Ein Mann aus Eisen - John Gray - E-Book

Ein Mann aus Eisen E-Book

John Gray

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Gegen Mittag ritten sie in Bloomfield ein. Es waren vier Männer. Sie trugen ihre Revolver in tiefgeschnallten Halftern. Der Staub von vielen Meilen bedeckte ihre Kleidung. Neben dem Bankgebäude zügelten sie ihre Pferde. Als sie aus den Sätteln glitten, beobachtete sie nur ein alter Mann, der im Schatten des Saloonvorbaus gegenüber in einem Stuhl aus Strohgeflecht saß. Die Bank war klein. Es gab nur zwei Clerks. Und jetzt, in der Mittagszeit, war außer ihnen niemand im Raum. Die Fremden hatten plötzlich ihre Halstücher vor das Gesicht gezogen. Sie sprachen kein Wort, blickten sich um und fächerten im Schalterraum blitzschnell auseinander. Für eine Sekunde war es still. Dann sprang einer der Clerks hinter seinem Pult hoch. »Überfall!«, schrie er. »Ein Überfall!« Er warf sich herum und griff nach der Schrotflinte, die hinter ihm an einem Schrank lehnte. Mit fliegenden Händen riss er sie hoch. Von der Hüfte eines Maskierten zuckte eine Stichflamme, die das Zwielicht im Schalterraum wie eine Feuerklinge durchschnitt. Der Clerk wurde herumgewirbelt wie eine willenlose Gliederpuppe und warf haltsuchend beide Arme in die Luft.

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Die großen Western Classic – 60 –

Ein Mann aus Eisen

Und ein Marshal ohne Stern

John Gray

Gegen Mittag ritten sie in Bloomfield ein.

Es waren vier Männer. Sie trugen ihre Revolver in tiefgeschnallten Halftern. Der Staub von vielen Meilen bedeckte ihre Kleidung.

Neben dem Bankgebäude zügelten sie ihre Pferde.

Als sie aus den Sätteln glitten, beobachtete sie nur ein alter Mann, der im Schatten des Saloonvorbaus gegenüber in einem Stuhl aus Strohgeflecht saß.

Die Bank war klein. Es gab nur zwei Clerks. Und jetzt, in der Mittagszeit, war außer ihnen niemand im Raum. Die Fremden hatten plötzlich ihre Halstücher vor das Gesicht gezogen. Sie sprachen kein Wort, blickten sich um und fächerten im Schalterraum blitzschnell auseinander.

Für eine Sekunde war es still. Dann sprang einer der Clerks hinter seinem Pult hoch.

»Überfall!«, schrie er. »Ein Überfall!« Er warf sich herum und griff nach der Schrotflinte, die hinter ihm an einem Schrank lehnte. Mit fliegenden Händen riss er sie hoch.

Von der Hüfte eines Maskierten zuckte eine Stichflamme, die das Zwielicht im Schalterraum wie eine Feuerklinge durchschnitt.

Der Clerk wurde herumgewirbelt wie eine willenlose Gliederpuppe und warf haltsuchend beide Arme in die Luft. Brennend durchraste ihn der Schmerz.

Er konnte nicht schreien. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Seine Augen weiteten sich. Ein dumpfes Gurgeln kam über seine Lippen. Kraftlos brach er über seinem Pult zusammen und lag dann regungslos auf den rauen Dielen. Aus einem kleinen Loch im Rücken strömte Blut.

Der zweite Clerk fuhr von seinem Platz hoch und wurde augenblicklich steif wie ein Brett, als der Revolver in der Hand des Mörders herumschwang.

»Nein«, flüsterte der Clerk. In seinen Augen spiegelte sich nichts als nackte Angst. Auf seiner Stirn perlte Schweiß, doch er fröstelte. »Nein, nicht schießen, bitte. Ich versuche ja gar nicht – ich …«

»Halt dein Maul! Beeilt euch!«, sagte der Maskierte.

Die beiden anderen stürmten augenblicklich los. Sie schwangen sich geschmeidig über die Schaltertheke. Einer trug eine helle Ledertasche bei sich. Die Männer liefen an den Schreibpulten der Clerks entlang, rissen die Schubladen auf, brachen eine Kassette auf und füllten alles Geld, das sie fanden, in die Tasche.

»Der Safe!«, rief einer der Männer. »Dort steht der Safe!«

»Keine Zeit!« Der Maskierte winkte ungeduldig mit dem Revolver. »Verschwinden wir!«

Dann machte er schon einen Satz auf den Clerk zu und riss den Revolver hoch. Der Mann zog instinktiv den Kopf ein. Mehr konnte er nicht tun, dann traf ihn der stählerne Lauf der Waffe bereits an der Stirn. Sein Schrei erstarb. Stöhnend sackte er in sich zusammen und stürzte neben einen Drehschemel.

Die Banditen kamen hinter den Schaltern hervor und warfen dem Mann mit dem Revolver die Tasche mit dem Geld zu.

»Und jetzt weg, aber schnell!«, sagte der Maskierte.

Sie rannten zur Tür.

*

Der alte Mann auf dem Saloonvorbau hörte den Schuss im Halbschlaf.

Er blickte einige Sekunden sinnend zur Bank hinüber, richtete sich schwerfällig auf und schlurfte zur Schwingtür des Saloons.

Aus dem Schatten des Bankvorbaus war der vierte Bandit getreten. Er hielt seinen Revolver in der Faust. Der Hammer war gespannt. Ein kaltes Lächeln spielte um die schmalen Lippen des Mannes.

Er sprach leise, mit sanfter Stimme, aber in seinen Augen lag die Kälte von Eis. »Setz dich wieder, alter Mann.«

Da schwangen jäh die Türflügel des Saloons auf.

Der Bandit riss den Revolver herum. Er kam nicht mehr zum Schuss. Eine tödliche Kugel bohrte sich in seinen Körper, noch ehe er ganz begriffen hatte. Langsam fiel er nach vorne und stürzte kopfüber vom Gehsteig. Reglos blieb er im Staub liegen.

Der Mann im Türrahmen des Saloons war groß, starkknochig und muskulös. Seine Augen waren grau und erinnerten an geschliffene Kiesel. Er hieß Raid Uvalde. Auf dem Hemd trug er den silbernen Stern eines US Mar­shals.

»Hast du den Schuss vorhin gehört?« Der Marshal blickte den Alten fragend an und schob den Colt zurück in die Halfter.

»In der Bank!«, rief der alte Mann aufgeregt mit zitternder Stimme. »Es sind Fremde gekommen! Sie sind in der Bank!«

Der Marshal sagte kein Wort mehr. Er verließ den Saloonvorbau und bewegte sich quer über die Main Street. Sein Schritt war fest. Die rechte Faust hing über der tiefgeschnallten Halfter am rechten Oberschenkel, in der ein langläufiger Peacemaker Colt steckte. Sein Gesicht war starr, wie aus Holz geschnitzt.

Er erreichte den toten Banditen und beugte sich über ihn. Als er sich wieder aufrichtete, flog die Tür der Bank krachend auf.

Die Fremden stürmten heraus. Sie hatten ihre Halstücher wieder von den Gesichtern gerissen und rannten zu den Pferden. Sie hielten ihre Waffen in den Fäusten, und sie würden nicht zögern zu schießen, das war gewiss.

Raid Uvalde stand am Rand der glühend heißen Main Street und sah sie kommen.

»Stehen bleiben!« Er riss den Revolver aus der Halfter und warf sich in den Staub.

Eine Kugel bohrte sich keine Handbreit von seinem Kopf entfernt in den Sand.

»Keine Bewegung!«, rief er. »Hände hoch!«

Menschen erschienen an den Türen der Häuser. Einige Männer hatten Waffen bei sich. Sie sahen die Fremden und begannen zu schießen.

Die Banditen hatten ihre Pferde erreicht. Der Mann mit der hellen Ledertasche schwang sich in den Sattel. Kugeln strichen sengend heiß an ihm vorbei. Er bohrte seinem Pferd die Sporen in die Weichen. Mit grellem Wiehern schoss das Pferd nach vorn und galoppierte auf den Stadtrand zu.

Die beiden anderen Banditen kamen nicht mehr in die Sättel. Das Pferd des einen brach von einer Kugel im Kopf getroffen zusammen, als der Mann gerade aufsteigen wollte. Er stürzte mit dem Tier in den Sand.

Der Marshal hatte sich jetzt wieder erhoben. Noch tränten und schmerzten seine Augen. Doch er hob den Colt und schoss.

Der fliehende Bandit schien im Sattel zusammenzuzucken. Aber genau konnte Uvalde das nicht erkennen, denn der Bandit ritt schnell, hatte den Stadtrand bereits erreicht und sprengte im vollen Galopp nach Osten.

Das sah der Marshal bereits nicht mehr. Er hatte sich schon auf einen der zurückgebliebenen Banditen gestürzt und schlug ihm den Revolver über den Schädel. Der letzte Mann hastete geduckt und ständig schießend über den Gehsteig, um sich hinter einem Kistenstapel in Deckung zu werfen.

Aber er war nicht schnell genug.

Mehrere Männer sprangen aus ihren Deckungen und rannten auf den Banditen zu, als er seinen Revolver leergeschossen hatte.

Der Bursche heulte verzweifelt auf und schleuderte einem der heranstürmenden Männer den schweren Revolver an den Schädel. Dann packten sie ihn. Sie rissen ihn hoch und schleiften ihn zur Bank zurück, wo der Marshal stand.

»Einer ist entkommen!«, sagte ein Mann grimmig.

»Und einer ist tot«, sagte der Marshal heiser. Er wischte sich mit dem linken Handrücken über die brennenden Augen.

In der Tür der Bank erschien taumelnd und noch immer halb betäubt der junge Clerk. Er lehnte sich an den Türrahmen.

Verschwommen sah er den Marshal. Tränen rannen über sein Gesicht. Pfeifend atmete er aus den Mundwinkeln. Dann murmelte er stockend: »Sie – sie haben ihn umgebracht. Diese – Mörder …«

Die Köpfe der Männer flogen herum. Sie starrten den Clerk fragend an.

»Wen haben sie umgebracht?«, fragte der Marshal.

»Jerry …«, flüsterte der Clerk mit erstickter Stimme. »Sie haben Jerry erschossen.«

»Der Boss hat es getan!«, schrie der Bandit, der sich unter den Griffen der Männer wand. »Keiner von uns hat geschossen. Kirk Sheldon hat geschossen. Nur er!«

»Das ist der, der geflohen ist, nicht wahr?«, fragte der Marshal.

Die Männer lachten hämisch. »Dein Boss ist nicht mehr da. Es ist einfach, alles auf ihn zu schieben.«

»Aber es ist wahr!«, rief der Bandit. »Ich sage die Wahrheit!«

Die Männer drängten sich drohend um ihn. »Hängt ihn doch auf, und seinen Kumpan auch!«, rief ein Mann aus der Menge. »Hängt die Kerle doch an den Bäumen vor der Stadt auf! Die verdammten Mörder!«

Der Marshal schüttelte den Kopf. Er schob sich den Hut in den Nacken. »Ruhig, Männer, nur ruhig. Die Banditen kommen vor ein ordentliches Gericht und kriegen ihre Strafe.«

»Diesen dreckigen Bestien gehört sofort der Strick!«, brüllte ein Mann wieder.

»Aber nicht durch euch!«, entgegnete der Marshal barsch. Seine Augen verengten sich, sein Blick wurde hart. »Ihr bringt die Kerle in mein Office.«

Die Männer senkten die Köpfe. Sie hoben den bewusstlosen Banditen neben dem toten Pferd auf und trugen ihm zum Office des US Marshals hinüber. Der zweite Mann sträubte sich nicht mehr. Trotzdem bekam er Schläge in den Rücken und gegen den Kopf. Als er ins Büro geschleift wurde, verlor er das Bewusstsein.

Der große breitschultrige Marshal war auf den Bankclerk zugetreten. Er legte dem jungen Mann die Rechte schwer auf die Schulter. »Sobald Jerry beim Coroner liegt, schließt du die Bank für heute zu.«

Der Clerk nickte. Seine Augen glänzten feucht. Er schluckte schwer und sagte nichts.

Der Marshal betrat den Schalterraum der Bank und fand den toten Clerk. Er ballte in Aufwallung eines bitteren Gefühls die Hände zu Fäusten, wandte sich abrupt ab und verließ das Gebäude.

Draußen war es heiß, doch Uvalde atmete die trockene Luft gierig ein. Er hatte das Gefühl, nach dem Anblick des toten jungen Mannes erst einen Panzer abstreifen zu müssen, der sich beklemmend um ihn gelegt hatte. Mit großen Schritten ging er zu seinem Office hinüber.

Die Bürger waren inzwischen wieder verschwunden. Der Deputy Marshal hatte die Banditen in die Gemeinschaftszelle gesperrt.

Als der Marshal ins Office trat, sah er aus den Augenwinkeln bereits den Sargtischler zur Bank hinübergehen.

US Marshal Raid Uvalde trat an den Kachelofen und nahm die rußige Kanne von der kalten Kochplatte. Der Kaffee darin war kühl. Der Marshal schenkte sich einen Becher voll und trank bedächtig.

Sein Deputy kam aus dem Zellen­trakt und hängte die Schlüssel an einen Wandhaken. »Die Kerle heißen Vance Custer und Hank Carter, ich glaube, wir haben Steckbriefe von ihnen.«

»Sollte mich nicht wundern.« Raid Uvalde ging zum Gewehrschrank und nahm seine Winchester 73 heraus. Er lud sie sorgfältig auf und wandte sich um. »Ich werde dem Anführer der Banditen folgen. Er heißt Kirk Sheldon, hat einer der Kerle ausgesagt. Außerdem glaube ich, dass ich ihn angeschossen habe. Nun, ich denke, ich werde ihn kriegen.«

»Aber …«

»Er hat das Geld.« Der US Marshal rückte den Colt zurecht. »Er ist der wichtigste Mann der Bande. Ich gehe vorher zum Richter und mache dort meine Aussage. Die Gerichtsverhandlung gegen die beiden wird auf alle Fälle stattfinden, ob ich hier bin oder nicht. Wenn ich diesen Sheldon vorher bekomme, wird es drei Angeklagte geben.«

»Was wird in der Anklage stehen?« Der Deputy ließ sich hinter dem Schreibtisch nieder.

»Raubmord.« Der US Marshal öffnete die Tür.

»Das heißt, die Banditen kommen an den Galgen?«

»In den meisten Fällen ist das so. Ja, ich glaube schon.« Raid Uvalde verließ das Office und ging zum Haus des Richters hinüber. Vor dem Haus des Leichenbeschauers sah er den schwarz gestrichenen morschen Karren des Sargtischlers stehen.

Die Main Street war leer. Und nicht nur die brennende Hitze des Mittags trieb die Leute in die Häuser. Das Wissen, dass ein Mord geschehen war, lastete auf den Menschen der Stadt, und die Nähe des Todes ließ sie im Entsetzen verharren.

Der US Marshal Raid Uvalde verließ wenig später auf seinem Pferd die Stadt nach Osten, um dem geflohenen Banditen zu folgen. Nichts hielt ihn auf.

*

Die Gambling Hall von Ponca, Nebraska, war schwach besetzt. Es war früh am Tag, noch nicht mal Mittag. Gelangweilt polierte der Keeper hinter der messingglitzernden Theke dickwandige Whiskygläser.

Der Mann an dem mit grünem Samt bezogenen Spieltisch in der Mitte der Spielhalle lehnte sich auf seinem Platz zurück. Er war groß und schlank, hatte breite Schultern und wirkte sehnig wie ein Puma. Der Mann war gekleidet wie ein Dandy. Der Prince-Albert-Rock aus dunkelgrauem feinen Tuch schien maßgeschneidert, ebenso die dezent gestreifte Hose. Der weiße Stetson, den er auf dem Kopf trug, hatte sicherlich hundert Dollar gekostet, wenn nicht mehr, und an der rechten Hand steckte ein Siegelring aus schwerem Gold.

Das Hemd des Mannes war aus Chinaseide, und die Schleife am Kragen aus rotem Samt. Um die Hüften trug er einen breiten, mit zahlreichen Verzierungen versehenen Patronengurt, der am rechten Oberschenkel eine tief ausgeschnittene Halfter hielt, in der ein vernickelter 45er Colt steckte, dessen Griffschalen aus Elfenbein waren.

Das Gesicht des Mannes war schmal und wirkte asketisch. Ein dünner Schnurrbart bedeckte seine Oberlippe.

»Whisky, Dobby!«, rief er zur Theke hinüber. Seine Stimme klang dunkel und angenehm.

»Sofort, Mr Flannagan.« Der Keeper stellte ein dickwandiges Kristallglas auf ein Tablett und eine Flasche mit bestem rubinrot blinkendem Bourbon Straight. Eilig trug er beides zu dem Spieltisch hinüber.

Ohne den Blick von den Karten zu wenden, schenkte der Spieler sich Whisky ein. Seine schlanken, fast knochigen Finger umspannten das Glas. Er führte es an die Lippen und trank einen Schluck. Dann hob er den Kopf und blickte seine beiden Mitspieler an.

»Wollen Sie aufdecken, Gentlemen?« Sein schmales Gesicht blieb ausdruckslos. In seinen Augen war nicht die kleinste Empfindung zu lesen.

Die beiden anderen Männer am Tisch zögerten. Sie waren gut gekleidet, aber längst nicht so elegant wie der Gambler.

»Das ist eine Gewissensfrage, Mr Flannagan«, sagte einer der Männer. »Ich habe fünftausend Dollar gesetzt. Wer verliert gern fünftausend Dollar?«

»Vielleicht verlieren Sie gar nichts.« Buck Flannagan, der Spieler, lächelte unbestimmt.

»Decken wir auf«, sagte der dritte mürrisch. Flannagan lächelte immer noch. Doch seine Züge wirkten jetzt seltsam starr. Er nickte nur, und es schien, als würden sich die Sehnen unter dem gutgeschnittenen Prince-Albert-Rock spannen.

Der Sprecher deckte sein Blatt auf. Er hatte einen Royal Flash, und ein triumphierendes Grinsen glitt über sein Gesicht. »Hat jemand mehr?«

Der andere Mitspieler wurde blass. Er deckte seine Karten auf. Es war das schlechteste Blatt, das Flannagan je gesehen hatte. Dennoch sagte er noch nichts.

Langsam deckte er seine Karten auf. Es waren vier Könige und eine Herz-Dame. Flannagan lächelte jetzt nicht mehr. Und der Verlierer des Spiels beugte sich erstaunt vor. Seine Augen weiteten sich.

»Aber …«, sagte er. »Das sind doch …«

»Es sind fünf Könige im Spiel, Carry, Sie sehen ganz richtig.« Die Stimme des Spielers klang plötzlich klirrend. »Können Sie das vielleicht erklären, Mr Rush?«

Der Angesprochene rührte sich nicht. Sein triumphierendes Grinsen fror ein. »Wie soll ich das erklären?«, sagte er rau. »Erklären Sie doch, woher Sie den fünften König haben.«

»Bestimmt nicht aus Ihrem Ärmel, Rush«, erwiderte Flannagan kühl.

»Was?« Herb Carry blickte den Gambler groß an. »Was sagen Sie da?«

»Haben Sie es denn nicht gemerkt?« Flannagans Hände sanken wie unbeabsichtigt von der Tischplatte. Die Rechte näherte sich dem Revolver. »Er spielt seit fast zwei Stunden falsch, der ehrenwerte Mr Rush.«

»Nehmen Sie das zurück, Flannagan!« Rush fuhr von seinem Stuhl auf, Gleichzeitig aber wuchs der Spieler von seinem Platz hoch. Die Männer standen sich gegenüber, keine anderthalb Yard entfernt voneinander, und starrten sich über die Tischplatte hinweg an. Aber eine Mauer aus Feindschaft und Hass war plötzlich zwischen ihnen, und nichts konnte sie niederreißen.

»Nehmen Sie das sofort zurück!«, wiederholte der hagere Mann.

»Ich habe noch nie die Wahrheit widerrufen, Rush«, sagte Flannagan kalt.

»Sie sind doch nur wütend, weil Ihre Rechnung nicht aufgegangen ist«, entgegnete der Betrüger. »Hier soll man wohl als ehrlicher Mann ausgenommen werden wie eine Weihnachtsgans. Sie sind es doch, der falschspielt, um den Gästen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Dafür werden Sie ja bezahlt. Und weil es nicht geklappt hat, wollen Sie alles auf mich schieben.«

»Wenn ich falschspielte, Rush, würden Sie es garantiert nicht merken. Ich ließe mich bestimmt nicht erwischen. Bei Ihnen aber habe ich viermal gesehen, dass Sie Karten aus dem Ärmel gezogen und welche hineingesteckt haben. Und dreimal haben Sie Karten gezinkt.«

Ohne den anderen aus den Augen zu lassen, griff der Gambler zu den Karten auf dem Tisch, tastete mit den Fingern über die Ränder und sortierte die gezinkten Blätter aus. »Sehen Sie sich die Ecken an, Mr Carry. Er hat Kerben mit den Fingernägeln hineingemacht. Man sieht sie auf den ersten Blick gar nicht. Pech, Rush, ich verstehe etwas vom Pokern. Wenn Sie das Geld sofort zurückzahlen, das Sie erschwindelt haben, und dann auf der Stelle verschwinden, ist die Sache erledigt. Wenn Sie das nicht wollen, lasse ich den Marshal holen. Der wird Ihnen die Ärmel hochkrempeln.«

»Meinen Sie, wie? Eine Unverschämtheit ist das!« Entrüstet wandte sich Rush ab und wollte zur Tür gehen. »Das ist ja die reinste Räuberhöhle, dieser Spielsaloon. Ich als harmloser Gast …«

»Stehen bleiben, Rush!«, rief Buck Flannagan scharf. »Erst wird abgerechnet. Gib das Geld raus, du dreckiger Betrüger, dann kannst du verschwinden.«

Der Mann blieb stehen. Für einen Moment rührte er sich nicht von der Stelle. Dann wirbelte er jäh herum und riss einen kurzläufigen Wells Fargo Colt aus einer Schulterhalfter.

Flannagans Rechte zuckte zum Revolver. Beide Schüsse krachten zur gleichen Zeit. Dennoch war die Kugel des Spielers schneller.

Flannagan krümmte sich leicht zusammen, während er von der Hüfte aus schoss. Die Detonationen erfüllten dröhnend den Spielsaal. Sengend heiß wie ein Peitschenhieb strich die Kugel des anderen am Hals Flannagans vorbei. Als sie sich in eine stuckverzierte Wand bohrte und ein mehr als handtellergroßes Loch in den Putz riss, brach Gordon Rush zusammen.

Er lebte noch einige Sekunden lang und wälzte sich stöhnend über den Teppich des Spielsaals. Dann lag er still.

Der Keeper hastete eilig herbei. Er war blass wie eine frisch gekalkte Wand.

»Hol den Marshal, Dobby.« Buck Flannagan schob den vernickelten Colt zurück in die Halfter. Er wirkte nach außen hin ganz ruhig. Mit sparsamen Bewegungen schob er eine schmale schwarze Zigarre zwischen die Lippen und riss ein Zündholz an, während der Keeper wortlos aus dem Raum eilte.

»War er – war er wirklich ein Falschspieler?«, fragte Herb Carry leise.