Fährte des Grauens - Howard Duff - E-Book

Fährte des Grauens E-Book

Howard Duff

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. »Ja«, sagte Blynn, »komm herein, Rual!« Blynn beobachtete vom Fenster aus, wie der Mann jenseits der Straße den Store verließ. Hm, dachte Blynn, wenn ich Fields etwas sagte? Der würde ihn umbringen, töten wie ein lästiges Insekt. Fields ging zu seinen beiden Pferden. Einen Moment hantierte er am Packen seines Ersatzpferdes, aber er sah nicht hoch und bemerkte nicht, dass er beobachtet wurde. Hinter Blynn wurde die Tür geöffnet, eine Tasse klapperte. Und hörte ein anderes Geräusch: knarrende Dielen! Er wusste, ehe er den Kopf herumnahm: jetzt kamen sie, um ihn zu töten. Er sah Jim Straws strähniges Haar unter dem Rand des speckigen Hutes hervorlugen, erkannte das Glitzern in Straws Augen und das Grinsen seines breiten Mundes. Alvis Blynn sah auch den Revolver in der Hand dieses kleinen, aber ungemein stämmigen Mannes. Und er sah schließlich Nick Boltons volles, fettes Gesicht, das Stück Süßholz zwischen den aufgeworfenen Lippen. Drohend hielt Bolton mit der Rechten ein Wurfmesser umklammert, bereit, jeden Augenblick zuzustoßen. Alvis Blynn dachte an Rual, den mexikanischen Pistolero, einen eiskalten, wachsamen Mann, den er angeworben hatte, damit Überraschungen wie diese nie vorkamen. Und er wusste nun noch etwas: Rual war schon tot! »Hallo!«, sagte Bolton kauend. »Hallo, Freund Blynn!« Freund?

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Die großen Western Classic – 57 –

Fährte des Grauens

Wo sie waren, bleibt die Angst zurück

Howard Duff

»Ja«, sagte Blynn, »komm herein, Rual!«

Blynn beobachtete vom Fenster aus, wie der Mann jenseits der Straße den Store verließ.

Hm, dachte Blynn, wenn ich Fields etwas sagte? Der würde ihn umbringen, töten wie ein lästiges Insekt.

Fields ging zu seinen beiden Pferden. Einen Moment hantierte er am Packen seines Ersatzpferdes, aber er sah nicht hoch und bemerkte nicht, dass er beobachtet wurde.

Hinter Blynn wurde die Tür geöffnet, eine Tasse klapperte. Und hörte ein anderes Geräusch: knarrende Dielen!

Er wusste, ehe er den Kopf herumnahm: jetzt kamen sie, um ihn zu töten.

Er sah Jim Straws strähniges Haar unter dem Rand des speckigen Hutes hervorlugen, erkannte das Glitzern in Straws Augen und das Grinsen seines breiten Mundes.

Alvis Blynn sah auch den Revolver in der Hand dieses kleinen, aber ungemein stämmigen Mannes.

Und er sah schließlich Nick Boltons volles, fettes Gesicht, das Stück Süßholz zwischen den aufgeworfenen Lippen.

Drohend hielt Bolton mit der Rechten ein Wurfmesser umklammert, bereit, jeden Augenblick zuzustoßen. Alvis Blynn dachte an Rual, den mexikanischen Pistolero, einen eiskalten, wachsamen Mann, den er angeworben hatte, damit Überraschungen wie diese nie vorkamen. Und er wusste nun noch etwas: Rual war schon tot!

»Hallo!«, sagte Bolton kauend. »Hallo, Freund Blynn!«

Freund?, dachte Blynn. Ich war nie euer Freund, ich war euer Opfer, wenn man es so sehen will. Ihr habt Rual umgebracht.

Sein Blick wanderte weiter zu dem dritten Mann. Ed Couples. Der hagere und knochige Couples war einmal Leichenbestatter gewesen. Man sagte, er hätte den Umgang mit Toten so gemocht, dass er eines Tages, als ihm nicht genug Leichen geliefert wurden, für den nötigen Nachschub höchst eigenhändig gesorgt hatte. Darum suchte man ihn schließlich und wollte ihn aufhängen. Aber er hatte sich in Guadalupe aufgehalten. Und das lag sieben Meilen westlich des Rio Grande auf mexikanischem Gebiet.

Es kam Blynn so vor, als wäre die Zeit stehen geblieben. Er sah auch den vierten Mann. Der glitt wie eine Schlange in den Raum, sah Blynn aus seinen kalten Augen durchbohrend an und zeigte ihm den Bullcolt, seine bevorzugte Waffe. Dann drückte er Blynn den Lauf auf die Brust.

»Steh still!«, sagte Jim Straw eisig.

Blynn ließ es sich gefallen, dass Walt Hayes, der vierte Mann, ihn abklopfte. Hayes’ Hand fuhr unter Blynns Rock und fischte den Achtunddreißiger aus dem Hosenbund.

»Nichts sonst«, sagte Hayes dann mit völlig gleichmütiger Stimme. »Geh zum Fenster, zieh den Vorhang zu, Blynn!«

Blynn machte einen Schritt zur Seite und hob die Arme. Als er beide Vorhanghälften anfasste, rammte ihm Hayes den Bullcolt in die rechte Seite, dann blickte der Mann auf die Straße.

»Warte!«, zischelte Hayes. »Nick, schnell!«

Nick Bolton, der Mann mit dem Süßholztick, kam sofort heran und stellte sich neben seinen Komplicen.

»Verflucht!«, stieß Bolton hervor. »Joe Fields, dieser Halunke! Zum Teufel, warum hat uns Mike nicht gewarnt?«

»Kennt er ihn denn?«

»Er kennt ihn nicht, Hayes«, antwortete Bolton. »Verdammt, das hat uns noch gefehlt! Macht er nun die Zügel fest oder los?«

Fields hantierte an den Zügeln und löste sie. Hayes und Bolton atmeten erleichtert auf. Als Fields anritt, spürte Blynn das Verlangen, sich nach vorn zu werfen, sich aus dem Fenster zu stürzen und dabei Fields um Hilfe anzurufen. Die Sache hatte nur einen Haken: das Fenster befand sich gut zehn Fuß über dem Gehsteig. Zudem spürte Blynn den Bullcolt in der Seite.

»Na, was denkst du jetzt?«, erkundigte sich Bolton höhnisch. Er warf einen Blick über die sonst menschenleere Straße. Der Nordwind blies eine Staubwolke hoch und wirbelte einige ineinander verfilzte Fellholzstauden an Fields’ Pferden vorbei. »Würde er dir helfen, Blynn? Du kennst ihn doch ganz gut, oder?«

»Ja, ich kenne ihn, aber nicht so gut, wie du denkst«, sagte Blynn. Er hatte seine Stimme vollkommen in der Gewalt, obwohl ihm die Angst im Nacken saß – die Angst vor dem Tod. »Wenn er alles über mich wüsste, würde er mir sicherlich helfen. Soll ich jetzt zuziehen?«

Es war die Zeit der Abenddämmerung, die Leute waren von den Feldern gekommen, die Frauen hatten das Essen fertig, die Straßen in Guadalupe waren fast leer.

»Gleich«, sagte Bolton kurz. »Pass auf, dass er keine Dummheiten macht, Walt!«

»Er wird sich hüten.«

Der Druck des Bullcolts wurde unerträglich, als Bolton zurückhastete und die Lampe anzündete.

»Jetzt!«

Der Revolverlauf stieß zu, Blynn stöhnte einmal leise. Dann schloss er den Vorhang.

»So ist das, wenn man nicht viel auf dem Kasten hat, Freund Blynn«, sagte Straw. Er stand neben Ed Couples vor der Tür. »Das Leben ist verdammt kurz, mein Freund, und du warst nicht besonders schlau, fürchte ich.«

Er wechselte einen Blick mit dem hageren Leichenbestatter Couples. Dann gingen sie zur Seite – jeder nur einen Schritt.

Da wusste Blynn, warum sie ihm die Sicht auf den Flur versperrt hatten. Bolton hob die Tischlampe hoch, machte zwei Schritte, bis der Lichtschein auf die reglose Gestalt neben der Tür fiel.

Rual lag im Gang, das Gesicht bleich, die Augen weit offen. Und auf seinem hellgelben Hemd war ein großer Fleck.

Sie haben ihn erstochen, dachte Blynn voller Abscheu und Entsetzen.

Er sah kaum, dass Bolton die Lampe an Couples übergab und sich umwandte. Blynns Blick war starr auf den Toten gerichtet.

»Wir kamen mit dem Eselskarren«, sagte Bolton. Er wollte wohl Blynn erklären, warum sie Rual erwischt hatten. »Mike fuhr – du weißt, er ist ein Halbblut –, Rual glaubte ihm, dass er eine Ladung Alfalfaheu brächte. Unter dem Heu saßen wir. Er ging neben dem Karren her, brachte uns in die Scheune.«

»Schon gut«, murmelte Blynn mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Du hast ihn umgebracht, Bolton?«

»Ja. Er starrte auf meine aus dem Heu schießende Hand und das Messer, als Mike ihn bat, den Haltestrick hinten loszumachen. Er stand ganz nahe am Karrenende, weißt du.«

Ja, ich weiß, dachte Blynn, einfach so – kaltblütig und ohne Gnade. Wo sie waren, da bleibt das Grauen zurück. Sie haben überall eine Fährte des Grauens hinterlassen.

»Er hat nicht mal geschrien«, sagte Straw. Er ging nach links, zeigte seine Hamsterzähne und kicherte. »Und er kam auch nicht mehr dazu, seinen Revolver zu ziehen. Dein Pech, Blynn!«

Alvis wandte sich um und sah Straw verächtlich an. Es war sein Fehler.

Bolton schlug mit der ganzen Kraft seiner hundertneunzig Pfund zu. Seine Linke traf Blynns untere Rippenpartie. Die Rechte zuckte hinterher und prallte in Blynns Gesicht, zertrümmerte sein Nasenbein, spaltete seine Oberlippe und lockerte drei Schneidezähne.

Alvis Blynn flog quer durch sein Wohnzimmer.

*

Es war zwanzig Jahre her. Blynn war damals neun Jahre alt gewesen und hatte eine ähnliche Situation erlebt.

Diesmal saß er am Boden, das war der einzige Unterschied zu damals. Das Blut lief genauso aus seiner Nase. Es tropfte zwischen seinen gespreizten Beinen auf die Dielen: kleine rote Punkte, die beim Aufschlag zerspritzten.

Etwas war anders als damals. Seine Mutter hatte ihm den Kopf in den Nacken gedrückt. Jetzt hielt Straw ihn an den Haaren fest, damit er nicht wieder umkippte.

»Du hättest das nicht tun sollen«, sagte Bolton. Er stand vor Blynn und stieß ihn mit der Stiefelspitze an. Es musste also eine ganze Weile vergangen sein, denn vorher hatten sie keine Stiefel getragen. Sie waren auf Socken gekommen. »Wir haben überall Freunde. Du hast die Sendung ja doch an den Mann gebracht, Blynn. Sieh mal, mein Freund, man erzählt unserem Boss nicht einfach, dass man eine Sendung im Wert von viertausend Dollar an irgendeine Horde Guerillas verloren hat, obwohl sie in Wirklichkeit ordnungsgemäß und wie vereinbart verkauft wurde. – Wir wollen nur das Geld. Dein Pistolero hätte Pete nicht zusammenhauen sollen, als er kassieren kam. Das war nicht gut, Mister. Hoch mit ihm, Jim!«

Jim Straw riss Blynn hoch. Der taumelte, stolperte auf seinen Schreibtisch zu und wurde in den Stuhl gestoßen.

»Wartet, ich traue ihm nicht!«, zischte Hayes. Er war der hinterlistigste Bursche, den man sich denken konnte, und er rechnete immer mit gemeinen Tricks, weil er selbst tausend kannte. »Es sollte mich wunder…«

Hayes brach plötzlich ab, öffnete die Mittelschublade des Schreibtisches und griff hinein. Dann pfiff er leise.

»Ein Derringer!«, entfuhr es Bolton wütend. »Der Schweinehund hat doch einen Derringer versteckt! Da hast du was für deine Listigkeit, du Halbaffe!«

Und schon landete seine flache Rechte klatschend in Blynns Gesicht.

»Du hast zu Pete gesagt, du hättest kein Geld«, sagte Bolton. »Hast von schlechten Geschäften gesprochen, von erbarmungswürdigen Zeiten und deinem Pech, nicht wahr? Und du hast in Wirklichkeit ungefähr zwanzigtausend Dollar, das haben wir herausbekommen. Wir sind gnädig, wir wollen nur die Hälfte und jene viertausend, um die du den Boss betrogen hast. Rück das Geld schnell heraus, sonst wird es ganz bitter für dich! Und wenn wir dann mit dir fertig sind, stellst du nie wieder jemanden wie Rual ein. Du bezahlst stattdessen immer treu und brav die Prozente an den Boss, denn sonst stirbst du auf der Stelle! Hast du das alles genau begriffen, Blynn?«

Blynn spuckte Blut aus. Er hatte es befürchtet – sie wollten ihn in Zukunft auspressen wie eine Zitrone. Er sollte mit seinen Leuten die schmutzige Arbeit machen, und sie wollten kassieren.

»Ob du alles begriffen hast, Blynn?«

»Sicher«, antwortete er würgend, »aber ich habe kein Geld. Es ist nicht mehr da, ich habe alles verloren.«

Da schlug Bolton abermals zu. Blynn zuckte zusammen.

»Eine schlechte Lüge«, sagte Bolton krächzend. »Du hast dein Geld nach und nach von der Bank geholt. Dazu hast du ein Jahr gebraucht und dabei gedacht, dass es keinem auffallen würde. Jeder sollte glauben, du hättest Pech mit deinen Geschäften, weil du nichts mehr zur Bank brachtest. Und wo ist der Safe, in den du all das viele Geld gepackt hast, he?«

Es war genau das, was Blynn befürchtet hatte. Sie haben es irgendwie herausbekommen. Wahrscheinlich haben sie Hollister, den Mann, der den Safe gebracht hatte, ausgequetscht, ehe sie ihn umbrachten, damit er nicht zu Blynn reiten und ihm berichten konnte. Hollister wurde seit sechs Wochen vermisst.

Blynn dachte an ihren Boss und die Unersättlichkeit dieses Halunken. Er hatte sich einmal mit ihm eingelassen und Gewehre abgenommen. Von jenem Tag an hatte ihn der Kerl in den Klauen gehabt und immer höhere Anteile verlangt.

»Ich habe keinen Safe und kein Geld«, stöhnte Blynn. »Wovon redest du, Bolton?«

In der nächsten Sekunde flog er vom Stuhl. Bolton riss ihn sofort wieder hoch, stieß ihn durch das Zimmer, bis er an der Gegenwand zusammenrutschte, kam dann heran und zog ihn am Hemd in die Höhe.

»Ich zähle jetzt bis drei«, knurrte Bolton knapp, »dann sagst du mir, wo der Safe steht und wo du den Schlüssel hast! Eins – zwei – drei!«

»Ich habe keinen …«

Ein wuchtiger Schlag beförderte Blynn am Tisch vorbei. Er fiel neben dem Sofa zu Boden, und der Raum begann sich zu drehen.

Die Stimme kam aus weiter Ferne, sie klang höhnisch und drohend.

»Der Safe, Blynn – wo?«

Sie quälten ihn unbarmherzig, bis er sogar eine Messerwunde von ihnen einhandelte.

Und sie erfuhren die Safekombina­tion. Ohne auf den blutenden Blynn zu achten, drangen sie zu dem Schrank vor und öffneten den Safe. Alle standen hinter Straw, der in den Safe deutete, während Hayes lallte:

»Das – das darf doch nicht … wahr sein.«

Bolton sprang zum Schrank. Im selben Augenblick fand Straw seine Stimme wieder, und er kreischte:

»Leer! Der Safe ist leer.«

Es war Bolton, als wenn ihm jemand mit voller Wucht einen Knüppel über den Kopf geknallt hätte. Mit einem Satz war er an Hayes vorbei, starrte in den Schrank und blieb so stehen. Der Safe war tatsächlich leer. Nur ein einsames Blatt Papier lag im mittleren Fach. Bolton riss es an sich, hielt es ins Licht und las laut vor:

»Zufrieden?«

Es gab nichts als dieses eine Wort auf dem weißen Papier. Und es dauerte einige Sekunden, ehe Bolton begriff, was es zu bedeuten hatte.

Blynn hatte mit ihrem Besuch gerechnet, er hatte erwartet, getötet zu werden und den Safe ausgeräumt.

»Hund!« Das war alles, was Bolton hervorstieß, ehe er herumflog und zum Safe sprang. Die anderen Burschen folgten ihm völlig verwirrt.

»Das Miststück«, knirschte Hayes.

»Diese Beutelratte«, fluchte Straw.

»Diablo«, giftete Mike in seiner Muttersprache. Mike war später zu seinen Kumpanen gestoßen. Er hatte auch mit dem Messer nach Blynn geworfen.

Nur Couples schwieg. In Boltons Rücken wagte er es und grinste höhnisch. Er gönnte Bolton die Enttäuschung.

Bolton packte Blynn an den Rockaufschlägen, zog ihn hoch und starrte ihm in das Gesicht.

Blynn lebte immer noch – er begann zu lächeln, und sie wussten, dass er, wenn er gekonnt hätte, über sie gelacht hätte. So blieb es bei diesem dünnen, spöttischen Lächeln.

»Das Geld – wo ist das Geld?«, schrie Bolton. Er vergaß, dass sie sich vorgenommen hatten, leise zu sein. Seine Wut ging mit ihm durch. »Du verdammter Schurke, wo ist das Geld? Wo sind die vierundzwanzigtausend Dollar geblieben, wo hast du sie versteckt?«

Er schüttelte den Sterbenden, bis dessen Lächeln erlosch.

»Du tötest ihn«, keuchte Straw entsetzt. »Wasser – Brandy – irgendetwas, schnell. Er muss reden. Der Kerl darf nicht von dieser Welt, ehe wir nicht wissen, was er mit dem Geld getan hat. Nick, bette ihn vorsichtig.«

Eine Mutter hätte nicht besorgter sein können!

Bolton ließ den Sterbenden sacht rutschen und schüttelte in ohnmächtiger Wut die Fäuste. »Seht doch nur, wie er mich angrinst! Er versteht alles, er sieht alles – und lacht uns aus.«

Mike, das Halbblut, war zum Vertiko gerast, hatte die Türen aufgerissen und eine Brandyflasche gefunden. Er kam mit ihr an das Sofa, während Straw nun mit aller Behutsamkeit Blynns Kopf anhob.

»Gib ihm zu trinken, beeil dich!«, forderte er Mike auf. »Du sagst es uns, Blynn, was? Blynn, alter Freund, so grausam kannst du doch nicht sein, he? Blynn!«

Blynn lächelte, presste aber die Lippen fest zusammen.

»Er will nicht!«

Mike heulte beinahe vor Wut. Dann sah er, dass Blynns Lächeln langsam schwand, und er brach in wilde Verwünschungen aus. Er hatte Blynn seit einer Woche beobachtet und war sicher gewesen, dass dieser Überfall Erfolg haben würde. Plötzlich erinnerte sich das Halbblut an einen Besucher Blynns. Er sah Hayes verstört an.

»Laraby!«, keuchte er, »Laraby!«

In derselben Sekunde weiteten sich Blynns Lider. Etwas wie Schreck schien den Sterbenden zu überkommen. Er riss noch einmal die Augen weit auf, sein Blick hing an den Lippen des Halbblutes.

»Was – wer?«

Bolton fuhr hoch und umklammerte den Arm des Halbbluts.

»Laraby?«

»Ja, Laraby Jones«, stieß Mike hervor. »Er war hier – vorgestern. Er besuchte Ysabel Mundoz. Danach ging er zu Blynn. Als er gestern fortritt, hatte er einen dicken Packen auf seinem Gaul. Seht doch – seht.«

Er wies auf Blynns Gesicht, und sie erkannten nun alle, dass Blynn nicht mehr die Kraft besaß, sich noch zu beherrschen, er konnte seinen Schreck nicht verbergen.

»Laraby Jones«, fauchte Bolton. Er beugte sich jäh über Blynn und packte ihn an den Schultern. »Ah, so hast du das gemacht? Sie waren mal Freunde, versteht ihr? Ja, ich habe recht, was, Blynn? Du hast diesem Herumtreiber dein Geld gegeben, so ist es doch gewesen – oder? Seht ihr, seht ihr – er starrt mich an, als wolle er mich mit Blicken töten, weil ich es erkannt habe. Du hast es Laraby gegeben. Wohin ist er mit deinem Geld? Glaubst du vielleicht, dass ein Herumtreiber wie Laraby Jones dein Geld für dich aufhebt? Du Narr! Er wird es mit vollen Händen ausgeben. He,

du …«

Blynn zuckte zusammen, sein Kopf fiel zur Seite – er war tot. Sein letzter Gedanke hatte Laraby Jones gegolten, dem einzigen ehrlichen Freund, den er gehabt hatte. Er hatte ihn kommen lassen und ihm vertraut, obgleich sie sich bis dahin jahrelang nicht mehr gesehen hatten. Was immer man von Laraby Jones sagen konnte – niemand hatte ihn so gut gekannt wie Alvis Blynn.

Laraby Jones trieb sich zwischen Colorado, Arizona, New Mexico und Texas herum. Er arbeitete nur, wenn er kein Geld mehr besaß. Es gab viele Rancher, Frachtwagenbosse und Stagecoach-Chiefs, Pferdezüchter und Transportleute, die Laraby Jones für länger behalten hätten, weil er schnell mit dem Colt, erstklassig im Sattel und genauso gut auf dem Bock eines Wagens war.

Laraby Jones, der Mann, dessen Heimat niemand kannte, hatte tausend Jobs gehabt und konnte doch nicht sesshaft werden. Er verspielte, vertrank und verschenkte sein Geld, er war ein Herumtreiber, aber er war grundehrlich zu seinen Freunden.

»Verdammt«, keuchte Straw. »Laraby Jones. Kein vernünftiger Mensch wird Laraby vierundzwanzigtausend Dollar anvertrauen. Ich kann das nicht glauben, Nick.«

»Du nicht, aber ich«, knirschte Nick Bolton. Er richtete sich auf und sah finster auf den Toten hinab. »Ich habe mal mit Laraby getrunken und weiß, dass er vor langer Zeit mit Blynn zusammen Schmuggelware über die Grenze geschafft hat. Die beiden Halunken sind die dicksten Freunde gewesen. Laraby soll damals mexikanischen Bravados in die Hände gefallen sein, und Blynn hat ihn herausgehauen, sonst wäre Laraby längst tot. Laraby verdankt Blynn sein Leben. Ich weiß nicht, warum er von ihm fortging, aber eins weiß ich sicher – Laraby hätte alles für Blynn getan!«

»Er hat recht«, meldete sich Hayes. »Mike?«

Das Halbblut sah ihn fragend an.

»Mike, wann ist er geritten?«

»Gestern Abend, Hayes. Es war schon dunkel.«

»Aha«, zischte Hayes. »Ich wette, er kommt zurück. Wenn Laraby Blynns Geld weggeschafft hat, dann muss er Blynn sagen, wo es liegt. Wir brauchen nur zu warten.«

Sie sahen sich an, und plötzlich erkannte Bolton, dass sich Hayes, Couples und das Halbblut fürchteten. Schließlich wusste jeder, wie schnell Laraby Jones mit dem Revolver war.

»Was ist los?«, knurrte Nick, »habt ihr etwa Angst vor einem Herumtreiber? Wenn er den Zaster fortgeschafft hat, dann sicher nicht umsonst. Er hat bestimmt Geld dafür bekommen. Und was macht ein Kerl wie Laraby, wenn er Geld hat? Er säuft! Vor einem angetrunkenen Laraby Jones braucht kein Mensch Angst zu haben – schon gar nicht wir. Mike, kennst du die Mun­doz?«

Das Halbblut nickte.

»Ja, ich war oft in ihrer Bodega.«

»Gut, wir sorgen hier für Ordnung. Du gehst zu ihr und fragst nach Laraby, aber so, dass sie nicht Verdacht schöpft, verstanden? Schöne Weiber sollen nicht viel Verstand haben – sie hat dennoch mehr als andere Langhaarige, vergiss das nicht.«

»Ich bin kein Narr«, versicherte Mike. »Soll ich gleich gehen?«

»Was sonst?«, brummte Bolton. »Nachher bringt einer den Karren fort und setzt Blynns Hut auf. Wir übernehmen den Verkauf in der Viehhandlung und in Blynns Store. Wir waren oft genug hier, sodass es niemandem auffallen wird, wenn wir Blynn vertreten und erzählen, dass er fortgefahren ist. Zwei von uns genügen als Vertretung, die anderen legen sich auf die Lauer. Nachts warten wir nicht nur hier, sondern auch dort, wo Laraby in die Stadt kommen kann.«

*

»Nick?«

»Hier«, sagte Bolton leise, »hier bin ich. Komm her, Mike.«

Mike schnaufte schwer. Er war gelaufen, nachdem er den Karren Blynns in einem Gebüsch am Rio Grande gelassen hatte.

Nick Bolton trat einen Moment aus dem tiefen Schatten der Mauer, die Famagustas Maultierhandlung umgab. Der Weg zur Grenze führte hier durch eine kaum drei Schritt breite Gasse. Die Häuser lagen in der Senke des Guadelupe-Baches, und das Gelände stieg nach beiden Seiten an. Über dem Hügel, den der Bach im Bogen umfloss, stand das Agavenfeld mit seinen hohen in den Nachthimmel ragenden Blüten­stauden.

Das Halbblut huschte um die Mauerecke, lehnte sich neben Bolton an die Wand und atmete scharf.

»Habt ihr es erledigt?«, erkundigte sich Bolton gedämpft. Mike nickte, ihn beschäftigte etwas anderes:

»Es ist zu ruhig, verdammt! Das gefällt mir nicht, Nick. Als wir sie wegschafften, begegnete uns ein Mexikaner. Der Kerl starrte uns nach – ich fürchte, er hat gemerkt, dass Hayes und nicht Blynn auf dem Bock saß.«

Bolton sah sich argwöhnisch um. Er war oft in diesem Nest gewesen und wusste, wie belebt die Straßen am Abend waren. Heute hatte es genauso wie immer begonnen. Die Mexikaner hatten ihre abendlichen Schwatzereien mit dem Besuch der Bodega von Ysabel Mundoz eingeleitet, und Mike hatte dort erfahren, dass Mundoz Laraby Jones zurückerwartete. Er hatte gesagt, dass er wiederkommen würde.