Die Hermannsschlacht. Ein Drama - Heinrich von Kleist - E-Book

Die Hermannsschlacht. Ein Drama E-Book

Heinrich Von Kleist

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Heinrich von Kleists Drama um den Cheruskerfürsten Hermann, der 9 n. Chr. im Teutoburger Wald ein römisches Heer besiegte, gehört zu den umstrittensten Werken des Autors. Handelt es sich um ein antifranzösisches Propagandastück, entstanden 1808 unter dem Eindruck der Niederlage Preußens gegen die napoleonische Armee? Oder zeigt hier Kleist nicht vielmehr auf eindrückliche Weise, wie der Widerstand gegen eine Besatzungsmacht in einen brutalen, unmenschlichen Guerillakrieg umschlägt? Die politische Aktualität des Dramas verhinderte zunächst seine Aufführung; erst nach Kleists Tod wurde es gedruckt und uraufgeführt, nach 1871 wurde "Die Hermannsschlacht" ein Bühnenerfolg. Claus Peymann hat mit seiner berühmten Inszenierung von 1982 am Schauspielhaus Bochum das Stück in die Gegenwart geholt, um »der erschreckenden Wahrheit über Krieg und Unbarmherzigkeit ins Auge zu schauen«. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden. 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 126

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Heinrich von Kleist

Die Hermannsschlacht

Ein Drama

Anmerkungen von Kai Bremer und Valerie Hantzsche

Reclam

2023 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2023

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962099-2

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014381-0

www.reclam.de

Inhalt

Die Hermannsschlacht

Zu dieser Ausgabe

Anmerkungen

[5]Wehe, mein Vaterland, dir! Die Leier, zum Ruhm dir, zu schlagen,

Ist, getreu dir im Schoß, mir, deinem Dichter, verwehrt.

[6]Personen

HERMANN, Fürst der Cherusker

THUSNELDA, seine Gemahlin

seine Knaben

RINOLD

ADELHART

EGINHARDT, sein Rat

dessen Söhne, seine Hauptleute

LUITGAR

ASTOLF

WINFRIED

EGBERT, ein andrer cheruskischer Anführer

Frauen der Thusnelda

GERTRUD

BERTHA

MARBOD, Fürst der Sueven, Verbündeter des Hermann

ATTARIN, sein Rat

KOMAR, ein suevischer Hauptmann

Missvergnügte

WOLF, Fürst der Katten

THUISKOMAR, Fürst der Sicambrier

DAGOBERT, Fürst der Marsen

SELGAR, Fürst der Brukterer

Verbündete des Varus

FUST, Fürst der Cimbern

GUELTAR, Fürst der Nervier

ARISTAN, Fürst der Ubier

QUINTILIUS VARUS, römischer Feldherr

VENTIDIUS, Legat von Rom

SCÄPIO, sein Geheimschreiber

römische Anführer

SEPTIMIUS

CRASSUS

TEUTHOLD, ein Waffenschmied

CHILDERICH, ein Zwingerwärter

EINE ALRAUNE

[7]ZWEI ÄLTESTEN VON TEUTOBURG

DREI CHERUSKISCHE HAUPTLEUTE

DREI CHERUSKISCHE BOTEN

FELDHERRN, HAUPTLEUTE, KRIEGER, VOLK

[8]Erster Akt

Szene: Gegend im Wald, mit einer Jagdhütte.

Erster Auftritt

Wolf, Fürst der Katten, Thuiskomar, Fürst der Sicambrier, Dagobert, Fürst der Marsen, Selgar, Fürst der Brukterer, und andere treten, mit Pfeil und Bogen, auf.

WOLF (indem er sich auf dem Boden wirft).

Es ist umsonst, Thuskar, wir sind verloren!

Rom, dieser Riese, der, das Mittelmeer beschreitend,

Gleich dem Koloss von Rhodus, trotzig,

Den Fuß auf Ost und Westen setzet,

Des Parthers mut’gen Nacken hier,

Und dort den tapfern Gallier niedertretend:

Er wirft auch jetzt uns Deutsche in den Staub.

Gueltar, der Nervier, und Fust, der Fürst der Cimbern,

Erlagen dem Augustus schon;

Holm auch, der Friese, wehrt sich nur noch sterbend;10

Aristan hat, der Ubier,

Der ungroßmütigste von allen deutschen Fürsten,

In Varus’ Arme treulos sich geworfen;

Und Hermann, der Cherusker, endlich,

Zu dem wir, als dem letzten Pfeiler, uns,

Im allgemeinen Sturz Germanias, geflüchtet,

Ihr seht es, Freunde, wie er uns verhöhnt:

Statt die Legionen mutig aufzusuchen,

[9]In seine Forsten spielend führt er uns,

Und lässt den Hirsch uns und den Ur besiegen.20

THUISKOMAR (zu Dagobert und Selgar, die im Hintergrund auf und nieder gehen).

Er muss hier diese Briefe lesen!

– Ich bitt euch, meine Freunde, wanket nicht,

Bis die Verräterei des Varus ihm eröffnet.

Ein förmlicher Vertrag ward jüngst,

Geschlossen zwischen mir und ihm:

Wenn ich dem Fürsten mich der Friesen nicht verbände,

So solle dem August mein Erbland heilig sein;

Und hier, seht diesen Brief, ihr Herrn,

Mein Erbland ist von Römern überflutet.

Der Krieg, so schreibt der falsche Schelm,30

In welchem er mit Holm, dem Friesen, liege,

Erfordere, dass ihm Sicambrien sich öffne:

Und meine Freundschaft für Augustus lass ihn hoffen,

Ich werd ihm diesen dreisten Schritt,

Den Not ihm dringend abgepresst, verzeihn.

Lasst Hermann, wenn er kömmt, den Gaunerstreich uns melden:

So kommt gewiss, Freund Dagobert,

Freund Selgar, noch der Bund zustande,

Um dessenthalb wir hier bei ihm versammelt sind.

DAGOBERT.

Freund Thuiskomar! Ob ich dem Bündnis mich,40

Das diese Fremdlinge aus Deutschland soll verjagen,

Anschließen werd, ob nicht: darüber, weißt du,

Entscheidet hier ein Wort aus Selgars Munde!

Augustus trägt, Roms Kaiser, mir,

Wenn ich mich seiner Sache will vermählen,

[10]Das ganze, jüngst dem Ariovist entrissne,

Reich der Narisker an –

(Wolf und Thuiskomar machen eine Bewegung.)

Nichts! Nichts! Was fahrt ihr auf? Ich will es nicht!

Dem Vaterlande bleib ich treu,

Ich schlag es aus, ich bin bereit dazu.50

Doch der hier, Selgar, soll, der Fürst der Brukterer,

Den Strich mir, der mein Eigentum,

An dem Gestad der Lippe überlassen;

Wir lagen längst im Streit darum.

Und wenn er mir Gerechtigkeit verweigert,

Selbst jetzt noch, da er meiner Großmut braucht,

So werd ich mich in euren Krieg nicht mischen.

SELGAR. Dein Eigentum! Sieh da! Mit welchem Rechte

Nennst du, was mir verpfändet, dein,

Bevor das Pfand, das Horst, mein Ahnherr, zahlte,60

An seinen Enkel du zurückgezahlt?

Ist jetzt der würd’ge Augenblick,

Zur Sprache solche Zwistigkeit zu bringen?

Eh ich, Unedelmüt’gem, dir

Den Strich am Lippgestade überlasse,

Eh will an Augusts Heere ich

Mein ganzes Reich, mit Haus und Hof verlieren!

THUISKOMAR(dazwischentretend).

O meine Freunde!

EIN FÜRST(ebenso).  Selgar! Dagobert!

(Man hört Hörner in der Ferne.)

EIN CHERUSKER (tritt auf).

Hermann, der Fürst, kommt!

THUISKOMAR.    Lasst den Strich, ich bitt euch,

[11]Ruhn, an der Lippe, bis entschieden ist,70

Wem das gesamte Reich Germaniens gehört!

WOLF(indem er sich erhebt).

Da hast du recht! Es bricht der Wolf, o Deutschland,

In deine Hürde ein, und deine Hirten streiten

Um eine Handvoll Wolle sich.

Zweiter Auftritt

Thusnelda, den Ventidius aufführend. Ihr folgt Hermann, Scäpio, ein Gefolge von Jägern und ein leerer römischer Wagen mit vier breitgespannten weißen Rossen.

THUSNELDA. Heil dem Ventidius Carbo! Römerritter!

Dem kühnen Sieger des gehörnten Urs!

DAS GEFOLGE. Heil! Heil!

THUISKOMAR. Was! Habt ihr ihn?

HERMANN. Hier, seht, ihr Freunde!

Man schleppt ihn bei den Hörnern schon herbei!

(Der erlegte Auerochs wird herangeschleppt.)

VENTIDIUS.

Ihr deutschen Herrn, der Ruhm gehört nicht mir!

Er kommt Thusnelden, Hermanns Gattin,80

Kommt der erhabenen Cheruskerfürstin zu!

Ihr Pfeil, auf mehr denn hundert Schritte,

Warf mit der Macht des Donnerkeils ihn nieder,

Und, Sieg! rief, wem ein Odem ward;

Der Ur hob plötzlich nur, mit pfeildurchbohrtem Nacken

Noch einmal sich vom Sand empor:

Da kreuzt ich seinen Nacken durch noch einen.

[12]THUSNELDA.

Du häufst, Ventidius, Siegsruhm auf die Scheitel,

Die du davon entkleiden willst.

Das Tier schoss, von dem Pfeil gereizt, den ich entsendet,90

Mit wuterfüllten Sätzen auf mich ein,

Und schon verloren glaubt ich mich;

Da half dein bessrer Schuss dem meinen nach,

Und warf es völlig leblos vor mir nieder.

SCÄPIO. Bei allen Helden des Homers!

Dir ward ein Herz von par’schem Marmel, Fürstin!

Des Todes Nacht schlug über mich zusammen,

Als es gekrümmt, mit auf die Brust

Gesetzten Hörnern, auf dich ein,

Das rachentflammte Untier, wetterte:100

Und du, du wichst, du wanktest nicht – was sag ich?

Sorg überflog, mit keiner Wolke,

Den heitern Himmel deines Angesichts!

THUSNELDA(mutwillig). Was sollt ich fürchten, Scäpio,

Solang Ventidius mir zur Seite stand.

VENTIDIUS.

Du warst des Todes gleichwohl, wenn ich fehlte.

WOLF(finster).

– Stand sie im Freien, als sie schoss?

VENTIDIUS. Die Fürstin?

SCÄPIO. Nein – hier im Wald. Warum?

VENTIDIUS. Ganz in der Nähe,

Wo kreuzend durch die Forst die Wildbahn bricht.

WOLF(lachend).

Nun denn, beim Himmel –!

THUISKOMAR. Wenn sie im Walde stand –

[13]WOLF. Ein Auerochs ist keine Katze,111

Und geht, soviel bekannt mir, auf die Wipfel

Der Pinien und Eichen nicht.

HERMANN(abbrechend).

Kurz, Heil ruf ich Ventidius noch einmal,

Des Urs, des hornbewehrten, Sieger,

Und der Thusnelda Retter obenein!

THUSNELDA(zu Hermann).

Vergönnst du mein Gebieter mir,

Nach Teutoburg nunmehr zurückzukehren?

(Sie gibt den Pfeil und Bogen weg.)

HERMANN(wendet sich).

Holla! Die Pferd!

VENTIDIUS(halblaut, zu Thusnelden).

Wie, Göttliche, du willst –?

(Sie sprechen heimlich zusammen.)

THUISKOMAR(die Pferde betrachtend).

Schau, die Quadriga, die August dir schenkte?120

SELGAR. Die Pferd aus Rom?

HERMANN (zerstreut). Aus Rom, beim Jupiter!

Ein Zug, wie der Pelid ihn nicht geführt!

VENTIDIUS(zu Thusnelda).

Darf ich in Teutoburg –?

THUSNELDA. Ich bitte dich.

HERMANN. Ventidius Carbo! Willst du sie begleiten?

VENTIDIUS. Mein Fürst! Du machst zum Sel’gen mich –

(Er gibt Pfeil und Bogen gleichfalls weg; offiziös.)

    Wann wohl vergönnst du,

Vor deinem Thron, o Herr, in Ehrfurcht

Dir eine Botschaft des Augustus zu entdecken?

HERMANN. Wenn du begehrst, Ventidius!

[14]VENTIDIUS. So werd ich

Dir mit der nächsten Sonne Strahl erscheinen.

HERMANN. Auf denn! – Ein Ross dem Scäpio, ihr Jäger!130

– Gib deine Hand, Thusnelda, mir!

(Er hebt, mit Ventidius, Thusnelda in den Wagen; Ventidius folgt ihr.)

THUSNELDA(sich aus dem Wagen herausbeugend).

Ihr Herrn, wir sehn uns an der Tafel doch?

HERMANN(zu den Fürsten).

Wolf! Selgar! Redet!

DIE FÜRSTEN. Zu deinem Dienst, Erlauchte!

Wir werden gleich nach dem Gezelt dir folgen.

HERMANN. Wohlauf, ihr Jäger! Lasst das Horn dann schmettern,

Und bringt sie im Triumph nach Teutoburg!

(Der Wagen fährt ab; Hörnermusik.)

Dritter Auftritt

Hermann, Wolf, Thuiskomar, Dagobert und Selgar lassen sich, auf eine Rasenbank, um einen steinernen Tisch nieder, der vor der Jagdhütte steht.

HERMANN. Setzt euch, ihr Freunde! Lasst den Becher

Zur Letzung jetzt der müden Glieder kreisen!

Das Jagen selbst ist weniger das Fest,

Als dieser heitre Augenblick,140

Mit welchem sich das Fest der Jagd beschließet!

(Knaben bedienen ihn mit Wein.)

WOLF. O könnten wir, beim Mahle, bald

[15]Ein andres größres Siegsfest selig feiern!

Wie durch den Hals des Urs Thusneldens sichre Hand

Den Pfeil gejagt: o Hermann! könnten wir

Des Krieges ehrnen Bogen spannen,

Und, mit vereinter Kraft, den Pfeil der Schlacht zerschmetternd

So durch den Nacken hin des Römerheeres jagen,

Das in den Feldern Deutschlands aufgepflanzt!

THUISKOMAR. Hast du gehört, was mir geschehn?150

Dass Varus treulos den Vertrag gebrochen,

Und mir Sicambrien mit Römern überschwemmt?

Sieh, Holm, der Friesen wackern Fürsten,

Der durch das engste Band der Freundschaft mir verbunden:

Als jüngst die Rach Augustus’ auf ihn fiel,

Mir die Legionen fernzuhalten,

Gab ich der Rach ihn des Augustus preis.

Solang an dem Gestad der Ems der Krieg nun wütet,

Mit keinem Wort, ich schwör’s, mit keinem Blick,

Bin ich zu Hülfe ihm geeilt;160

Ich hütet, in Calpurns, des Römerboten, Nähe,

Die Mienen, Hermann, die sich traurend

Auf des verlornen Schwagers Seite stellten:

Und jetzt – noch um den Lohn seh ich

Mich der fluchwürdigen Feigherzigkeit betrogen:

Varus führt die Legionen mir ins Land,

Und gleich, als wär ich Augusts Feind,

Wird es jedwedem Gräul des Krieges preisgegeben.

HERMANN. Ich hab davon gehört, Thuiskar.

Ich sprach den Boten, der die Nachricht170

Dir eben aus Sicambrien gebracht.

[16]THUISKOMAR.

Was nun – was wird für dich davon die Folge sein?

Marbod, der herrschensgier’ge Suevenfürst,

Der, fern von den Sudeten kommend,

Die Oder rechts und links die Donau überschwemmt,

Und seinem Zepter (so erklärt er)

Ganz Deutschland siegreich unterwerfen will:

Am Weserstrom, im Osten deiner Staaten,

Mit einem Heere steht er da,

Und den Tribut hat er dir abgefordert.180

Du weißt, wie oft dir Varus schon

Zu Hülfe schelmisch die Kohorten bot.

Nur allzu klar ließ er die Absicht sehn,

Den Adler auch im Land Cheruskas aufzupflanzen;

Den schlausten Wendungen der Staatskunst nur

Gelang es, bis auf diesen Tag,

Dir den bösart’gen Gast entfernt zu halten.

Nun ist er bis zur Lippe vorgerückt;

Nun steht er, mit drei Legionen,

In deines Landes Westen drohend da;190

Nun musst du, wenn er es in Augusts Namen fordert,

Ihm deiner Plätze Tore öffnen:

Du hast nicht mehr die Macht, es ihm zu wehren.

HERMANN. Gewiss. Da siehst du richtig. Meine Lage

Ist in der Tat bedrängter als jemals.

THUISKOMAR. Beim Himmel, wenn du schnell nicht hilfst,

Die Lage eines ganz Verlornen!

– Dass ich, mein wackrer Freund, dich in dies Irrsal stürzte,

Durch Schritte, wenig klug und überlegt,

Gewiss, ich fühl’s mit Schmerz, im Innersten der Brust.

[17]Ich hätte nimmer, fühl ich, Frieden201

Mit diesen Kindern des Betruges schließen,

Und diesen Varus, gleich dem Wolf der Wüste,

In einem ew’gen Streit, bekriegen sollen.

– Das aber ist geschehn, und wenig frommt, du weißt,

In das Vergangene sich reuig zu versenken.

Was wirst du, fragt sich, nun darauf beschließen?

HERMANN.

Ja! Freund! Davon kann kaum die Red noch sein. –

Nach allem, was geschehn, find ich

Läuft nun mein Vorteil ziemlich mit des Varus,210

Und wenn er noch darauf besteht,

So nehm ich ihn in meinen Grenzen auf.

THUISKOMAR(erstaunt).

Du nimmst ihn – was?

DAGOBERT. In deines Landes Grenze? –

SELGAR. Wenn Varus drauf besteht, du nimmst ihn auf?

THUISKOMAR. Du Rasender! Hast du auch überlegt? –

DAGOBERT. Warum?

SELGAR. Weshalb, sag an?

DAGOBERT.    Zu welchem Zweck?

HERMANN. – Mich gegen Marbod zu beschützen,

Der den Tribut mir trotzig abgefordert.

THUISKOMAR. Dich gegen Marbod zu beschützen!

Und du weißt nicht, Unseliger, dass er220

Den Marbod schelmisch gegen dich erregt,

Dass er mit Geld und Waffen heimlich

Ihn unterstützt, ja, dass er Feldherrn

Ihm zugesandt, die in der Kunst ihn tückisch,

Dich aus dem Feld zu schlagen, unterrichten?

HERMANN. Ihr Freund’, ich bitt euch, kümmert euch

[18]Um meine Wohlfahrt nicht! Bei Wodan, meinem hohen Herrn!

So weit im Kreise mir der Welt

Das Heer der munteren Gedanken reichet,

Erstreb ich und bezweck ich nichts,230

Als jenem Römerkaiser zu erliegen.

Das aber möcht ich gern mit Ruhm, ihr Brüder,

Wie’s einem deutschen Fürsten ziemt:

Und dass ich das vermög, im ganzen vollen Maße,

Wie sich’s die freie Seele glorreich denkt –

Will ich allein stehn, und mit euch mich –

– Die manch ein andrer Wunsch zur Seite lockend zieht, –

In dieser wicht’gen Sache nicht verbinden.

DAGOBERT.

Nun, bei den Nornen! Wenn du sonst nichts willst,

Als dem August erliegen –?!240

(Er lacht.)

SELGAR.  – Man kann nicht sagen,

Dass hoch Arminius das Ziel sich stecket!

HERMANN. So! –

Ihr würdet beide euren Witz vergebens

Zusammenlegen, dieses Ziel,

Das vor der Stirn euch dünket, zu erreichen.

Denn setzt einmal, ihr Herrn, ihr stündet

(Wohin ihr es im Lauf der Ewigkeit nicht bringt)

Dem Varus kampfverbunden gegenüber;

Im Grund morast’ger Täler er,

Auf Gipfeln waldbekränzter Felsen ihr:

So dürft er dir nur, Dagobert,250

Selgar, dein Lippgestad verbindlich schenken:

Bei den fuchshaarigen Alraunen, seht,

[19]Den Römer lasst ihr beid im Stich,

Und fallt euch, wie zwei Spinnen, selber an.

WOLF(einlenkend).

Du hältst nicht eben hoch im Wert uns, Vetter!

Es scheint, das Bündnis nicht sowohl,

Als die Verbündeten missfallen dir.

HERMANN.

Verzeiht! – Ich nenn euch meine wackern Freunde,

Und will mit diesem Wort, das glaubt mir, mehr, als euren

Verletzten Busen höflich bloß versöhnen.260

Die Zeit stellt, heißen Drangs voll, die Gemüter

Auf eine schwere Prob; und manchen kenn ich besser,

Als er in diesem Augenblick sich zeigt.

Wollt ich auf Erden irgendwas erringen,

Ich würde glücklich sein, könnt ich mit Männern mich,

Wie hier um mich versammelt sind, verbinden;

Jedoch, weil alles zu verlieren bloß

Die Absicht ist – so lässt, begreift ihr,

Solch ein Entschluss nicht wohl ein Bündnis zu:

Allein muss ich, in solchem Kriege, stehn,270

Verknüpft mit niemand, als nur meinem Gott.

THUISKOMAR. Vergib mir, Freund, man sieht nicht ein,

Warum notwendig wir erliegen sollen;

Warum es soll unmöglich ganz,

Undenkbar sein (wenn es auch schwer gleich sein mag),

Falls wir nur sonst vereint, nach alter Sitte, wären,

Den Adler Roms, in einer muntern Schlacht,

Aus unserm deutschen Land hinwegzujagen.

HERMANN.

Nein, nein! Das eben ist’s! Der Wahn, Thuiskar,

[20]Der stürzt just rettungslos euch ins Verderben hin!280

Ganz Deutschland ist verloren schon,