Vor dem großen Sturm - Michaela Dornberg - E-Book

Vor dem großen Sturm E-Book

Michaela Dornberg

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Beschreibung

Sie ist jung, sie ist schön, und sie ist stolz – ihr Vater, der alte Graf und Patriarch Benno von Waldenburg, weiß genau, warum er seine Lieblingstochter dazu auserkoren hat, die Herrin auf Schloss Waldenburg zu werden. Es ist die große Überraschung, die er auf der herrlichen Feier anlässlich seines 60. Geburtstags verkündet. Sie führt zum Eklat – denn sein maßloser, ungeratener Stiefsohn Ingo denkt gar nicht daran, auf seine Ansprüche zu verzichten. Er will vor Gericht klagen. Die gräfliche Familie wird unruhige Zeiten erleben. Die junge Gräfin ist eine Familiensaga, die ihresgleichen sucht. Die junge Gräfin ist eine weit herausragende Figur, ein überzeugender, zum Leben erwachender Charakter – einfach liebenswert. Alexandra von Waldenburg war schon lange nicht mehr so glücklich und zufrieden gewesen wie jetzt. Sie seufzte. Ja, wenn dieses Wenn nicht wäre. Sie war glücklich mit Mike, der es, wie auch immer, doch tatsächlich fertiggebracht hatte, sie von diesem Stalker zu befreien, der sich wie ein lästiges Geschwür, wie eine Klette, in ihr Leben geschlichen hatte. Auf Waldenburg lief es rund. Sie fand sich immer mehr in ihr neues Leben als Chefin des Hauses Waldenburg ein und sie fand Gefallen daran, mehr noch, sie war glücklich und stolz, dass ihr Vater sie zu seiner Nachfolgerin bestimmt hatte. Wenn doch bloß endlich der Streit mit ihrem Bruder Ingo vorbei wäre, der nicht nur ihr Leben belastete, sondern viel mehr noch das Leben ihrer Eltern, ganz besonders das ihrer Mutter. Und da war noch ihre Freundin Liliane, die sich durch ihr törichtes Verhalten selbst ins Abseits gekickt und sich um ihr Glück mit Dr. Lars Dammer gebracht hatte. Die Beziehung zu dem erfolgreichen jungen Arzt war zwar immer ein wenig problematisch gewesen, und es hatte ein ewiges Auf und Ab gegeben, aber die beiden hatten ihre Krisen immer wieder gemeistert, waren sogar miteinander verlobt gewesen, und die Hochzeit hatte unmittelbar bevorgestanden. Warum nur hatte Lil es so sehr auf die Spitze getrieben? Wenn man sich mit einem so engagierten Arzt wie Lars einlässt, dann muss man einfach wissen, dass das Privatleben erst an zweiter Stelle kommt. Doch das hatte die Trennung nicht herbeigeführt. Robby, Lilianes geschiedener amerikanischer Ehemann war plötzlich aufgetaucht, was an sich nicht schlimm war, auch nicht, dass Lil ihn in ihrer Wohnung beherbergt hatte. Aber warum, zum Teufel, hatte ­Liliane ihren Verlobten und ihren Ex nicht miteinander bekannt gemacht? Und warum war sie so weit gegangen, Lars damit zu drohen, mit Robby sofort etwas anzufangen, wenn er in Boston eine Vertretung annehmen würde? Und dann hatte sie allem die Krone aufgesetzt, indem sie gesagt hatte, dass Robby eh der bessere Liebhaber sei. So ein Schwachsinn, sie hatte es einfach so dahergesagt, obwohl genau das Gegenteil der Fall war. Obwohl Liliane ihre allerbeste Freundin war, konnte Alexandra verstehen, dass Lars die Verlobung gelöst hatte und nichts mehr mit Lil zu tun haben wollte. Und jetzt war das Jammern und Wehklagen bei Lil groß, sie war unglücklich, weinte und wollte Lars um jeden Preis wiederhaben.

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Die junge Gräfin – 13 –

Vor dem großen Sturm

Wenn plötzlich die Eifersucht an dir nagt ...

Michaela Dornberg

Alexandra von Waldenburg war schon lange nicht mehr so glücklich und zufrieden gewesen wie jetzt. Eigentlich hätte ihr Leben perfekt sein können, wenn nicht …

Sie seufzte.

Ja, wenn dieses Wenn nicht wäre.

Sie war glücklich mit Mike, der es, wie auch immer, doch tatsächlich fertiggebracht hatte, sie von diesem Stalker zu befreien, der sich wie ein lästiges Geschwür, wie eine Klette, in ihr Leben geschlichen hatte. Auf Waldenburg lief es rund. Sie fand sich immer mehr in ihr neues Leben als Chefin des Hauses Waldenburg ein und sie fand Gefallen daran, mehr noch, sie war glücklich und stolz, dass ihr Vater sie zu seiner Nachfolgerin bestimmt hatte.

Wenn doch bloß endlich der Streit mit ihrem Bruder Ingo vorbei wäre, der nicht nur ihr Leben belastete, sondern viel mehr noch das Leben ihrer Eltern, ganz besonders das ihrer Mutter.

Und da war noch ihre Freundin Liliane, die sich durch ihr törichtes Verhalten selbst ins Abseits gekickt und sich um ihr Glück mit Dr. Lars Dammer gebracht hatte.

Die Beziehung zu dem erfolgreichen jungen Arzt war zwar immer ein wenig problematisch gewesen, und es hatte ein ewiges Auf und Ab gegeben, aber die beiden hatten ihre Krisen immer wieder gemeistert, waren sogar miteinander verlobt gewesen, und die Hochzeit hatte unmittelbar bevorgestanden.

Warum nur hatte Lil es so sehr auf die Spitze getrieben?

Wenn man sich mit einem so engagierten Arzt wie Lars einlässt, dann muss man einfach wissen, dass das Privatleben erst an zweiter Stelle kommt. Doch das hatte die Trennung nicht herbeigeführt.

Robby, Lilianes geschiedener amerikanischer Ehemann war plötzlich aufgetaucht, was an sich nicht schlimm war, auch nicht, dass Lil ihn in ihrer Wohnung beherbergt hatte.

Aber warum, zum Teufel, hatte ­Liliane ihren Verlobten und ihren Ex nicht miteinander bekannt gemacht? Und warum war sie so weit gegangen, Lars damit zu drohen, mit Robby sofort etwas anzufangen, wenn er in Boston eine Vertretung annehmen würde? Und dann hatte sie allem die Krone aufgesetzt, indem sie gesagt hatte, dass Robby eh der bessere Liebhaber sei. So ein Schwachsinn, sie hatte es einfach so dahergesagt, obwohl genau das Gegenteil der Fall war.

Obwohl Liliane ihre allerbeste Freundin war, konnte Alexandra verstehen, dass Lars die Verlobung gelöst hatte und nichts mehr mit Lil zu tun haben wollte.

Und jetzt war das Jammern und Wehklagen bei Lil groß, sie war unglücklich, weinte und wollte Lars um jeden Preis wiederhaben.

Alexandra hätte ihrer Freundin so gern geholfen, ihr wenigstens Mut gemacht, aber sie glaubte nicht, dass da noch etwas zu retten war. Da hatte es einfach zu viele Kräche gegeben, und die letzte Verletzung, die sie Lars zugefügt hatte, war zu viel gewesen. Sie waren im erbitterten Streit auseinandergegangen, und jetzt weilte Lars in Amerika, Liliane konnte nicht, so wie früher, einfach zu ihm gehen, all ihren Charme aufbieten und ihn wieder herumkriegen.

Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht …

Er war im Fall Liliane und Lars zerbrochen, und es gab einfach zu viele Scherben, die man nicht mehr zusammenkitten konnte.

Alexandra seufzte erneut.

Sie hatte für heute Liliane und Olaf Christensen eingeladen, der mittlerweile ihrer beider guter Freund war. Und sie hoffte inständig, dass ein gutes Essen und ein gutes Gespräch Lil ein wenig aufmuntern würden.

Ansonsten konnte man nur hoffen, dass die Zeit Liliane über ihren Schmerz hinweghelfen würde. Denn auch der Ausspruch die Zeit heilt alle Wunden – war nicht von der Hand zu weisen.

Ihr Handy klingelte.

Hoffentlich war es nicht Lil, die absagen würde. Das war in der letzten Zeit mehr als nur einmal geschehen.

Sie meldete sich, doch dann begann sie zu strahlen. Es war nicht Lil. Nein, Mike war der Anrufer.

»Hast du gerade an mich gedacht?«, erkundigte er sich nach einer zärtlichen, liebevollen Begrüßung. »Wir sind eben in San Francisco gelandet, und ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass deine Gedanken bei mir waren.«

Ach, Mike!

Sie war ja so glücklich mit ihm, ihre Beziehung wurde von Tag zu Tag schöner. Mit Mike konnte sie über alles reden, er war ihr sprichwörtlicher Fels in der Brandung, sie hatten so viel Spaß miteinander, er brachte sie zum Lachen. Es war also eine ganz wunderbare Paarung aus Ernsthaftigkeit und Fröhlichkeit. »Ich muss dich enttäuschen, mein Lieber«, sagte sie ehrlicherweise, »ich dachte gerade an meine Freundin Liliane. Aber es ist schön, dass du anrufst, ich freue mich immer, deine Stimme zu hören. Hattet ihr einen guten Flug?«

»Mehr oder weniger«, antwortete er. »Es gab ein paar Turbulenzen, aber darüber will ich nun wirklich nicht mit dir reden. Ich will dir viel mehr sagen, dass ich dich vermisse, dass ich es kaum erwarten kann, dich wieder in meine Arme schließen zu können. Und vor allem will ich dir sagen, dass ich dich liebe … Ich kann es noch immer nicht fassen, dass eine so wunderbare Frau wie du ausgerechnet mir ihr Herz geschenkt hat …, ausgerechnet mir, wo du doch an jedem Finger mindestens zehn Männer haben könntest.«

Bei diesem Kompliment wurde Alexandra rot. Zum Glück bekam er das nicht mit.

»Mike, ich bin keine Trophäensammlerin. Ich gehöre auch nicht zu den Frauen, die sich durch eine Vielzahl von Bewunderern aufgewertet fühlen, mein Liebster. Du bist genau der Richtige für mich und ich …, ich liebe dich auch.«

Solche Worte machten ihn natürlich glücklich, und deswegen gab es in den nächsten Minuten nichts anderes als verliebtes Geplänkel. Ihre Beziehung war noch frisch, da konnte man sich nicht genug an verliebten Zärtlichkeiten ins Ohr flüstern, und da konnte man davon auch nicht genug bekommen.

Als das Gespräch längst schon beendet war, hatte Alexandra noch immer diesen glücklich-versonnenen Gesichtsausdruck.

Mike.

Sie sah ihn vor sich, diesen hochgewachsenen blonden Mann mit seinen strahlenden blauen Augen, der sowohl in seiner feschen Pilotenuniform als auch in T-Shirt und Jeans einen bleibenden Eindruck hinterließ.

Mike Biesenbach war das, was man ein gestandenes Mannsbild nannte, eine vertrauenerweckende Persönlichkeit.

Alexandra hatte sich immer einen Mann gewünscht, an den sie sich anlehnen konnte, und das funktionierte bei Mike.

Nach einem Mann wie ihm sehnte sich jede Frau, ob sie nun zum Beispiel als Verkäuferin in einem Kaufhaus arbeitete oder eine Alexandra Gräfin von Waldenburg war, aus einem uralten Adelsgeschlecht stammend, mit Schloss, Besitzungen und Vermögen.

An Geld, an Mauern, an einem klangvollen Namen konnte man sein Herz nicht wärmen.

Ja, sie liebte Mike. Auf eine sanfte, zärtliche Weise, in der auch die Leidenschaft nicht zu kurz kam.

Es wurde immer weniger, weil sie es sich verbot, aber hier und da erschien ihr das Bild eines anderen Mannes, von dem sie nicht mehr wusste als dass seine Freunde ihn Joe nannten … Joe, von dem sie von der ersten Sekunde an elektrisiert, hypnotisiert gewesen war, bei dem ein coup de foudre, Blitzschlag der Liebe, sie getroffen hatte, der Herz und Seele gleichermaßen berührte.

Sie wusste nun, dass es so etwas wirklich gab, aber es war wohl auch so, dass so etwas nicht alltagstauglich war, denn warum hatte der Himmel, das Universum, ihr nicht die Chance gegeben, das auszuprobieren? Warum war eine zweite Begegnung mit Joe durch eine Massenkarambolage vereitelt worden?

Sie zwang ihre Gedanken in eine andere Richtung, wieder zurück zu Mike. Das war real, handfest, und es war schön.

Mike würde auch ihren Eltern gefallen, da war Alexandra sich absolut sicher. Aber auch Joe …

Verflixt noch mal, warum dachte sie schon wieder an ihn? Nun, gegen den hätten sie auch nichts einzuwenden gehabt.

Stop!

Wie konnte sie so etwas denken. Sie wusste doch überhaupt nichts über ihn, nur, dass sie vollkommen für ihn entbrannt war, er auch für sie, daran zweifelte sie keinen Augenblick, war kein Freifahrtschein.

Bei Joe war sie auf Mutmaßungen angewiesen, den konnte sie auf ein Podest stellen, ihn sich schönreden. Es war nicht die Realität, sondern alles, abgesehen von dem Gefühl, das war echt, entsprang ihrer Fantasie.

Aber Mike …

Der war echt, das mit ihm war Erleben einer wunderbaren Wirklichkeit. Sie konnte froh sein, ihn zu haben, und Joe …, den musste sie in die hinterste Ecke ihres Herzens verbannen, denn einen Platz darin sollte er schon noch behalten, als eine Erinnerung an einen wunderschönen Traum, der wie ein loderndes Feuer gewesen, aber jetzt zu einem kleinen Häufchen Asche zusammengefallen war.

Wie erwachend strich Alexandra sich über die Stirn, dann atmete sie tief durch und schüttelte alle Erinnerungen an Joe ab, dachte voller Zärtlichkeit an Mike, aber damit musste es dann jetzt auch gut sein.

Sie lief in den Wirtschaftsteil des Schlosses, in dem auch die große Küche untergebracht war, um nachzusehen, wie weit die Köchin Klara mit ihren Vorbereitungen war.

Bald würden ihre beiden Gäste eintreffen, die Alexandra mit einem opulenten Mahl verwöhnen wollte. Olaf Christensen war ein Gourmet, der jeden Bissen genießen würde, bei ihrer Freundin Liliane hoffte sie darauf, dass ein köstliches Essen sie von ihren Problemen, wenigstens vorübergehend, ablenken würde …

*

Ihre Gäste trafen gleichzeitig ein, denn Alexandra hatte ihnen einen Wagen geschickt.

Zu einem guten Essen gehörte auch ein guter Wein, und darauf zu verzichten, weil man noch Autofahren musste, ging gar nicht. Und nach Alkoholgenuss Auto zu fahren, ging noch weniger.

Alexandra hatte genug Personal, und der ehemalige Fahrer ihrer Eltern, jetzt mit anderen Aufgaben betraut, weil Alexandra ihn kaum brauchte, freute sich jedes Mal, wenn er wenigstens hier und da seinen alten Job ausüben konnte.

Olaf, charmant wie immer, drückte ihr einen wunderschönen Strauß weißer Orchideen in die Hand, obwohl Alexandra das eigentlich nicht wollte. Das hier war keine offizielle Einladung, es waren Freunde, die zu Gast hier waren. Aber Olaf war einfach zu gut erzogen, zu sehr Gentleman, um nicht ohne eine kleine Aufmerksamkeit zu kommen.

»Danke noch mal für die Einladung«, sagte er galant, »ich habe mich den ganzen Tag über darauf gefreut. Was wird die unvergleichliche Klara uns servieren?«

Alexandra lachte ihn an.

»Lass dich überraschen, Olaf. Danke für die wunderbaren Blumen, die wirklich nicht nötig gewesen wären, aber ich freue mich sehr darüber …, aber ich habe eine Idee. Willst du sie nicht lieber Klara verehren? Ich denke, du würdest ihr eine große Freude damit machen.« Als sie seinen zweifelnden Gesichtsausdruck bemerkte, fuhr sie fort: »Bei mir hast du den guten Willen gezeigt, und ich denke …«

Alexandra kam nicht dazu, ihren Satz zu beenden, denn Liliane fuhr ungehalten dazwischen: »Mein Gott, nun macht doch nicht so ein Bohei um die Blumen, ich würde jetzt lieber etwas trinken, und ich hoffe, wir bekommen zur Begrüßung den köstlichen Champagner, den dein Vater noch eingekauft hat.«

»Okay, das mit den Blumen für Klara ist eine gute Idee«, sagte Olaf rasch, »aber die kriegt sie erst nach dem Essen, bis dahin musst du sie irgendwo deponieren, damit sie sie vorher nicht sieht.«

Alexandra warf ihrer Freundin einen bekümmerten Blick zu, die so richtig elend aussah und bereits einige Kilos abgenommen hatte. Etwas, was man sich als Frau wünschte, dann allerdings unter anderen Umständen.

»Ich kümmere mich um die Blumen«, sagte Alexandra, »geht doch schon mal in die Bibliothek, ich habe dort alles für den Aperitif vorbereitet.«

Olaf kannte sich mittlerweile im Schloss aus, er ging in die richtige Richtung, und Liliane trottete ihm wie ein herrenloses Hündchen hinterher.

Hoffentlich besserte sich Lils Laune im Laufe der nächsten Stunden, dachte Alexandra bekümmert. Sie würde Lil so gern helfen. Aber wie? Das, was sie glücklich machen würde, konnte sie ihr leider nicht beschaffen. Ach, warum war Liliane nur so töricht gewesen, ihr eigenes Glück mit Füßen zu treten, es zu zerstören.

Rasch kümmerte Alexandra sich um eine Vase, deponierte die Blumen so, dass Klara sie nicht sehen konnte, dann eilte sie in die Bibliothek und bekam gerade noch mit, wie Liliane mit einem Zug ein Glas Champagner in sich hineinschüttete, Olaf das leere Glas entgegenhielt, damit er es wieder füllte.

Alexandra gönnte ihrer Freundin den Champagner von ganzem Herzen, und es störte sie grundsätzlich auch nicht, dass Lil ihn wie Wasser in sich hineinkippte. Nur …, durch den Konsum von Alkohol löste sie ihr Problem nicht. Vielleicht konnte sie es vorübergehend ausblenden, vergessen. Nach einem Kater würde es sie wieder einholen. Dann waren das Herzeleid wieder da, und dazu ein dicker Kopf.

Schon wollte Alexandra eine Bemerkung in diese Richtung machen, doch dann biss sie sich auf die Lippen.

So, wie Liliane im Augenblick drauf war, legte sie jedes Wort auf die Goldwaage, und so konnte es passieren, dass sie einfach beleidigt von dannen ziehen würde. Und das wollte Alexandra um jeden Preis vermeiden. Das, was Liliane jetzt an den Tag legte, das war nicht ihr normales Verhalten, sie befand sich in ihrem Schmerz in einem Ausnahmezustand. Und egal, ob selbstverschuldet oder nicht, es zerriss ihr beinahe das Herz zu sehen, wie Liliane litt. Sie empfand es als besonders schlimm, weil sie selbst so glücklich war und sich deswegen beinahe ein schlechtes Gewissen machte.

»Bekomme ich auch ein Gläschen Champagner?«, erkundigte sie sich besonders munter und gesellte sich zu ihren Freunden.

Galant reichte Olaf ihr ein Glas und ignorierte geflissentlich, dass Liliane ihr zweites Glas bereits wieder in einem Rutsch geleert hatte.

»Hey, ich bin auch noch hier«, beschwerte Liliane sich prompt.

Olaf sagte nichts, sondern ging zu dem kleinen Beistelltisch, auf dem, stilvoll in einem silbernen Kühler, ebenfalls Mineralwasser stand.

Er nahm die Flasche heraus, goss ein Glas mit Wasser voll, das reichte er Liliane mit einem Lächeln.

»Da du offensichtlich einen so großen Durst hast, liebste Liliane«, sagte er mehr als freundlich, »solltest du den erst einmal mit einem Wasser stillen. Du bist doch bestimmt gleich mir der Meinung, dass dieser besondere Champagner nicht dazu geeignet ist, Durst zu löschen, oder?«

Liliane lief puterrot an. Sie war zwar kreuzunglücklich, aber doch nach wie vor im Besitz ihrer geistigen Kräfte. Und zu den Dummen gehörte sie nicht, ganz im Gegenteil.

»Tut mir leid«, murmelte sie verlegen, nahm aber brav das ihr gereichte Wasserglas entgegen. »Ich benehme mich unmöglich, und es ist einfach ungehörig, Champagner, noch dazu einen so erlesenen, wie Wasser in mich hineinzukippen. Danke, Olaf, dass du mich, ohne zu meckern, in meine Schranken verwiesen hast. Aber ich …, ich bin ja soooo unglücklich.«

Sowohl Alexandra als auch Olaf hätten ihr jetzt sagen können, dass ihr Unglück hausgemacht war, dass sie selbst Schuld daran war, dass sie so litt.

Aber das brachte natürlich keiner von ihnen fertig. Alexandra wollte zu ihrer Freundin gehen, sie in den Arm nehmen, doch Olaf war schneller, er umarmte Liliane und tätschelte freundschaftlich ihren Rücken.

»Wird schon wieder«, sagte er, »aber es braucht halt seine Zeit.«

Als sei er giftig, machte Liliane sich aus seiner Umarmung frei.

»Was soll denn werden, kannst du mir das mal verraten?«, rief sie erregt. »Lars hat die Verlobung gelöst und mich in die Wüste geschickt. Es ist aus und vorbei, und du faselst da etwas von wieder werden.«

Jetzt verlor auch Olaf ein wenig die Geduld.