Die junge Gräfin 15 – Adelsroman - Michaela Dornberg - E-Book

Die junge Gräfin 15 – Adelsroman E-Book

Michaela Dornberg

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Beschreibung

Sie ist jung, sie ist schön, und sie ist stolz – ihr Vater, der alte Graf und Patriarch Benno von Waldenburg, weiß genau, warum er seine Lieblingstochter dazu auserkoren hat, die Herrin auf Schloss Waldenburg zu werden. Es ist die große Überraschung, die er auf der herrlichen Feier anlässlich seines 60. Geburtstags verkündet. Sie führt zum Eklat – denn sein maßloser, ungeratener Stiefsohn Ingo denkt gar nicht daran, auf seine Ansprüche zu verzichten. Er will vor Gericht klagen. Die gräfliche Familie wird unruhige Zeiten erleben. Aber Die junge Gräfin geht unbeirrt ihren Weg – ihr natürlicher Charme, ihre Ausstrahlung, ihr Esprit machen sie zu einer wundervollen, von der Männerwelt umschwärmten Frau. Niemand kann ihr widerstehen, während sich Die junge Gräfin herzensgut, doch auch sehr wählerisch zeigt. Denn sie weiß, was sie will – und auch, wen sie will. Die junge Gräfin ist eine Familiensaga, die ihresgleichen sucht. Die Erfolgsschriftstellerin Michaela Dornberg, bestens bekannt als Autorin der beliebten Serien Die Fahrenbachs und Der neue Sonnenwinkel, zieht alle Register. Die junge Gräfin ist eine weit herausragende Figur, ein überzeugender, zum Leben erwachender Charakter – einfach liebenswert. Auch wenn Alexandra viele Vorbehalte gegen die Verlobung ihrer früheren Studienkollegin Rautgundis von Sevelen mit dem Grafen Warenthien hatte, musste sie ihre ursprüngliche Meinung doch sehr schnell revidieren. Friedrich-Wilhelm und Eleonore von Sevelen hatten keine Mühe gescheut, ihrer Tochter ein stilvolles, unvergessliches Fest zu gestalten, bei dem sie wirklich an nichts gespart hatten und was einen für einen Augenblick vergessen ließ, dass die Braut diesen Bräutigam nicht wirklich wollte, sondern dass es ebenso arrangiert war, wie dieses Fest. Alles ging ein wenig steif zu, aber das war es wohl auch, wenn man sich streng an die gesellschaftlichen Regeln und die traditionellen Werte hielt. Das, was die Sevelens hier demonstrierten, das lebten sie auch. Und das musste man ganz einfach respektieren. Niemand konnte über seinen Schatten springen, und wenn für den Baron und seine Familie die alten, längst überholten, überlebten Werte noch immer galten, dann war es halt so. Und ganz so verkehrt war es schließlich auch nicht. Wer in einer abgegrenzten, fest umrissenen Welt lebte, der machte in der Regel auch keinen Fehltritt, um aus diesem Leben herauszutreten. Gundis hatte es versucht. Sie hatte sich unsterblich nicht standesgemäß verliebt und vermutlich die schönste Zeit ihres Lebens mit dem charmanten Miguel verbracht, einem glutäugigen Spanier, aber dann hatte sie doch auf ihre große Liebe verzichtet und sich auf Wunsch ihrer Eltern mit dem Grafen Warenthien verlobt, der nett war, keine Frage, aber der viel zu alt für Gundis war. Alexandra war so froh, dass ihre Eltern schon ein gewisses Standesbewusstsein hatten. Das hatte man automatisch, wenn man einem so alten Adelsgeschlecht entstammte wie den Waldenburgs. Aber sie waren modern, aufgeschlossen und würden ihren Kindern niemals Steine in den Weg legen, wenn sie sich für einen bürgerlichen Partner entschieden. Und genau das hatte Alexandra getan. Noch wusste sie nicht, wohin das mit Mike führen würde, ihrem feschen Piloten. Dazu war ihre Verbindung einfach noch zu jung, ihre Liebe noch zu frisch. Ihre Eltern hatten auf jeden Fall nichts dagegen, sondern sie freuten sich, Mike nach ihrer Rückkehr aus der Toskana kennenzulernen. Es waren einige Leute hier, die Alexandra kannte. Sie fragte sich allerdings, in welcher Verbindung sie zu Baron Sevelen und seiner Familie standen. Wahrscheinlich verkehrten sie nur unverbindlich gesellschaftlich miteinander, und die Auswahl der Gäste war eher nach Rang und Namen gegangen statt der Nähe zur Familie.

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Die junge Gräfin – 15 –

Im Zweifel der Gefühle

Eine weite Reise hilft Liliane nicht weiter

Michaela Dornberg

Auch wenn Alexandra viele Vorbehalte gegen die Verlobung ihrer früheren Studienkollegin Rautgundis von Sevelen mit dem Grafen Warenthien hatte, musste sie ihre ursprüngliche Meinung doch sehr schnell revidieren.

Friedrich-Wilhelm und Eleonore von Sevelen hatten keine Mühe gescheut, ihrer Tochter ein stilvolles, unvergessliches Fest zu gestalten, bei dem sie wirklich an nichts gespart hatten und was einen für einen Augenblick vergessen ließ, dass die Braut diesen Bräutigam nicht wirklich wollte, sondern dass es ebenso arrangiert war, wie dieses Fest.

Alles ging ein wenig steif zu, aber das war es wohl auch, wenn man sich streng an die gesellschaftlichen Regeln und die traditionellen Werte hielt.

Das, was die Sevelens hier demonstrierten, das lebten sie auch. Und das musste man ganz einfach respektieren.

Niemand konnte über seinen Schatten springen, und wenn für den Baron und seine Familie die alten, längst überholten, überlebten Werte noch immer galten, dann war es halt so. Und ganz so verkehrt war es schließlich auch nicht.

Wer in einer abgegrenzten, fest umrissenen Welt lebte, der machte in der Regel auch keinen Fehltritt, um aus diesem Leben herauszutreten.

Gundis hatte es versucht. Sie hatte sich unsterblich nicht standesgemäß verliebt und vermutlich die schönste Zeit ihres Lebens mit dem charmanten Miguel verbracht, einem glutäugigen Spanier, aber dann hatte sie doch auf ihre große Liebe verzichtet und sich auf Wunsch ihrer Eltern mit dem Grafen Warenthien verlobt, der nett war, keine Frage, aber der viel zu alt für Gundis war.

Alexandra war so froh, dass ihre Eltern schon ein gewisses Standesbewusstsein hatten. Das hatte man automatisch, wenn man einem so alten Adelsgeschlecht entstammte wie den Waldenburgs. Aber sie waren modern, aufgeschlossen und würden ihren Kindern niemals Steine in den Weg legen, wenn sie sich für einen bürgerlichen Partner entschieden. Und genau das hatte Alexandra getan. Noch wusste sie nicht, wohin das mit Mike führen würde, ihrem feschen Piloten. Dazu war ihre Verbindung einfach noch zu jung, ihre Liebe noch zu frisch.

Ihre Eltern hatten auf jeden Fall nichts dagegen, sondern sie freuten sich, Mike nach ihrer Rückkehr aus der Toskana kennenzulernen.

Es waren einige Leute hier, die Alexandra kannte. Sie fragte sich allerdings, in welcher Verbindung sie zu Baron Sevelen und seiner Familie standen.

Wahrscheinlich verkehrten sie nur unverbindlich gesellschaftlich miteinander, und die Auswahl der Gäste war eher nach Rang und Namen gegangen statt der Nähe zur Familie. Vor allem waren es ältere Leute, die sich hier tummelten.

Alexandra fragte sich, warum Gundis damit einverstanden gewesen war, die ausgerechnet zu ihrer Verlobung einzuladen. Bei einer solchen Festivität legte man doch eher Wert auf Gäste, die zur Familie gehörten, der Familie nahe standen oder die Freunde waren.

Vermutlich hatte Gundis das auch ihren Eltern überlassen wie alles andere.

Alexandra hatte ihre Honneurs gemacht, hier und da ein wenig geplaudert, in erster Linie über ihre Eltern, denn das war es, was die meisten interessierte, wie es dem Grafen Benno von Waldenburg und Gräfin Alexandra ging. Ihre Eltern waren überall sehr beliebt und vor allem sehr geachtet. Das war etwas, was Alexandra stolz machte.

Nach dem wirklich ausgezeichneten Konzert in der großen Eingangshalle von Schloss Sevelen, bei dem ein Querschnitt von Vivaldi über Schubert, Massenet, Mendelssohn Bartholdy, Grieg, Bach und viele andere große Komponisten geboten wurde, hatten sich die meisten in den Salons versammelt, um ein Gläschen Champagner zu trinken, ein wenig zu plaudern, ehe es in den großen Saal zum Essen ging, einem Essen, das vielversprechend zu werden schien.

Alexandra hatte voller Verwunderung die Karte gelesen und den Sevelens so etwas überhaupt nicht zugetraut, zumal sie von Gundis wusste, dass man auf Essen keinen allzu großen Wert legte und in erster Linie das aßen, was sie selbst anbauten oder in ihren Wäldern schossen und Ställen züchteten.

Dieses Menü hätte auch ihre Klara zaubern können.

Die Vorspeise war ein Feldsalat mit Himbeerwalnuss-Dressing und Flusskrebsen, gefolgt von Linguine mit Gemüsestreifen und Jakobsmuscheln in Orangen-Safransauce, und der geschmorte Braten vom Rind in Steinpilzsauce mit Waffelkartoffeln und Rosmarin-Möhrchen hörte sich auch sehr gut an. Und das Dessert eine Apfelcreme mit Calvadosschaum und Walnusskrokant war auch nicht zu verachten. Es war eine runde Sache, da hatten sich die Sevelens mächtig ins Zeug gelegt.

Alexandra lehnte an einem der schmalen hohen Fenster, die in die dicke Mauer eingelassen waren und beobachtete das Treiben um sich herum.

Für den Moment hatte sie keine Lust auf Kommunikation. Es war schade, dass ihre früheren Kommilitonen Markus, Volker, Inge und Millie im letzten Augenblick abgesagt hatten, sie hätte sich gefreut, sie mal wiederzusehen.

Und schade war eigentlich auch, dass sie sich alle so sehr aus den Augen verloren hatten. Während ihrer gemeinsamen Studentenzeit waren sie, eingeschlossen Rautgundis und Miguel, unzertrennlich gewesen und hatten eine herrliche Zeit miteinander verbracht.

Wie sehr hatten sie sich geschworen, sich nie aus den Augen zu verlieren, miteinander zu telefonieren, sich zu treffen.

Und was war daraus geworden?

Nichts, absolut nichts!

Zuerst war die Verbindung zwischen Miguel und Gundis zerbrochen, das hatte vorübergehend für Gesprächsstoff gesorgt, doch dann waren die Telefonate weniger geworden, Treffen hatten niemals stattgefunden, und dann war Funkstille eingetreten.

Wenn Gundis sie nicht zu ihrer Verlobung eingeladen hätte, dann hätte sie auch an diese alte Freundin nicht mehr gedacht.

Vielleicht musste man ganz einfach noch älter werden, um sich an das, was gewesen war zu erinnern, so nach dem Motto – weißt du noch, damals …

Schade, wirklich schade.

Rautgundis, die Braut, kam auf sie zu, sie hatte zwei Sektgläser in der Hand, von denen sie eines Alexandra reichte.

»Langweilst du dich?«, wollte sie wissen.

Ihr Gesicht wies hektische rote Flecken auf, was darauf schließen ließ, dass sie schon Champagner reichlich genossen hatte. Eigentlich untypisch für Gundis, die hatte immer nur sehr wenig getrunken. Tat sie das jetzt, um den Rummel besser überstehen zu können, weil der Alkohol einen, wenigstens vorübergehend, alles durch die rosarote Brille sehen ließ?

»Nein, ich langweile mich nicht, Gundis«, antwortete sie. »Es ist ein schönes, sehr stilvolles Fest …, ich möchte einfach nur ein wenig meine Ruhe haben. Ich dachte gerade an das Menü, das wir serviert bekommen. Es liest sich vielversprechend, und darauf freue ich mich schon sehr.«

Sie zuckte die Achseln, trank etwas von ihrem Champagner, ehe sie antwortete: »Es ist auf Guntrams Mist gewachsen. Er hat einen Sternekoch einfliegen lassen, von dem auch die Menüvorschläge kamen. Meine Eltern hätten sich weder für ein solches Essen entschieden, noch hätten sie das Geld dafür ausgegeben …, aber jetzt finden sie es natürlich großartig und schmücken sich im Grunde genommen mit fremden Federn. Sie verraten niemandem, dass eigentlich Guntram die Ehre gebührt?«

Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Was soll’s, mir ist es so was von egal, ich wollt, der ganze Zauber wäre längst vorbei. Ich komme mir vor wie jemand, den man auf eine Bühne gestellt hat ohne ihm zu sagen, was er eigentlich für eine Rolle spielen soll.«

Alexandra lächelte.

»Deine Rolle ist doch klar definiert, du bist die Braut, der Mittelpunkt des Festes, und ich finde, du spielst diese Rolle ganz ausgezeichnet. Du bist sehr souverän, und du siehst fabelhaft aus, Gundis.«

Wieder trank Rautgundis etwas.

»Rolle, du sagst es, liebe Alexandra, die spiele ich wirklich. Meine äußere Hülle ist hier beteiligt, aber mein Inneres … Niemand weiß, wie es in mir aussieht. Am liebsten würde ich jetzt schreiend davonlaufen. Wenn ich es bloß könnte, dann säße ich sehr schnell im nächsten Flieger nach Madrid, um zu Miguel zu kommen, dem mein Herz gehört, immer gehören wird.«

Alexandra seufzte bekümmert.

»Gundis, wir haben uns vorhin schon darüber unterhalten. Es zwingt dich niemand, den Grafen zu heiraten. Du bist hier nicht gefesselt vorgeführt worden. Und wenn du jetzt schon weißt, dass du Guntram von Warenthien niemals lieben wirst, dann heirate ihn nicht. Es geht hierbei nicht um dich allein, es geht auch um deinen Verlobten, der im Übrigen ein sehr netter Mann ist.«

»Ich finde ihn auch nett, und ich werde mich auch mit ihm arrangieren. Eine Trennung könnte ich meinen Eltern nicht antun. Ich konnte ihnen vorher nicht die Stirn bieten, und jetzt könnte ich es schon gar nicht, jetzt, wo alles offiziell ist. Sie würden sich, käme es zu einem Eklat, in Grund und Boden schämen, und ich könnte ein für alle Male vergessen, dass sie meine Eltern sind, Schloss Sevelen mein Zuhause. Mir wäre der Zutritt hierher auf ewig verwehrt.«

»Gundis, wenn das alles so klar ist, dann quäle dich doch nun nicht mehr mit dem Gedanken, wie es hätte sein können, wenn … Das macht dich nur unglücklich … Sieh mal, du hast doch niemals einen Ausbruch gewagt, sondern immer sofort pariert und das getan, was deine Eltern wollten. Du kannst also auch überhaupt nicht beurteilen, wie sie sich wirklich verhalten würden, wenn du …, nun, wenn du dich durchsetzen würdest. Vielleicht würden sie eine Weile schmollen und sich irgendwann abfinden und dich wieder mit offenen Armen aufnehmen. Schließlich bist du ihre Tochter …«

Rautgundis blickte ihr Gegenüber an.

»Du …, Alexandra, du hättest dich nicht manipulieren lassen, stimmt’s? Und du hättest auch nicht auf die große Liebe deines Lebens verzichtet.«

Darauf konnte Alexandra ohne zu überlegen sofort eine Antwort geben.

»Nein, hätte ich nicht. Aber ich bin auch anders als du, Gundis, auch meine Eltern und mein Umfeld sind anders.«

»Ja, ihr seid die großen Waldenburgs, ihr gehört in die erste Reihe der deutschen Adelsfamilien, ihr seid mit allen verwandt, die bedeutsam sind. Umso makabrer ist es doch, dass deine Eltern eine unstandesgemäße Verbindung sofort akzeptiert hätten, während meine, die in Adelskreisen überhaupt keine Rolle spielen, an alten Zöpfen festhalten und so tun als sei dieses von vor dem Namen ein besonderer Leckerbissen, der nur einer privilegierten Schicht zugänglich ist.«

Alexandra wollte es nicht sagen, aber es begann sie schrecklich zu langweilen, es immer wieder durchzukauen.

Rautgundis von Sevelen hatte sich entschlossen den Grafen Guntram von Warenthien zu heiraten. Aus! Schluss! Punkt!

Warum war sie also noch immer so jammervoll und rieb sich an dem auf was gewesen wäre wenn.

»Du findest mich unmöglich, weil ich dir an einem Streifen die Ohren zunöhle. Bestimmt bedauerst du schon, überhaupt hergekommen zu sein. Und vielleicht haben die Anderen auch abgesagt, weil sie keine Lust auf die Gesellschaft hier hatten und auch nicht auf das alte Gemäuer, in dem die Verlobung stattfindet.«

Jetzt wurde Alexandra wirklich wütend.

»Sag mal, hast du noch mehr von diesen unmöglichen Albernheiten in petto? Wirklich, Gundis, ich kenne keinen Menschen, der sich selbst immer herunterzieht und sich so klein macht. Warum hätten denn unsere Kumpels aus alten Zeiten erst zusagen sollen? Es bestand keine Verpflichtung, und so wie ich sie kenne, ganz besonders Markus, hätten sie dir auch gesagt, dass sie die Einladung dankend ablehnen, weil sie keine Lust auf Gesellschaften dieser Art haben, und wenn ich …«

Alexandra brach ihren Satz ab, denn in diesem Augenblick gesellte Benita von Ahnenfeld sich zu ihnen.

»Störe ich?«, erkundigte sie sich höflich.

Sie störte, aber das musste man ihr jetzt nicht auf die Nase binden.

Vielleicht war es ja doch gut, dass sie jetzt hier war, denn das Gespräch mit Gundis hätte sich immer weiter im Kreise gedreht, und so etwas konnte ganz schön ermüden.

»Nein, natürlich störst du nicht, Benita. Guntrams Freunde sind mir immer willkommen.«

Benita von Ahnenfeld lächelte, und das machte ihr an sich sehr herbes Gesicht sofort weicher.

»Danke, das hast du sehr nett gesagt, aber eigentlich bin ich jetzt nicht als Guntrams Freundin hier, sondern weil ich mich mit Ihnen, Frau von Waldenburg, noch ein wenig unterhalten möchte. Ich habe mich noch immer nicht von der Überraschung erholt, Sie ausgerechnet hier zu treffen.«

»Bei den Sevelens vermutet man wohl keine so hochkarätige Gräfin wie Alexandra«, wandte Rautgundis ein, die ganz eindeutig einen Minderwertigkeitskomplex hatte, wenn sie sich in der Nähe von Komtessen und Gräfinnen befand, weil sie halt »nur« eine Baroness war und das auch noch eine aus keinem bedeutenden Haus.

»Wie kommst du darauf?«, wandte Benita ein. »Ich finde, bei euch ist heute eine sehr hochkarätige Gesellschaft versammelt, und die Sevelens sind ein sehr altes Geschlecht, das schon sehr früh in den Geschichtsbüchern erwähnt wurde …, aber darüber will ich eigentlich nicht reden, wie gesagt, ich freue mich so sehr«, sie wandte sich an Alexandra, »Sie endlich persönlich kennen zu lernen. Ich habe schon so viel über Sie gehört, und auch Sabrina schwärmt von ihrer Schwester in den allerhöchsten Tönen, und dem alten Grafen Greven haben Sie es ja auch mächtig angetan, und der ist ja wohl ein eher kritischer Mensch …, aber, bitte entschuldigen Sie diese Äußerung … Sabrina und Sie ähneln sich nicht sehr, zumindest nicht auf den ersten Blick.«

Benita von Ahnenfeld hatte eine nette, herzerfrischende Art. Von ihrem Äußeren her konnte man nicht unbedingt darauf schließen, dass sie eine kleine Plaudertasche war. Und solange sie nicht von ihrem Verlobten anfing zu sprechen, war das ja ganz amüsant.

Hätte Alexandra das bloß nicht gedacht, denn sie hatte kaum ausgesprochen, dass sie äußerlich auf ihren Vater, also die Waldenburgs kam und Sabrina eher auf ihre Mutter, als Benita schon losplapperte: »Joachim, nein Verlobter, ist mit den Grevens so fest verbandelt, dass ich auch gern mit allen gut zurechtkommen möchte. Sabrina, ach, die ganze Familie, und ganz besonders die liebreizenden kleinen Mädchen, sind ganz zauberhaft. Joachim wird ja auch einer der Paten der kleinen Elisabeth. Wie ich ihn darum beneide.«

Das hatte sie alles schon bei der Begrüßung erzählt, aber Alexandra war bereit, ihr das nachzusehen.

Erst als Benita sagte: »Anlässlich der Taufe werden Sie meinen Joachim ja kennen lernen, und dann werden Sie sehen, was für ein wundervoller Mensch, er ist«, schritt Alexandra ein.

»Liebe Frau von Ahnenfeld, es ist wirklich rührend, wie Sie von Ihrem Verlobten schwärmen, aber sollen wir dieses Thema jetzt nicht lassen? Rautgundis steht heute im Mittelpunkt des Geschehens, und das sollten wir doch gebührend feiern.«

Benita lief rot an, und Alexandra bekam ein schlechtes Gewissen. Die Ärmste konnte ja nichts dafür, dass allein schon die Erwähnung des Namens Joachim von Bechstein so etwas wie ein rotes Tuch für sie war.

Und obschon sie alles getan hatte, um eine Begegnung mit diesem Mann zu vermeiden, gefiel es ihr nicht, dass er jetzt verlobt war.

»Entschuldigen Sie«, sagte Benita, ehe sie sich an Rautgundis wandte: »Kannst du mir noch mal verzeihen, meine Liebe?«

Die quälte sich ein Lächeln ab.

Was Komtess Benita da gesagt hatte über ihren Verlobten und die von Grevens störte sie nicht. Es zerriss sie beinahe nur, dass es da ein Paar gab, Benita von Ahnenfeld und Joachim von Bechstein, das offensichtlich glücklich miteinander war.

»Aber, Benita, da gibt es doch nichts zu verzeihen«, bemerkte sie leichthin, und nur sie wusste, wie schwer ihr dieser leichte, muntere Ton fiel. »Wenn man verliebt ist, dann läuft einem immer das Herz über und man will über nichts lieber reden als den Herzenspartner.«

Alexandra konnte nicht mehr.

Das jetzt war einfach too much.

»Da ihr nun beide zwei so glückliche Bräute seid, habt ihr euch gewiss eine ganze Menge zu erzählen. Ich werde mal hinüber zu dem Grafen Hoogen zu Hoogenstein gehen. Der steht ein wenig verloren da, was ja auch kein Wunder ist. Er hat den zu frühen Tod seiner Gemahlin offenbar noch nicht verwunden. Vielleicht kann ich ihn ein wenig aufmuntern. Ich kenne ihn ja auch mein Leben lang.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, entfernte Alexandra sich. Das Gespräch mit dem Grafen würde zwar auch nicht unbedingt prickelnd sein, aber bei dem konnte sie wenigstens ein gutes Werk tun, indem sie ihm zuhörte und ihn vielleicht sogar zum Lachen brachte, wenn sie anfing von früher zu erzählen.

Also, mal ganz ehrlich …

Sie wusste zwar nicht, wie dieser Joachim von Bechstein aussah, aber so, wie ihn alle immer schilderten, musste er ein Adonis sein, ein Traummann. Und so einer passte doch nicht zu dieser eher herben Schönheit.

Stop!

Alexandra von Waldenburg, jetzt hast du Vorurteile, und das ist doch sonst überhaupt nicht deine Art, Menschen nach Äußerlichkeiten zu beurteilen, wies sie sich selbst zurecht.

Benita von Ahnenfeld war eine nette Person, die Sabrina und deren Familie offensichtlich sehr mochte. War es dann denn so verkehrt sich zu bemühen, auch zum Rest der Familie ein gutes Verhältnis zu bekommen?

Und warum störte es sie eigentlich so sehr, dass Benita mit Joachim von Bechstein verlobt war? Sie hatte ihn doch nicht haben wollen und war allen Begegnungen ausgewichen? Aus lauter Eitelkeit, weil es schön war, von potentiellen Bewerbern umschwärmt zu werden?

Nein, ein solcher Gedanke war auch Schwachsinn, denn so eine Frau war sie auch nicht, die es genoss, von vielen Männern angeschmachtet zu werden.

Also, was war es dann?

Sie hatte nicht die geringste Ahnung, und zum Glück musste sie auch nicht länger darüber nachdenken, denn sie hatte den Grafen Hoogen zu Hoogenstein erreicht, der sie anstrahlte: »Das ist aber nett von dir, liebe Alexandra, einem alten Mann ein wenig Gesellschaft zu leisten …«

*