Die Hausboot-Detektei - Tödliche Blüten - Amy Achterop - E-Book

Die Hausboot-Detektei - Tödliche Blüten E-Book

Amy Achterop

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Beschreibung

Vier findige Privatdetektive, hunderte zerstörte Tulpen und eine verschwundene Gärtnerin – der fünfte Wohlfühl-Krimi mit der Amsterdamer Hausboot-Detektei Es wird Frühling in Amsterdam, und die vier Ermittler der Hausboot-Detektei freuen sich nach einem diesigen Winter auf Sonnenschein und Wärme. Ein blumiger Fall kommt da genau richtig: Eine Horde hungriger Wühlmäuse hat die Tulpenbeete der berühmten Keukenhof-Gartenanlage vor den Toren Amsterdams zerstört. Der Direktor des Parks wittert einen hinterhältigen Anschlag und engagiert die Hausboot-Detektive, die sich sofort in die Ermittlungen stürzen. Doch als eine Gärtnerin aus dem Team des Keukenhofs verschwindet, beginnen die Detektive zu ahnen, dass sich unter den schönen Blütenteppichen hässliche Geheimnisse verbergen.

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Seitenzahl: 360

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Amy Achterop

Die Hausboot-Detektei - Tödliche Blüten

Kriminalroman

 

 

Über dieses Buch

 

 

Es wird Frühling in Amsterdam, und die vier Ermittler der Hausboot-Detektei freuen sich nach einem diesigen Winter auf Sonnenschein und Wärme. Ein blumiger Fall kommt da genau richtig: Eine Horde hungriger Wühlmäuse hat die Tulpenbeete der berühmten Keukenhof-Gartenanlage vor den Toren Amsterdams zerstört. Der Direktor des Parks wittert einen hinterhältigen Anschlag und engagiert die Hausboot-Detektive, die sich sofort in die Ermittlungen stürzen. Doch als eine Gärtnerin verschwindet, beginnen die Detektive zu ahnen, dass sich unter den schönen Blütenteppichen hässliche Geheimnisse verbergen.

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Biografie

 

 

Amy Achterop alias Heidi van Elderen wollte eigentlich selbst auf ein Hausboot in Amsterdam ziehen. Dann wurde ihr klar, dass man dort zwar Hunde, aber keine Esel und Schafe halten kann. Deshalb genießt die am Niederrhein aufgewachsene Autorin heute nur echte und fiktionale Ausflüge in die Grachtenstadt. Die übrige Zeit lebt sie zusammen mit ihrem niederländischen Ehemann, ihren Kindern und vielen Tieren auf einem kleinen Bauernhof in Schweden.

Inhalt

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

Leseprobe

1. Kapitel

2. Kapitel

1

Nie hat der Tod besser gerochen als an diesem leuchtenden Frühlingsmorgen. Zacharias Muis, ein kleiner Mann mit kugeligem Bäuchlein, grau gelocktem Haarkranz und buschigen Augenbrauen, hält auf seinem Weg durch die Gärten des Keukenhofs inne und schnuppert vergnügt. Noch glaubt er, dass dieses Jahr das beste seines nunmehr schon sechzig Jahre andauernden Lebens wird. Noch freut er sich über den heute besonders intensiven Duft – frisch, fruchtig, betörend – und darüber, dass ihm auch in olfaktorischer Hinsicht ein Meisterwerk gelungen ist. Noch ist Zacharias Muis ein glücklicher Mann.

Doch dann biegt er ab, geht eine kleine Anhöhe hinauf und sieht sie leblos am Boden liegen. Ihm entfährt ein Stöhnen, während er zu Boden sinkt und die grausame Erkenntnis wie Gift in seine Seele tropft: Miss Universe ist tot. Und irgendwo gibt es jemanden, der ihn vernichten will.

 

Es vergehen fünfzehn, vielleicht zwanzig Minuten. Dann steht die Märzsonne über den drei großen Ulmen und Zacharias Muis kann zwar noch nicht richtig klar denken, aber immerhin wieder sprechen.

»Ein Anschlag auf den Keukenhof, Sie müssen sofort kommen«, sagt er in sein Telefon.

Am anderen Ende der Leitung fragt ein Polizist mit plötzlicher Dringlichkeit, ob es Tote oder Verletzte gibt.

Zacharias rappelt sich hoch, schaut sich um und überschlägt: »Mindestens sechshundert hat es erwischt.«

»Wie viele, sagen Sie?«, fragt der Polizist mit einer Stimme zwischen Unglauben und Entsetzen.

»Keine Menschen«, sagt Zacharias eilig und denkt, dass er zur Sicherheit auch noch erwähnen sollte, dass die Besuchersaison noch gar nicht angefangen hat und die Mitarbeiter frei haben. Aber erstens hat Kommunikation noch nie zu seinen größten Talenten gezählt, und zweitens fällt sein Blick just in diesem Moment auf das versteckte Beet hinter dem glatten, runden Felsen, das er und die Täter wohl übersehen haben. »Eine hat überlebt«, ruft er aus.

»Noch mal ganz langsam und von vorne«, sagt der Polizist in seinem Ohr, Zacharias hört, dass er nebenher tippt. Im Hintergrund piepst ein Funkgerät oder irgendeine andere Maschine. »Wie heißen Sie?«

»Zacharias Muis, ich bin Direktor des Keukenhofs, gerade vor Ort.«

»Wo genau im Keukenhof befinden Sie sich?«

Zacharias holt Luft, dann spricht er ganz schnell: »Im Garten der Neuen Stars, der liegt im Westen, südlich des großen Teiches. Hier präsentieren wir in diesem Jahr die schönsten neuen Sorten. Aber irgendein Irrer hat die Blumen gewaltsam abgerissen oder abgeschnitten und dann einfach auf den Beeten liegen lassen. Dort sind sie inzwischen natürlich verwelkt – es sieht aus wie auf einem Schlachtfeld.«

Der Polizist atmet hörbar aus. »Es geht um Tulpen?«

»Natürlich. Sie kennen doch sicher den Keukenhof? Die Parkanlage in Lisse, die jedes Jahr zur Tulpenblüte Hunderttausende Besucher aus aller Welt nach Südholland lockt?«

»Mit Anschlag meinten Sie also, dass jemand ein paar Blumen gepflückt hat?« Es klingt nun so, als könnte der Polizist nur mühsam einen Lachanfall unterdrücken.

Zacharias fühlt Wut in sich aufsteigen. »Nicht ein paar! Mindestens sechshundert, das habe ich doch eben schon gesagt. Und auch nicht irgendwelche Blumen, sondern die neuen Züchtungen. Dafür haben einige Menschen viele Jahre – ach, was sag ich: Jahrzehnte! – hart gearbeitet. Ich zum Beispiel. Fast zwanzig Jahre habe ich gebraucht, bis ich Miss Universe offiziell vorstellen konnte. Miss Universe ist übrigens die schönste Tulpensorte, die je gezüchtet wurde: tiefschwarz mit goldenen Streifen. Sie war die Favoritin auf die diesjährige Auszeichnung zur Tulpe des Jahres, und jetzt habe ich nur noch eine übrig.«

Der Polizist hüstelt. »Nun, die meisten Männer wären ziemlich froh, wenn sie wenigstens eine Miss Universe ihr Eigen nennen könnten.«

»Das ist nicht witzig«, schnauft Zacharias fassungslos. »Haben Sie nicht gehört? Tiefschwarz! Das ist vor mir noch niemandem gelungen.«

»Noch weniger witzig ist es, wenn Leute wegen solcher Lappalien den Notruf blockieren«, ranzt ihn der Polizist an. »Wenn Sie wollen, können Sie die Tage aufs Revier kommen und Anzeige wegen Sachbeschädigung erstatten.« Er legt auf.

Sachbeschädigung? Zacharias hat große Lust, noch einmal anzurufen und diesem ignoranten Kerl einen Vortrag über das Wesen der Pflanzen zu halten, sieht aber ein, dass dies verschwendete Liebesmüh wäre. Viel wichtiger ist jetzt außerdem, die überlebende Miss Universe in Sicherheit zu bringen.

Er geht über die welken Blüten, die plötzlich gar nicht mehr nach Frühlingsglück, sondern nach Verwesung riechen, und für einen kurzen Moment fühlt es sich so an, als ob sich gleich die Erde auftun und ihn verschlucken würde. Doch er erreicht ohne Zwischenfall die letzte lebende Miss Universe. Mit glänzenden Blättern steht sie im Licht, äußerlich unberührt.

»Was ist passiert?«, will er wissen. Sie antwortet nicht, auch wenn er meint, dass sie ihre schwarz-goldene Blüte ein paar Millimeter in seine Richtung neigt. Zacharias kniet vor ihr nieder und beginnt, mit bloßen Händen zu graben. Lange braucht er nicht, der Boden ist luftig und locker, und so kann der Keukenhof-Direktor schon kurz darauf die Tulpe behutsam aus dem Beet heben.

»Nicht einknicken, du Schöne«, flüstert er ihr zu. Dann trägt er sie über den kleinen Hügel, am Teich entlang, vorbei an dem Springbrunnen, dem Schwanenpaar und der neuen, drei Meter großen, mit Moos bewachsenen Katzenskulptur. Er geht über die Brücke, die gerade Allee entlang und erreicht schließlich einen der Seiteneingänge zum Park, wo das Bürogebäude steht.

Dessen Räume wirken heute wie ausgestorben, alter Teppichboden dämpft seine Schritte, die Luft ist ein bisschen muffig. Es ist keine würdige Umgebung für die schönste Tulpe der Welt. »Aber hier bist du erst einmal sicher.« Vorsichtig legt Zacharias die Tulpe auf seinen Schreibtisch und geht zu dem Wandschrank, in dem er Aktenordner, einige Blumentöpfe und zur Sicherheit auch immer einen Sack mit Erde aufbewahrt.

Zehn Minuten später steht Miss Universe in einem grauen Keramiktopf (der schwarze hätte farblich besser gepasst, aber der war zu klein) am einzigen Fenster, frisch gegossen mit handwarmem Leitungswasser. Zacharias Muis streichelt über ihr glänzendes Blatt und meint den Anflug eines Zitterns zu spüren. Verwunderlich wäre es nicht, nach so einer Nacht. Er schiebt den Topf zwei Zentimeter näher ans Fenster und vergewissert sich mit dem Zeigefinger, dass die Erde feucht genug, aber nicht zu nass ist. Musik könnte der Tulpe helfen, das Trauma zu überwinden, die kennt Miss Universe aus der Zeit, in der sie und ihre nun toten Schwestern noch ein wohlgehütetes Geheimnis im Gewächshaus waren. Etwas Sanftes von Verdi oder Mozart vielleicht.

Aber weil auch Zacharias Muis dringend etwas zur Beruhigung braucht, vertröstet er sie auf später, setzt sich an den Schreibtisch und ruft erst einmal seine Frau an. »Es ist etwas Schreckliches passiert, Täubchen«, sagt er und erzählt ihr alles.

»Aber nein, das tut mir so leid!«, sagt Helena. »Hast du schon etwas gegessen?«

»Ich habe die Polizei angerufen. Aber die kommt nicht.«

»Du musst etwas essen, das hilft gegen den Schock«, beharrt Helena.

»Ich muss herausfinden, wer mein Lebenswerk zerstören will«, widerspricht Zacharias und rückt dabei seine Brille zurecht. »Es würde mich nicht wundern, wenn mir jemand den Preis für die Tulpe des Jahres nicht gönnt.«

Helena seufzt mitleidig. »Ach, Schätzchen, das war doch sicher nur ein dummer Streich.«

Nie im Leben, denkt Zacharias. Das wäre ein viel zu großer Zufall, wenn ein aus dem Ruder gelaufener Schabernack irgendwelcher unerzogener Kinder ausgerechnet seine neue Tulpensorte vernichtet hätte. Außerdem haben die Täter nicht nur eine Handvoll Blumen ausgerissen, sondern gleich ganze Beete zerstört. Das erfordert Zeit, vermutlich mehrere Mittäter und gute Planung. Ihm fällt ein, dass er am Vortag nicht selbst im Garten der Neuen Stars war, die Tat also vielleicht schon vor der letzten Nacht stattgefunden hat. Andererseits wäre das doch sicher einem der Gärtner aufgefallen?

Helena unterbricht seine Überlegungen: »Soll ich vorbeikommen? Ich könnte eine Hühnersuppe mitbringen.«

Zacharias denkt an seine Frau, ihre sanften braunen Augen, ihre weichen Formen und die kleinen, emsigen Hände, die unaufhörlich Brotteig kneten, Pudding anrühren oder Gemüse schnippeln. Einen Moment überlegt er, Helena mit einem Taxi abholen zu lassen, aber dann sagt er: »Das ist lieb von dir, Täubchen. Aber deine Hüfte hat doch die letzten Tage so weh getan. Da ist es sicher besser, wenn du zu Hause bleibst und dich ein bisschen schonst.« Und obwohl ihm überhaupt nicht nach Essen zumute ist, fügt er hinzu: »Ich habe ja auch noch das Lunchpaket, das du mir mitgegeben hast.«

»Sauerteigbrot mit Hackbällchen, einem gekochten Ei, roter Beete und Essiggürkchen«, sagt Helena, die halb erleichtert (weil Autofahrten bei Hüftschmerzen eine Qual sind) und halb enttäuscht (weil sie ihrem Mann beistehen will) klingt.

Dann beenden sie das Gespräch und Zacharias ist wieder allein mit seiner Tulpe. »Was machen wir jetzt?«, fragt er, und da Miss Universe darauf keine Antwort hat, überlegt er selbst weiter: Er muss die Täter finden, damit sie nicht noch mehr Schaden anrichten können und eine gerechte Strafe bekommen. Aber er ist Tulpenzüchter und Keukenhof-Direktor, kein Ermittler. Der Allermutigste ist er auch nicht, und wer weiß, wozu die Blumenschlächter alles im Stande sind. Die Polizei will ihm ganz offensichtlich nicht helfen. Doch gibt es für solche Fälle nicht Privatdetektive? Das ist es!

»Wir engagieren die besten Spürnasen der Stadt, solche, die auch vor komplizierten Fällen nicht zurückschrecken und die notfalls mit unkonventionellen Methoden arbeiten«, sagt er. Schon will er im Telefonbuch unter »Privatdetektiv« nachschlagen, als ihm ein Zeitungsartikel über einen kniffligen Kriminalfall rund um Tiefseebergbau einfällt. Den Artikel hat er vor etlichen Monaten gelesen, aber er kann sich noch daran erinnern, dass es damals auch nicht die Polizei war, die den Fall gelöst hat.

Er greift zu seinem Smartphone. »Wir brauchen die Hausboot-Detektei.«

2

An Deck der Lakshmi, Sitz der ersten, einzigen und besten Hausboot-Detektei Amsterdams, stinkt es an diesem Donnerstag gewaltig.

»Durch den Mund atmen«, schlägt Elin vor.

»Besser noch wären Gasmasken«, findet Maddie.

»Dududu«, trällert Arie versuchsweise und wackelt mit dem Kopf hin und her und sieht vermutlich so aus, als hätte er zum Frühstück ein paar Irish Coffees zu viel getrunken. Was man eben alles so macht, wenn man seinem Enkel, der absolut nicht gewickelt werden will, die Windeln wechseln muss. Nicht dass es helfen würde: Der kleine Niels dreht und windet sich wie eine Forelle, die um ihr Leben kämpft.

»Erinnert ein bisschen an Sumoringen«, kommentiert Jan von der Seitenlinie, wo er herumtigert, weil Niels’ Zwillingsschwester Frida, die im Tragetuch auf seinem Bauch sitzt, das eben so will.

»Sehr lustig«, sagt Arie, Ex-Polizist, Gründer der Hausboot-Detektei und seit gut sechs Monaten stolzer und manchmal ziemlich erschöpfter Opa.

Hören tun die anderen das nicht, da Niels im selben Augenblick losbrüllt und Frida fünf Sekunden später einstimmt. Fru Gunilla, Jans Eichhörnchen, springt mit einem großen Satz von der Reling an Land, flitzt den nächsten Baumstamm hoch und verschwindet in der noch winterkahlen Krone. Hund, Aries Neufundländer, erhebt sich ächzend, verlässt seinen Sonnenplatz am Bug des alten Kahns und flüchtet in die wettermäßig benachteiligte, aber ruhigere Kombüse. Arie würde es ihm gerne gleichtun oder sich wenigstens Ohren und Nase zuhalten, aber er hat ja auch so schon zu wenig Hände. Zum Glück leihen ihm Elin und Maddie nun ihre. Maddie entsorgt die volle Windel, Elin zaubert die Krokodil-Handpuppe irgendwo her und lenkt den Kleinen so lange ab, dass Arie ihn sauber machen, neu wickeln und anziehen kann.

Als es wieder nach Amsterdamer Frühling und Babypuder riecht und Niels und Frida auf Aries respektive Jans Bauch fröhlich vor sich hin brabbeln, klingelt das Telefon.

»Vermutlich Matts, der sagt, dass sie doch früher als geplant zurückkommen, weil sie ihre Kinder so sehr vermissen«, hofft Arie und nickt Maddie zu, weil man ohne Baby auf dem Arm besser telefoniert als mit.

»Der Hausboot-Kindergarten, Maddie am Apparat«, meldet sie sich.

Daran, wie sie sich kurz darauf nur mühsam ein Lachen verkneift und gleichzeitig ein bisschen rot wird, sieht Arie, dass doch nicht sein Sohn dran ist.

»Nee, nee, Detektei ist schon richtig«, beeilt sich Maddie kurz darauf zu sagen. Sie lauscht, runzelt die Stirn: »Ist das nicht eher ein Job für die Polizei?«

Offenbar nicht, denn am anderen Ende der Leitung wird weitergeredet, bis Maddie irgendwann sagt: »Ich verstehe.«

Als sie aufgelegt hat, fragt Elin: »Ein neuer Fall?«

»Arbeitstitel: Massaker im Keukenhof«, sagt Maddie. »So hat es jedenfalls der Direktor Zacharias Muis bezeichnet.«

»Ohne Leichen?«, vermutet Arie, weil Maddie grinst und weil sonst wahrscheinlich doch eher die Polizei ausgerückt wäre.

Maddie nickt bedächtig. »Keine Leiche, aber jede Menge tote Tulpen.«

»Wir haben sowieso schon viel zu lange keinen Ausflug mehr gemacht«, sagt Jan und pfeift nach Fru Gunilla. »Nehmen wir die Kutsche?«

Die Kutsche ist der neue Gebrauchtwagen der Hausboot-Detektei, ein dunkelgrüner, nur ganz leicht verbeulter Multivan mit sieben Sitzen und genug Platz, um vier Detektive, zwei Enkelkinder, einen Neufundländer, ein Eichhörnchen, einen zusammengeklappten Zwillingswagen, eine Wickeltasche und einen Picknickkorb zu transportieren. Onno, Maddies Nachbar und im letzten Herbst auch Kunde der Detektei, hat ihnen das Auto geschenkt, nachdem er dank ihres Einsatzes an ziemlich viel Geld gekommen ist.

»Wo liegt dieser Keukenhof eigentlich?«, fragt Elin.

»Etwa vierzig Kilometer südwestlich von hier, in Lisse«, berichtet Jan. »Mit dem Auto und ohne Stau sind das etwa vierzig Minuten.«

»Ein bisschen Stau ist immer«, weiß Maddie.

Am Ende dauert es fast zwei Stunden, bis Jan das Auto auf den Parkplatz steuert, und das gar nicht mal wegen des hohen Verkehrsaufkommens, sondern weil Niels und Frida ohne spontanen Fläschchenstopp auf halber Strecke möglicherweise verhungert wären.

Sie steigen aus. Als Arie den Kinderwagen aufklappt, tritt ihnen ein älterer, etwas derangiert wirkender Mann entgegen. Seine eckige Brille sitzt schief auf der roten Knubbelnase, die Hose ist voller Erdflecken, am Hemd fehlt ein Knopf, und im Arm hält er einen Blumentopf mit Tulpe.

»Es tut mir leid, aber wir öffnen erst nächste Woche«, sagt er. Offenbar hält er sie für Besucher.

»Bist du Zacharias Muis?«, rät Maddie. »Wir haben eben telefoniert.«

»Ihr seid das also?«, realisiert der Direktor des Keukenhofs, mustert Maddies Jumpsuit mit großem Mandala-Muster und guckt einigermaßen verwirrt. »Ich weiß nicht, warum, aber Detektive habe ich mir ganz anders vorgestellt.«

Vermutlich mit schwarzen Anzügen, Sonnenbrillen und einem Wagen mit viel PS und abgedunkelten Scheiben, denkt Arie. Er kann es dem Mann nicht verdenken.

»Gute Tarnung ist manchmal die halbe Ermittlungsarbeit«, sagt Elin mit todernster Miene.

Arie schnallt Frida ab, hebt sie aus dem Auto und legt sie in den Kinderwagen. »Dadada«, brabbelt sie mit schläfrig zufriedenem Blick. Dann ist Niels an der Reihe.

Zacharias beobachtet ihn. »Das scheint mir eine recht arbeitsintensive Tarnung zu sein.«

Arie lächelt. »Meine Enkelkinder sind nur ausnahmsweise dabei.«

Mit leisem Seufzen klettert nun auch Hund aus dem Wagen. Fru Gunilla springt hinterher, stößt sich auf dem haarigen Neufundländerrücken ab und landet auf Jans linker Schulter.

»Und das?«, fragt Zacharias Muis.

»Das ist Fru Gunilla, unser Eichhörnchen und eine unserer besten Mitarbeiterinnen«, sagt Jan.

Zacharias Muis streicht sich über die Halbglatze, die wie seine Hände voller Altersflecken ist: »Inzwischen soll es ja sogar Ratten geben, die Minen aufspüren können.«

Jan krault Fru Gunilla hinter ihren Ohren, die die wärmenden Winterfellpuschel trotz des schönen Frühlingswetters noch nicht verloren haben. »Sie hat schon bei mehreren Fällen entscheidend zur Aufklärung beigetragen, zum Beispiel indem sie Beweismittel aufgespürt hat.«

Arie muss spontan ein bisschen husten. Das war wirklich die Übertreibung des Jahres. Ja, ja, es stimmt schon, dass Fru Gunilla ihnen schon mal durch Zufall geholfen hat. Es stimmt aber auch, dass das putzige Eichhörnchen die meiste Zeit auf dem Hausboot damit verbringt, Körnervorräte zwischen Aries frischgewaschenen T-Shirts anzulegen, Nussschalen an Deck und in der Kombüse zu verteilen und gelegentlich ein bisschen Porzellan zu zerdeppern. Seit einigen Monaten hat es zudem die nervige Angewohnheit, glitzernde Gegenstände, darunter Lesebrillen mit Goldrand, Schrauben und Löffel zu stibitzen und anschließend zu verstecken.

Als ob Jan Aries Gedanken erraten könnte, fügt er hinzu: »Außerdem ist Fru Gunilla natürlich unser Glücksbringer.«

Und da kann auch Arie nicht widersprechen.

 

Einige Minuten später sind der Keukenhof-Direktor und die Detektive samt Anhang auf dem Weg zum Garten der Neuen Stars.

»Wunderschön«, freut sich Elin, während sie an einem glitzernden Gewässer entlanglaufen. Auf der angrenzenden Rasenfläche schaukeln Hunderte, Tausende gelbe, weiße und orangefarbene Osterglocken im sachten Wind, hier und da glänzen blaue Hyazinthen.

»Das ist erst der Anfang«, sagt Zacharias. »Am schönsten ist es hier in etwa drei bis vier Wochen, wenn die meisten Tulpen blühen. Allerdings ist dann in der Regel auch sehr viel los.«

Arie schaut auf den Blumentopf, den der Keukenhof-Direktor mit sich herumträgt.

»Das ist eine Miss Universe, meine eigene Züchtung. Sie blüht besonders früh und außergewöhnlich lang.« Zacharias Muis schluckt, blinzelt und für einen Moment glaubt Arie, dass der Mann gleich in Tränen ausbricht. Aber dann fängt er sich. »Die Sorte wäre ganz sicher als Tulpe des Jahres ausgezeichnet worden, aber jetzt gibt es nur noch einen Notfallsack mit Zwiebeln, die ich nicht ausgepflanzt habe, und diese eine blühende Vertreterin.« Nun blickt er die Tulpe an und sagt: »Aber keine Sorge, dich werde ich hüten wie meinen Augapfel.«

Jan sagt: »Sie ist wirklich sehr schön.«

»Einzigartig«, bestätigt Zacharias und zückt nun doch ein Taschentuch.

Der Weg macht eine Kurve, in einem Teich plätschert ein Springbrunnen, sie gehen an ein paar herzförmigen Beeten mit bunten Krokussen vorbei. Arie weiß nie genau, wie er mit weinenden Kunden umgehen soll: Irish Coffee anbieten oder in den Arm nehmen? Ersteres ist gerade nicht praktikabel, Letzteres fühlt sich irgendwie falsch an. Er versucht es mit Ablenkung: »Ich hätte ja gedacht, dass es hier vor Gärtnern nur so wimmelt. Es sind doch sicher unzählige Leute damit beschäftigt, die Beete so gut in Schuss zu halten?«

Zacharias schnäuzt sich umständlich, dann räuspert er sich und erklärt, dass alle vierzig fest angestellten Gärtnerinnen und Gärtner von Donnerstag bis einschließlich Sonntag frei bekommen haben. »Damit sie vor dem Besucherrummel noch einmal durchatmen können. Nur ich und der Nachtwächter arbeiten über das Wochenende.«

Sie biegen links ab, folgen einem Holzschild mit der Aufschrift Garten der Neuen Stars.

»Hier präsentieren wir neue Sorten«, sagt Zacharias, während sie eine kleine Böschung hinaufgehen, dann bleibt er abrupt stehen und deutet mit einer Handbewegung nach vorne.

»Oh je«, murmelt Maddie.

»Autsch«, sagt Jan, während Fru Gunilla seine Schulter verlässt, quer über das Beet hüpft und nach einem Abstecher in einen blühenden Kirschbaum von der Bildfläche verschwindet.

»Baba«, brabbelt Niels im Kinderwagen.

Sie schauen auf den bunten Teppich verwelkter Blumen, der von einem netzartigen Muster aus dünnen dunklen Erdstreifen durchzogen ist, und Arie denkt, dass er schon lange nicht mehr so viel sinnlose Zerstörungswut gesehen hat. Er stellt die Bremse des Kinderwagens fest, lässt den Wagen auf dem Weg stehen und macht ein paar Schritte nach vorne, wundert sich darüber, wie weich und nachgiebig die Erde ist, und nimmt eine welke Tulpe hoch. »Ist nur die Sorte Miss Universe betroffen?«, fragt er.

Zacharias schüttelt den Kopf. »Auch bei der Orange Duchess, der Game of Flames und der Vanilla Ice Cream gab es Verluste, aber nirgendwo haben sie so gewütet wie hier. Insgesamt sind mehr als sechshundert Tulpen zerstört.«

»Das muss doch Stunden gedauert haben, die alle abzupflücken. Hast du nicht eben erzählt, dass es hier einen Nachtwächter gibt?«, fragt Maddie, während Elin mit prüfendem Blick über die Beete spaziert.

Zacharias nickt nachdenklich. Arie meint, an seinem Gesichtsausdruck sehen zu können, was er gerade erwägt: Könnte der Nachtwächter der Täter sein? Anscheinend verwirft er diese These jedoch schnell wieder, denn er sagt: »Wir können ihn gleich anrufen und fragen, ob er etwas Verdächtiges gehört hat.«

»Vielleicht haben sie eine Handsense benutzt. Die ist leise, und man kann in kurzer Zeit viele Tulpen abschneiden«, überlegt Jan und geht in die Hocke, um den Boden näher in Augenschein zu nehmen.

»Fußspuren?«, erkundigt sich Arie.

Neben ihm interessiert sich nun auch Hund für den Grund, auf dem er steht. Er hebt seine linke Vorderpfote und gräbt los, dass die Erdklumpen fliegen.

»Aus!«, sagt Arie.

Hund lässt die Pfote sinken, wühlt dafür aber schwanzwedelnd mit der Nase weiter.

»Keine Fußspuren, aber seltsamerweise auch keine Tulpenzwiebeln«, sagt Jan.

»Die sind weg«, bestätigt Zacharias mit Grabesstimme.

Arie hat eine spontane Theorie: »Könnte es sein, dass die Diebe die Zwiebeln verkaufen wollen?«

»Eher essen«, sagt Elin trocken. Sie ist von ihrem kleinen Rundgang über die Beete zurückgekehrt und gesellt sich zu den anderen.

Hä?, denkt Arie und sagt: »Die sind doch giftig.«

Elin zuckt mit den Schultern. »Nicht für Wühlmäuse.«

»Wühlmäuse?«, wiederholt Arie.

»Eine ganze Legion, wenn ich richtigliege«, bestätigt Elin. »Seht ihr die länglichen Erdhaufen? Und habt ihr gemerkt, wie der Boden an einigen Stellen nachgibt, wenn man darüber läuft? Sichere Anzeichen. Genauso die ovale Öffnung da vorne«, sie deutet auf eine etwas entfernte Stelle am Boden. »Das ist ein Tunneleingang.«

Zacharias Muis ist blass geworden. Er übergibt den Blumentopf mit der geretteten Miss Universe an Jan und nimmt nun seinerseits den Boden genauer in Augenschein.

Arie wundert sich, dass er das nicht schon früher gemacht hat. Würde ein erfahrener Gärtner und Blumenzüchter einen Wühlmausangriff nicht sofort als solchen erkennen?

»Diese Biester«, murmelt der Keukenhof-Direktor schließlich. »Ich muss heute Morgen zu geschockt gewesen sein, um die Spuren zu erkennen.« Dann zieht er sein Smartphone aus der Hosentasche und bestellt die Kammerjäger, um der Plage ein Ende zu bereiten. »Ich weiß, dass das nicht einfach wird«, grummelt er. Dann sagt er noch: »Es eilt«, legt auf und nimmt Jan den Blumentopf mit Tulpe wieder ab.

Jan pfeift nach Fru Gunilla, die sich aber nicht blicken lässt.

Schade, denkt Arie. Ihm hat die Vorstellung, noch einige sonnige Frühlingstage mehr in diesem schönen Park zu verbringen, ziemlich gut gefallen. Aber kaum hat dieser neue Auftrag angefangen, ist er auch schon wieder vorbei.

»Gärtnerpech«, kommentiert Elin lakonisch.

Zacharias Muis schüttelt vehement den Kopf. »Das war ein hinterhältiger und vorsätzlicher Angriff.«

Maddie reibt ihr linkes Ohrläppchen und wirft Arie einen fragenden Blick zu, den er mit »Wie können wir dem Mann schonend beibringen, dass er spinnt?« übersetzt.

»Jemand hat die Wühlmäuse absichtlich ausgesetzt, damit sie meine Miss-Universe-Tulpen zerstören«, beharrt Zacharias.

»Das wäre aber eine sehr riskante Methode. Denn falls es keine dressierten Wühlmäuse waren, kann man ihnen doch kaum vorschreiben, welche Blumenzwiebeln sie fressen«, widerspricht Jan vorsichtig. »Die Nager hätten genauso gut in die andere Richtung laufen und das Narzissenfeld dahinten zerstören können.«

»Eben nicht. Wühlmäuse rühren Narzissen und Hyazinthen nicht an, lieben aber Tulpenzwiebeln«, sagt Zacharias.

»Habt ihr hier früher schon mal Probleme mit Wühlmäusen gehabt?«, erkundigt sich Maddie.

»Für den Fall der Fälle haben wir im Vorrat einige Fallen, Giftköder und Geräte, die die Tiere mit Hilfe von Ultraschall vertreiben sollen. Aber bislang mussten wir die Sachen nie einsetzen. Zum Glück mögen Wühlmäuse es nämlich nicht, wenn man ständig auf ihren Tunnelsystemen rumtrampelt. Die vielen Besucher und die intensive Pflege der Beete sind also die beste vorbeugende Maßnahme. Auch deshalb bin ich überzeugt, dass die Tiere hier nicht aus eigenem Willen eingewandert sind.«

»Fru Gunilla?«, ruft Jan und pfeift wieder. Er klingt bereits ein wenig genervt.

Elin schaut zweifelnd. »Das müssen sehr viele, sehr hungrige Wühlmäuse gewesen sein, Hunderte. Wie würde man die denn überhaupt hierherbringen?«

»Das herauszufinden ist doch euer Job«, sagt Zacharias.

Offensichtlich ist der Auftrag doch noch nicht abgeschlossen, denkt Arie und macht einen Abstecher zum Kinderwagen. Die Zwillinge schlafen selig.

»Hast du eine Ahnung, wer so etwas machen könnte?«, will Maddie wissen.

Über diese Frage hat Zacharias Muis offenbar schon nachgedacht, denn ohne Denkpause sagt er: »Neider aus der Tulpenzüchterszene, oder Mitarbeiter, die auf meinen Job oder auf Rache aus sind.« Er zögert und schaut Miss Universe an. »Mit Pflanzen kann ich besser als mit Menschen.«

Falls die Wühlmäuse tatsächlich hier ausgesetzt wurden, spricht einiges für die Angestellten, denkt Arie. Sie kennen sich im Park gut aus und können sich sicher leicht Zugang verschaffen. »Hast du an jemand Bestimmten gedacht?«, fragt er.

Zacharias Muis zögert. »Nicht wirklich.«

Endlich mal jemand, der noch schlechter lügt als er selbst, denkt Arie. »Wir können dir nur helfen, wenn du uns die ganze Wahrheit sagst.«

Zacharias nimmt seine Brille ab, reibt die Gläser mit dem Stoff seines Hemdes ab und setzt sie wieder auf. »Einer der Gärtner hat mir neulich erzählt, dass Linn, meine langjährige Assistentin, ein Auge auf meinen Job geworfen hat. Sie hat wohl gesagt, dass eigentlich sie diejenige ist, die den Laden schmeißt, und dass es nur fair wäre, wenn sie dafür auch angemessen bezahlt würde.«

»Stimmt das denn?«, fragt Elin.

Zacharias guckt ein wenig angefasst. »Ich habe eine schwarz-goldene Tulpe gezüchtet, was noch niemandem vor mir gelungen ist. Allein das sollte mich doch schon für meinen Posten qualifizieren. Abgesehen davon hatten wir noch nie so gute Umsatzzahlen wie im letzten Jahr.«

»Das meinte ich nicht«, sagt Elin. »Ich wollte wissen, ob Linn das wirklich gesagt hat oder ob das nur Gerüchte sind, die die Kollegen in die Welt gesetzt haben?«

»Woher soll ich das wissen?«, erwidert Zacharias.

»Du hättest Linn auf die Sache ansprechen können?«, schlägt Maddie vor.

Zacharias guckt erschrocken. »Sie würde ausrasten.«

»Du hast Angst vor ihr«, vermutet Jan.

»Alle haben Angst vor Linn«, sagt Zacharias, verbessert sich dann aber schnell. »Keine Angst natürlich. Respekt. Linn kann sehr …«, er sucht eine Weile nach dem richtigen Wort, dann fährt er fort: »… sehr temperamentvoll sein.«

»Du meinst cholerisch?«, übersetzt Maddie.

Zacharias geht darauf nicht ein, sondern erklärt stattdessen, dass Linn als Täterin sowieso nicht in Frage käme. »Sie ist zurzeit nämlich auf einem Yoga-Retreat in Belgien.«

»Da ist sie ja endlich«, ruft Jan aus.

Arie schaut auf und sieht Fru Gunilla über das zerstörte Beet flitzen. Sie trägt etwas im Mäulchen.

»Ich hoffe, es hat kein Küken aus einem Nest geraubt«, sagt Zacharias.

Aber zum Glück ist es kein totes Vogeljunges, das Fru Gunilla bald darauf in Jans Hemdtasche fallen lässt, sondern ein Erdklumpen, der an einer Stelle golden glitzert.

»Ein Ehering«, sagt Jan, nachdem er den Dreck entfernt hat.

»Vielleicht hat ihn einer der Gärtner verloren«, sagt Zacharias.

»Schau mal, ob etwas eingraviert ist«, schlägt Arie vor.

»Olivia«, liest Jan. »Da ist auch ein Datum, aber das kann ich nicht entziffern. Sieht so aus, als ob der Ring schon länger hier gelegen hat.« Begleitet von Fru Gunillas empörtem Schnattern gibt er den Ring an Zacharias.

»Ich kenne keine Olivia und meines Wissens auch niemanden, der mit einer Olivia verheiratet ist«, sagt der Keukenhof-Direktor. »Aber ich werde am Montag im Team fragen, ob jemand den Ring vermisst, und sonst einen Aufruf über Social Media machen. Eheringe, die nach Jahren endlich wieder zurück zu ihren Besitzern finden, sind doch immer wunderbare PR-Geschichten.«

»Kommt drauf an, ob jemand den Ring verloren oder absichtlich weggeworfen hat«, sagt Elin.

Hund gähnt, im Kinderwagen werden die Zwillinge unruhig. Zeit, den Heimweg anzutreten, falls sie das Wickeldrama vom Morgen nicht zwischen den Tulpenbeeten wiederholen wollen, denkt Arie. Aber eines müssen sie vorher noch klären. »Wie machen wir jetzt weiter? Ich würde vorschlagen, dass wir am Montag wiederkommen und alle Gärtnerinnen und Gärtner befragen. Vorher könnten wir noch mit dem Nachtwächter sprechen.«

»Könnt ihr keine Fingerabdrücke nehmen oder Fußspuren untersuchen?«, fragt Zacharias.

»Nein«, sagt Arie.

»Na ja, eigentlich fällt das ja auch in den Zuständigkeitsbereich der Polizei. Nur dass die sich leider nicht zuständig fühlt, wenn es um Tulpen geht«, seufzt Zacharias. »Ich würde es vorziehen, wenn die Ermittlungen irgendwie diskret ablaufen könnten, damit die Presse keinen Wind davon bekommt. Wühlmausangriff im Keukenhof ist nämlich nicht die Schlagzeile, die ich mir zur Eröffnung erhofft habe.«

»Du könntest vorübergehend eine neue Gärtnerin einstellen, die sich unauffällig ein bisschen umhört«, schlägt Elin vor.

Das war klar, denkt Arie. So ein Auftrag wäre ganz nach Elins Geschmack.

»Das ist ein großartiger Plan«, sagt Zacharias Muis. »Montagmorgen um acht kannst du anfangen.«

Jan verdreht die Augen und spricht dann aus, was Arie denkt. »Weißt du noch, Elin, was die letzten Male passiert ist, als du inkognito ermittelt hast?«

»Stimmt«, erinnert Elin sich, lächelt aber breit. »Doch in diesem Fall haben wir es mit Wühlmäusen und möglicherweise einem Tulpenhasser zu tun. Von Auftragskillern, kriminellen Banden und Bombenlegern keine Spur.«

»Sagst du jetzt«, sagt Arie, doch er findet selbst, dass er es mit den Bedenken möglicherweise übertreibt.

Und so kommt es, dass die Hausboot-Detektei zehn Minuten später einen neuen Auftrag und Elin einen neuen Job hat.

3

Fru Gunilla muss am Samstag zu Hause bleiben. »Es dauert bestimmt nicht lange«, verspricht Jan. Er nimmt das Eichhörnchen von seiner Schulter und setzt es auf das Bett in seinem Bauwagen, der auf einem Campingplatz am Gaasperpark im Südosten der Stadt steht und seit etlichen Jahren sein Zuhause ist. Fru Gunilla schnalzt lautstark und stampft mit den Vorderpfoten auf die Decke.

»So süß kann nur ein Eichhörnchen schimpfen«, sagt Juanita, die es sich mit ihrem Zeichenblock und einer Tüte Lakritz gemütlich gemacht hat, und nimmt eine Dose vom Bücherregal an der Wand hinter der Matratze. »Kann ich dich vielleicht mit einer Walnuss bestechen? Und wenn ich ein bisschen gearbeitet habe, gehen wir spazieren.«

»Die Walnüsse sind alle«, sagt Jan, während Fru Gunilla mit Anlauf in seine Hemdtasche springt. Er holt sie wieder heraus.

Tut, tut, tut, hupt Arie draußen fröhlich, aber auch ein bisschen drängelnd. Sie sind spät dran.

»Willst du das beste aller Eichhörnchen nicht doch mitnehmen?«, fragt Juanita.

Jan schüttelt den Kopf. »Nicht, solange sie sich wie das schlechttrainierteste aller Eichhörnchen benimmt und ich nicht weiß, ob unser neuer Kunde Kronleuchter oder wertvolle Vasen in seinem Haus hat.« Er geht zur kleinen Kochzeile und findet eine Tasse mit Sonnenblumenkernen. Nicht so gut wie Walnüsse, aber ausreichend, um Fru Gunilla einen Moment abzulenken. Er verstreut die Kerne auf dem Boden, küsst Juanita auf den Mund und macht, dass er rauskommt.

»Warst du früher nicht immer derjenige, der notorisch zehn Minuten zu früh kommt?«, begrüßt ihn Elin. Sie sitzt auf dem Beifahrersitz, Jan steigt hinten zu Hund in den Van.

»Da war ich auch noch alleinstehende, haustierlose Beamtin, kein Detektiv mit Eichhörnchen.« Jan streichelt Hund und schnallt sich an. »Holen wir Maddie noch ab?«

»Die bleibt heute bei Isa«, sagt Arie und gibt Gas.

 

Eine gute halbe Stunde später rollen die Detektive durch die grüne Polderlandschaft am Rande Sassenheims, ein Städtchen zwischen Lisse und Leiden, mitten in der südholländischen Blumenzwiebelregion, Bollenstreek genannt, die von Sanddünen im Westen vor allzu harschen Nordseewinden geschützt wird. Im April und Mai ist es hier am schönsten, wenn neben Narzissen, Hyazinthen und Krokussen Unmengen von Tulpen blühen. Aber nach einem milden Winter und einem bislang ungewöhnlich warmen März sieht es jetzt schon so aus, als wäre der niederländische Maler Piet Mondrian persönlich hier gewesen und hätte mit geraden Linien und prächtigen Farben ein einmaliges Landschaftsbild gemalt. Auf höher gelegenen Wegen radeln bereits die ersten Touristengruppen durch die Blumenfelder.

Das große Geschäft wird allerdings gar nicht mit Touristen gemacht. »Ich habe mal gelesen, dass die Niederlande jedes Jahr mehr als eine Milliarde Blumenzwiebeln exportieren, etwa die Hälfte davon Tulpen«, sagt Elin. »Das ist doch ganz schön verrückt. Und gleichzeitig wächst wohl der Verkauf von Schnittblumen.«

»Völlig verrückt«, findet auch Arie. »Aber wenn man schon eine Milliarde von irgendwas in alle Welt verkaufen muss, sind Blumenzwiebeln nicht die schlechteste Wahl.«

»Denkt nur, wie viele Gartenbesitzer die Tulpenbauern froh machen«, meint Jan und sie überlegen gemeinsam, welche Tulpenfarbe wohl am beliebtesten ist, bis Arie langsam auf das rote Backsteinhaus von Helena und Zacharias Muis zusteuert.

»Hier könnte ich auch wohnen«, sagt Jan. Er drückt auf den Knopf, der das Fenster öffnet, und hält das Gesicht in den Wind. Die Luft schmeckt nach Salz, über den weiten blauen Himmel ziehen Schäfchenwolken. Ein paar nougatbraune Kühe liegen kauend auf den Wiesen, über den Entwässerungsgräben kreisen Möwen.

»Da brauchst du erst einen Lottogewinn«, sagt Arie und parkt vor dem reetgedeckten Carport zwischen Wohnhaus und alter Scheune. Im parkähnlichen Garten, der bestimmt so ausgedehnt ist wie ein Fußballfeld, steht ein großes Gewächshaus, hinter dessen Scheiben man die Silhouette eines Mannes erkennt.

Elin hüpft aus dem Auto, weißer Kies knirscht unter ihren alten Turnschuhen. »Von dem Lottogewinn kannst du dir dann nicht nur das Haus, sondern gleich noch einen Gehörschutz kaufen«, sagt sie zu Jan und deutet nach Süden zur A44, auf der Autos, Wohnwagen, Pferdetransporter, Motorräder und Lastwagen hin und her brausen. »Ist euch schon mal aufgefallen, dass es in diesem Land fast keinen Ort gibt, an dem man keinen Verkehrslärm hört?«

Stimmt, denkt Jan. Seine Meinung über das Haus ändert das aber kaum: »Nach einer Weile klingt es vielleicht weniger wie Autobahn und mehr wie Meeresrauschen.«

Elin sieht nicht überzeugt aus. Hund auch nicht, wobei es für ihn um die Frage geht, ob er aussteigen oder im Wagen bleiben soll. Er entscheidet sich für Letzteres, rollt sich zusammen und schließt die Augen.

Arie öffnet den Kofferraum und ein paar Fenster, damit es nicht zu heiß wird. »Irgendwie gefällt er mir in letzter Zeit nicht«, sagt Arie. »Ist euch auch aufgefallen, dass er oft so müde wirkt?«

»Tut er das nicht schon immer?«, fragt Elin nach.

Jan denkt, dass der Neufundländer seit dem Winter tatsächlich sehr müde und vor allem sehr alt aussieht – möglicherweise älter, als die meisten Vertreter seiner Rasse überhaupt werden. Aber das behält er für sich. Nicht nur, weil diese Wahrheit Arie das Herz brechen könnte, sondern auch, weil Zacharias Muis inzwischen aus dem Gewächshaus gekommen ist und ihnen über den Kiesplatz entgegengeht.

»Guten Tag!« Er streckt Arie eine leicht erdverschmierte Rechte hin.

In der Linken trägt Zacharias die überlebende Miss Universe, die, wenn Jan sich richtig erinnert, inzwischen in einen noch etwas größeren schwarzen Blumentopf umgezogen ist. Jan kennt sich mit Blumen nicht besonders gut aus, fragt sich aber, ob und wie es sich wohl auf eine Tulpe auswirkt, wenn sie ständig herumgetragen wird.

»Ihr geht es ganz ausgezeichnet«, sagt Zacharias, als ob er Gedanken lesen könnte. Im Hintergrund wird die Haustür geöffnet, eine Frau kommt heraus. Sie hat weiche, angenehm zerknitterte Gesichtszüge und erdbeerrotes Haar mit grauem Ansatz. Steif und leicht hinkend geht sie in ihre Richtung, während Zacharias weiterspricht: »Ich glaube, sie weiß, dass ich gut auf sie aufpasse, Pflanzen haben da oft ein sehr feines Gespür. Die einzige Sorge, die ich habe, ist, dass ich aus Versehen stolpere und sie fallen lasse.« Zacharias macht eine abwehrende Bewegung, als könne er den schrecklichen Gedanken so aus seinem Geist verbannen.

»Es ist so schlimm, dass die Tulpe im Moment nachts bei uns im Schlafzimmer neben dem Bett steht«, sagt die Frau, die nun neben ihnen steht. Sie legt Zacharias eine Hand auf die Schulter. »Und die Reserve-Zwiebeln der Miss-Universe-Sorte hat er im Safe eingeschlossen.«

»Das ist Helena, meine Frau«, sagt Zacharias, dann stellt er die Detektive vor.

Es gibt noch eine Runde Händeschütteln, anschließend fragt Jan: »Züchtest du auch Tulpen, Helena?«

»Gott bewahre«, sagt Helena mit gespieltem Entsetzen. »Schlimm genug, dass ich meinen Ehemann seit zwanzig Jahren mit Miss Universe teilen muss.«

Zacharias lacht etwas unbeholfen. »Zum Glück ist Helena nicht eifersüchtig.«

»Zum Glück«, wiederholt Helena, wirft dabei aber der Tulpe einen Blick zu, der Jan denken lässt, dass Helenas Verständnis für die Leidenschaft ihres Mannes vielleicht kleiner ist, als dieser gerne glauben möchte.

Zacharias wechselt das Thema. »Habt ihr schon etwas herausgefunden?«

»Nun ja …«, beginnt Arie, wird aber von Helena unterbrochen. »Erst müsst ihr reinkommen und etwas essen.«

Zehn Minuten später, in einem geräumigen Wintergarten im Landhausstil, legt Arie zwischen zwei Bissen Birnenkuchen die Gabel auf den blau-weißen Porzellanteller und berichtet von seinem Treffen mit dem Nachtwächter, einem gewissen Kurt Barend. Auch Kurt ist ein ehemaliger Polizist, der anders als Arie allerdings nicht gefeuert wurde, sondern wegen chronischen Burn-outs und Schlafproblemen mit Mitte 50 aus dem Dienst ausgeschieden ist. »Der Nachtwächter-Job ist viel entspannter, ich mache das jetzt seit vier Jahren«, hat er erzählt und dann angefangen zu weinen.

»Ich glaube, Kurt macht sich Sorgen, seinen Job zu verlieren«, sagt Arie nun zu Zacharias.

»Aber er hat mit den Wühlmäusen doch nichts zu tun? Er hätte ja gar kein Motiv«, wirft Helena ein.

»Das glaube ich auch nicht, falls er nicht ein sehr guter Schauspieler ist«, sagt Arie. »Aber er macht sich Vorwürfe, nichts bemerkt zu haben. Ihm zufolge war es an jedem Abend dieser Woche ganz ruhig im Park. Er hat weder unbefugte Leute noch Wühlmäuse bemerkt.«

»Natürlich wird Kurt seinen Job nicht verlieren, ich habe großes Vertrauen zu ihm«, sagt Zacharias. »Und ich sehe ein, dass ein Einzelner in einem 32 Hektar großen Park nicht alles sehen kann. Für die nächsten Nächte werde ich einen zusätzlichen Sicherheitsdienst engagieren, und an den Zäunen will ich Überwachungskameras installieren lassen. Aber habt ihr nicht doch verwertbare Spuren gefunden? Ich denke da an Fußabdrücke oder vielleicht einen Stofffetzen, falls einer der Täter oder eine der Täterinnen mit der Jacke am Zaun hängen geblieben ist.«

»Wenn überhaupt, dann Täter«, sagt Helena. »Eine Frau würde so etwas doch nicht machen. Für mich wirkt das alles wie der Streich ein paar pubertierender Jungen. Wenn die Wühlmäuse nicht doch von selbst eingewandert sind.«

Zacharias sieht über diese Bemerkung nicht glücklich aus und für einen Moment denkt Jan, dass dies der Auftakt einer lebhaften Diskussion, wenn nicht gar eines handfesten Ehekrachs werden könnte. Aber dann entspannen sich Zacharias’ Gesichtszüge und er tätschelt Helenas Hand. »Du glaubst eben immer an das Gute im Menschen, Täubchen. Und das ist wunderbar. Aber die Realität sieht leider anders aus.« Er schaut Arie an. »Habt ihr denn nun irgendwas gefunden, was uns bei der Tätersuche weiterhelfen könnte?«

Arie schüttelt den Kopf. »Kein Stofffetzen, keine Haarbüschel, keine Fußabdrücke. Der Boden vor und hinter dem Zaun ist aber auch fast durchgängig dicht bewachsen. Zudem gab es in der Nacht vom 12. auf den 13. März einen heftigen Regenschauer, der eventuelle Spuren verwischt haben könnte.«

Jan denkt an den Zaun, der den Park vor Dieben und nichtzahlenden Besuchern schützen soll: ein hübscher, etwa ein Meter hoher Holzzaun, über dem noch drei weniger hübsche, aber dafür wirksamere Reihen Stacheldraht angebracht sind. Persönlich würde er da lieber nicht drüberklettern, für einen sportlichen, großgewachsenen Menschen mit einer Lederhose oder anderer strapazierfähiger Kleidung wäre die Verletzungsgefahr aber auch nicht allzu groß.

Helena greift nach der gepunkteten Thermoskanne. »Möchte noch jemand Kaffee?«

Elin hält ihr die Tasse hin, während Jan erzählt, was die Detektive am Vortag gemacht haben. »Wir haben mit einigen Anwohnern gesprochen, die südlich des Geländes, also dem Garten der Neuen Stars am nächsten, wohnen. Wir haben gefragt, ob ihnen irgendetwas aufgefallen ist, zum Beispiel ungewohnte Geräusche oder Leute, die am Zaun herumklettern und große Kisten Richtung Park tragen. Oder Kleintransporter oder Kastenwagen, die in der Nähe des Geländes geparkt haben und irgendwie verdächtig aussahen.«

»Und?«, erkundigt sich Zacharias gespannt.

»Eine Hundebesitzerin ist am Mittwochabend, so gegen zehn Uhr, an einem weißen Kastenwagen vorbeispaziert. Das Auto stand auf einem Seitenweg des Van-Lynden-Weges und sie hat rumpelnde Geräusche im Laderaum bemerkt. Ihr Hund hat das Auto auch angebellt.«

Zacharias fällt der Zuckerlöffel aus der Hand. »Hunderte Wühlmäuse, die möglicherweise in kleinen Transportkäfigen eingesperrt sind, rumpeln sicher ganz gewaltig. Ich hoffe, die Dame hat sich das Nummernschild notiert?«

»Nein«, weiß Elin. »Sie ist davon ausgegangen, dass da ein Liebespärchen zugange war.«

Zacharias guckt enttäuscht, Arie spricht weiter. »Ein anderer Anwohner hat einen, wie er sagt, zwielichtig aussehenden Mann mit Lastenfahrrad gesehen, der auf dem Stationsweg hin- und hergefahren ist. Aber ich halte es für unwahrscheinlich, dass jemand so viele Wühlmäuse in einem Lastenfahrrad transportieren würde.«

»Und dann gab es auch noch die Frau, die fast die Polizei gerufen hätte, weil in der Nähe ihres Hauses am Mittwochabend ein Wohnmobil und ein bunt bemalter VW-Bus mit jungen, knutschenden Pärchen geparkt haben. Sie dachte, dass sie dort vielleicht illegal übernachten würden. Als sie abends um elf noch einmal nachgeschaut hat, waren beide Fahrzeuge weg«, sagt Jan.

»Wissen die Leute jetzt alle von den Wühlmäusen?«, fragt Helena und legt ihrem Mann ungefragt noch ein Stück Kuchen auf den Teller. »Ich dachte, du wolltest vermeiden, dass das öffentlich wird?«

»Wir haben wahrheitsgemäß gesagt, dass es in letzter Zeit in der Gegend einige Einbrüche gegeben hat. Das fanden die Leute Ermittlungsgrund genug«, sagt Arie. »Ob sich das mit den Wühlmäusen langfristig geheim halten lässt, ist sowieso fraglich. Spätestens am Montag, wenn du den Rest des Teams informierst, wissen es einfach sehr viele. Auch wenn du um Verschwiegenheit bittest, werden erfahrungsgemäß nicht alle dichthalten. Irgendwann wird dann die Zeitung davon Wind bekommen. Vielleicht solltet ihr also doch darüber nachdenken, selbst eine Pressemitteilung herauszubringen.«

»Linn kann sich gleich am Montag darum kümmern«, sagt Zacharias mit vollem Mund.

Arie, inzwischen ebenfalls beim zweiten Stück Birnenkuchen, fragt: »Linn ist die Assistentin, die eigentlich gerne deinen Job hätte, nicht wahr?«

»Das wird jedenfalls erzählt«, sagt Zacharias. »Aber sie kann es, wie gesagt, so oder so nicht gewesen sein, weil sie seit Anfang der Woche bis einschließlich Sonntag auf einem Yoga-Retreat in Belgien ist.«

»Sie könnte Komplizen haben«, schlägt Jan vor.

Zacharias denkt eine Weile nach, dann schüttelt er den Kopf. »Linn ist eine Einzelkämpferin. Und wer weiß, vielleicht ist es auch nur dummes Gerede, dass sie auf meinen Job aus ist.« Er öffnet ein wenig geistesabwesend den Knopf seiner Hose. Helena guckt peinlich berührt und stößt ihren Mann mit dem Ellbogen an, der zieht aber nur seinen Arm weg und schaut Elin an.

Die sagt gerade: »Das werde ich hoffentlich ab Montag in Erfahrung bringen. Zunächst einmal wird es schon aufschlussreich sein, die Reaktionen zu beobachten, wenn du erzählst, welchen Schaden die Wühlmäuse angerichtet haben.«

»Deshalb ist es wichtig, dass du vor Montag niemanden aus dem Team informierst«, erinnert Arie Zacharias daran, was sie schon am Donnerstag besprochen haben.

Zacharias betrachtet etwas zu konzentriert das Blumenmuster auf seiner Porzellantasse.

»Hast du Lieselore Bescheid gesagt?«, vermutet Helena.

»Natürlich nicht«, sagt Zacharias, knickt aber ein, als Arie streng guckt. »Na ja, ich gebe zu: Ich wollte ihr Bescheid sagen. Auf Lieselore kann ich mich voll und ganz verlassen. Sie arbeitet schon länger auf dem Keukenhof als ich, sie ist eine ganz ausgezeichnete Gärtnerin und sie hat mich bei der Zucht der Miss Universe unterstützt. Es ist völlig ausgeschlossen, dass sie den Tulpen Schaden zufügen würde. Deshalb habe ich sie am Freitagmorgen angerufen.«

»Aber?«, fragt Arie nach.

Zacharias guckt irritiert. »Aber was?«

»Du hast gesagt, dass du ihr Bescheid sagen wolltest.«