Die Insel der schwebenden Wale - Floki Leroux - E-Book

Die Insel der schwebenden Wale E-Book

Floki Leroux

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Beschreibung

Der alte Kommissar und das Meer? Nichts da! Inspector Frederik Taylor ist wohl der jüngste Inspector, den Scotland Yard jemals hervorgebracht hat. Gemeinsam mit seinem treuen Beagle Alfie reist er auf die abgelegene Insel Cetecea Island um den Fall der vermissten Journalistin Josephine White zu untersuchen. Dort angekommen muss er jedoch schnell feststellen, dass es sich hier um mehr handelt, als einen einfachen Vermisstenfall. Nach dem Fund zweier Leichen wird ihm klar, dass er tiefer graben muss, um Antworten zu bekommen. Was hat es mit dem abgesperrten Industriegelände auf Hawthorne Hill auf sich, über das niemand sprechen will? Woher kommt der dichte Nebel, der die Insel in regelmäßigen Abständen zu verschlingen scheint? Und was hat der örtliche Energiekonzern mit all dem zu tun? Die Bewohner der kleinen Küstenstadt Crooks Meadow machen es Taylor nicht einfach, der Insel ihre Geheimnisse zu entlocken, denn wie üblich will niemand etwas gesehen oder gehört haben. lediglich der kauzige Leuchtturmwärter ist bereit zu reden, doch dessen Berichte über die Wale im Nebel hält der Inspector für ausgewachsenes Seemannsgarn. Zumindest bis Taylor selbst Zeuge von Ereignissen wird, die sein Weltbild für immer verändern sollen.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Ähnliche


Floki Leroux

Die Insel der schwebenden Wale

Inspector Taylors sonderbare Fälle

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1 – Crooks Meadow

Kapitel 2 – Eine lohnende Geschichte

Kapitel 3 – Der alte Mann und das Meer

Kapitel 4 – Seemannsgarn

Kapitel 5 – Familiengeschäfte

Kapitel 6 – Der Nebel

Kapitel 7 – Lauschangriff

Kapitel 8 – Was geschah auf Hawthorne Hill?

Kapitel 9 – Elementar, mein lieber Watson

Kapitel 10 – Unerledigte Geschäfte

Impressum

Floki Leroux

Die Insel der schwebenden Wale

Inspector Taylors sonderbare Fälle, Band 1

Impressum

Texte: © 2023 Copyright by Floki Alexander Clasen

Umschlag:© 2023 Copyright by Floki Alexander Clasen

Verantwortlich

für den Inhalt:Floki Alexander Clasen

Eutiner Straße 12

18109 Rostock

[email protected]

Diese Geschichte ist allen gewidmet, die ihren Weg noch nicht gefunden haben. Möge der Leuchtturm euch in einen sicheren Hafen leiten.

„Das älteste und stärkste Gefühl der Menschheit ist Angst, die älteste und stärkste Form der Angst, ist die Angst vor dem Unbekannten.“

H.P. Lovecraft

Prolog

Der Leuchtturm war ein Anker in der Dunkelheit. Neben dem stetigen Rauschen der Wellen war er der einzige Orientierungspunkt in einem Meer aus Nebel. Einst ein Leitlicht für Schiffe, führte er nun verlorene Seelen fort von dem Abgrund, der sie zu sich rief.

Josephine White war allein. Sie konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, seit sie das letzte Mal die Sonne gesehen hatte, denn diese Nacht schien nicht enden zu wollen. Manchmal, wenn das Licht des Leuchtturms auf die richtige Weise durch den Nebel schnitt, konnte sie schemenhafte Umrisse von Anderen in der Ferne erkennen. Doch wie sie sich auch bemühte, sie zu finden, konnte sie sie doch nicht erreichen. Stattdessen hatte sie sich auf den Leuchtturm konzentriert, das letzte Relikt ihrer bekannten Realität.

Wenn sie nur den Leuchtturm erreichen würde, sagte sie sich, dann wäre sie in Sicherheit. Wovor sie sich in Sicherheit bringen musste, wusste sie nicht, doch es war gefährlich und es war nah. Entschlossen kämpfte sie sich weiter durch den nassen Sand unter ihren Stiefeln. In ihren Augenwinkeln erahnte sie die schwarzen Schatten, die nach ihr griffen, nach dem Licht griffen, wie sie es immer taten.

Ihre Schritte wurden schneller, doch es war zu spät. Der Leuchtturm war verschwunden und mit ihm das rettende Licht. Stille legte sich über den Strand. Josephine White war nicht länger allein.

Kapitel 1 – Crooks Meadow

Der Bug der Jessemine schnitt mühelos durch das pechschwarze Wasser des Nordpolarmeers. Die kleine Fähre, die wohl einst ein Fischkutter gewesen war, ermöglichte nun zweimal am Tag die Überfahrt vom Festland Alaskas zur Insel Cetecea Island, bei Bedarf auch öfter. Diesen gab es jedoch eher selten.

Cetecea Island lag so weit von der Küste entfernt, dass den meisten Menschen nicht einmal bewusst war, dass die Insel existierte. Nur selten verirrten sich Besucher nach Crooks Meadow, dem einzigen Ort auf der Insel. Vornehmlich waren es Forscher, die an der lokalen Flora und Fauna interessiert waren oder Kreative auf der Suche nach etwas Ruhe für ihre Arbeit.

Auch Inspector Frederik Taylor war nicht aus Vergnügen hier.

Der junge Mann war gerade erst zum Inspector befördert worden und verfolgte nun seinen ersten eigenen Fall. Man muss hierbei wohl erwähnen, dass er das nicht ganz freiwillig tat. In Scotland Yard hatte man schlicht keinen Anderen gefunden, der bereit war, einen langweiligen Fall in einer langweiligen Stadt auf einer langweiligen Insel zu bearbeiten.

So fand sich der junge Inspector also auf dem Deck des alten Fischkutters wieder. Widerwillig hatte er sich auf den langen Weg nach Crooks Meadow gemacht und hoffte, der Fall möge sich doch schnell lösen lassen.

Zu seinen Füßen lag Alfie. Der Beagle streckte seine Schnauze zwischen das Gitter der Reling, hinaus in den schneidenden Wind und beobachtete misstrauisch die Wellen unter ihnen. Inspector Taylor fasste die Leine sicherheitshalber ein wenig fester, doch sein treuer Begleiter schien wenig Interesse daran zu haben, sich auch nur die Pfoten nass zu machen. Alfie schnaufte und blickte erwartungsvoll zu seinem Herrchen hinauf.

„Ich weiß, Kumpel“, raunte der Inspector ihm zu. „Wir sind bald da.“

Hund und Besitzer hatten bereits eine lange Reise hinter sich. Ein Flugzeug hatte sie von London nach Fairbanks gebracht und ein weiteres, wenn auch deutlich kleineres, nach Prudhoe Bay, wo sie dann an Bord der Jessemine gegangen waren. Die beiden Spürnasen waren müde und freuten sich auf ein warmes Bett und eine noch wärmere Mahlzeit.

Der Leuchtturm von Crooks Meadow blickte wie ein stiller Wächter über die Bucht und begrüßte jeden Gast, der sich auf den beschwerlichen Weg auf die Insel machte, bereits weit draußen auf dem Meer. Für einen kurzen Augenblick kam es Taylor so vor, als würde das steinerne Gebäude seine Aufmerksamkeit auf ihn richten. Eine stille Warnung, wieder umzukehren, ehe es zu spät war. Du gehörst hier nicht her. Kehr um. Doch das war vermutlich nur die Abneigung gegenüber seiner Reise, die aus ihm sprach.

Der Inspector riss seinen Blick von dem prominenten Gebäude und wandte sich dem bescheidenen Hafen seines Zielortes zu. Die Docks befanden sich noch an derselben Stelle, an der einst die Anlegestelle der Schmuggler gelegen hatte, von denen der Ort seinen Namen bekam. Sie waren verlassen, bis auf eine Person, die ihm und dem ankommenden Schiff erwartungsvoll zuwinkte.

Inspector Taylor seufzte schwer, nahm seinen Koffer auf und bereitete sich darauf vor, das Eiland zu betreten.

„Inspector Taylor!“

Eine junge Frau kam ihm entgegen, als er über ein Holzbrett von dem Schiff stieg. Sie trug ihr dunkelbraunes Haar in einem hohen Pferdeschwanz gebunden und blickte ihn mit freundlichen Augen an. Der Inspector erkannte sie als die Person, die er zuvor an den Docks gesehen hatte.

„Mein Name ist DS Olivia Thompson“, stellte sie sich vor und streckte ihm eine Hand entgegen. „Aber Sie können mich gerne Liv nennen, wenn Sie mögen.“

Inspector Taylor stellte seinen Koffer ab und schüttelte ihre Hand.

„DI Frederik Taylor“, erwiderte er. „Und das ist Alfie.“

Alfie sprang auf und wedelte fröhlich mit dem Schwanz.

„Nein, wie süß bist du denn?“, seufzte Sergeant Thompson entzückt, als sie dem Beagle die Ohren kraulte. „Mein Sohn Milo hätte auch unheimlich gerne einen Hund, aber... Sam hat eine Hundehaarallergie, wissen Sie?“

Taylor nickte verständnisvoll.

„Sergeant Thompson, ich will Sie nicht drängen, aber wir hatten eine sehr lange Reise.“, begann er vorsichtig, doch Thompson verstand sofort.

„Oh, natürlich!“, sagte sie und richtete sich wieder auf. „Ich fürchte, wir haben nicht so schicke Hotels, wie Sie sie aus London gewöhnt sind, Inspector, aber Mrs. Havering vermietet Zimmer im Meadow's Inn.“

Taylor folgte ihr zu ihrem Auto, einem alten Streifenwagen, den man in London sicherlich schon längst ausgetauscht hätte und wartete, bis sie den Kofferraum geöffnet hatte, um sein Gepäck zu verstauen. Schließlich setzte er sich auf den Beifahrersitz, nachdem er Alfie auf die Rückbank verfrachtet hatte.

„Ich hoffe, das ist in Ordnung“, fragte er zur Sicherheit nach. „Mit dem Hund, meine ich.“

„Ja, gar kein Problem“, erwiderte Thompson und lächelte. „Meistens fahre sowieso nur ich mit dem Wagen. Oder Davis, aber der riecht wie nasser Hund, wenn es diesig ist. Dem fällt das vermutlich gar nicht auf.“

Thompson lachte kurz amüsiert auf.

„Sagen Sie ihm aber nicht, dass ich das gesagt habe, ja?“

Der Inspector warf einen Blick aus dem Fenster und betrachtete die vorbeiziehenden Fassaden. Crooks Meadow war mit seinen knapp fünftausend Einwohnern gerade mal eine Kleinstadt. Die Straßen im Zentrum des Ortes waren gesäumt von kleinen Läden, die allesamt wirkten, als wären sie Familiengewerbe. Sie passierten eine Bäckerei, einen Gebrauchtwarenladen und eine Agentur, die Immobilien auf dem Festland vermittelte. Die Schilder, auf denen spielende Kinder Autofahrer mahnten, vorsichtig zu fahren, ließen darauf schließen, dass es hier irgendwo auch eine Schule gab. Alles in allem wirkte Crooks Meadow wie eine ganz normale Ortschaft, nur um ein Vielfaches trüber.

Wer behauptete, das Wetter in London sei stets schlecht und es würde ständig regnen, der hatte Crooks Meadow sicher nie besucht.

Einzelne nasse Tropfen fielen Taylor ins Gesicht, als er aus dem Auto stieg und in den trüben Himmel blickte. Es begann bereits zu nebeln. Nebel war dem Inspector nicht unbekannt, doch die Intensität der grauen Schwaden, beeindruckte ihn dennoch.

Das Meadow's Inn war bescheiden, wie so ziemlich alles in Crooks Meadow, und einst als einfaches Wirtshaus gewesen, in dessen oberen Stockwerk das Ehepaar Havering selbst wohnte. Nachdem Mr. Havering an einem Herzinfarkt gestorben war und Forscher sich für die Insel zu interessieren begonnen hatten, hatte die nun verwitwete Mrs. Havering die Wohnung ausbauen lassen und vermietete nun drei Zimmer an jene, die nur kurzfristig auf der Insel verweilten.

Den Koffer in der Hand und Alfie auf seinen Fersen, trat Frederik Taylor durch die Tür.

Mrs. Havering war eine Dame im besten Alter, die gerne Kreuzworträtsel löste, Historiendramen verabscheute und jeden Sonntag pflegte, einen Käsekuchen zu backen. Im Augenblick suchte sie ein mythisches Seeungeheuer mit neun Buchstaben.

„Guten Tag, Mrs. Havering!“, rief Sergeant Thompson, als sie die Dame hinter der Theke entdeckte. Mrs. Havering blickte auf, rückte ihre dickglasige Brille zurecht und lächelte.

„Liv!“, trällerte sie erfreut und manövrierte umständlich um die Theke herum. „Hallo Liebes. Schön, dass du vorbeischaust.“

Mrs. Havering sah aus, als hätte sie ihr gerne ein Stück Käsekuchen angeboten, aber es war leider erst Donnerstag.

„Ich habe Ihnen einen Gast mitgebracht“, sagte Thompson und deutete Taylor näherzukommen. „Der Inspector, von dem ich Ihnen erzählt habe, erinnern Sie sich?“

Mrs. Havering schaute zu Taylor herüber, als hätte sie den Mann jetzt erst bemerkt und rückte eilig ihre Schürze zurecht. Mit einem Lächeln blinzelte sie zu ihm hinauf.

„Ein Inspector, wie aufregend“, kicherte sie. „Und Sie sind den ganzen Weg von London aus zu uns gekommen?“

Bevor Taylor zu einer Antwort ansetzen konnte, schnellte Alfie nach vorne, um an der Frau zu schnuppern und bellte laut auf.

„Oh!“, rief die Wirtin erschrocken, ehe sie sich hinunterbeugte, um den Beagle zu streicheln. „Ich hoffe doch, er ist stubenrein?“

„Alfie ist bestens erzogen worden.“, versicherte ihr Taylor und die ältere Dame schien zufrieden. Sie richtete sich wieder auf und wandte sich zur dunkelhölzernen Treppe, die in den zweiten Stock führte.

„Na, dann kommen Sie mal mit, Inspector“, sagte sie und ging voran. „Ich habe da ein perfektes Zimmer für Sie.“

Wie der Rest des Hauses waren auch die Zimmer altmodisch eingerichtet. Neben einem gemütlichen Doppelbett und einem massiven Wandschrank aus Nussbaum verlieh ein smaragdgrüner Teppich dem Raum einen edlen Touch. Ein Sekretär in derselben Optik wie der Wandschrank stand vor einem Fenster, durch welches trübes Licht in den Raum schien. Auf dem Nachttisch lag eine Bibel, deren Umschlag so unberührt wirkte, dass Taylor sich sicher war, sie war niemals geöffnet worden.

„Ich habe diese Zimmer noch nie von innen gesehen“, murmelte Thompson, nachdem Mrs. Havering sie allein gelassen hatte und sah sich neugierig um. „Es ist eigentlich ganz schick.“

„Es wird reichen.“, murmelte Taylor.

Der Inspector legte seinen Koffer auf das Bett, kramte kurz zwischen seiner Kleidung und zog schließlich die Fallakte hervor, die man ihm in Scotland Yard gegeben hatte. Seine Miene verfinsterte sich bei dem Gedanken, dass sich seine Kollegen in London vermutlich gerade über ihn lustig machten.

„Warum so grimmig, Sherlock?“, fragte Thompson und versuchte ein Grinsen hinter ihrer Hand zu verstecken, als sie Taylors verdutztes Gesicht sah.

„Nicht jeder britische Detektiv ist automatisch Sherlock Holmes, Sergeant.“, sagte er und verstaute das dünne Dokument in der Innentasche seiner Jacke.

„Ach kommen Sie, das war doch nur ein Witz“, lachte Thompson und blickte dem Inspector kurz danach verwirrt hinterher, als er den Raum verließ. „Hey, wo wollen Sie denn hin?“

„Ins Präsidium“, rief er über die Schulter und pfiff nach Alfie. „Ich bin schließlich hier, um zu arbeiten.“

***

Das Polizeipräsidium von Crooks Meadow hatte dieser Tage nicht viel Arbeit und war dementsprechend nur spärlich besetzt. Die wenigen angestellten Constables kümmerten sich zumeist um Wildunfälle, die im Nebel öfter vorkamen oder um die Schadensermittlung, wenn sich die Waschbärenpopulation wieder einmal über die Mülltonnen der Nachbarschaft hergemacht hatte.

Neben Sergeant Thompson gab es hier einen weiteren Sergeant namens Andrew Davis, der seinen Tag jedoch meistens damit verbrachte möglichst beschäftigt zu wirken und Superintendent Moore, der sein Büro in eine Galerie für Puzzles von Landschaftsaufnahmen verwandelt hatte.

Inspector Taylor betrat das Präsidium und sehnte sich nach London zurück, wo ihm selbst an ruhigen Tagen bereits auf der Treppe im Eingangsbereich mindestens fünf Beamte entgegenkamen, die dringend irgendwo gebraucht wurden.

Alfie lief aufgeregt durch die Räume des kleinen Präsidiums und löste dabei eine Aufregung aus, die es hier wohl zuletzt gegeben hatte, als man den neuen Kaffeevollautomaten eingeweiht hatte.

Taylor hatte eigentlich vor, sich bei Superintendent Moore vorzustellen, allein der Höflichkeit halber, sah aber durch das kleine Fenster in der Tür zu dessen Büro, dass dieser hoch konzentriert über einen neuen Projekt saß. Eine Luftansicht vom Taj Mahal, welche, sobald sie fertiggestellt wäre, perfekt zwischen die Puzzles der Pyramiden von Gizeh und der Golden Gate Bridge passen würde. Spontan verwarf Taylor sein Vorhaben wieder, fürchtete er doch, Moore würde ihn in ein langes Gespräch über die architektonischen Wahrzeichen dieser Welt verwickeln.

Stattdessen folgte er Alfie und Thompson, die bereits vorgelaufen waren.

„Thompson, schaffen Sie diesen Köter hier raus!“, tönte die Baritonstimme von Sergeant Davis durch das Büro, als dieser versuchte möglichst viel Abstand zwischen sich und den Beagle zu bringen.

„Dieser Köter ist ein Rassehund“, meldete sich Taylor zu Wort und sah den Sergeant giftig an. „Und er hat an mehr erfolgreichen Ermittlungen teilgehabt, als Sie, wenn ich Ihr Arbeitsumfeld so betrachte.“

Perplex ob der plötzlichen Widerworte, setzte Davis für eine vermutlich beleidigende Bemerkung an, doch Taylor kam ihm zuvor.

„Mein Name ist DI Taylor“, stellte er sich vor und zeigte seinen Ausweis einmal im Raum herum. „Scotland Yard schickt mich, um den Vermisstenfall Josephine White zu untersuchen. Ich benötige die aktuellen Ermittlungsergebnisse, sofern vorhanden und die Akte der Vermissten. Des Weiteren bitte ich Sie, einen Besprechungsraum vorzubereiten, in dem wir uns über weitere Schritte beraten können.“

Sämtliche Blicke im Raum lagen einige Sekunden lang schweigend auf dem Inspector, ehe Thompson lautstark in die Hände klatschte.

„Na los, worauf warten Sie? Sie haben den Inspector gehört!“

Die Constables sprangen auf und huschten in verschiedene Richtungen, um die Anweisungen des neuen Inspectors zu erfüllen. Taylor sah Thompson skeptisch an.

„Sie haben hier nicht unbedingt viel zu tun üblicherweise, oder?“, fragte er und Thompson lächelte amüsiert.

„Nicht wirklich, nein“, gab sie zu. „Unser letzter großer Fall drehte sich um ein gestohlenes Fahrzeug im Hafen, einen Gabelstapler... Es stellte sich heraus, dass der zuständige Arbeiter das Teil einfach im Suff irgendwo abgestellt hatte und sich dann nicht mehr erinnern konnte wo. Das kommt viel zu häufig vor, wenn Sie mich fragen.“

Obwohl er nicht oft gebraucht wurde, hatte das Präsidium einen ausgewiesenen Beratungsraum, ausgestattet mit einem großen runden Tisch, an dem mehr Leute Platz fanden, als ihm Haus angestellt waren, einem Whiteboard und mehreren halbhohen Aktenschränken, sowie einer Karte der Insel.

Ein junger Constable drückte dem Inspector eine Akte in die Hand, welche er sogleich öffnete. Sie war leer. Irritiert sah er die junge Frau an.

„Es tut mir leid, Inspector“, entschuldigte sie sich leise. „Wir wussten bis vor kurzem gar nicht, dass es sich hier um einen wirklichen Fall handelt.“

„Ms. White wurde vor drei Tagen vermisst gemeldet, davor befand sie sich bereits seit mindestens einer Woche in Crooks Meadow. Warum wurde in der Zwischenzeit nicht nach ihr gesucht?“

„Sie galt bei uns nicht als vermisst“, rief Davis dazwischen. „Es gab keinen Anlass, sie zu suchen.“

Inspector Taylor legte die leere Mappe auf den Tisch und holte seine eigene Akte aus der Jackentasche, ehe er das Kleidungsstück über eine Stuhllehne legte und sich auf die Tischkante setzte.

„Was soll das heißen?“, fragte er ungläubig. „Hat sie denn niemand vermisst? Wo ist sie während ihres Aufenthalts denn untergekommen?“

„Im Meadow's Inn bei Mrs. Havering.“, sagte Thompson.

„Und hat es Mrs. Havering nicht gestört, dass ihr Gast einfach ohne zu bezahlen verschwindet?“

„Sie hat im Voraus bezahlt.“

„Natürlich hat sie das...“, murmelte Taylor und räusperte sich. „Was soll's, fangen wir an.“

Der Inspector stand auf und pinnte das Foto einer blonden Frau an das Whiteboard.

„Die Vermisste heißt Josephine White, zweiunddreißig Jahre alt“, begann Taylor, als er nach einem Marker suchte. „Sie ist eine investigative Journalistin aus Houston, Alaska. Kein Partner, keine Kinder, aber eine Schwester. Ihr Vater hat sie vermisst gemeldet, nachdem sie zu einem geplanten Treffen nicht erschien.“

„Können wir denn überhaupt sicher sein, dass sie die Insel nicht verlassen hat?“, fragte ein Constable, der sich Taylor später als Avery Wilson vorstellen würde und lehnte sich desinteressiert in seinem Stuhl zurück. Die junge Frau von zuvor brachte ein Tablett mit Keksen und Tee herein und schüttelte den Kopf.

„Der einzige Weg von der Insel ist die Fähre und Samuel hat sie seit ihrer Ankunft nicht mehr gesehen“, erklärte sie. „Also wenn Ms. White nicht irgendwie Flügel gewachsen sind, wird sie noch auf der Insel sein.“

„Sehr gut, Constable...?“,

Taylor zeigte mit dem mittlerweile gefundenen und geöffneten Marker in die Richtung der jungen Frau.

„Constable Scott, Inspector.“

Der Inspector begann die gesammelten Informationen neben das Foto zu kritzeln. Scott stellte eine Tasse an seinen Platz. Der Duft von Earl Grey durchzog die Luft.

„Ms. White hat also im Meadow's Inn übernachtet. Da sie nicht abgereist ist, müssten eventuelle persönliche Gegenstände noch immer dort sein“, schlussfolgerte er. „Wir sollten das Zimmer untersuchen, vielleicht finden wir heraus, was sie hier überhaupt wollte.“

„Crooks Meadow ist ziemlich klein, wir sollten auch die Leute befragen, denen sie möglicherweise über den Weg gelaufen ist.“, schlug Thompson vor. Taylor nickte nachdenklich.

„Das ist eine gute Idee... Constable Scott, bitte erstellen Sie eine Liste mit möglichen Zeugen“, sagte er und tippte dabei mit dem Marker an sein Kinn. „Und eine Liste mit Orten, an denen sie möglicherweise sein könnte.“

Josephine White war noch nicht lange verschollen und es gab keine Anzeichen, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte. Die Chancen standen gut, dass Taylor sie unversehrt und lebendig finden würde. Sollten seine Bemühungen jedoch zu keinem Ergebnis führen, würde er wohl oder übel mit dem Schlimmsten rechnen müssen.

Alfie war ein ausgebildeter Spürhund, aber der Inspector wollte in diesem Fall lieber nicht auf seine Fähigkeiten zurückgreifen müssen.

Kapitel 2 – Eine lohnende Geschichte

Inspector Taylor war am nächsten Morgen bereits früh unterwegs. Als er nach seiner morgendlichen Runde mit Alfie in das Meadow's Inn zurückkehrte, war Mrs. Havering gerade die Treppe heruntergekommen, um das Wirtshaus für den Tagesbetrieb vorzubereiten.

„Guten Morgen, mein Lieber“, trällerte sie fröhlich zurück und setzte einen Kessel Wasser auf. „Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein? Einen Tee vielleicht?“

„Ein Tee wäre wundervoll, Mrs. Havering“, erwiderte Taylor höflich und lehnte sich an die Theke. „Sie könnten mir tatsächlich behilflich sein. Man sagte mir, dass die Vermisste, Ms. White, während ihres Aufenthalts bei Ihnen untergekommen ist?“

Mrs. Havering, die gerade nach zwei Teetassen aus dem geschnitzten Hängeregal fischte, nickte bestätigend.

„Ja, in der Tat, die junge Frau hat hier gewohnt. In Zimmer 2“, sagte sie. „Sie wird doch wohl zurückkommen?“

„Ich würde das Zimmer gerne untersuchen“, wich Taylor der Frage aus. „Vielleicht finden wir Hinweise darauf, wohin sie wollte oder etwas Anderes, das uns weiterhelfen könnte.“

Mrs. Havering blickte ihn einen Moment lang an.

„Sicher, sicher“, nickte sie schließlich und wandte sich zum Schlüsselbrett. „Wenn es Ihnen weiterhilft. Es ist noch alles so, wie sie es verlassen hat.“

Sie reichte dem Inspector den Schlüssel über die Theke, ehe sie sich dem pfeifenden Kessel zuwandte. Währenddessen schickte Taylor Sergeant Thompson eine kurze Nachricht, sie solle für weitere Ermittlungen ins Meadow's Inn kommen.

Mrs. Havering stellte die zwei Teetassen auf der Theke zwischen ihnen ab. Nach einer kurzen vergewissernden Frage fügte sie ein wenig Milch und Zucker hinzu und rührte klappernd mit dem Löffel um.

„Wissen Sie“, begann die Wirtin nach einigen Sekunden Stille und pustete vorsichtig in ihre Tasse. „Ms. White war ganz aufgeregt, als sie das letzte Mal das Haus verließ.“

Taylor hob interessiert eine Augenbraue.

„So?“

„Ja, ja, ganz aufgeregt war sie“, nickte Mrs. Havering. „Sie wollte eine Reportage über die Insel schreiben, sagte sie. Dafür hat sie Fotos unten am Strand gemacht. Sie sollten vielleicht mit Henley sprechen. Der Mann verbringt viel zu viel Zeit da unten.“

„Henley?“

Taylor hatte viele Namen auf seiner Liste der möglichen Zeugen, aber diesen Namen hatte er sicher noch nicht gehört.

„Henley Warren“, erklärte Mrs. Havering. „Er ist der Leuchtturmwärter. Obwohl der Leuchtturm heute weiß Gott kaum noch benötigt wird.“

Der Inspector erinnerte sich an den Leuchtturm, welcher wachsam im Norden der Insel stand und ihm schon bei seiner Ankunft mit einem mulmigen Gefühl zurückgelassen hatte.

Leuchttürme, so fand er, hatten immer diese eigenartige, ja manchmal sogar beunruhigende Wirkung auf ihn. Als würde man, wagte man es, sie zu betreten, nie wieder ganz da herauskommen, wo man hineingegangen war.

„Bin da! Kann losgehen!“, durchbrach Sergeant Thompson lautstark die Gedankengänge ihres neuen Kollegen, als sie, noch etwas müde, das Meadow's Inn betrat. „Morgen!“

Taylor kippte den Rest seines mittlerweile kalt gewordenen Tees hinunter, stellte die Tasse auf die passende Untertasse und drehte sich zu ihr um.

„Sehr gut“, sagte er. „Folgen Sie mir bitte.“

Thompson folgte dem Inspector, der die Treppe zu den Zimmern hinaufstieg und dabei versuchte, nicht über Alfie zu stolpern, welcher aufgeregt zwischen ihren Beinen herumlief.

Mrs. Havering blickte den beiden Ermittlern hinterher, ehe sie das Geschirr auf dem Tresen abräumte. Ihr Blick verweilte ein wenig zu lang in der Tasse des Inspectors, in der sich der Teesatz zu der vagen Form eines Wales verbunden hatte.

***

Mrs. Havering hatte nicht gelogen: Das Zimmer von Ms. Josephine White war unberührt. Der Raum war ähnlich eingerichtet, wie das des Inspectors: ein gemütliches Bett, dunkle Holzmöbel und ein smaragdgrüner Teppich auf dunklem Holzboden. Das Bett war nicht gemacht worden, die Decke lag zusammengeknüllt am Fußende.

„Wonach suchen wir?“, fragte Sergeant Thompson und schaute sich in dem kleinen Zimmer um.

„Das wissen wir, wenn wir es gefunden haben.“, erwiderte Taylor und deutete Alfie an der Tür zu warten. Der Beagle jaulte enttäuscht, legte sich aber neben dem Türrahmen hin.

Ms. White hatte nicht viel Gepäck nach Crooks Meadow mitgebracht. Ein Koffer, dessen magerer Inhalt einen spontanen Wochenendtrip vermuten ließ, ein Paar rote Pumps und eine Mappe, mit kleinen Pandabären bedruckt, waren in ihrem Zimmer verteilt.

Taylor griff nach der Mappe und blätterte durch die Papiere darin. Es waren Notizen über Reiserouten, Flugtickets und ein Memo bezüglich einer Restaurantreservierung; nichts, was ihm irgendetwas anderes erzählte, als dass ihre Reise bereits vor einigen Tagen hätte enden sollen.

Wie auch in seinem eigenen Zimmer war der Sekretär nicht verschlossen, doch allein die Illusion eines geschützten Raums verleitete die meisten Menschen dazu, hier wichtige Gegenstände zu verstauen. Taylor überprüfte die Schubladen des Möbelstücks und drehte sogar den eingebauten Spiegel, in der Hoffnung, dass sich vielleicht etwas dahinter verbarg, doch er fand nichts. Enttäuscht drehte er den Spiegel zurück und stolperte beinahe über seine eigenen Füße, als er plötzlich einen Schatten in dessen Oberfläche sah. Nur mit Mühe konnte er sich mit einer Hand an der Fußseite des hölzernen Bettgestells auffangen, ehe er gänzlich zu Boden ging. Er stützte sich mit der anderen Hand auf dem Holzboden ab, um sich wieder aufzurappeln, als er etwas unter seinen Fingerspitzen fühlte. Taylor fasste ein wenig weiter unter das Bett und zog ein einfaches Notizbuch hervor.

Das Buch war dort unten nicht gut versteckt, also hatte die Vermisste es wohl nicht absichtlich dort abgelegt. Es musste heruntergefallen sein, als sie eilig das Zimmer verlassen hatte.

Der Inspector stand hastig wieder auf, als er hörte, dass Thompson aus dem Badezimmer zurückkehrte, in dem sie gehofft hatte, Spuren eines weiteren Gastes zu finden. Erleichtert stellte er fest, dass sie seinen Sturz nicht bemerkt hatte. Er warf einen eiligen Blick zurück in den Spiegel aus dem ihm nicht als sein eigenes Spiegelbild entgegenblickte.

„Alles in Ordnung?“, fragte Thompson und sah den Inspector misstrauisch an. „Sie sehen aus, als hätten Sie einen Geist gesehen.“

Taylor runzelte die Stirn, blickte zu ihr und hielt das Notizbuch hoch.

„Ich habe etwas gefunden...“

„Oh, gut“, erwiderte Thompson. „Das Bad ist sauber, kein Anzeichen von einer zweiten Person und in den Jackentaschen habe ich auch nichts von Interesse gefunden. Was haben Sie?“

„Ein Notizbuch... es muss ihr heruntergefallen sein“, sagte Taylor und schlug das Buch auf. Der letzte Eintrag war vor wenigen Tagen geschrieben worden.

„Es sieht so aus, als hätte unsere Journalistin auch etwas gefunden“, bemerkte er, während er die letzten Seiten überflog. „Hier steht etwas von einer großen Entdeckung.“

Thompson warf einen Blick herüber.

„Steht da auch, was genau diese große Entdeckung ist?“

„Nein...“, murmelte Taylor und blätterte weitere. „Aber hier steht, warum Ms. White nach Crooks Meadow kam.“

Er begann vorzulesen.

„Maxine hat heute angerufen. Ihre Prüfungen sind gut verlaufen, aber ihre Mitbewohnerin Payton ist von ihrem Trip auf diese Insel vor Alaska noch immer nicht zurückgekehrt. Sie macht sich Vorwürfe, dass sie nicht mit ihr gefahren ist, und obwohl ich versucht habe sie zu beruhigen, habe ich ein mulmiges Gefühl. Ich habe mir diese Insel im Internet angesehen und dort gibt es nichts, was eine junge Studentin interessieren, geschweige denn reizen würde dort zu bleiben“

Thompson hatte sich auf das geräumige Bett gesetzt und blickte den Inspector nachdenklich an.

„Maxine White ist ihre Schwester.... Sie ist dieser Payton also hinterher gereist, weil sich ihre Schwester Sorgen machte?“, fragte sie und Taylor nickte, die Augen nicht von dem Buch abwendend.

„Scheint so“, sagte er. „Es geht noch weiter.“

„Payton ist nach Monaten immer noch nicht wieder aufgetaucht. Die Polizei ermittelt wegen ihres Verschwindens, doch ich befürchte, sie suchen an der falschen Stelle. Payton wollte ihr Reiseziel geheim halten und erzählte ihren Eltern, sie würde nach Kanada reisen. Dort sucht man nach ihr und die Behörden wollen von einer Reise nach Crooks Meadow nichts wissen. Ich habe mich über den Ort informiert und einige Schlagzeilen über den örtlichen Energielieferanten gefunden. Die Centennial Energy Corp. musste nach einer angeblichen Gasexplosion große Gebiete der Insel sperren lassen. Es gibt Zweifler an dieser Geschichte, was ist, wenn Payton da in etwas hineingeraten ist? Sie hatte schließlich viel vor auf dieser Insel und in den Büros der Großkonzerne gibt es immer schwarze Schafe.“

Der Inspector klappte das Buch zu und sah Thompson ernst an.

„Sieht aus, als würden wir jetzt nach zwei Vermissten ermitteln.“

Thompson schüttelte verwirrt den Kopf.

„Warum sollte diese Payton den wahren Grund ihrer Reise geheim halten und auch noch behaupten ganz woanders hinzufahren?“, fragte sie und kratzte sich am Ohr. „Das ist doch ziemlich verdächtig, nicht?“

Taylor nickte.

„Und vor allem, warum sollte dieser Konzern damit zu tun haben?“, fragte er. „Was wissen Sie über die Centennial Energy Corp?“

Thompson atmete tief ein und überlegte.

„C.E. ist schon hier, seit ich denken kann“, sagte sie schließlich. „Sie wird von Richard Ballard geleitet und erzeugt Strom aus Erdöl, das man hier vor der Küste abbaut. Die Firma ist international vertreten und nicht für Skandale oder ähnliches bekannt.“

„Außer dieser Sache mit der Gasexplosion, meinen Sie?“

„Ja, das war eine große Sache, das stimmt“, erwiderte Thompson. „Die Gebäude sind bis heute nicht zu gebrauchen. Sie haben das Gelände abgesperrt und sind in die neue Anlage im Osten der Insel gezogen.“

Taylor kaute auf seiner Unterlippe.

„Gibt es außer dem Meadow's Inn noch ein weiteres Hotel auf der Insel?“, fragte er schließlich und Thompson schüttelte den Kopf.

„Payton muss irgendwo übernachtet haben, wenn sie hier war. Wir sollten noch einmal mit Mrs. Havering sprechen.“

Mrs. Havering stand gerade in der Küche und bereitete das Mittagsgericht zu, als die beiden Ermittler herunterkamen. Während sich die Leute abends gerne in der Brewery auf ein Feierabendbier trafen, war das Meadow's Inn bei den Arbeitern ein beliebter Ort, um ihre Mittagspause zu verbringen. Heute gab es einen Fischeintopf mit dem frischen Fang vom Morgen.

„Verzeihen Sie die erneute Störung, Mrs. Havering“, kündigte Taylor sein Betreten der Küche an. „Wir hätten da noch ein paar Fragen.“

Die ältere Dame lächelte ihm freundlich zu.

„Nur zu!“, sagte sie und rührte einmal mühevoll in dem Topf vor ihr, welcher sie beinahe überragte. „Ich helfe gerne.“

„Erinnern Sie sich an eine Frau namens Payton, die vor ein paar Monaten auf der Insel war?“

Mrs. Havering überlegte einige Sekunden und tippte mit den Fingern auf der Holzarbeitsplatte ihrer Küche.

„Oh, ja tatsächlich!“, sagte sie plötzlich. „Ich kenne den Vornamen der jungen Dame nicht, aber wir haben ja nicht viele Besucher von außerhalb hier. Sie hat sich als Ms. Muller vorgestellt.“

„Hat sie bei Ihnen eingecheckt?“

„Oh nein, das heißt sie wollte, aber ich hatte leider kein Zimmer mehr frei“, erwiderte Mrs. Havering. „Im Sommer kommen immer viele von diesen Naturforschern, wissen Sie? Sie tat mir wirklich leid... aber zum Glück konnte Ihr Kollege ihr helfen.“

Ihr Blick wandte sich an Thompson, die jedoch nicht zu wissen schien, wovon sie sprach.

„Mein Kollege?“, fragte sie verwirrt, doch Mrs. Havering nickte.

„Der gute Sergeant Kingsley“, erklärte sie. „So ein netter junger Mann, stets hilfsbereit.“

„Danke Mrs. Havering, das hat uns wirklich sehr weitergeholfen“, verabschiedete sich Taylor und deutete Thompson ihm zu folgen. „Kommen Sie, Sergeant.“

Die beiden Ermittler verließen das Gebäude und machten sich auf den Weg zu Sergeant Thompsons Wagen.

„Ich nehme an, Sergeant Kingsley ist auf Außeneinsatz?“, fragte Taylor als er in das Auto stieg „Er wäre mir sonst sicherlich schon vorgestellt worden.“

Thompson startete den Motor und fuhr in Richtung des Präsidiums.

„Kingsley arbeitet nicht mehr in Crooks Meadow. Er hat sich versetzen lassen, im Juli war das, denke ich“, widersprach sie. „Er war jung und wollte die Welt sehen. Er hatte sogar ein Empfehlungsschreiben vom Chef.“

„Das muss kurz nach Ms. Mullers Besuch gewesen sein“, sagte der Inspector. „Wir sollten auch bei ihm nachfragen. Haben Sie eine Telefonnummer oder eine Mailadresse?“

„Ich nicht, aber ich kann bei der Dienststelle nachfragen“, sagte Thompson. „Er ist wirklich sehr überraschen gegangen. Irgendetwas wegen eines Mädchens und dass er mit ihr-“

Thompson stockte für einen Moment, als ihr ein Licht aufging.

„Jetzt wo ich daran denke... es war die Rede von einem Mädchen, das er kennengelernt hatte. Das muss Payton Muller gewesen sein!“

Taylor runzelte die Stirn.

„Das erscheint mir alles sehr verdächtig“, sagte er. „Versuchen Sie, seine Kontaktdaten zu bekommen. Ich werde währenddessen Maxine White kontaktieren und herausfinden, was sie weiß.“

***

Maxine White wusste einiges. Die junge Studentin aus San Francisco schien besorgt um ihre Schwester, die zu ihrem geplanten Essen zur Feier der bestandenen Prüfung nicht erschienen war. Doch so enttäuscht sie darüber war, dass Inspector Taylor keine guten Neuigkeiten für sie hatte, so erleichtert war sie darüber, dass ihr endlich jemand Gehör schenkte. Laut ihrer Aussage hatte Payton Muller durchaus berechtigte Gründe, ihre Reisepläne zu verheimlichen. Die Studentin war im Bereich Marketing tätig und hatte durch einen Freund von der einsamen Insel im Norden Alaskas erfahren. Sie war auf der Suche nach einem Projekt für ihre Abschlussprüfung und in dem Naturparadies hatte sie es offenbar gefunden. Ein Kurort für reiche Amerikaner, die dem neuesten Trend der Oberschicht nachgingen: Digital Fasting.

„Was zur Hölle ist Digital Fasting?“, fragte Thompson, nachdem Taylor ihr seine Ergebnisse mitgeteilt hatte. Der Inspector war in dieser Hinsicht ebenso unwissend, wie seine Kollegin und musste den Begriff erst in den Weiten des Internets recherchieren.

„Eine neue Diät, in der es darum geht, die Zeiträume zu reduzieren, in denen man digitale Geräte nutzt, also Handys, Tablets und alles womit man sonst im Internet surfen kann.

---ENDE DER LESEPROBE---