde Kühe. Nun sind sie knusprig und frisch. Und der alte Clanton zahlt mir acht Dollar pro Schwanz. Ich werde glücklich und zufrieden nach Hause zurückkehren.

Es trieb ihn innerlich, sich auch noch den vierten guten Schluck hinter sein kragenloses Hemd zu gießen, doch nun trank er nicht mehr. Er hatte sich umgewandt und über den Hügel geblickt.

Jetzt sah er sie.

Es waren drei – nur dass jene drei nicht so blöde waren wie die drei fetten Jungkühe, die er sich vor zweieinhalb Stunden von John Brentons Weide geholt hatte. Rodney nannte das geholt. Brenton hatte bestimmt einen ganz anderen Ausdruck dafür. Gestohlen, würde John Brenton sagen, während sein Bruder Matt es schlicht und einfach geklaut nennen würde.

Rodney Weldon sah die drei Reiter und vergaß den vierten Schluck. Rodney blieb sitzen und hielt die Flasche an den Lippen. In seinem Bauch war nun ein Gefühl, als hätte er nicht Brandy, sondern Blei getrunken. In seinen Zehen in den schiefgelatschten Stiefeln saß plötzlich die Kälte einer Winternacht ähnlich einer von jenen, die er auf Posten in Fort Yuma verbracht hatte. Dann kroch die Kälte in seinen Beinen empor. Sie fraß sich in seine Waden und stieg in seine Knie. Danach erreichte sie die Oberschenkel Rodneys und schoss von dort aus in seinen Bauch.

Rodney Weldon saß da, als hätte ihn ein Blizzard überrascht und zu einer Eisfigur erstarren lassen. Er blickte auf die drei sich klar gegen den hellen Sternhimmel abzeichnenden Reiter. Sie ritten nicht schnell, aber der eine Mann war nur als Klumpen auf dem Pferd zu erkennen. Er hing also mit dem Kopf nach unten und sah so immer noch die Spur, die drei fette Jungkühe und ein Pferd gemacht hatten.

Was dann mit ihm geschah, kam Rodney wie ein grässlicher Wachtraum vor. Die Eiseskälte verließ ihn. Dafür schoss eine Feuerwolke in seinen Leib, und er glaubte sekundenlang, dass sie sein Gehirn zerfetzen würde.

Rodney fühlte sich ähnlich wie damals, als er die schleichenden Schatten der Yuma-Indianer gesehen hatte. Da hatte es ihn zuerst gelähmt und danach mit Feuer ausgefüllt. Und dann hatte er geschossen und zugleich geschrien und das ganze Camp mit neununddreißig Mann munter gemacht.

Mein Gott, dachte Rodney Weldon entsetzt, mein Gott, sie haben es gefunden. Jetzt bin ich dran, nun haben sie mich. Sie werden mich fangen und aufhängen. Ich werde schon halbtot sein, wenn sie mich zu den Brentons geschleift haben. Danach kommen Matt und John und suchen sich den schönsten Baum und den dicksten Ast aus. Und dann setzen sie mich auf mein Pferd und knallen einmal mit der Peitsche. Und die Schlinge, die sie mir um den Hals gelegt haben – die Schlinge zieht sich zu, wenn der Gaul unter mir davonhüpft. Ich werde am Strick hängen, und der Wind wird mich bewegen.

Dieser Gedanke ließ ihn aus seiner Starre fahren. Er konnte wieder logisch denken und ließ die Flasche sinken. In einem Augenblick hatte er auch schon die Entfernung geschätzt. Die drei Reiter waren keine 500 Yards mehr entfernt. Sie ritten zwar langsam, aber sie waren immer noch schneller als er mit seinen drei gestohlenen Jungkühen.

Die Flasche fuhr in die Satteltasche, das Pferd prustete, weil es die Unruhe des Reiters spürte.

Los, dachte Rodney, auf und davon, auf der Stelle.

Er jagte dem Braunen die Hacken in die Weichen. Das Tier sprang jäh an. Und dann wieherte es vor Schmerz. Rodney hatte die Sporen zu hart eingesetzt.

»Du blöder Ziegenbock!«

Das Gewieher, dachte er noch, die Pest, das Gewieher verrät mich. Nichts wie weg, die schießen doch sofort auf mich. Ducken und nicht den Hang hinauf, unten bleiben, bloß nicht über ihn, denn sonst sehen sie mich, wie ich sie gesehen habe.

Gerissen war er immer gewesen, schon damals, als er noch das Verpflegungsdepot unter sich gehabt hatte. Da hatte er immer an den Portionen herumgewogen, bis genug für ihn übrig geblieben war.

Und das hatte er dann an die Mexikaner verkauft. Es war ja nicht weit von Yuma aus über die Grenze gewesen. Er war der beliebteste Americano unter vielen anderen gewesen, er hatte alles bekommen von ihnen, diesen Greasern, sogar seine Frau hatte er sich dort geholt.

Jetzt rasten die Jungrinder los, gingen quer durch die Büsche.

Hähä, dachte Rodney, wollen wir wetten, dass sie so viel Krach machen, dass die Narren da hinten völlig verwirrt werden? Ich lache mich tot, wenn sie sogar noch auf ihre eigenen Kühe schießen. Das wäre ein Spaß, hähä!

Er raste nun im scharfen Bogen nach links, schlug die Westrichtung ein. Nur nicht über die Kuppe des Hügels und den Hang hinaufreiten, wie?

Rodney Weldon preschte wie der Teufel davon. Links muhte eins der Jungrinder, rechts brach ein anderes mitten durch das Gestrüpp und machte Lärm genug.

Euch, dachte er, während er durch das Tal jagte, trickse ich noch zweimal aus, wetten? Ich habe schon ganz andere hereingelegt, sogar die Armee.

Na gut, sie hat mich erwischt, weil ich zu leichtsinnig wurde. Mein Unglück ist, dass ich manchmal etwas leichtsinnig bin. Sie haben mich gefeuert – unehrenhaft. Aber da hatte ich schon meine Frau und den ältesten Jungen, sonst hätte es mir gar nichts ausgemacht, dass sie mich unehrenhaft aus der Armee stießen. Los, weg hier!

Er hatte den Einschnitt vor sich und sah das blöde Jungrind links den Hang heraufspringen. Und dann krachte es drüben und von dort, woher der scharfe Schrei gekommen war.

Rodney Weldon sah das Jungrind auf dem Kamm des Hügels einen Luftsprung machen und dann kopfüber in die schwarze Linie der Büsche eintauchen. Es polterte noch etwas, ein paar Steine kollerten. Und Rodney lachte!

Sie hatten ihr eigenes blödes Rindvieh abgeknallt, sie hatten den Schatten gesehen und geglaubt, dass er es sein musste, der dort über den Hang zu entkommen versuchte.

Rodney war schon im Einschnitt, und nun lenkte er den Gaul nach Westen, trieb ihn dem Fluss entgegen, da konnten sie ihn stundenlang suchen. Er verstand sich darauf, eine Spur im Wasser zu löschen. Dazu hatte er auch alles dabei.

Jetzt kam die nächste Senke, Zedern waren vor ihm, und der Braune stürmte zwischen ihnen durch.

Die Zedern, dachte Rodney Weldon, muss ich im Rücken behalten. Sie werden das tote Jungrind finden und todsicher annehmen, dass ich nur hier aus der Senke kann, weil es der einzige Weg zum Fluss für mich ist. Wasser löscht alle Spuren, das wissen die Burschen genauso gut wie ich. Bloß vorsichtig, wer weiß, wie schnell die Gäule dieser Burschen sind. Wenn Taylor dabei ist …

Plötzlich war die Furcht wieder in ihm. Taylor, der erste und beste Mann John Brentons, war eisenhart und nicht dumm, der konnte denken, hatte mehr Verstand als die anderen. Wenn Mark Taylor dabei war, wurde es gefährlich.

Der Braune preschte durch die lange Senke, und Rodney Weldon sah zurück, als er die Zedern hinter sich hatte. Dort hinten lag das Jungrind, dorthin würden sie reiten und ihren Irrtum bemerken. Und wenn sie schnell reagierten?

Nur das nicht, schoss es Rodney durch den Kopf, so schnell sind die nicht, wetten? Die Hölle!

Beinahe hätte er vor Schreck laut aufgeschrien, denn der Reiter tauchte dort oben auf, war an jenem Punkt, an dem das Rind lag. Und nun preschte er scharf nach rechts den Hang herunter. Herrgott, der Kerl war verteufelt schnell, er schien an die Gruppe Zedern zu denken und wollte sie umgehen. Er musste ahnen, dass der Viehdieb nur diesen einen Weg zum Fluss genommen haben konnte. Er kam.

Der Braune stob den langen Hang hoch, brach durch die Büsche. Es war Rodneys Glück, dass er sich hier so gut auskannte, sonst wäre er in die Rinne geraten, die sich vom Hang aus in die Senke hinabzog. So wich er ihr geschickt aus, nahm die Büsche oben zum Ziel und wusste, dass er höchstens zwei, drei Sekunden lang für den Verfolger zu sehen sein würde.

So schnell konnte kein Mensch zielen und feuern, einer vielleicht in diesem Land, den man für behäbig und gutmütig hielt, der das auch war, solange man ihm nicht auf die Zehen trat: Lee Horan. Lee Horan konnte aus jeder Lage feuern und dazu so blitzschnell, dass man die Schüsse nicht zählen konnte. Nein, außer Horan gab es keinen Mann, der ein Ziel in drei Sekunden erfassen und unter Feuer nehmen konnte, oder?

»Taylor vielleicht doch«, würgte Rodney hervor. »Verdammt, wenn der bloß nicht zu schnell ist, der zähe, harte Halunke. Ich werde mich klein machen und …«

Da waren die Büsche oben schon. Er duckte sich so tief er konnte und hörte und sah nichts von Taylor, weil es unten in der Senke stockfinster war.

Der Gedanke, dass Taylor vielleicht gehalten haben könnte, mit seiner Flucht durch die Büsche hier oben rechnete und sein Gewehr schon bereit hielt, kam Rodney, als er über den Kamm jagte. Der Gedanke war da – und der Knall auch.

Zwei Sekunden waren vergangen, seitdem er sichtbar sein musste. Und nun kam der Knall, brach sich das Peitschen in der Senke.

Die Kugel pfiff halbrechts vorbei. Dieses verfluchte Pfeifen kannte Rodney nur zu gut, obwohl er nur viermal mit dem Tross in Kampfhandlungen mit Indianern verwickelt worden war.

Rumms, ein zweiter Schuss.

Pfeifen und Abschuss waren nun eins.

Und dann kam der Schlag und jagte von hinten in seinen linken Schenkel. Es war ein Hieb, der ihm den Stiefel aus dem Steigbügel feuerte und den Braunen einen wilden Satz machen ließ.

Die Kugel traf den Schenkel, den er gerade von der Flanke des Pferdes weggezogen hatte, um mit einem Beinschlag das Tier nach rechts zu jagen. Rodney glaubte zu spüren, wie sie sein Bein streifte und dann weitersurrte, aber nun ohne Kraft.

Dann kam das dritte Pfeifen, aber nun hoch über ihn hinweg. Er war schon über die Kuppe und wusste nur, dass er Glück gehabt hatte. Wenn die Kugel sein Pferd erwischt hätte, wäre alles aus gewesen. Der Braune preschte nach halblinks, als er ihm den rechten Hacken beim Versuch, sein linkes Bein wieder in den Steigbügel zu bekommen, hart in die Flanke stieß.

Die Richtungsänderung war ungewollt, aber Rodney erkannte plötzlich, dass vielleicht gerade hierin seine Chance lag. Dort vorn ragten die ersten Felsen auf. Und hatte der Mann, der auf ihn gefeuert hatte, wirklich gehalten, dann konnte es Rodney schaffen, hinter die Felsen zu kommen. Das Echo des Hufgetrommels musste nachts jedes Ohr täuschen.

»Taylor, du Hund!«, keuchte Weldon. »Das täuscht auch dich. O Gott, mein Bein, mein Bein!«

Der Schmerz kam in Wellen und zuckte bis in die Hüfte empor, aber Rodney Weldon biss die Zähne zusammen und ritt weiter. Er kam an die Felsen, preschte um sie und bog nach Südwesten ab. Dann blickte er sich um, war schon in diesem zum Fluss führenden Seitental und sah weit hinten den Reiter.

Er riss den Braunen zurück. Die Schmerzen in seinem Bein wurden so schlimm, dass er beinahe vergessen hätte dem Braunen die Nüstern zuzuhalten. Stattdessen war er nahe daran, zum Bein zu greifen. Doch nun hielt er und sah zurück.

Das Triumphgefühl ließ ihn verzerrt grinsen. Die beiden anderen Reiter kamen hochgeprescht und hielten nur zwei Sekunden. Der Mann dort oben sagte etwas und streckte den Arm mit dem Gewehr in westliche Richtung. Danach jagten sie mit ihm weiter nach Westen!

Ausgetrickst, dachte Rodney. Ich schaffe es, wenn ich langsam reite. Ihr Narren, jetzt jagt ihr durch die Mulde und könnt nicht hören, wenn ich durch das Seitental entwische. Mein Gott, Glück gehabt. Diese Schmerzen – o mein Gott!

Weldon ritt an, griff in die rechte Satteltasche, riss das Hemd heraus, das er vor vier Tagen, als er zu Clanton geritten war, um mit dem über ein paar Dollar Vorschuss zu reden, angezogen hatte. Es war ein helles Hemd, eins der besten und nur für den Sonntag da oder zur Feier irgendeines Besuches.

»O Gott«, stöhnte er, als er das Hemd um das Bein schlang und die Ärmel zusammendrehte, um sie fest zu verknoten. »O Gott, das bringt mich um. Die Kugel muss durchgegangen sein, aber nun, was tun?

Im Verdacht haben mich die Brentons schon lange. Sie werden bei uns nachsehen und Luisa fragen, wo ich bin. Ich bin fortgeritten, wird sie ihnen sagen können, sonst nichts, denn ich habe ihr gesagt, dass ich zu Lee Horan hinüber will. Ich bin ja auch bei ihm gewesen, nur nicht geblieben. Lee muss mir helfen, wenn ich es auch noch schaffe, die Narren am Fluss auszutricksen. Lee, ich muss zu Lee!«

*

Seine Zähne schlugen aufeinander, der kalte Angstschweiß brach ihm aus.

Da kam es, kam wie eine Todesdrohung immer näher. Das Geplätscher war rechts und links im Fluss, und er konnte die beiden Männer links ganz deutlich sehen. Sie ritten im seichten Uferwasser, ritten so, dass sie das Ufer als hellen Strich sahen. Wären sie am Ufer selbst geblieben, hätten sie auch eine frische Spur kaum entdeckt, da Ufersand gegen Wasser immer dunkel schimmerte. Die Sicht aus dem Wasser heraus war viel besser.

Taylor, dachte Rodney frierend, Taylor, das weißt du Schurke natürlich genau. Du bist rechts, deine Partner links – und ich stecke mitten im Fluss zwischen diesen Felsen. Ich habe meinem Gaul die Nüstern verbunden, damit das blöde Biest nicht wiehert. Wenn eure Pferde meinen Gaul wittern und wiehern, ist alles aus.

Er hockte im Sattel, der Gaul stand bis an den Hals im dahinziehenden Wasser, das die Felsen umspülte. Zwei, drei dieser mitten im Fluss liegenden Felsinseln gab es. Eine lag hinter der Flussbiegung, diese beiden auf dem geraden Stück. Man konnte beide nur schwimmend erreichen, und Rodney hatte es getan. Er kauerte hier im Schutz der schroffen Klippen. Die Nässe ließ ihn frieren, er hatte keinen trockenen Faden am Leib.

Mein Gott, dachte er, wenn sie nachsehen kommen, wenn sie nachsehen? Ich zittere so, dass ich zwar schießen aber kaum treffen kann. Und ich muss treffen, wenn sie mich entdecken. Dann muss ich versuchen, ob ich sie alle drei erledigen kann. Mein Gott, drei Männer ermorden, ich?

Die Angst saß in ihm, eine doppelte Furcht sogar. Die erste Angst war es, dass man ihn entdecken könnte, die zweite, dass er dann unweigerlich, um sein Leben zu retten, auf die Männer schießen musste. Er hatte sie gehört, als sie weiter nördlich an den Fluss gestoßen waren. Dort war keine Spur von ihm zu finden gewesen, und er hatte gewusst, dass ein Mann wie Taylor zur Mulde zurückreiten würde.

Taylor hatte es getan und seine Spur bis hinunter an das Wasser verfolgt. Es war die Frage gewesen, für welche Richtung sich Taylor entscheiden würde, und der verfluchte Schlaukopf war nach Norden geritten.

Links vor Weldon schien sich der eine Mann im Sattel zu recken. Tatsächlich, er sah zu der Insel herüber.

»Mark – Mark!«

Mark, dachte Rodney, Mark Taylor, also doch, ich wusste es.

Sie hielten nun beide links. Rechts verstummte das Geplätscher, also hielt auch Taylor.

»Was ist, Joe?«

»Mark, vielleicht steckt er zwischen den Klippen hier?«

Einen Moment blieb es still. Weldon spürte förmlich, wie angestrengt Taylor überlegte.

»Das glaube ich nicht, Joe, das Wasser strömt dort viel zu heftig und ist auch zu tief. Er ist verwundet und würde es nie geschafft haben gegen die Strömung mit dem Gaul anzukommen. Der Kerl braucht Hilfe, wette ich. Reitet weiter, irgendwo ist der Bursche hinausgeritten – ich wette, am Seven Mile Creek oben.«

»Du meinst, es ist wirklich Rod Weldon gewesen?«

Rodney fuhr zusammen, presste die Lippen aufeinander und zitterte dennoch weiter.

»So gerissen, wie der es angefangen hat, uns durch das Echo an den Felsen auszutricksen, ist nur einer – Weldon. Passt mir auf Spuren auf, vielleicht ist er vor dem Seven Mile Creek aus dem Wasser, Joe. Achtet besonders aufs Felsufer. Der Kerl könnte sich an so einer Stelle davongemacht haben. Er muss nicht bis zum Seven Mile reiten, weil das ein zu deutlicher Hinweis auf ihn wäre. Freunde hat der Strolch genug, bei denen er sich verkriechen könnte, aber sie wohnen alle im Norden. Jede Wette, er will in die Richtung.«

Mein Gott, dachte Weldon, wie schlau der Hund ist, daran habe ich wirklich gedacht. Doch dann beschloss ich, mich hier zu verkriechen und sie vorbeizulassen. Lee Horan ist in den Cerbat Mountains und bleibt bis zum Samstag da, aber die Cerbat Mountains liegen von hier aus südwestlich. Warum denkt Taylor nicht an Lee?

Weldon duckte sich tiefer. Das Geplätscher setzte wieder ein, sie kamen und ritten vorbei. Als sie schon 200 Yards entfernt waren, hatten sie etwa die Stelle erreicht, an der er vom seichten in das tiefe Wasser geritten war. Und dann hatte er sich treiben lassen, war mit der Strömung und dem Braunen hergekommen. Gegen die Strömung hätte er das in seinem Zustand niemals geschafft. Auf die Idee, dass er so und nicht anders an die Felsen gekommen war, kam auch Taylor nicht.

Reiten lassen, dachte Rodney, warten, bis sie weit genug fort sind. Dann zurück und irgendwo auf Geröll oder Felsen ans Ufer. Ehe sie dort sein können, wenn sie umkehren, ist es heller Tag, hat die Sonne jede Spur getrocknet. Mein Gott, sie werden vielleicht doch zu mir nach Hause reiten und sich Luisa vornehmen. Es wird sie wieder aufregen, sie wird krank sein – ihr Herz!

Rodney dachte an seine Frau. Sie war immer ein blasses scheues Wesen geblieben, zäh, wie es geschienen hatte, bis sie eines Tages umgefallen war, als sie das Winterheu eingefahren hatten. Gerade noch hatte sie hochrot auf dem Wagen gestanden und das Heu angenommen. Und dann war sie umgefallen und leichenblass und besinnungslos liegen geblieben.

Frank, sein ältester Sohn, hatte angefangen zu heulen, der kleine Al mitgebrüllt.

O Gott, o Gott, dachte Weldon, ich bin erst ein Vierteljahr später mit ihr nach Brentonville zum Doc gekommen, der hat ihr jede Aufregung verboten.

Rodney Weldon sah sich um, wartete noch, obwohl Taylor mit den beiden Cowboys der Riesenranch John Brentons längst um die Biegung im Norden verschwunden war. Sicher war sicher, wie? Wenn bloß diese verdammten Gedanken nicht gewesen wären. Manchmal hatte er sich gewünscht, dass er nichts und niemanden am Hals hätte. Keine Frau, keine Söhne, nichts. Er war auch mal durchgebrannt, hatte sie sitzen lassen, aber dann hatte ihn Lee Horan gesucht und gefunden. Lee fand alles und jeden, wenn er wollte. Besoffen war Rodney gewesen, voll wie eine Regentonne nach einem Gewitterguss. Und in einer Tonne war er auch damals gelandet.

Heiliger Rauch, dachte Rodney Weldon. Ich wiege hundertachtzig Pfund, und Lee hat mich in einer Hand getragen, am Hosenbund gefasst und zur Regentonne geschleppt, und dann hat er mich hineingestopft – mit dem Schädel voran. Gerechter, wenn Lee wild ist, wird er hart! Ich habe eine Menge Freunde, und alle würden etwas für mich tun. Nur nicht in der Lage, in der ich jetzt stecke. Der einzige Mann, der mir helfen wird, ist Lee. Ich muss reiten.