Die Hüter des Feuers - Sven Zschoche - E-Book

Die Hüter des Feuers E-Book

Sven Zschoche

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Beschreibung

Die Welt droht in Chaos zu versinken, als eine fast vergessene dunkle Macht sich erhebt. Nur die Kraft des Heiligen Phönix kann den Weltuntergang verhindern. So macht sich der junge Apoka auf die suche nach den Hütern des Feuers, die das Geheimnis des mystischen Wesens schützen. Auf dieser Reise müssen er und seine neu gefundenen Gefährten zahlreiche Hürden und Gefahren überstehen, die nicht nur aus einem mächtigen totgeglaubten Magier und seinen Heerscharen besteht, die ebenfalls auf der Suche nach dem Feuervogel sind. Ein Wettlauf um die Zukunft der bestehenden Welt beginnt. Doch der Phönix hat andere Pläne...

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Seitenzahl: 718

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis
“DIE HÜTER DES FEUERS”
“Die Auferstehung”
“Prolog”
“Kapitel 1”
“Kapitel 2”
“Kapitel 4”
“Kapitel 5”
“Kapitel 6”
“Kapitel 7”
“Kapitel 8”
“Kapitel 9”
“Kapitel 10”
“Kapitel 11”
“Kapitel 12”
“Kapitel 13”
“Kapitel 14”
“Kapitel 15”
“Kapitel 16”
“Kapitel 17”
“Kapitel 18”
“Kapitel 19”
“Kapitel 20”
“Kapitel 21”
“Kapitel 22”
“Kapitel 23”
“Kapitel 24”
“Kapitel 25”
“Kapitel 26”
“Kapitel 27”
“Kapitel 28”
“Kapitel 29”
“Kapitel 30”
“Kapitel 31”
“Kapitel 32”
“Kapitel 33”
“Kapitel 34”
“Kapitel 35”
“Epilog”
“Ende Band 1”
Impressum:
© 2018 Sven Zschoche
Alle Rechte vorbehalten

“DIE HÜTER DES FEUERS”

“Die Auferstehung”

“Prolog”

 

Ein klacken schallte durch die gesamte Höhle, als der junge Mann die Feuersteine gegeneinander schlug, um die vor ihm stehende Feuerschale zu entfachen. „Das hat doch keinen Sinn, hier war schon seit Ewigkeiten keiner mehr. Das Ding brennt niemals!“ erklang eine schrille Frauenstimme in der Dunkelheit. In diesem Moment flog ein Funke auf den Zunder, den der Mann vorher in die Schale gelegt hatte. Es war ein kurzes Aufglühen zu erkennen, welches allerdings genauso schnell wieder erlosch, wie es kam. „Lass uns einfach unsere Feuermagie benutzen. Wozu beherrschen wir sie denn!“ setzte die Frau nach. Der Mann erhob sich und warf die Feuersteine auf den Boden bevor seine tiefe brummende Stimme erklang: „Das hat wirklich keinen Sinn. Dann müssen wir wohl im Dunklen den Weg finden. Und du weißt genau, warum wir unsere Magie nicht benutzen. Also komm.“ Er wendete sich ab und schritt langsam voran. Glücklicherweise hatte er ein sehr gutes Gedächtnis, wodurch es für ihn ein Leichtes war, sich den Grundriss des Höhlensystems zu merken. „Nur weil ein daher gelaufener Neuling sagte, dass wir keine Magie verwenden sollen, heißt es doch noch lange nicht, dass wir auf ihn hören müssen, oder?“ legte die immer mehr genervte Frau Protest ein. Sie hasste die Dunkelheit und kam in ihr auch nicht zurecht. Ständig stolperte sie über aus dem Boden hervorstehende Steine oder stieß mit den Schultern und dem Kopf gegen Wände oder Säulen. „Mach nicht so einen Lärm!“ war allerdings das Einzige, was sie auf ihren Protest zu hören bekam und sie nur noch mehr in Rage versetzte. Doch das interessierte den sicher durch die Höhle wandelnden Mann nicht. Er konzentrierte sich nur auf den Grundriss in seinem Kopf und darauf, wohin er trat. Eine kurze Zeit und einige Höhlenabschnitte später blieb der Mann vor einer gut fünf Meter hohen Wand stehen. Ein ganzes Stück hinter ihm näherte sich stolpernd und leise fluchend seine Begleiterin. „Sind wir endlich da?“ Ihre Stimme klang nicht weniger genervt wie zu Beginn ihres Irrgartenlaufs. „Ja sind wir. Du weißt was du zu tun hast?“ brummte seine Stimme, was durch den Hall der Höhle bedrohlich klang. „Ja, ja ich weiß!“ Sie trat an die rechte Seite der Wand und der Mann ging an die linke. Nach einigem Tasten fanden sie kleine Öffnungen, die nicht größer als zwei Finger waren und legten jeweils ihren Daumen darauf. „Auf Drei!“ sagte die Frau und ihre Stimme klang völlig anders als noch von wenigen Augenblicken. Das Genervte war völlig verschwunden und wurde durch Vorfreude und Spannung ersetzt. „Eins... Zwei... Drei…“ Nachdem beide gleichzeitig ihren Schalter hineindrückten, war von der anderen Seite der Wand ein lautes Geräusch zu hören. Wie schwere Steine, die aufeinander rieben. Der Boden begann zu vibrieren, Staub und kleine Felsstücke fielen von der Decke und die Wand begann, sich langsam abzusenken. Die Freude in beiden stieg mit jedem Stück, den die Wand sich senkte, auch wenn es zumindest der Mann sich nicht anmerken ließ. Im Gegensatz zu seiner Partnerin, die quietschende Laute von sich gab. „Gleich haben wir es geschafft!“ freute sie sich. Doch in diesem Augenblick blieb die Wand auf halber Höhe stehen. „Was soll das jetzt! Sollte das Ding nicht bis ganz nach unten gehen?“ Das Genervte in ihrer Stimme kehrte schlagartig wieder zurück. Der Mann schmunzelte über den schnellen Stimmungswandel. Schließlich war er es von den acht Jahren, seit sie im Orden war, gewohnt. „Bleib ganz ruhig. Das wird sicher das Gleiche wie bei der Feuerschale sein. Es ist einfach schon zu lange her, dass es einwandfrei funktioniert“ „Wir sind doch schon so nah dran. Sollen wir noch einmal zusammen den Mechanismus drücken, vielleicht geht sie dann weiter?“ fragte sie schon fast verzweifelt. „Das würde keinen Sinn machen. Komm her. Ich hebe dich hoch.“ Er beugte sich leicht vor und faltete seine Hände ineinander, um für sie einen sicheren Stand zu ermöglichen. Seine Hände waren wie sein gesamter Körperbau riesig im Vergleich zu seiner schmächtigen Begleitung. Sie trat mit einen Fuß auf seine Hände und hielt sich an seinen breiten Schultern fest, um die Balance besser halten zu können. Mit einem Ruck erhob er sich und riss seine Arme in die Höhe. Das laute Kreischen der Frau schallte durch das gesamte Höhlensystem. „Nicht so schnell!“ rief sie, doch da flog sie schon durch die Luft. Der gewaltige Schub beförderte sie nicht nur auf die Mauer, sondern über sie hinweg. Glücklicherweise war sie sehr gut in den waffenlosen Kampfkünsten ausgebildet, um ohne Probleme auf den Füßen zu landen und sich sicher abzurollen. Als sie sich wieder erhob, hörte sie einen dumpfen Knall, der von dem schweren Körper des Mannes erzeugt wurde, der hinter ihr von der Mauer sprang. Für jemanden von seiner Größe war es keine Schwierigkeit, so eine Hürde zu überwinden. „Musstest du mich so hoch werfen? Ich hätte mir weh tun können!“ schrie sie ihn an und unterstrich ihre Wut

darüber mit einem Schlag gegen seine Brust. Was ihn aber nicht weiter störte. „Tut mir leid. Ich habe dein Gewicht falsch eingeschätzt. Ich dachte du bist schwerer“ erwähnte er beiläufig und setzte sich in Bewegung, ohne ihr weiter Beachtung zu schenken. Das schürte ihre Wut allerdings nur noch mehr an. „Soll das heißen, dass ich zu dick bin? Oder was willst du mir damit sagen?“ Ein Seufzen entwich dem Mann. Er war ihr ständiges Gejammer leid. „Nein, das soll es nicht heißen! Du siehst toll aus und nun beruhige dich wieder etwas und konzentriere dich auf unsere Aufgabe.“ Sie schritten den langen Gang entlang, der mit dem Höhlensystem vorher nichtsgemeinsam hatte, nicht einmal die Dunkelheit. Der Gang wareben, mit gemauerten Wänden. In der Decke gab es alle zehn Meter große Löcher, in die das Licht des Vollmondes hinein fiel und den Gang sichtlich erhellte. „Dort vorn muss es sein. Wie liegen wir in der Zeit?“ Der Mann, der in einen nun sichtbaren dunkelgrauen Mantel mit Kapuze gehüllt war, zeigte mit dem Finger auf den Durchgang weiter vorn. Auf seine Frage holte die Frau einen Kinderfaust großen Stein aus ihrer Tasche und hielt ihn ins Mondlicht. „Nach den Aussagen des Neuen scheinen wir noch Zeit zu haben. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das wirklich funktioniert. Wie soll so ein gewöhnlicher Stein im Mondlicht leuchten? Warum hat noch nie jemand etwas davon gehört oder so etwas schon mal gesehen?“ Der Mann schüttelte den Kopf. „Er hat es uns doch erklärt, dass das kein gewöhnlicher Stein und das hier auch kein gewöhnliches Mondlicht ist. Es wird durch eine magische Barriere in den Deckenlöchern umgewandelt oder so etwas in der Art. Das habe ich auch nicht genau verstanden. Aber wenn er wirklich mit dem recht hat was er sagte, ist es diesen Aufwand allemal wert“ sagte er schon fast mahnend. „Wenn du das sagst. Ich bin sowieso nur mit, weil das Oberhaupt des Ordens mich darum gebeten hat, auf dich aufzupassen“. Der Mann brach in Lachen aus und kassierte dafür einen bösen Blick, welcher sein Lachen verstummen ließ. „Ich weiß genau, dass du genauso gespannt darauf bist wie jeder andere des Ordens auch, ob es wirklich stimmt, was der Neue erzählte. Und wenn hier wer auf wen aufpassen muss, dann wohl eher ich auf dich.“ Ohne etwas darauf zu antworten ging sie an ihm vorbei, als hätte sie nicht gehört was er sagte.

Einige Deckenöffnungen weiter bemerkte sie, wie der Stein in ihrer Hand leicht anfing zu leuchten, als sie durchs Mondlicht schritt. „Xemir! Schau mal! Der Stein beginnt tatsächlich zu glühen, wenn ich ihn ins Licht halte. Der Neue scheint recht zu haben.“ Voller Bewunderung für den weiß schimmernden Stein blieb sie im Mondlicht stehen, um ihn genauer in Augenscheinzu nehmen. „Was stehst du da so herum? Uns läuft die Zeit davon, wir müssen uns beeilen!“ rief ihr Xemir über die Schulter zu, der seinen Schritt bereits deutlich beschleunigte. Erst in diesem Moment begriff sie, was es bedeutete, dass er zu leuchten begann. Sie mussten sich wirklich beeilen. „Du stehst doch immer noch wie angewurzelt da, Shula!“ In diesem Moment setzte sie sich in Bewegung. Erst Schritt für Schritt, welche immer schneller wurden, bis sie schließlich rannte, um den Abstand zwischen sich und Xemir zu verkürzen. Doch mit seinen für seine Größe erstaunlich schnellen Schritten konnte sie nicht mithalten. Sie erreichte ihn erst, als er vor einem Altar stehen geblieben war. „Das ist sie also, die Ruhestätte des Phönix“ sagte Shula voller Ehrfurcht. „Du meinst wohl eher Grabstätte.“ korrigierte die brummende Stimme. Ohne etwas weiteres zu sagen, stellte sich Shula in einen kleinen, vom Mondlicht bestrahlten Kreis und hielt den Stein, der jetzt viel heller leuchtete als noch zuvor, auf der flachen Hand, gut sichtbar für Xemir. Dieser stellte sich direkt vor den Altar und legte beide Hände auf die rechteckige Schaltfläche. „Denk daran, dass du warten musst, bis er rot aufleuchtet.“ erinnerte Shula ihn an die Worte des Neuen. Als ob er eine Erinnerung bräuchte. Das Weiß strahlte immer heller, so dass fast der gesamte Raum taghell erschien. Xemir musste sich zwingen, den Blick nicht abzuwenden, damit er den Moment nicht verpasste. Als es fast unerträglich wurde, gab es einen kleinen, kaum wahrnehmbaren Funken im Inneren des Steins und das bisher blendende Weiß wurde zu einem angenehmen warmen Rot. Eher aus Überraschung heraus drückte Xemir die Steinplatte in den Altar hinein, was einen erneuten Mechanismus in Gang setzte. Ein Grollen schien aus allen Richtungen zu kommen. Hektisch blickten die beiden sich um, wo etwas passierte. Das war das Einzige, was der Neue ihnen nicht erzählen konnte. Er sagte nur, dass der Phönix nach dem Drücken des Schalters im richtigen Augenblick aus seinem Gefängnis wieder auferstehen werde. Das Grollen verstummte. Plötzlich zerbrach die Steintafel und ein kleines rotes Glühen erhob sich heraus in die Luft und schwebte über dem Altar. Es schien fast wie ein Glühwürmchen, was es mit Sicherheit aber nicht war. Es schwankte in der Luft hin und her, ohne eine bestimmte Richtung einschlagen zu wollen, bis es plötzlich direkt auf den mittlerweile feuerrot glühenden Stein in Shulas Hand zuflog. Als sie sich berührten, schien die Zeit für einen Augenblick still zu stehen. Nach diesem kurzen Moment löste sich der Stein in einer gigantischen Feuerwelle auf. Shula hatte keinerlei Möglichkeiten ihr zu entrinnen und wurde vollkommen von ihr verzehrt. Xemir hingegen hatte Glück, dass die voran getriebene Druckwelle ihn hinter den Altar schleuderte, ehe die Flammen ihn erreichten. Mit schmerzverzehrtem Gesicht lag er auf dem Rücken und versuchte zu begreifen, was gerade geschehen war. Er versuchte sich aufzurichten und sich umzusehen, als er es bemerkte. Der Altar hatte ihn nicht völlig vor Schaden bewahren können. Sein rechter Arm samt Schulter und fast sein gesamtes Gesicht waren von der Feuerwelle erwischt und verbrannt worden. Jetzt, nachdem der Schock verschwand und er das volle Ausmaß der Schmerzen erfasste, schrie er laut auf, auch wenn er versuchte sich zusammen zu reißen. Mit aller Mühe stützte er seinen linken Arm auf den Boden, um zu sehen, was mit Shula passiert war. Die Druckwelle  hatte aus der Decke große Stücke heraus gebrochen, so dass der Raum jetzt gänzlich in kaltes Mondlicht gehüllt war. Dadurch konnte er es genau sehen. Da, wo eben noch Shula gestanden hatte, war jetzt nur noch ein kleiner Haufen Asche. „Deswegen nennt man es Phönix aus der Asche.“ vernahm er eine Stimme aus dem Gang, den sie genommen hatten. „Was?“ schrie er, als er den Mann im schwarzen Umhang erblickte, der eben den Raum betrat. Auch wenn sein Gesicht von der tief hängenden Kapuze völlig verdeckt war, wusste Xemir genau wer es war. „Was willst du hier? Wusstest du etwa, dass das passieren würde?“ In der sonst ruhigen brummigen Stimme stieg Wut auf. „Nein, ich wusste es nicht mit Sicherheit, ich hatte nur Gerüchte gehört, dass es so sein soll. Nun müssen wir nur noch warten bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist, mein Freund.“ Xemir konnte sich gut das hämische Grinsen unter der Kapuze vorstellen. „Wir sind keine Freunde, du Hund! Du hast einfach Shulas Leben für deine Ziele geopfert!“ schrie er ihn an. „Dafür wirst du noch bezahlen.“ Ein Lachen erklang aus der Kapuze hervor, bevor er sich in Richtung Xemir bewegte „In der Tat, da könntest du recht haben, dass ich dafür noch bezahlen werde. Aber bis es soweit ist, haben wir noch etwas Zeit. Sieh nach oben.“ wies er Xemir an, der erst nicht verstand, was das alles bedeuten sollte. Dann bemerkte er, dass das weiße Licht des Mondes sich rot gefärbt hatte. Ruckartig schaute er durch das große Loch in der Decke und sah einen in Feuer gehüllten Meteor, der durch den Himmel zog. „Eine neue Zeit bricht an.“ war das letzte was Xemir vernahm, als sein Körper sich den Schmerzen ergab und er das Bewusstsein verlor.

 

“Kapitel 1”

 

 

“Du musst dich mehr anstrengen, wenn du im Leben nicht als ein Niemand enden willst!” rief der Mann der in ein langes, mit goldenen Runen verziertes Gewand gekleidet war. Sein Bart schien länger als seine Arme zu sein und war genauso schwarz wie seine langen Haare, die hinten zu einem Zopf zusammengebunden waren. Das Gesicht war schmal und kantig, wirkte dennoch stets freundlich. Seine grünen Augen funkelten im Schein der Feuerschalen, die in jeder Ecke des Raumes standen und erinnerten schon fast an Saphire, die man im Sonnenlicht betrachtete. Seine Hände waren im Saum seines Gewandes verborgen und so betrachtete er Apoka, der keuchend am Boden gelegen hatte und versuchte, sich mit Mühe wieder aufzurichten. Er war ein junger Bursche, der gerade mitten in seiner Entwicklung stand und damit noch einiges zu lernen hatte. Er war schlank gebaut und etwas kleiner als die meisten Jungen seines Alters. Er trug ein schlichtes weißes Hemd, eine dazu passende hellbraune Stoffhose und keine Schuhe. Er spüre gern den Boden unter seinen Füßen, da fühle er sich etwas freier, sagte er immer. Das schwarze, vom Schweiß durchtränkte Haar fiel ihm ins Gesicht und war gerade noch kurz genug, dass er aus seinen stahlblauen Augen schauen konnte. “Ich kann auch zu jemandem werden, wenn ich kein großer Zauberer werde wie du.” brachte er nach Atem ringend hervor. Der ältere Mann lächelte, als er langsam auf ihn zuging und seinen Spott nicht zurückhalten konnte oder eher wollte. “Wenn du so weiter machst wie bisher und den ganzen Tag damit zubringst, irgendwelchen Hirngespinsten nachzujagen und die Zeit ins Land streichen lässt, wirst du immer ein Taugenichts bleiben und nie zu einem namhaften Mann werden wie ich.“ Er reichte Apoka seine Hand, um ihn aufzuhelfen. Doch Apoka, der diese Predigt schon hunderte Male gehört hatte und sie schon auswendig mitsprechen konnte, schlug mit Wut die helfende Hand weg und schrie mit einem leichtem Zittern in der Stimme. „Du hast keine Ahnung Vater! Eines Tages werde ich das Dorf verlassen und den heiligen Phönix finden, von dem in den Legenden soviel geschrieben steht. Dann wird alle Welt meinen Namen kennen und ich werde noch berühmter sein als du!” Das Adrenalin, das wie so oft bei einem Streit mit seinem Vater

entstand, verlieh ihm genug Kraft um aufzuspringen und aus dem Raum zu rennen. Er schlug die Tür hinter sich zu, dass dieTafel mit den Lehrsätzen, die neben der Tür hing, verrutschte. Der Lärm der Tür hallte im ganzen Haus wieder und ApokasVater schaute enttäuscht auf die Tür, durch die sein Sohn gerade verschwunden war und auf die Lehrsätze. Besonders der Erste war ihm immer sehr wichtig. “Beherrsche deine Emotionen, dann meisterst du jede schwierige Situation.“ Das war etwas, was Apoka noch nicht beherrschte. Kopfschüttelnd ging er die Treppe hinunter, die gleich neben der Tür war, die Apoka gerade zugeworfen hatte. Am unteren Ende der Treppe befand sich die Küche. Sie war nicht groß, aber groß genug, dass in der Ecke ein Tisch stand wo mindestens sechs Personen Platz gehabt hätten. Die Decke hing tief und war wie der Boden mit Holz verkleidet. Überall an den Wänden hingen Bilder, die verschiedene prächtige Gebäude zeigten, vor denen Apokas Vater stand. Eine ältere Frau stand am Herd und kochte. Sie war recht zierlich gebaut und trug die für Hausfrauen übliche Kleidung, ein langes hellblaues Kleid mit einer weißen Schürze darüber. Ihre langen dunkelblonden Haare, die mit einigen grauen Strähnen durchsetzt waren, waren mit einer dünnen Schleife zu einem Zopf gebunden. “Habt ihr euch schon wieder gestritten Liebling?” fragte sie ihren Mann, der gerade die Küche betrat, in einem traurigen Ton. Er wusste, dass die Frage keiner Antwort bedarf, schließlich hörte man das Knallen der Türen im ganzen Haus. Es war auch nicht das erste Mal, dass die Übungsstunden, wenn man sie überhaupt so nennen konnte, mit seinem Sohn so endeten. Also schwieg er und setzte sich an den großen Holztisch an die Stirnseite, die zur Tür zeigte. Da, wo jedes Familienoberhaupt sitzen musste. Um die peinliche Ruhe zu unterbrechen, antworte er ihr doch, obwohl sie genau wusste was jetzt kommen würde. „Der Junge gibt sich einfach nicht genug Mühe und anstatt die Zeit damit zu verbringen zu üben und Bücher zu studieren, verschwendet er seine Zeit mit der “Forschung“ nach einer Jahrtausend alten Legende, die die meisten schon gar nicht mehr kennen.” Die Frau fing an, den Tisch für drei zu decken und antwortete in einem mahnenden, aber liebevollen Ton “Er ist doch erst fünfzehn. Das ganze Leben liegt noch vor ihm und auch wenn er nicht wie du ein Meister aller Zauber wird, wird er seinen Weg in dieser Welt finden. Er ist schließlich nicht auf den Kopf gefallen und dein Sohn. Das sind doch die besten Voraussetzungen oder?” “So was will ich gar nicht hören!” entgegnete er. „Ich war mit sechzehn schon ein talentierter Magier, der durch das halbe Land gereist ist und so manches Abenteuer und Gefahren überwunden hat.” Die Frau lächelte und ihre Stimmlage hatte sich zu einer lieblichen weichen Stimme geändert. “Ich weiß, Liebling. Aber auch wenn Apoka noch nicht soviel gesehen und erlebt hat wie du damals, ist er dennoch genau so intelligent und dickköpfig wie sein Vater. Nun aber genug von Streitigkeiten und deinen früheren Heldentaten. Ich habe dein Lieblingsessen gemacht, lass uns schon mal essen. Apoka ist sicher eine Weile im Dorf unterwegs und kommt wie immer nicht so schnell zurück”.Apoka rannte durch die leeren Gassen des kleinen Ortes Tyron. Dieser lag auf einer großen Lichtung des wunderschönen friedlichen Waldes Forgan, nicht weit entfernt des mächtigen Berges Mount Farem, der höher war als die Wolken reichten. Im Kopf von Apoka spielte sich das gleiche Szenario ab wie immer, wenn er sich mit seinem Vater gestritten hatte. “Warum unterstützt er mich nicht? Warum kann er mich mit seinen Zauberlehren nicht einfach in Ruhe lassen? Ich will kein Zauberer werden wie er! Es gibt noch so viele Dinge, die man machen kann, um was im Leben zu erreichen.” Während er sich ärgerte, führte ihn sein Weg direkt in die kleine Bibliothek, die etwas abseits am Dorfrand stand. Es war ein sehr altes Gebäude, wenn nicht sogar das älteste im Dorf, was Apoka jedoch nicht richtig deuten konnte, da die meisten Gebäude immer mal wieder renoviert wurden. So aber nicht die Bibliothek. Sie bestand immer noch aus den alten grauen, von der Witterung porös gewordenen Bruchsteinen und einem Strohdach, das nach einem Feuer vor einigen Jahren das einzige war, was erneuert wurde. Glücklicherweise war nicht ein Buch bei dem Feuer zu Schaden gekommen, was fast einem Wunder glich. “Hallo Apoka!” erklang es freundlich, als er die Türschwelle betrat. “Bist du wieder da, um die altenLegenden zu lesen?“ “Euch auch einen guten Tag, Mr. Kenwig.Natürlich, ich will alles über die alten Legenden und Erzählungen erfahren, vor allem die des heiligen Phönix.“ erwiderte Apoka mit einem freundlichem Lächeln. Mr. Kenwig war ein Mann im hohen Alter, der vor fünfzehn oder sechzehn Jahren hier ins Dorf gezogen war und die Bibliothek seines Vorgängers übernommen hatte. Er saß wie immer in seinemSchaukelstuhl, sein graues Haar zur Seite gekämmt, eine kleine Brille mit runden Gläsern auf der Nase und einer kleinenHolzpfeife im Mund. In seinem Schoß lag ein dickes Buch wassehr alt aussah, wie Apoka feststellte. Er konnte die Frage nichtzurückhalten. “Was lest ihr da? Es sieht sehr alt aus.” Mr. Kenwig schmunzelte. “Dir entgeht auch nichts, wie ich es von dir gewohnt bin. Komm her, ich zeig es dir.” Apoka eilte zu ihm und stellte sich neben den Schaukelstuhl und betrachtete die aufgeschlagene Seite etwas genauer. Doch enttäuscht bemerkte er, dass er diese Schriftzeichen nicht lesen konnte und noch nie zuvor gesehen hatte. Das einzige, was er erkannte, war eine Abbildung. Ein Siegel, das einen Vogel zeigte. “Was sind das für Schriftzeichen?” fragte er neugierig. “Und was ist das für eine Abbildung?” Auf die Frage nach den Schriftzeichen schaute der alte Bibliothekar verwundert drein. “Mich wundert es, dass du sie nicht kennst. Es ist Turani, eine sehr alte Schrift, die heute nicht mehr geschrieben wird und nur eine Handvoll Leute im Land sie lesen können. Einer dieser Männer ist dein Vater, Tumar Fallden.” Apoka blickte entsetzt. “Davon hat er mir noch nie erzählt.” Gleichzeitig bildete sich der Gedanke in seinem Kopf, dass er seinen Vater unbedingt bitten musste, sie ihm beizubringen. Noch ehe er den Gedanken richtig zu Ende denken konnte, fuhr Mr. Kenwig fort. “Diese Abbildung zeigt das Siegel eines Geheimen Ordens, der als Hüter des Feuers bekannt war. Deren Aufgabe war es, die Kraft des heiligen Phönixes von Leuten fernzuhalten, die damit nichts Gutes im Schilde führten”. Bei der Erwähnung des heiligen Phönixes schwand die Enttäuschung, die Schrift nicht lesen zu können, völlig aus Apokas Gesicht und änderte sich schlagartig in Interesse und Faszination. “Was steht in dem Buch?” drängte er den alten Mann im Schaukelstuhl. Doch der schüttelte nur den Kopf und lachte. “Was gibt es da zu lachen?” fuhr Apoka ihn an. Das Lachen verklang und änderte sich zu einem freundlichen Lächeln als Mr. Kenwig antwortete “Nichts. Ich wusste nur, dass du das fragen würdest. Leider kann ich dir nicht sagen was drin steht, da ich die Schrift auch nicht sehr gut lesen kann. Und es würde auch zu lange dauern, dir alles zu erzählen.” Mit einer Entschlossenheit in den Augen versprach er, dass er lernen würde diese Schrift zu lesen, um dann den Geheimnissen des Buches auf den Grund zu gehen. So rannte er aus der Tür hinaus.

 

Tumar saß noch am Mittagstisch, als Apoka hereinstürmte undes kaum erwarten konnte, seinen Vater zu bitten, ihm beizubringen, diese Schrift zu lesen. “Du bist aber früh zurück mein Sohn.” Apoka entging die Verwunderung in der Stimme seines Vaters nicht, was ihn leicht kränkte. Schließlich wohnte er auch hier, doch er sagte lieber nichts, was seinen Vater verärgern könnte und ihm dadurch zu verweigern, die Schrift zu lehren. “Ja ich bin wieder da und ich habe eine gute Nachricht für dich Vater.” Apokas Grinsen wurde immer breiter und Tumar wusste, dass das nichts Gutes zu bedeuten hatte. “Nun Apoka, ich nehme nicht an, dass du zur Einsicht gekommen bist und jetzt doch in meine Fußstapfen treten willst, um ein großer Zauberer zu werden?” fragte Tumar immer noch mit leichter Verwunderung in der Stimme. Das hielt Apoka allerdings nicht davon ab, voller Vorfreude seine Bitte vorzubringen. “Nein Vater, das nicht, aber etwas viel Besseres.” sprach er mit vor Begeisterung aufgerissenen und strahlenden Augen. Ich möchte, dass du mir beibringst, wie man die alte Schrift der Turani liest, dass ich genau wie du einer der wenigen Menschen im Land bin, der das kann”. Tumars Miene veränderte sich, welche Apoka allerdings nicht genau deuten konnte. Es war eine Mischung aus Verwunderung, Entsetzen und Enttäuschung. “Ich weiß das du dich nie für alte Schriften interessiert hast.” sprach er zu seinem Sohn. “Nicht mal für die, die noch häufiger geschrieben sind. Also warum willst du die Schriften der Turani lesen können und woher weißt du, dass ich sie beherrsche?” Zum Glück hatte sich Apoka auf dem Heimweg schon die passenden Antworten zusammengesucht für den Fall, dass solche Fragen kommen sollten. Er konnte seinem Vater schlecht erzählen, dass er Turani lernen möchte, um ein altes Buch über die Hüter des Feuers und den heiligen Phönix lesen zu können. Da würde sein Vater gleich nein sagen. “Ich war in der Bibliothek bei Mr. Kenwig. Wir haben über das Leben hier im Dorf gesprochen und meine Zukunft. Er ist sehr alt, wie du weißt und er sagte er wolle noch mal, bevor sein Leben endet, nach Solan gehen in die große Landesbibliothek, um sich von einigen alten Freunden zu verabschieden. Da die Reise lang und beschwerlich ist, habe ich mich angeboten ihn zu begleiten. Da schlug …”. An der Stelle unterbrach Tumar seinen Sohn. “Du willst mit einem alten Mann alleine den weiten Weg in unsere Hauptstadt machen, die mehrere Wochen dauert und das, ohne jegliche Kenntnis von der Welt oder schon nur, wie man ein Feuer macht oder sich in der Natur ernährt?” Apoka war sehr verärgert darüber, dass sein Vater ihn ständig unterbrach und auch darüber, dass er ihm nichts zutraute. Er fuhr ihn an. “Lass mich doch bitte erst mal ausreden!” Nach einem kurzen Moment der Stille unterdrückte er seinen Ärger und sprach so gelassen wie möglich weiter. “Ja, ich möchte mit in die Stadt reisen und ja, ich habe noch keine Ahnung was außerhalb des Dorfes vor sich geht. Aber ich habe genug magisches Wissen, um ein Feuer zu entfachen und wenn wir genug Proviant mitnehmen, brauchen wir uns aus der Natur nicht zu ernähren. Aber nun zum eigentlichen Thema. Mr. Kenwig sagte, dass er gute Kontakte in der Landesbibliothek habe und wenn ich besondere Schriften lesen könne, könnte er dafür sorgen, dass ich eine Anstellung bekomme, um auf eigenen Beinen zu stehen.” “Und vom ihm weißt du auch, dass ich die fast ausgestorbene Schrift der Turani lesen kann?” fragte Tumar knapp, ehe sein Sohn einen weiteren Satz anfangen konnte. Apoka schaute etwas nervös, als er seinem Vater antwortete. “Nun ja, ja das hat er mir gesagt.” Sein Vater blicke Apoka streng an. Stille gewann wieder die Oberhand in der kleinen Küche. Man konnte nur das Knistern des Feuers im Ofen hören. Dieser Augenblick erschien Apoka wie eine Ewigkeit, bis sein Vater ihn daraus befreite und ein lautes Lachen durch das Haus erhalte. “Das ist wirklich eine gute Geschichte mein Junge. Mit deinem Verstand hast du bestimmt nicht lange gebraucht, sie dir auszudenken. Aber du scheinst das Wichtigste vergessen zu haben. Dass ich dein Vater bin, der dich die fünfzehn Jahre deines Lebens begleitet und großgezogen hat. Und auch wenn ich nicht mehr in den Diensten des Königs stehe, habe ich dennoch einen scharfen Geist und eine hervorragende Auffassungsgabe. Also, warumwillst du diese Schrift wirklich lesen können?” Tumar sah seinen Sohn freundlich und sichtlich amüsiert über seine Geschichte an und wartete auf die Antwort des nachdenklich blickenden Jungen, der vor ihm stand. Apoka stand nur stumm da, in Gedanken versunken und auf der Suche nach der Antwort, wie sein Vater ihn so schnell durchschauen konnte. Nach einigen Gedankengängen musste er einsehen, dass sein Vater seinen Fehler bereits sagte. Sein Vater war nicht irgendwer, sondern der große Zaubermeister Tumar Fallden. Jeder andere Vater hätte diese Geschichte geglaubt. Schweren Herzens erzählte Apoka seinem Vater die Wahrheit von den Hütern des Feuers und ihrem altem Buch. Er hoffte, dass sein Vater ihn nicht bestrafen würde, weil er versucht hatte ihn anzulügen. “Das klingt schon eher glaubhaft, mein Sohn.” Tumar erhob sich vom Tisch und ging auf seinen Sohn zu. Der schloss schon die Augen, um seine Bestrafung nicht mit ansehen zu müssen. Doch alles, was er fühlte war, wie sich eine Hand auf seine linke Schulter legte. Als er die Augen wieder öffnete sah er, es war die Hand seines Vaters, der leicht mit dem Kopf nickte und sprach. “Es scheint dir wirklich wichtig zu sein, dieses Buch zu lesen. Daher mache ich dir einen Vorschlag. Komm bitte mit in mein Arbeitszimmer.” Apoka nickte und dachte “Sein Arbeitszimmer, da war ich noch nie drin.” Er folgte seinem Vater aus der Küche. Sie gingen durch den Übungsraum, wo sein Vater ihm vor wenigen Stunden noch versucht hatte, die Künste der Magie zu lehren, in die rechte hintere Ecke des Raumes zu einer steinernen Tür ohne Klinke oder einem anderen Mechanismus, sie zu öffnen. Apoka wusste, dass dahinter das Arbeitszimmer seines Vaters war und hatte ihn auch schon oft darin verschwinden sehen. Aber er hatte nie gesehen wie er das macht. Nun war endlich der Tag an dem er es sehen würde, freute er sich innerlich, auch wenn ihm der Vorschlag seines Vaters zur Zeit mehr interessierte. Was würde er wohl verlangen im Gegenzug, dass er ihm die Schrift beibrachte? In dem Moment trat Tumar vor die Steintür, legte seine rechte Hand darauf, schloss die Augen und einen Moment später löste sich die Tür in Luft auf. Er öffnete wieder die Augen und sagte zu seinem Sohn, der wie zu Stein erstarrt dastand. “Komm tritt ein, es wird Zeit.” Als sich Apokas Starre wieder löste und er seine Sprache wieder fand, konnte Tumar, der bereits die Türschwelle überschritten hatte, aus dem Gestammel, was Apoka von sich gab nur “… aber wie…” verstehen. Mit einem leichten Lachen sprach er. “Das, mein Sohn ist Magie. Die gleiche Magie, die ich versucht habe, dir die letzten 6 Jahre beizubringen. Hättest du nicht so viel den irrsinnigen Legenden hinterher gejagt und mir mehr zugehört und geübt, wüsstest du genau, was gerade passiert ist und wärst in der Lage, das gleiche zu tun. Nun  komm, ehe die Tür sich wieder schließt.” Apoka fasste sich kurz und schritt durch den Rahmen. Kaum war er auf der Seite seines Vaters, sah er, wie die Steintür wieder aus dem Nichts auftauchte und den Weg in den Übungsraum versperrte. “Nun gibt es kein zurück mehr.” dachte sich der junge Mann, der seinem Vater einen schmalen Weg folgte. Rings um sie war nur kalter dunkler Stein. An den Wänden hingen alle zehn Meter Fackeln die, sobald man etwas näher kam, mit einem leisen Zischen entflammten und den Weg beleuchteten. Als sich Apoka umdrehte, sah er, wie die Fackeln, von denen sie sich entfernten, wieder erloschen und in der Dunkelheit des Nichtsverschwanden. “Vater!” fing er an “Was ist das hier für ein Ort? Warum hast du mir nie etwas davon erzählt?” Doch Tumar schwieg und ging den schmalen Pfad entlang, der sie bergab zu führen schien. Plötzlich brach Tumar sein Schweigen, so als hätte er überlegt, was er am Besten auf die Frage antworten sollte. “Wir befinden uns jetzt etwa sechzig Meter unter Mount Forgan. Den Grund, warum ich dir nie davon erzählt habe, wirst du erfahren wenn wir da sind. Du würdest es mir sowieso nicht glauben wenn ich es dir sage.” Apoka runzelte die Stirn, auch wenn er wusste, dass sein Vater das nicht sehen konnte und dachte sich “Wir sind sechzig Meter unter dem Berg in einem geheimen Tunnel, was soll bitte jetzt noch kommen was ich nicht glauben würde, wenn ich es nicht sehe?” Doch kaum hatte er den Gedanken zu Ende gedacht, änderte sich das Bild seiner Umgebung. Aus dem engen schmalen Gang wurde ein breiterer hoher Gang, der nach nur wenigen Schritten in einen riesigen Raum führte, der mindestens so groß war wie ihr gesamtes Haus. “Vater, was ist das?” Aber statt ihm zu antworten, erhob Tumar seine Hand in der sich Feuer bildete. Apoka war froh, dass ihn das nicht verwunderte. Schließlich konnte er das auch. Das war ja nur die Grundfähigkeit des Feuers. Doch noch mehr solche große Überraschungen wie die Sache mit der Tür oder dem Geheimgang zum Berg konnte er heute sicher nicht mehr verkraften. In dem Moment schwang Tumar seinen Arm und schleuderte die Feuerkugel fort. An der Stelle wo das Feuer aufschlug und erlosch, fing an ein Feuer zu brennen, das sich an der Wand entlang mit einem Zischen fort bewegte und auf seinem Weg mehrere große Feuerschalen entzündete, so dass der ganze Raum ausgestrahlt wurde, als wäre es ein Tag mit herrlichsten Sonnenschein. Apoka erstarrte wieder zu Stein und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Raum war noch größer als ihr Haus. An den Wänden wurden Wandgemälde von den Feuerschalen erhellt, die einen Krieg zeigten. Am rechten Rand war ein kleines Kind zu sehen, das in seiner Wiege von einem hellen Stern am Himmel angestrahlt wurde. So wie das Gemälde auf der linken Seite aufhörte, begann das Gemälde auf der rechten Seite, mit dem Kind und dem Stern. Als Apoka das Gemälde weiter betrachten wollte, stellte er fest, dass der Rest aus der Wand gebrochen war und nirgends im Raum zu finden war. Hastig drehte er sich zu seinem Vater um und fragte. “Wo ist der Rest des Gemäldes? Wie geht es weiter?” Tumar blickte traurig und sagte mit enttäuschter Stimme. “Das weiß keiner mehr. Niemand kann heute noch sagen, wo die fehlenden Stücke sind oder was dieses Gemälde zu bedeuten hat. Was ich dir sagen kann ist, dass es schon über tausend Jahre alt ist. Wir wissen auch nicht, wer diesen Raum erbaut hat oder wofür. Meine Vorfahren haben ihn so, wie du ihn jetzt siehst, vorgefunden.” Apoka löste sich von seinem Erstaunen und sahseinen Vater fragend an. “Das ist wirklich faszinierend und duhattest Recht. Das hätte ich dir nicht geglaubt, wenn ich esnicht gesehen hätte. Aber was hat das damit zu tun, dass ich die Schrift der Turani lesen lernen will?” Tumar lachte seinen Sohn an und sagte in einem Ton von Zufriedenheit und Weisheit. “Du bist zu ungeduldig. Wegen diesem Raum habe ich dich nicht hergeführt. Siehst du am anderen Ende des Raumes den großen Torbogen? Hinter ihm ist der Grund für unser hier sein.” Apoka schluckte, als er den Torbogen sah und auf ihn zuging. Mit jedem Schritt erschien er größer und größer. Er vermutete, er sei bestimmt zwanzig Meter lang und über vier Meter hoch. Dahinter sah er nicht nur Dunkelheit. Das Licht der Feuerschalen schien von dem Torbogen absorbiert zu werden, denn auch als Apoka nur ein paar Schritte vor der Schwelle stand, konnte er nichts sehen. Mit ängstlicher Miene schaute er seinen Vater fragend an. „Was ist dahinter?“ Wieder begann Tumar zu lachen. „Du musst keine Angst haben, dahinter ist nichts, was gefährlich ist. Zumindest wenn es in den richtigen Händen ist.” Die Worte seines Vaters machten ihn nicht unbedingt mutiger, doch er dachte daran, die Schriften zulesen, das alte Buch des Mr. Kenwig zu entschlüsseln und dann dem Phönix einen Schritt näher zu sein. Er fasste all seinen Mut zusammen und wagte den ersten Schritt über die Schwelle. Kaum setzte er den Fuß auf den Boden, hörte er von überall zischen und krachen, dass er zusammen schrak und die Augen schloss. Er spürte, wie sein Vater neben ihn trat und ihm auf die Schultern klopfte. “Du kannst die Augen wieder aufmachen. Es ist alles in Ordnung!” Er tat, was sein Vater ihm sagte und öffnete ganz langsam die Augen. Zuerst vernahm er nur einen hellen Schein wie das eines riesigen Feuers. Noch einmal fasste er seinen Mut zusammen und riss die Augen auf. Das was er sah war so unfassbar, dass es ihn zu Boden warf. Er fand sich in einem Raum wieder, dessen Größe er nicht beschreiben konnte. Er schien größer zu sein als das ganze Dorf und überall standen große Feuerschalen, die den Raum in ein warmes Licht tauchten. Als Apoka wieder auf den Beinen stand und sich den Inhalt des Raumes näher betrachtete, bemerkte er, dass es eine Bibliothek war. Wo man auch hinschaute, waren riesige Bücherregale, die bestimmt fünf Meter in die Höhe ragten. Sie waren aus einem dunklem Edelholz gefertigt, das Apoka nicht kannte und alle Ränder und Kanten waren mit goldenen Gravuren verziert, in denen sich der Feuerschein spiegelte und die Regale dadurch noch edler wirkten als sie es ohnehin schon waren. Tumar entging Apokas Begeisterung und sein fragender Blick nicht und so antwortete er auf seine ungestellte Frage. “Das ist eine alte Bibliothek, die von meinen Vorfahren errichtet wurde. Diese Bücher sind mitunter viele hundert Jahre alt und aus allen Teilen der Welt zusammengetragen. Viele Bücher, die du hier findest, sind die letzten Exemplare und daher auch nicht in den größten Bibliotheken mehr vorhanden.” Es herrschte Stille und Apoka musste erst einige Dinge in seinem Kopf richten, ehe er einen sinnvollen Satz herausbringen konnte. “Aber wie ist das möglich? Wie kann es sein, dass man eine so riesige Höhle inMount Farem noch nicht entdeckt hat? Wie wurde das hieralles errichtet, ohne dass jemand davon etwas bemerkte?”Tumar hob die Mundwinkel und lächelte seinen Sohn vor Glück an. “Freut mich, dass dich diese magischen Dinge faszinieren, obwohl du immer sagst, dass sie dich nicht interessieren. Diese Höhle wurde künstlich erschaffen. Mit der gleichen Magie wie die, die ich bei der Tür im Übungsraum verwendet habe und genau diese Magie ist es auch, die diese Bibliothek vorm entdecken Fremder schützt. Wegen der Frage, warum das keiner bemerkt hat, musst du wissen, dass Tyron vor ungefähr zweihundertvierzig Jahren von meinen Vorfahren gegründet wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Geheimnis dieses Ortes schon über mehrere Generationen weitergegeben. Aber das wirst du sicher alles noch herausfinden. Denn in den nächsten Wochen wirst du hier mehrere Stunden am Tag verbringen und die Grundlagen der Magie, das Wissen über die Welt und dieSchriften der Turani studieren.” Apoka schaute etwas verstimmt und jammerte seinen Vater an. “Kann ich nicht nur die Schriften studieren? Muss ich mich wirklich wieder mit der Magie beschäftigen oder mit Dingen aus der Welt, die schon längst vergessen sind und keinen mehr interessieren?” Tumar blickte ihn streng an und sprach mit mahnendem Ton zu ihm. “Du hast mich gebeten, dir diese Schrift beizubringen und ich habe dir gesagt, dass es an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Das sind sie nun mal. Also entweder du akzeptierst sie, um das Buch bald lesen zu können oder du suchst dir eine andere Möglichkeit, sie zu lernen!” Mit einem Seufzen stimmte Apoka zu. “Nun gut, wenn es denn sein muss. Besser hier drei oder vier Monate durchstehen, als jahrelang durch die Lande zu streifen, um jemanden zu finden, der sie mir beibringen kann.” Die Strenge aus Tumars Gesicht war gewichen, um der Güte Platz zu machen, mit der er seinen Sohn versuchte zu ermutigen. “Na also, so ist es recht mein Sohn! Und glaub mir, es wird dir mehr Spaß machen als die Übungen aus dem Übungsraum. Denn bisher haben wir nur ein paar grundlegende Dinge geübt. Aber hier in diesen Bücher findest du wahrscheinlich mit die mächtigsten Zauber, die es gibt und darum ist es von höchster Wichtigkeit, dass du niemanden von diesem Ort erzählst. Wenn dieses Wissen in die falschen Hände gerät, kann es die Welt, wie wir sie kennen, völlig zerstören.

 

“Kapitel 2”

 

Beatrix verließ früh am Morgen den Tempel, um ihren täglichen Spaziergang durch den Wald zu machen. Die Sonne brach durch die Äste und die Strahlen fielen wärmend auf Beatrix’ schmales weißes Gesicht. Sie schloss die Augen und genoss die angenehmen warmen Strahlen, während ein leichter Luftzug durch ihr schulterlanges gewelltes Haar strich, dessenbraun im Sonnenlicht heller wirkte, als es eigentlich war. Siemochte die Spaziergänge am frühen Morgen, wenn der Wald inwarmes Licht getaucht war, die Vögel in den Bäumen fröhlichanfingen zu zwitschern und der Tau auf dem Boden und an denBlättern im Sonnenlicht strahlten und funkelten, als wären eshunderte Kristalle. Als sie auf eine kleine Lichtung trat, erschrak sie. In der Mitte der Lichtung war ein kleines Lager aufgeschlagen, was sie nicht weiter verwunderte. Es kam oft vor, dass Wanderer oder Jäger in diesem Teil des Waldes Rast machten. Aber dieses Lager sah verwüstet aus, als hätte es einen Angriff gegeben. Mit schnellen Schritten näherte sie sich dem Lager, um es zu untersuchen. Je näher sie kam, umso stärker wurde der Geruch von Blut und verbranntem Fleisch. In dem Moment, als sie es betrat, traf sie das Entsetzen. Auf dem Boden lagen mehrere leblose Personen. Sie sah sich die Verletzungen der Männer etwas genauer an. Ihrer Kleidung nach waren sie Kaufleute. Sie wurden regelrecht abgeschlachtet. Dem Ersten hatten sie den gesamten Bauch aufgeschnitten, dass seine Gedärme hervorquollen. Darüber hinaus fehlten ihm beide Unterarme. Allerdings sah es nicht so aus, als wurden sie mit einer Klinge abgetrennt, sondern abgerissen. Der zweite Mann hatte am ganzen Körper schwere Verbrennungen und ihm fehlte der Kopf. Der letzte schien im Vergleich zu seinen Begleitern einen schnellen gnädigen Tod gefunden zu haben. Ihm wurde die Kehle durchgeschnitten. Beatrix schaute sich im Lager um, ob es irgendwelche Spurenoder Anzeichen für die Angreifer gab. Allerdings war sie, wasdas Spuren lesen anging, nicht so geübt, wie im Umgang mitMagie und Worten. Ein Unbehagen stellte sich in ihr ein. Siefühlte Blicke auf sich, die sie beobachteten. Langsam undunauffällig suchte sie das Unterholz um das Lager herum abum festzustellen, wie viele sie beobachteten und wo sie waren.Glücklicherweise war der Beobachter genauso ungeübt, sich imVerborgenen zu halten wie sie, Spuren zu lesen. Ihr wurde schnell klar, dass es nur eine einzelne Person war. Auch dass sie nicht zu den Angreifern, sondern zu den Opfern gehörte, konnte sie anhand der Blutspur feststellen, die zu seinem Versteck führten. Also rief sie. “Komm raus und zeig dich, ich werde dir nichts tun!” Einen Moment lang legte sich Stille über den Wald. Kein Vogel war zu hören oder der Wind, wie er durch die Blätter pfiff. Plötzlich vernahm Beatrix eine Männerstimme. Sie klang schmal und schwach. „Wer bist du? Was machst du hier?” Die zitternde Stimme des Mannes machte Beatrix nur noch sicherer, dass keine Gefahr von ihm ausging. “Mein Name ist Beatrix Lysar. Ich lebe hier in einem nahe gelegenen Tempel. Zeig dein Gesicht und nenn mir deinen Namen, dann können wir in Ruhe reden.” Der Mann trat aus dem Gebüsch hervor. Er war vielleicht Mitte zwanzig und etwas größer als sie. Er war im Gegensatz zu den Toten nicht wie ein Kaufmann gekleidet, eher wie ein Kämpfer. Er trug eine leichte Lederrüstung, die alt und abgenutzt aussah. An der rechten Seite seiner Hüfte hing ein Schwert. Dessen Klinge war allerdings nach wenigen Zentimetern gebrochen. Sein rechter Arm hing reglos nach unten. Sicher war er verletzt und in seinem Gesicht konnte sie seine Erschöpfung und Verzweiflung erkennen. Er schleppte sich mit schweren Schritten auf die Lichtung in Richtung Beatrix. Als er wenige Schritte vor ihr stand, sagte er leise und mit schwacher Stimme “Ich heiße Luca. Ich bin froh euch gefunden zu haben.” Das Sprechen strengte ihn an, so dass er eine kurze Pause machte, um Luft zu holen. „Wir waren auf dem Weg zu eurem Tempel, als…” Ein kurzes Zucken durchfuhr seinen Körper als er einen Moment später zusammenbrach. Beatrix versuchte ihn im Fallen zu halten, um seinen Sturz zu bremsen. Doch es ging alles zu schnell, so dass sie ihn nicht richtig zu greifen bekam. Er prallte mit dem Körper voran auf den weichen Waldboden, was ihn vor weiterem Schaden bewahrte. Schnell überprüfte sie, ob er noch lebte. Sein Puls war schwach und sein Atem wurde immer flacher. Sie schloss die Augen und legte die Hände auf seinen Oberkörper. Ein weißliches Licht trat aus ihren Händen und griff auf seinen Körper über, bis er schließlich komplett in das hellen weichem Licht gehüllt war. Sein Puls und sein Atem erhöhten sich leicht und gingen ihrengewohnten Rhythmus nach, als würde er schlafen. Das Licht verschwand wieder und sie erhob sich mit dem Wissen, ihm das Leben gerettet zu haben, zumindest vorerst. Wenn sie ihn nicht schnell in den Tempel brachte, wo er richtig behandelt werden konnte, würde es jedoch nur eine Frage von Stunden sein, bis sein Lebenslicht erlöschen würde. Sie legte ihre Handflächen aufeinander, als würde sie beten wollen, ging in die Hocke und schloss wieder die Augen. Kurz darauf dröhnte ein Lärm durch den ganzen Wald, als würden in der Nähe Felsen einen Berg herabstürzen. Es war aber der Waldboden unter Luca, der sich erhob und zu schweben begann. Es sah aus, als würde er auf einer Trage aus Stein liegen, die sich schwebend kurz über dem Boden bewegte. Beatrix öffnete langsam die Augen und erhob sich. Die Handflächen noch aufeinander gedrückt, machte sie sich wieder auf den Weg zum Tempel. Die steinerne Trage schwebte ihr hinterher. Sie hätte gern darüber nachgedacht, was da wohl geschehen war und was das alles zu bedeuten hatte. Doch sie wusste, dass sie ihre Konzentration nicht verlieren durfte, sonst würde die Trage zu Boden stürzen und größeren Schaden anrichten als sie hätte heilen können. Beatrix spürte, wie ihre Kraft langsam nachließ, als sie die Tempelspitze über den Baumkronen auftauchen sah. Aus der Richtung des Tempels vernahm sie schnelle Schritte, die auf sie zukamen. Es waren die Tempeldiener Luis und Sola. Die beiden Zwillinge trugen eine Trage und eilten zu Beatrix, um ihr zu helfen. Als Beatrix die beiden jungen Männer sah, war sie erleichtert, schloss die Augen und begann damit, den Verletzten so sanft wie möglich auf den Boden abzusetzen. Als der Stein auf dem Boden aufsetzte, hörte sie Sola schon rufen. “Geht es euch gut, Meisterin Beatrix? Was ist passiert?” Als sie die Augen wieder öffnete, waren ihre beiden Helfer gerade bei ihr angekommen “Danke, mir geht es gut. Aber er hatte nicht solches Glück.” Sie wies mit dem Finger auf Luca. „Er muss unverzüglich in den Tempel gebracht und behandelt werden.“ wies sie an. „Woher wusstet ihr, dass etwas passiert ist?” fügte sie hinzu. Die Männer legten die Trage neben Luca, um ihn darauf zu heben, während Luis erklärte. „Großmeisterin Benala hat den Lärm, den du mit dem Erschaffen der Trage gemacht hast, wahrgenommen und Vögel in die Richtung geschickt, um auszukundschaften was da vor sich ging. Vor kurzem kamen die Vögel zurück und berichteten ihr, dass du mit einem Verletzten auf dem Weg hierher bist und so schickte sie uns aus, dir entgegen zu gehen.” Beatrix Mund formte sich zu einem ironischen Lächeln. “Vögel! Darauf hätte ich auch kommen können, um euch zu informieren.” Als die beiden die Trage anhoben und sich in Richtung des Tempels in Bewegung setzten, versuchte Luis sie noch etwas zu trösten “Großmeisterin Benala hat viel mehr Erfahrung als du. Außerdem musstest du schnell handeln, um ihn zu retten. Davergisst man schon mal etwas und außer dir oder der Großmeisterin hätte es keiner aus dem Tempel geschafft, ihnlebend bis hierher zu bekommen.” Auch wenn die Worte nur von einem Tempeldiener kamen, zeigten sie die gewünschte Wirkung. “Ich danke dir, Luis und dir natürlich auch Sola. Geht schon mal vor und sorgt dafür, dass er schnellstmöglich behandelt wird. Ich komme gleich nach. Wir reden dann später weiter.” Die beiden stimmten mit einem kurzen Nicken zu. “Jawohl, Meisterin Beatrix.” Und schon waren sie eilig auf dem Weg zurück zum Tempel. Beatrix holte tief Luft, dann machte auch sie sich auf den Weg zum Tempel. Die Sonne schien auf sie herab und die Vögel sangen. Alles wirkte friedlich wie immer, aber sie wusste, irgendetwas ging vor sich. Ihre Erfahrung und Weisheit war noch nicht so groß wie die ihrer Meisterin, dennoch spürte sie, dass ein großes Unheil ihnen bevorstand. Als sie dem Tempel näher kam, betrachtete sie ihn, wie sie ihn schon hunderte Male betrachtet hatte. Er war höher als der höchste Baum im Wald und mehrere hundert Meter breit. Trotz seiner Größe passt er sich sehr gut dem Wald an. Überall an den hohen Tempelmauern rankte Efeu dem Weg zur Sonne empor. Über der Mauer konnte mandie Baumkronen der Bäume sehen, die im Innenhof standen.Auch der hohe Hauptturm in der Mitte der Anlage war mitEfeu und anderen grünen Pflanzen bedeckt. Wer es nichtwusste, hätte gesagt, das es eine alte Tempelruine sei, wo schon viele Jahre keiner mehr lebte. Am Haupteingang wartete Großmeisterin Benala auf Beatrix, um zu erfahren was geschehen war. Sie stand in ihrem langen weißen Gewand da, ihre grauen Haare zu einer hohen Frisur zusammengesteckt. Die Hände verbarg sie im Saum ihres Kleides. Sie stand in einer aufrechten Haltung da, mit erhobenem Kinn, so dass jeder sehen konnte, dass sie hier das Sagen hatte. Trotz ihres höheren Alters war keine einzige Falte zu sehen, außer die auf ihrer Stirn, die sie selbst legte, weil sie die neuesten Ereignisse im Wald beunruhigten. „Was hast du mir zu berichten, Beatrix?” kam sie gleich zur Sache ohne große Höflichkeiten auszutauschen, als Beatrix das Tor erreichte. „Guten Morgen Großmeisterin!“ begrüßte Beatrix sie. „Leider kann ich euch noch nicht mehr sagen, als das was euch die Vögel sicher schon berichtet haben. Auf einer Lichtung nicht weit weg von hier wurde ein Lager von Kaufleuten angegriffen. Wer immer das war, hatte keine Probleme damit, dass seine Opfer vor ihrem Tod schreckliche Qualen erlitten.” Diese schlechten Nachrichten beunruhigten Benala noch mehr, was an der immer tiefer werdenden Falte zu sehen war. “In der Tat, das berichteten mir meine Vögel bereits. Ich habe jedoch gehofft, dass sie übertreiben. Nachdem du es jedoch bestätigt hast, wird es wohl so sein. Hast du irgendwelche Spuren ausmachen können, die auf den Angreifer schließen lässt? Und weißt du, wer dieser junge Mann ist?“ Beatrix senkte den Kopf. “Nein, leider habe ich keine Spuren finden können, die den Täter entlarven konnten. Das einzige, was ich fand, war der verwundete Mann, dessen Name Luca ist. Kurz bevor er zusammen brach erzählte er mir, dass sie sich auf dem Weg zu unserem Tempel befanden. Als sie nachts ihr Lager auf der Lichtung aufgeschlagen hatten, wurden sie angegriffen. Leider konnte er mir noch nicht sagen, wer sie angriffen hatte oder aus welchem Grund sie die Reise zu uns unternommen hatten.” Die Falten auf Benalas Stirn legten sich etwas und ihre Stimme klang weicher als zuvor. “Ich verstehe. Das hast du gut gemacht, als du seine schwersten Verletzungen heiltest und ihn hierher brachtest. Wir werden ihn über den Vorfall befragen, wenn er wieder zu sich kommt. Was anderes habe ich von der Anwärterin auf den Titel Großmeisterin nicht erwartet.” Beatrix wurde rot und wäre am liebsten vor Verlegenheit in den Boden versunken. „Ich danke euch für diese lobenden Worte Großmeisterin Benala. So hätte jeder andere Magier unseresTempel auch gehandelt.“ Benala lächelte. “Du bist bescheidenwie immer meine Liebe. Du hast recht, jeder aus dem Tempelhätte so gehandelt, aber du bist die Einzige die dazu in der Lage gewesen wäre, es auch bis hierher zu schaffen.“ „Wo befindet er sich zur Zeit und wie geht es ihm?“ warf Beatrix schnell die Frage ein, um das Thema zu wechseln. Benala schmunzelte kurz über den Themenwechsel, bevor sie antwortete. „Er ist momentan in unserem Gebetsraum. Meisterin Shaphari ist bei ihm. Nach ihrer ersten Begutachtung sieht es nicht gut aus um ihn, aber du weißt ja, sie hat schon manchen Todgeweihten im Leben gehalten und wieder zu neuer Kraft verholfen.” Beatrix verspürte einen Anflug von Selbstzweifel. War sie zu langsam? Hätte sie ihn vor Ort mehr behandeln sollen? Wäre es schneller gegangen wenn sie nicht vergessen hätte, Vögel als Boten zu schicken? Benala entging das enttäuschte Gesicht ihrer Schülerin nicht. Sie streckte die im Saum verborgene Hand aus und legte sie Beatrix auf den Kopf und sprach mit der gütigen Stimme einer Mutter. “Mach dir keine Vorwürfe, du hast richtig gehandelt. Ihn vor Ort weiter zu behandeln, wäre ein zu großes Risiko gewesen, da die Angreifer noch in der Nähe hätten sein können. Wenn er es nicht schaffen sollte, so sei es der Wille der Götter.” Ein Seufzen entwich Beatrix. „Ihr habt wahrscheinlich wie immer recht, Großmeistern. Nun bleibt uns erst einmal nur, abzuwarten ob Meisterin Shaphari auch bei ihm Wunder vollbringen kann.” “So ist es. Geh dich erst einmal ausruhen Beatrix. Du hast den Erdzauber über eine lange Strecke ausführen müssen, du bist sicher erschöpft.” Beatrix verbeugte sich leicht. „Ich danke euch Großmeisterin Benala!” Sie erhob sich wieder und verschwand im Tempel.

 

“Kapitel 3”

 

Es war finster und still, nichts war zu hören. Nichts außer einschweres Atmen. Im schwachen Mondlicht konnte man sehen wie sich ihr Brustkorb langsam auf und ab bewegte. Sie lag auf dem Boden, von dem Kampf erschöpft, den sie gerade beendet hatte. Neben ihr lag ein toter Flügelschläger. Ihr Schwert steckte noch in seinem schlanken Körper und funkelte silbern im Mondlicht. Die Flügel der Kreatur waren zerfleddert und nur noch zur Hälfte vorhanden. Sie musste sie zerschneiden, um dem Flügelschläger seine effektivste Waffe nehmen zu können. Sie hatte schon öfter beobachten können, wie diese Kreatur ihre Beute mit einem starken Flügelschlag von den Beinen holte, um ihnen danach mit ihren rasiermesserscharfen Klauen, die am oberen Ende der Flügel  saßen, viele tiefe Schnitte zuzufügen, so dass es nicht lange dauerte, bis sich das Blut des Opfers über den gesamten Boden ergoss. Ihr schien es sogar, als ob es dem Flügelschläger gefiel, wenn die Beute unter Qualen stirbt. Zum Glück war Olin gut über die Kreaturen, die in den Bergen hausten, informiert und kannte ihre Schwachstellen. Sie richtete sich langsam mit einem schmerzverzerrten Gesicht auf. Während des Kampfes war sie einen Moment lang unachtsam gewesen, was der Flügelschläger nutzte, um sie gegen eine Wand zu schleudern. Um zu vermeiden, dass sie mit dem Kopf gegen den Felsen schlug, drehte sie ihre Schulter nach vorn, um mit ihr den Aufprall abzufangen. Ihr schulterlanges rotes Haar fiel ihr in das leicht rundliche Gesicht und bedeckte im ersten Augenblick ihre grünen Augen. Sie schwang den Kopf zur Seite, um ihre Haare nach hinten zu werfen. Es verging einige Zeit, bis sie sich erhob, um ihr Schwert aus der toten Kreatur zu ziehen „Das war diese Woche schon der dritte.“ sagte sie zu sich, als sie ihr Schwert wieder in die Scheide zurück gleiten ließ. „Irgendwas geht hier vor sich. Sonst begegnet man in einem halben Jahr maximal einem von ihnen.“ Sie machte sich wieder auf den Weg den Berg hinab. Von weitem konnte man schon die Feuer ihres Dorfes Sunda erkennen. Es lag am westlichem Fuße von Mount Farem. Das Leben war sehr friedlich, die Menschen gingen ihrer Arbeit nach, die in den meisten Fällen aus Feldarbeit oder Fischen bestand. Doch vor einigen Wochen kamen die ersten Kreaturen den Berg hinunter und überfielen Wanderer und Kaufleute nahe des Dorfes. Da sie aber noch nie das Problem hatten, sich gegen jemand verteidigen zu müssen, gab es kaum jemanden im Dorf, der im Umgang mit Waffen geübt war. Genau genommen gab es nur zwei. Olin und ihren Vater, der ihr das Kämpfen beibrachte, als sie noch ganz klein war. Ihr Vater diente früher der königlichen Armee als Oberbefehlshaber. Nachdem er aber die Nachricht erhielt, dass ihre Mutter an einer schweren Lungenentzündung erkrankt war, verließ er den Königshof, um bei seiner Familiezu sein. Doch der Weg nach Hause war sehr weit. Noch bevorer das Dorf erreichte, bekam er die Nachricht, dass seine FrauGestorben war. Erst an dem Tag als sie beerdigt wurde, erreichte er das Dorf. Das Einzige was ihm jetzt noch blieb, warseine vierjährige Tochter. Mittlerweile war Olin siebzehn und lebte allein. Ihr Vater war vor zwei Jahren von einer Reise auf die andere Seite des Berges nicht wiedergekommen. Olin wollte schon oft das Dorf verlassen um ihren Vater zu suchen. Sie wollte nicht glauben das er tot sein sollte. Die Dorfältesten überredeten sie jedoch immer wieder, doch im Dorf zu bleiben um es zu schützen. Sie wohnte in einem kleinen Haus, was ihre Eltern gekauft hatten, als sie hierher zogen. Es lag direkt am Dorfeingang. Als Olin eintrat, spürte sie wieder diese Leere. Die gleiche Leere, die sie jedes Mal verspürte, seit ihr Vater nicht mehr da war. Die Einrichtung hatte sie auf das nötigste reduziert, da sie es vermied, sich lange im Haus aufzuhalten. Es hingen zu viele Erinnerungen an ihre Eltern daran, was sie traurig stimmte. Also verbrachte sie die Zeit damit, Kreaturen zu jagen, die dem Dorf zu nahe kamen oder ihre Fähigkeiten zu trainieren. Sie ging die hölzerne Treppe hinauf in ihr Schlafzimmer, wo sie sich gleich aufs Bett fallen ließ und es nur wenige Momente dauerte bis sie einschlief. Ein stechender Schmerz in ihrer Schulter holte sie aus ihren Träumen in die Realität zurück. Es war bereits Morgen und die Sonne schien zum Fenster hinein. Die Vögel sangen, als wäre die Welt in Ordnung. Sie wusste, dass sie mit ihrer Schulter besser zur Heilerin des Dorfes gehen sollte. Aber sie wusste auch, dass sie sich dann die gleichen Predigten wie immer anhören durfte. Dass das Kämpfen gegen solche Kreaturen viel zu gefährlich für ein Mädchen ist und wenn sie es schon nicht lassen kann, dass sie besser auf sich aufpassen soll. Doch wenn sie nicht kämpfen würde, wer würde es dann tun, sagte sie immer wieder zu sich. Sie stand auf und ging zum Fenster um zu sehen, was den Lärm verursachte, der sie aus den Schlaf gerissen hatte. Als sie nach draußen schaute, sah sie eine große Menschentraube am Dorfeingang, aber den Grund dafür konnte sie nicht erkennen. Es musste irgendwas passiert sein, denn selbst der Dorfälteste war mit anwesend. Sie zog schnell ihre Lederrüstung aus und schlüpfte in etwas Angenehmeres, um sich auf den Weg unter die Leute zu machen und in Erfahrung zu bringen, was da vor sich ging. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis der Dorfälteste auf sie zukam, nachdem sie das Haus verließ. „Guten Morgen, Olin! Du bist wieder da von der Jagd. Wie ist es gelaufen?“ begrüßte er sie freundlich. Er war ein kleinerer alter Mann, der schon an die siebzig Jahre heranreichte. Seine Haare hatte er bereits vor vielen Jahren verloren, genauso wie seine autoritäre Ausstrahlung. Viele, die ihn von früher nicht mehr kannten, ehrten ihn nicht mehr und bezeichneten ihn als alten verwirrten Greis. Olin gehörte jedoch nicht zu denen. Auch wenn sie ihn in seiner Blütezeit nie erlebt hatte, hatte ihr Vater viele Geschichten von früher erzählt. Wenn man ihn nur ansah, wusste man, dass er ein weiser Mann war, der immer genau wusste was zu tun war und wo es lang ging. Damals stellte niemand seine Entscheidungen in Frage. Doch das änderte sich, nachdem seine Frau vor einigen Jahren gestorben war. Man hätte sagen können, mit seiner Frau starb sein Lebenswille. Dennoch tat er immer alles was in seiner