Die Hochzeit des Mönchs - Conrad Ferdinand Meyer - E-Book
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Conrad Ferdinand Meyer

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Beschreibung

Das Werk 'Die Hochzeit des Mönchs' des renommierten Autors Conrad Ferdinand Meyer ist ein faszinierender literarischer Text, der sich mit den Konflikten zwischen Liebe, Pflicht und Religion auseinandersetzt. Meyer zeigt in seinem Werk eine Meisterschaft in der Sprache und im Erzählen, die den Leser in den Bann zieht. Dieses Buch, veröffentlicht im 19. Jahrhundert, reflektiert die gesellschaftlichen Normen und Werte jener Zeit und bietet einen Einblick in die Komplexität menschlicher Beziehungen. Conrad Ferdinand Meyer war ein Schweizer Schriftsteller und Historiker, der für seine präzise Sprache und eingehende Charakterstudien bekannt ist. Als Teil der poetischen Bewegung des Symbolismus zeichnet sich Meyer durch seine tiefe Analyse der menschlichen Psyche aus. 'Die Hochzeit des Mönchs' spiegelt Meyers Interesse an psychologischen Konflikten und moralischer Ambivalenz wider, die er geschickt in seine literarischen Werke einfließen lässt. Der Leser wird von 'Die Hochzeit des Mönchs' fasziniert sein, da das Buch nicht nur eine spannende Geschichte erzählt, sondern auch tiefgreifende Fragen über Moral, Liebe und Religion aufwirft. Mit Meyers meisterhafter Darstellung und seinem einfühlsamen Schreibstil ist dieses Buch ein absolutes Muss für Liebhaber literarischer Klassiker und anspruchsvoller Belletristik.

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Conrad Ferdinand Meyer

Die Hochzeit des Mönchs

 
EAN 8596547074526
DigiCat, 2022 Contact: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Cover
Titelblatt
Text
"

Es war in Verona. Vor einem breiten Feuer das einen weiträumigen Herd füllte, lagerte in den bequemsten Stellungen, welche der Anstand erlaubt, ein junges Hofgesinde männlichen und weiblichen Geschlechts um einen ebenso jugendlichen Herrscher und zwei blühende Frauen. Dem Herd zur Linken saß diese fürstliche Gruppe, welcher die übrigen in einem Viertelkreis sich anschlossen, die ganze andere Seite des Herdes nach höfischer Sitte frei lassend. Der Gebieter war derjenige Scaliger, welchen sie Cangrande nannten. Von den Frauen, in deren Mitte er saß, mochte die nächst dem Herd etwas zurück und ins Halbdunkel gelehnte sein Eheweib, die andere, vollbeleuchtete, seine Verwandte oder Freundin sein, und es wurden mit bedeutsamen Blicken und halblautem Gelächter Geschichten erzählt.

Jetzt trat in diesen sinnlichen und mutwilligen Kreis ein gravitätischer Mann, dessen große Züge und lange Gewänder aus einer andern Welt zu sein schienen. "Herr, ich komme, mich an deinem Herde zu wärmen", sprach der Fremdartige halb feierlich, halb geringschätzig und verschmähte hinzuzufügen, daß die lässige Dienerschaft trotz des frostigen Novemberabends vergessen oder versäumt hatte, Feuer in der hoch gelegenen Kammer des Gastes zu machen.

"Setze dich neben mich, mein Dante", erwiderte Cangrande, "aber wenn du dich gesellig wärmen willst, so blicke mir nicht nach deiner Gewohnheit stumm in die Flamme! Hier wird erzählt, und die Hand, welche heute Terzinen geschmiedet hat auf meine astrologische Kammer steigend, hörte ich in der deinigen mit dumpfem Gesang Verse skandieren—, diese wuchtige Hand darf es heute nicht verweigern, das Spielzeug eines kurzweiligen Geschichtchens, ohne es zu zerbrechen, zwischen ihre Finger zu nehmen. Beurlaube die Göttinnen"—er meinte wohl die Musen—"und vergnüge dich mit diesen schönen Sterblichen." Der Scaliger zeigte seinem Gast mit einer leichten Handbewegung die zwei Frauen, von welchen die größere, die scheinbar gefühllos im Schatten saß, nicht daran dachte zu rücken, während die kleinere und aufgeweckte dem Florentiner bereitwillig neben sich Raum machte. Aber dieser gab der Einladung seines Wirtes keine Folge, sondern wählte stolz den letzten Sitz am Ende des Kreises. Ihm mißfiel entweder die Zweiweiberei des Fürsten—wenn auch vielleicht nur das Spiel eines Abends—oder dann ekelte ihn der Hofnarr, welcher, die Beine vor sich hingestreckt, neben dem Sessel Cangrandes auf dem herabgeglittenen Mantel desselben am Boden saß.

Dieser, ein alter, zahnloser Mensch mit Glotzaugen und einem schlaffen, verschwätzten und vernaschten Maul—neben Dante der einzig Bejahrte der Gesellschaft—, hieß Gocciola, das heißt das Tröpfchen, weil er die letzten klebrigen Tropfen aus den geleerten Gläsern zusammenzunaschen pflegte, und haßte den Fremdling mit kindischer Bosheit; denn er sah in Dante seinen Nebenbuhler um die nicht eben wählerische Gunst des Herrn. Er schnitt ein Gesicht und erfrechte sich, seine hübsche Nachbarin zur Linken auf das an der hellen Decke des hohen Gemaches sich abschattende Profil des Dichters höhnisch grinsend aufmerksam zu machen. Das Schattenbild Dantes glich einem Riesenweibe mit langgebogener Nase und hangender Lippe, einer Parze oder dergleichen. Das lebhafte Mädchen verwand ein kindliches Lachen. Ihr Nachbar, ein klug blickender Jüngling, der Ascanio hieß, half ihr dasselbe ersticken, indem er sich an Dante wendete mit einer maßvollen Ehrerbietung, in welcher dieser angeredet zu werden liebte.

"Verschmähe es nicht, du Homer und Virgil Italiens", bat er, "dich in unser harmloses Spiel zu mischen. Laß dich zu uns herab und erzähle, Meister, statt zu singen."

"Was ist euer Thema?" warf Dante hin, weniger ungesellig, als er begonnen hatte, aber immer noch mürrisch genug. "Plötzlicher Berufswechsel", antwortete der Jüngling bündig, "mit gutem oder schlechtem oder lächerlichem Ausgang."

Dante besann sich. Seine schwermütigen Augen betrachteten die Gesellschaft, deren Zusammensetzung ihm nicht durchaus zu mißfallen schien; denn er entdeckte in derselben neben mancher flachen einige bedeutende Stirnen. "Hat einer unter euch den entkutteten Mönch behandelt?" äußerte der schon milder Gestimmte.

"Gewiß, Dante!" antwortete, sein Italienisch mit einem leichten deutschen Akzent aussprechend, ein Kriegsmann von treuherzigem Aussehen, Germano mit Namen, der einen Ringelpanzer und einen lang herabhängenden Schnurrbart trug. "Ich selbst erzählte den jungen Manuccio, welcher über die Mauern seines Klosters sprang, um Krieger zu werden."

"Er tat recht", erklärte Dante, "er hatte sich selbst getäuscht über seine Anlage."

"Ich, Meister", plauderte jetzt eine kecke, etwas üppige Paduanerin, namens Isotta, "habe die Helene Manente erzählt, welche eben die erste Locke unter der geweihten Schere verscherzt hatte, aber schnell die übrigen mit den beiden Händen deckte und ihr Nonnengelübde verschluckte, denn sie hatte ihren in barbareske Sklaverei geratenen und höchst wunderbar daraus erretteten Freund unter dem Volk im Schiff der Kirche erblickt, wie er die gelösten Ketten"—sie wollte sagen: an der Mauer aufhing, aber ihr Geschwätz wurde von dem Munde Dantes zerschnitten.

"Sie tat gut", sagte er, "denn sie handelte aus der Wahrheit ihrer verliebten Natur. Von alledem ist hier die Rede nicht, sondern von einem ganz andern Fall: Wenn nämlich ein Mönch nicht aus eigenem Trieb, nicht aus erwachter Weltlust oder Weltkraft, nicht weil er sein Wesen verkannt hätte, sondern einem andern zuliebe, unter dem Druck eines fremden Willens, wenn auch vielleicht aus heiligen Gründen der Pietät, untreu an sich wird, sich selbst mehr noch als der Kirche gegebene Gelübde bricht und eine Kutte abwirft, die ihm auf dem Leib saß und ihn nicht drückte. Wurde das schon erzählt? Nein? Gut, so werde ich es tun. Aber sage mir, wie endet solches Ding, mein Gönner und Beschützer?" Er hatte sich ganz gegen Cangrande gewendet.

"Notwendig schlimm", antwortete dieser ohne Besinnen. "Wer mit freiem Anlauf springt, springt gut; wer gestoßen wird, springt schlecht."

"Du redest die Wahrheit, Herr", bestätigte Dante, "und nicht anders, wenn ich ihn verstehe, meint es auch der Apostel, wo er schreibt: daß Sünde sei, was nicht aus dem Glauben gehe, das heißt, aus der Überzeugung und Wahrheit unserer Natur."

"Muß es denn überhaupt Mönche geben?" kicherte eine gedämpfte Stimme aus dem Halbdunkel, als wollte sie sagen: jede Befreiung aus einem an sich unnatürlichen Stand ist eine Wohltat.

Die dreiste und ketzerische Äußerung erregte hier kein Ärgernis, denn an diesem Hof wurde das kühnste Reden über kirchliche Dinge geduldet, ja belächelt, während ein freies oder nur unvorsichtiges Wort über den Herrscher, seine Person oder seine Politik, verderben konnte.

Dantes Auge suchte den Sprecher und entdeckte denselben in einem vornehmen, jungen Kleriker, dessen Finger mit dem kostbaren Kreuze tändelten, welches er über dem geistlichen Gewand trug.

"Nicht meinetwegen", gab der Florentiner bedächtig zur Antwort. "Mögen die Mönche aussterben, sobald ein Geschlecht ersteht, welches die beiden höchsten Kräfte der Menschenseele, die sich auszuschließen scheinen, die Gerechtigkeit und die Barmherzigkeit vereinigen lernt. Bis zu jener späten Weltstunde verwalte der Staat die eine, die Kirche die andere. Da aber die Übung der Barmherzigkeit eine durchaus selbstlose Seele fordert, so sind die drei mönchischen Gelübde gerechtfertigt; denn es ist weniger schwer, wie die Erfahrung lehrt, der Lust ganz als halb zu entsagen."

"Gibt es aber nicht mehr schlechte Mönche als gute?" fragte der geistliche Zweifler weiter.

"Nein", behauptete Dante, "wenn man die menschliche Schwachheit berücksichtigt. Es müßte denn mehr ungerechte Richter als gerechte, mehr feige Krieger als beherzte, mehr schlechte Menschen als gute geben."

"Und ist das nicht der Fall?" flüsterte der im Halbdunkel.

"Nein", entschied Dante, und eine himmlische Verklärung erleuchtete seine strengen Züge. "Fragt und untersucht unsere Philosophie nicht: wie ist das Böse in die Welt gekommen? Wären die Bösen in der Mehrzahl, so fragten wir: wie kam das Gute in die Welt?"

Diese stolzen und dunkeln Sätze imponierten der Gesellschaft, erregten aber auch die Besorgnis, der Florentiner möchte sich in seine Scholastik vertiefen statt in seine Geschichte.

Cangrande sah, wie seine junge Freundin ein hübsches Gähnen verwand. Unter solchen Umständen ergriff er das Wort und fragte: "Erzählst du uns eine wahre Geschichte, mein Dante, nach Dokumenten? oder eine Sage des Volksmunds? oder eine Erfindung deiner bekränzten Stirne?"

Dieser antwortete langsam betonend: "Ich entwickle meine Geschichte aus einer Grabschrift."

"Aus einer Grabschrift?"

"Aus einer Grabschrift, die ich vor Jahren bei den Franziskanern in Padua gelesen habe. Der Stein, welcher sie trägt, lag in einem Winkel des Klostergartens, allerdings unter wildem Rosengesträuch versteckt, aber doch den Novizen zugänglich, wenn sie auf allen vieren krochen und sich eine von Dornen zerkritzte Wange nicht reuen ließen. Ich befahl dem Prior—will sagen, ich ersuchte ihn, den fraglichen Stein in die Bibliothek zu versetzen und unter die Hut eines Greises zu stellen."

"Was sagte denn der Stein?" ließ sich jetzt die Gemahlin des Fürsten nachlässig vernehmen.

"Die Inschrift", erwiderte Dante, "war lateinisch und lautete: Hic jacet monachus Astorre cum uxore Antiope. Sepeliebat Azzolinus."

"Was heißt denn das?" fragte die andere neugierig.

Cangrande übersetzte fließend: "Hier schlummert der Mönch Astorre neben seiner Gattin Antiope. Beide begrub Ezzelin."

"Der abscheuliche Tyrann!" rief die Empfindsame. "Gewiß hat er die beiden lebendig begraben lassen, weil sie sich liebten, und das Opfer noch in der Gruft gehöhnt, indem er es die Gattin des Mönches nannte. Der Grausame!"

"Kaum", meinte Dante. "Das hat sich in meinem Geiste anders gestaltet und ist auch nach der Geschichte unwahrscheinlich. Denn Ezzelin bedrohte wohl eher den kirchlichen Gehorsam als den Bruch geistlicher Gelübde. Ich nehme das 'sepeliebat' in freundlicherem Sinne: er gab den beiden ein Begräbnis."

"Recht", rief Cangrande freudig, "du denkst wie ich, Florentiner! Ezzelino war eine Herrschernatur und, wie sie einmal sind, etwas rauh und gewaltsam. Neun Zehntel seiner Frevel haben ihm die Pfaffen und das fabelsüchtige Volk angedichtet." "Möchte dem so sein!" seufzte Dante. "Wo er übrigens in meiner Fabel auftritt, ist er noch nicht das Ungeheuer, welches uns, wahr oder falsch, die Chronik schildert, sondern seine Grausamkeit beginnt sich nur erst zu zeichnen, mit einem Zug um den Mund sozusagen—"

"Eine gebietende Gestalt", vollendete Cangrande feurig das Bildnis, "mit gesträubtem, schwarzem Stirnhaar, wie du ihn in deinem zwölften Gesang als einen Bewohner der Hölle malst. Woher hast du dieses schwarzhaarige Haupt?"

"Es ist das deinige", versetzte Dante kühn, und Cangrande fühlte sich geschmeichelt.

"Auch die übrigen Gestalten der Erzählung", fuhr er mit lächelnder Drohung fort, "werde ich, ihr gestattet es?"—und er wendete sich gegen die Umsitzenden—"aus eurer Mitte nehmen und ihnen eure Namen geben: euer Inneres lasse ich unangetastet, denn ich kann nicht darin lesen."

"Meine Miene gebe ich dir preis", sagte großartig die Fürstin, deren Gleichgültigkeit zu weichen begann.

Ein Gemurmel der höchsten Aufregung lief durch die Zuhörer, und: "Deine Geschichte, Dante!" raunte es von allen Seiten, "deine Geschichte!"

"Hier ist sie", sagte dieser und erzählte.

"Wo sich der Gang der Brenta in einem schlanken Bogen der Stadt Padua nähert, ohne diese jedoch zu berühren, glitt an einem himmlischen Sommertag unter gedämpftem Flötenschall eine bekränzte, von festlich Gekleideten überfüllte Barke auf dem schnellen, aber ruhigen Wasser. Es war die Brautfahrt des Umberto Vicedomini und der Diana Pizzaguerra. Der Paduaner hatte sich seine Verlobte aus einem am obern Lauf des Flusses gelegenen Kloster geholt, wohin, kraft einer alten städtischen Sitte, Mädchen von Stand vor ihrer Hochzeit zum Behufe frommer Übungen sich zurückzuziehen pflegen. Sie saß in der Mitte der Barke auf einem purpurnen Polster zwischen ihrem Bräutigam und den drei blühenden Knaben seines ersten Bettes. Umberto Vicedomini hatte vor fünf Jahren, da die Pest in Padua wütete, das Weib seiner Jugend begraben und, obwohl in der Kraft der Männlichkeit stehend, nur schwer und widerwillig, auf das tägliche Drängen eines alten und siechen Vaters, zu diesem zweiten Ehebund sich entschlossen.

Mit eingezogenen Rudern fuhr die Barke, dem Willen des Stromes sich überlassend. Die Bootsknechte begleiteten die sanfte Musik mit einem halblauten Gesang. Da verstummten beide. Aller Augen hatten sich nach dem rechten Ufer gerichtet, an welchem ein großer Reiter seinen Hengst bändigte und mit einer weiten Gebärde nach der Barke herüber grüßte. Scheues Gemurmel durchlief die Reihen der Sitzenden. Die Ruderer rissen sich die roten Mützen vom Kopf, und das ganze Fest erhob sich in Furcht und Ehrerbietung, auch der Bräutigam, Diana und die Knaben. Untertänige Gebärden, grüßende Arme, halbgebogene Knie wendeten sich gegen den Strand mit einem solchen Ungestüm und Übermaß der Bewegung, daß die Barke aus dem Gleichgewicht kam, sich nach rechts neigte und plötzlich überwog. Ein Schrei des Entsetzens, ein drehender Wirbel, eine leere Strommitte, die sich mit Auftauchenden, wieder Versinkenden und den schwimmenden Kränzen der verunglückten Barke bevölkerte. Hilfe war nicht ferne, denn wenig weiter unten lag ein kleiner Port, wo Fischer und Fährleute hausten und heute auch die Rosse und Sänften warteten, welche die Gesellschaft, die jetzt im Strom unterging, vollends nach Padua hätten bringen sollen.