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Lucien Ravenscroft: Die Karte der Verdammnis Als der 16-jährige Lucien Ravenscroft eine vergilbte Karte in einem verlassenen Schuppen findet, ahnt er nicht, dass er die Tür zu einem Albtraum öffnet. Was wie ein harmloses Abenteuer beginnt, entpuppt sich schnell als Reise in die tiefsten Abgründe der Hölle. Zusammen mit einer Gruppe von Freunden begibt er sich auf einen gefährlichen Pfad, der sie in die dunklen Ecken ihrer eigenen Ängste und Geheimnisse führt. Doch je weiter sie vorankommen, desto mehr verlieren sie ihre Menschlichkeit. Der Fluch der Karte zieht sie tiefer in eine verzerrte, höllenähnliche Welt, in der der Tod nie weit entfernt ist und der wahre Feind nicht nur die Dämonen, sondern auch sie selbst sind. Verrat, Schuld und die Last ihrer eigenen Dämonen verlangen einen schrecklichen Preis – ein Preis, den sie möglicherweise niemals wieder zurückzahlen können. Werden sie es schaffen, die Geheimnisse der Karte zu entschlüsseln, oder wird ihre Reise in der Dunkelheit enden? "Die Karte der Verdammnis" ist ein packender Horrorroman über Mut, Verlust und den Kampf gegen die finsteren Schatten der eigenen Seele. Ein Wettlauf gegen die Zeit, in dem jeder Schritt eine Entscheidung über Leben und Tod bedeutet.
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Seitenzahl: 345
Veröffentlichungsjahr: 2025
Kapitelübersicht – „Die Karte der Verdammnis“
Der Fund
Die Legende von Inferna
Das erste Zeichen
Das Tor öffnet sich
Betreten der Dunkelheit
Die ersten Prüfungen
Die Dunklen Reflexionen
Der Ruf der Verdammnis
Verlust der Unschuld
Die Höllenwächter
Die Rückkehr der Erinnerungen
Der Feuersee
Der Pakt
Die verlorene Seele
Der Spiegel der Wahrheit
Der Hohepriester von Inferna
Das dritte Tor
Der Wanderer
Die ewige Finsternis
Der Gebrochene
Das Labyrinth der Verdammten
Der Höhlenriese
Die Quälerei der Verlorenen
Das Ritual der Seele
Der Tausch
Der Fall von Hoffnung
Der Sog des Abgrunds
Der zerbrochene Vertrag
Der Tod der Hoffnung
Der schwarze Flügel
Die Ältesten von Inferna
Die Jagd nach der verlorenen Seele
Der Blutaltar
Die Stunde der Dunkelheit
Der Turm des Bösen
Der Pfad der Lügen
Der Wahnsinn der Dunkelheit
Die Versiegelung
Der brennende Höllenfluss
Die Hölle zurück
41. Der Zerfall der Gruppe
42. Der Dunkle Engel
43. Die Hallen der Verdammten
44. Der letzte Pakt
45. Der Flügel des Verderbens
46. Das Tor der Rückkehr
47. Der Berg der Verzweiflung
48. Der Verrat des Flammengottes
49. Der letzte Atemzug
50. Der Preis der Erlösung
Kapitel 1 – Der Fund
Die Sonne stand bereits tief am Horizont, als die Gruppe sich auf den Weg zu dem verlassenen Schuppen machte. Der Schuppen, von dem sie gehört hatten, stand am Rande des Waldes, dessen Bäume wie unheimliche Wächter über den verlassenen Platz blickten. Der Wind raschelte durch die Blätter, und der Herbstnebel hüllte alles in eine düstere, beinahe gespenstische Atmosphäre.
Lena zog ihren Mantel fester um sich, als sie sich an den rostigen Metallzaun lehnte, der den Zugang zum Schuppen versperrte. „Na, dann mal los. Ich wette, hier gibt es irgendwas richtig Lustiges zu entdecken“, sagte sie mit einem spöttischen Lächeln, obwohl ihr Blick verriet, dass sie sich selbst nicht ganz sicher war, ob es wirklich eine gute Idee war, heute Nachmittag zu diesem verfluchten Ort zu kommen.
„Wir haben keine Wahl“, antwortete Tom und zuckte mit den Schultern. „Hier soll es doch irgendein altes Artefakt geben, das uns helfen könnte. Hast du das nicht gelesen?“
„Klar, aber ich dachte eher an etwas, das ein bisschen weniger… morbide ist“, entgegnete Lena und warf einen Blick auf den Schuppen, der mit Schimmel bedeckt und von einem riesigen Baum überschattet war, dessen Äste wie Tentakel aus dem Boden ragten.
Max, der sich in den letzten Wochen immer wieder mit unheimlichen Legenden und Mythen befasst hatte, fuhr sich nervös durch die Haare. „Na gut, das war’s. Entweder das hier ist ein riesiger Spaß, oder wir werden noch etwas entdecken, das wir nie wieder loswerden.“
„Komm schon, Max, du redest dich gerade selber verrückt“, grinste Sara, während sie mit einer Taschenlampe in der Hand auf den Schuppen zuging. „Es ist nur ein verlassener Ort. Was kann schon passieren?“
Aber auch sie konnte sich die Gänsehaut nicht verkneifen, die ihr den Rücken hinunterlief. Der Schuppen war alt, zu alt, und aus irgendeinem Grund war sie sich sicher, dass er mehr verbarg, als er auf den ersten Blick zeigte.
„Ich schlage vor, wir gehen einfach rein und schauen uns um“, sagte Max, immer noch etwas unbehaglich. „Vielleicht finden wir mehr, als nur Staub und Spinnweben.“
Langsam öffnete sich die rostige Tür des Schuppens, das Quietschen des Metalls klang unheilvoll in der stillen Luft. Der Raum war stockdunkel und roch nach Moder und Verfall. Die Wände waren von Moos und Schimmel bedeckt, und die Luft war schwer und stickig, als hätte sie jahrelang niemand mehr betreten. Doch der ständige Regen und das feuchte Klima hatten etwas Geheimnisvolles und fast Bedrohliches an diesem Ort.
„Schaut mal hier“, rief Sara plötzlich, als ihre Taschenlampe auf etwas Glänzendes fiel. Sie trat näher an eine alte Holztruhe, deren Deckel halb geöffnet war. Der Staub, der sich darauf angesammelt hatte, deutete darauf hin, dass sie noch nie geöffnet worden war.
„Hoffentlich ist es kein Schrott“, murmelte Tom und folgte ihr. „Aber hey, vielleicht finden wir einen goldenen Schatz, um das alles wert zu machen.“
„Vielleicht ein paar uralte Bücher oder Karten“, sagte Max, der seine Neugier kaum zügeln konnte. „Alles, was irgendwie mit dieser alten Geschichte zusammenhängt.“
Sara beugte sich vor und öffnete vorsichtig den Truhendeckel. Sie zog eine Rolle aus altem, brüchigem Papier heraus. Es war eine Karte, die in der schwachen Lichtquelle seltsam schimmerte, fast wie ein Spiegel, der das Licht in alle Richtungen zerstreute.
„Was ist das?“ fragte Lena, die sich unwillkürlich näherte. Die Karte war in einem vergilbten Zustand, als ob sie Jahrhunderte alt war. Doch sie war seltsam detailliert und präzise, jede Linie, jeder Strich wirkte fast lebendig.
Max nahm die Karte vorsichtig in die Hand und faltete sie auseinander. Auf ihr waren detaillierte Darstellungen von Wäldern, Bergen und Flüssen abgebildet, aber mitten auf der Karte prangte ein Ort, der keinen Namen hatte, sondern nur ein Symbol – ein dunkler Kreis, umgeben von Linien, die wie Flammen wirkten. Die Linien endeten an einem merkwürdigen, spiralförmigen Muster, das in der Mitte mit einem weiteren Kreis zusammenfloss.
„Was bedeutet das?“ fragte Sara, die die Symbole noch nie zuvor gesehen hatte.
„Das sieht aus wie ein… mystisches Diagramm“, murmelte Max, der sich nun ganz auf die Karte konzentrierte. „Das hier könnte mehr sein als nur eine alte Karte. Vielleicht ist es ein Hinweis auf etwas, das nicht von dieser Welt ist.“
„Worauf genau deuten diese Linien hin?“ fragte Tom, der die Karte aus nächster Nähe betrachtete. „Es sieht aus, als könnte das der Weg zu einem bestimmten Ort sein.“
„Aber wohin?“ fragte Lena skeptisch. „Was für ein Ort könnte das sein?“
Max zeigte auf das Symbol in der Mitte der Karte. „Sieht aus wie ein Kreis. Vielleicht ein Tor. Etwas, das zwischen Welten hin- und herführt.“
„Du redest wie ein verrückter Professor“, sagte Tom lachend. „Was willst du damit sagen, Max? Dass diese Karte uns zu einem magischen Ort führt oder sowas?“
„Vielleicht“, antwortete Max nachdenklich. „Oder es führt uns einfach in eine andere Dimension. Schau dir die Ränder der Karte an. Sie sind nicht einfach nur gezeichnet. Es scheint, als würden sie sich bewegen. Fast so, als ob sie lebendig wären.“
„Okay, jetzt übertreibst du“, sagte Lena, aber sie konnte nicht leugnen, dass auch sie sich merkwürdig unbehaglich fühlte. Etwas an der Karte ließ sie erschaudern, als würde sie in etwas verstrickt werden, das sie nicht vollständig verstand.
„Was ist das für ein Symbol da unten?“ fragte Sara und deutete auf eine weitere, fast unsichtbare Inschrift am unteren Rand der Karte. Die Schrift war so verblasst, dass sie fast mit der Färbung des Papiers verschmolz, aber sie war eindeutig vorhanden.
Max beugte sich vor und versuchte, die Worte zu entziffern. „Das… das ist Latein. ‚Ad Infernum‘… ‚Zum Inferno‘.“
„Inferno? Das bedeutet Hölle!“, rief Lena, ihre Stimme plötzlich flach und ängstlich.
Max sah sie an, und obwohl seine Miene zuerst skeptisch war, dämmerte es ihm langsam, dass das, was sie gefunden hatten, mehr war als nur eine alte Karte. „Diese Karte führt zu… einem Ort namens Inferno. Wenn das stimmt, dann ist das… mehr als nur eine Geschichte.“
Die Gruppe starrte sich für einen Moment schweigend an, der ganze Raum schien plötzlich zu vibrieren. Etwas an diesem Moment fühlte sich so an, als ob sie gerade eine unsichtbare Grenze überschritten hätten. Eine Grenze, die sie nicht mehr rückgängig machen konnten.
„Wir sollten besser gehen“, sagte Tom schließlich, seine Stimme zitterte leicht. „Ich habe das Gefühl, dass wir hier etwas geweckt haben, das wir nicht verstehen.“
Doch es war zu spät. Die Karte in Max' Händen begann plötzlich zu glühen, als ob sie von innen heraus ein unheimliches Licht ausstrahlte. Und das Geräusch, das durch den Schuppen hallte, war das leise, unheilvolle Knacken von Holz und Metall, das durch die Wände drang.
Es war, als ob das, was sie gefunden hatten, jetzt auf sie aufmerksam geworden war. Und es wollte, dass sie weitergingen.
Das ist der Beginn der Reise. Die Karte stellt sich als weit mehr heraus, als sie sich je vorgestellt haben. Sie sind auf dem Rand von etwas Unvorstellbarem – ein Abenteuer, das nicht nur ihre Welt verändern wird, sondern auch ihr Verständnis von Realität und Hölle selbst.
Kapitel 2 – Die Legende von Inferna
Der Schuppen war still geworden. Max, Lena, Sara und Tom standen wie versteinert, das unheimliche Leuchten der Karte schien in der Dunkelheit zu pulsieren. In diesem Moment bemerkte niemand mehr das schrille Rauschen des Windes draußen, das Rascheln der Bäume, das Quietschen des Schuppentores, das sich mit jedem Atemzug zu bewegen schien. Ihre Gedanken drehten sich nur noch um die Karte und das, was sie gerade entdeckt hatten.
„Was machen wir jetzt?“, fragte Lena schließlich, ihre Stimme zitterte. Sie versuchte, sich zu fassen, aber ihre Finger, die sich an der Karte festklammerten, zitterten genauso wie der Rest ihres Körpers. Die Worte „Ad Infernum“, die Max gelesen hatte, hallten in ihrem Kopf wider – Zum Inferno.
„Ich weiß nicht“, sagte Max, seine Stirn in Falten gelegt. „Das hier… das ist mehr als nur ein Abenteuer. Ich kann nicht sagen, was das bedeutet, aber es fühlt sich nicht richtig an.“
„Vielleicht… Vielleicht sollten wir einfach zurückgehen. Die Karte könnte einfach nur ein Scherz sein, irgendwas Altes, das jemand zurückgelassen hat“, schlug Sara vor, doch auch sie schien unsicher. Ihre Hand, die die Taschenlampe hielt, zitterte ebenfalls.
Plötzlich brach eine Stimme das Schweigen.
„Ihr habt also die Karte gefunden“, sagte ein alter Mann, der wie aus dem Nichts hinter ihnen auftauchte. Er trug einen langen, abgetragenen Mantel, der in der Dämmerung fast mit der Dunkelheit verschmolz. Seine grauen Haare waren wirr, und sein Gesicht war von tiefen Falten und Narben gezeichnet. In seinen Augen brannte jedoch ein seltsames, wissendes Licht, das sie nicht benennen konnten.
Alle sprangen erschrocken zurück, als er aus dem Schatten trat. Lena fuhr sich nervös durch die Haare. „Wer sind Sie?“ fragte sie, ihre Stimme hatte einen Hauch von Misstrauen.
„Man nennt mich den Wanderer“, antwortete der Mann mit einem rauen, aber tiefen Ton. „Ich habe euch kommen sehen.“ Er trat näher, seine Bewegungen waren ruhig, fast geisterhaft. „Die Karte…“, er deutete auf das vergilbte Papier in Max' Händen, „ist der Schlüssel zu etwas, das ihr euch nicht vorstellen könnt.“
Max spürte, wie sein Herz schneller schlug. „Was… was meinen Sie?“ stammelte er.
Der Wanderer nickte weise, als ob er genau wusste, dass die Frage kommen würde. „Die Karte, die ihr gefunden habt, führt nicht nur zu einem Ort. Sie führt zu Inferna – einem Ort, den keine Seele freiwillig betreten sollte. Ein Ort in der Hölle selbst.“
„Inferna?“, fragte Tom und runzelte die Stirn. „Was genau ist Inferna?“
Der Wanderer schien einen Moment in die Dunkelheit vor ihm zu starren, als ob er sich an etwas Unvorstellbares erinnerte. „Inferna ist mehr als nur die Hölle, wie ihr sie euch vorstellt. Es ist ein Ort der Verdammnis, ein Spiegel der menschlichen Seele, in dem alles, was schlecht und böse ist, in seiner reinsten Form existiert. Wer dort hinabsteigt, muss sich seinen inneren Dämonen stellen – und viele kehren nie zurück.“
„Sie reden von der Hölle wie von einem… Ort“, sagte Lena ungläubig. „Das ist doch nur eine Legende, oder nicht?“
Der Wanderer schüttelte langsam den Kopf. „Legenden, meine junge Dame, sind oft die einzige Wahrheit, die uns bleibt. Inferna war einst ein Ort, an dem Menschen ihre tiefsten Sünden beglichen – ein Ort, den niemand betreten konnte, ohne zu bezahlen. Die Karte, die ihr gefunden habt, ist der einzige bekannte Weg, um hinabzusteigen. Sie wurde von den Alten geschaffen, um den Weg zu verschließen. Doch jemand hat sie geöffnet.“
„Und das ist unser Problem, nicht wahr?“, sagte Max, während er die Karte weiter betrachtete. „Wir haben sie gefunden, und jetzt sind wir… damit verbunden.“
„Genau“, sagte der Wanderer. „Jeder, der diese Karte in den Händen hält, ist mit Inferna verbunden. Ihr habt den ersten Schritt getan, indem ihr sie hierher gebracht habt. Aber der Weg nach unten ist gefährlich und kostet mehr als nur Leben. Er kostet die Seele.“
„Wie wissen Sie das alles?“, fragte Sara, die sich langsam von der Karte abwandte und den alten Mann mit einer Mischung aus Angst und Neugier betrachtete.
„Ich habe es gesehen“, sagte der Wanderer. „Ich habe viele, die diese Karte in den Händen hielten, beobachtet. Einige kamen zurück, doch die meisten nicht. Sie wurden von ihren eigenen Ängsten verschlungen, von den Dämonen der Hölle selbst. Es gibt kein Entkommen, wenn du einmal den Abgrund betreten hast.“
„Und wie kommen wir wieder zurück, wenn wir einmal dort sind?“ Tom schnaubte verächtlich. „Klingt ja alles nach einem großen Abenteuer, aber was passiert, wenn wir uns in der Hölle verlieren?“
Der Wanderer schien für einen Moment nachdenklich, als ob er die Frage zum ersten Mal hörte. „Die Rückkehr ist nicht garantiert. Wer den Weg nach Inferna wählt, muss verstehen, dass der Preis, den er zahlen wird, alles umfasst. Nicht nur das Leben, sondern auch die Teile von sich selbst, die er für unwichtig hielt. Und wenn ihr denkt, ihr könnt zurückkehren, ohne die Wahrheit über euch selbst zu erfahren, dann irrt ihr euch. Inferna fordert immer einen Tribut.“
„Und warum erzählen Sie uns das?“ Lena trat einen Schritt näher und blickte dem Wanderer direkt in die Augen. „Was wollen Sie?“
Der Wanderer schien einen Moment zu zögern, bevor er antwortete. „Ich will nichts von euch. Ich bin hier, um euch vor dem zu warnen, was ihr euch aufbürdet. Aber es gibt auch diejenigen, die diese Reise antreten, um sich selbst zu erlösen. Sie hoffen, den größten Teil ihrer Sünden abzubüßen und in die Welt zurückzukehren, als neue Menschen. Doch das ist eine Täuschung.“
„Das klingt alles sehr… düster“, sagte Max, während er sich die Karte noch einmal ansah. „Aber wenn diese Hölle wirklich existiert, was erwartet uns dann da? Was sollen wir tun?“
„Ihr müsst euch der Wahrheit stellen“, sagte der Wanderer, seine Stimme jetzt fast flüsternd. „Die Hölle ist nicht nur ein Ort der Flammen und des Schmerzes. Sie ist der Spiegel eurer tiefsten Ängste, eurer verstecktesten Sünden, der Abgründe, in denen ihr euch selbst verloren habt. Inferna wird euch alles nehmen, was ihr für sicher haltet, und euch mit den schlimmsten Versionen von euch selbst konfrontieren. Es gibt keinen Fluchtweg, es sei denn, ihr seid bereit, den ultimativen Preis zu zahlen.“
„Was für einen Preis?“, fragte Sara, obwohl sie sich bereits selbst die Antwort zusammenreimte.
„Die Seele“, antwortete der Wanderer. „Jeder, der Inferna betritt, muss etwas verlieren, das ihn zu einem Menschen gemacht hat. Vielleicht ist es die Hoffnung. Vielleicht die Liebe. Vielleicht der Glaube. Oder der Wille zu leben. Wenn ihr nicht bereit seid, etwas von euch zu opfern, dann wird Inferna euch zerstören. Aber wenn ihr es überlebt… dann wird euch die Welt nie wieder so erscheinen wie zuvor.“
„Und was passiert, wenn wir aufhören, vor der Hölle wegzulaufen?“ Tom starrte den Wanderer an. „Wenn wir den Abstieg wagen?“
Der Wanderer nickte. „Dann werdet ihr die wahren Dämonen finden – die in euch selbst.“
Die Stille, die nun den Raum erfüllte, war unheimlich drückend. Lena, Max, Sara und Tom standen wie versteinert da, die Schwere der Worte des Wanderers lastete auf ihren Schultern. In ihren Köpfen drehte sich alles um die Karte und das, was sie als Nächstes tun sollten.
„Ihr habt die Wahl“, sagte der Wanderer schließlich. „Ihr könnt zurückkehren. Die Karte wird euch nichts tun, wenn ihr sie beiseitelegt und geht. Aber wenn ihr euch entscheidet, den nächsten Schritt zu wagen, dann ist nichts mehr so, wie es war. Die Reise hat begonnen. Und Inferna wird niemals vergessen, wer den Weg zu ihr gewagt hat.“
Mit diesen Worten drehte sich der Wanderer um und verschwand in der Dunkelheit, als ob er nie da gewesen wäre.
Die Jugendlichen standen schweigend da, die Karte in Max’ Händen schien immer schwerer zu werden, als ob sie sie zu einem bestimmten Ziel drängte – einem Ziel, das sie kaum verstehen konnten.
„Was nun?“, fragte Sara leise.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Max, die Karte festhaltend. „Aber ich glaube, wir haben keine Wahl mehr.“
Kapitel 3 – Das erste Zeichen
Es war der frühe Morgen, als sich der Nebel über die Felder legte und das Licht der Dämmerung schwach durch die Baumwipfel drang. Max, Lena, Sara und Tom saßen auf dem alten, knarrenden Holzboden des Schuppens, die Karte noch immer in Max' Händen. Die Worte des Wanderers hallten in ihren Köpfen nach: Inferna wird euch alles nehmen, was ihr für sicher haltet. Sie wussten, dass der wahre Weg jetzt begonnen hatte, aber keiner von ihnen konnte die Konsequenzen wirklich begreifen.
„Ich weiß nicht“, sagte Lena, die die Karte betrachtete, als wäre sie ein vergiftetes Erbe. „Es fühlt sich einfach nicht richtig an. Was, wenn wir wirklich etwas entfesselt haben?“
„Vielleicht ist es einfach das, was passiert, wenn man so eine Karte findet“, antwortete Tom, aber seine Stimme klang unsicher. „Vielleicht ist es nur ein Zufall, dass sich alles plötzlich verändert.“
Max legte die Karte vorsichtig auf den Boden und starrte auf die seltsamen Symbole, die sich darin abzeichneten. „Aber was, wenn das kein Zufall ist?“, sagte er leise. „Was, wenn die Karte etwas mehr ist, als nur ein gezeichneter Plan?“
„Wie was? Ein magischer Gegenstand?“ fragte Sara, die sich ebenfalls näher beugte, um einen Blick auf die Karte zu werfen. „Weißt du, das ganze Zeug, das uns der alte Mann erzählt hat… es fühlt sich an, als wäre es wirklich passiert. Ich meine, die Karte… sie ist nicht wie jede andere Karte. Sie fühlt sich anders an. Lebendig.“
„Ich weiß“, sagte Max, „ich kann es auch spüren. Es ist, als ob sie uns ruft. Und wenn wir weitermachen, wird es uns immer tiefer hineinziehen.“
„Was, wenn das, was wir hier tun, uns nicht nur in die Hölle führt, sondern auch die Welt um uns herum verändert?“ fragte Lena. „Was, wenn die Dinge anfangen, uns zu verfolgen?“
In diesem Moment, als hätte die Welt ihre Antwort gegeben, begann der Boden zu vibrieren. Ein leises, fast unhörbares Zucken, das sich wie ein Wimpernschlag durch den Raum zog. Die vier blickten sich erschrocken an, als der Schuppen sich einen Moment lang mit einer seltsamen Energie zu füllen schien.
Plötzlich krachte es von draußen, ein Geräusch, das wie das Knacken von Holz klang. Doch es war nicht der Wind. Es war das Geräusch eines Baumes, der in sich zusammenbrach.
„Was war das?“ fragte Tom, seine Stimme jetzt fast unmerklich ängstlich.
„Kommen wir raus“, sagte Max und griff nach der Karte. „Lass uns nachsehen, was da draußen los ist.“
Die Gruppe trat hinaus in den Nebel, der sich wie ein dichter Schleier über das Land gelegt hatte. Der Wald, der den Schuppen umgab, war von einer unheimlichen Stille erfüllt. Keine Vögel, kein Rascheln von Blättern – nichts. Nur das dumpfe, gleichmäßige Knacken von Ästen, die im Wind schwankten.
„Sieh mal“, flüsterte Sara und deutete auf den Boden. Es war ein Pfad, der sich durch das Gras zog, aber es war kein gewöhnlicher Weg. Die Erde war seltsam zerwühlt, als ob etwas Schweres darüber gelaufen war – und die Spuren führten direkt in den Wald.
„Das… das ist nicht normal“, sagte Lena, ihre Stimme bebte leicht. „Was zum Teufel hat das verursacht?“
Max trat vorsichtig näher und hob ein Stück Holz auf, das neben den Fußabdrücken lag. „Das hier ist neu“, sagte er, „das ist alles zu frisch. Etwas… oder jemand, hat hier vor kurzem gewütet.“
„Vielleicht ein Wildschwein oder ein Bär“, sagte Tom, aber seine Stimme klang selbst für ihn nicht überzeugend.
„Das kann nicht sein“, antwortete Max, „Schau dir den Pfad genau an. Es sieht nicht aus wie die Spuren eines Tieres. Es ist fast, als ob… als ob etwas… Menschenähnliches da langgelaufen wäre.“
„Das ist unmöglich“, sagte Sara, aber der Ausdruck in ihren Augen verriet, dass sie sich nicht sicher war.
In diesem Moment hörten sie ein leises Rascheln hinter sich. Alle drehten sich erschrocken um, aber der Wald hinter ihnen war leer. Nur der Nebel, der sich immer dichter um sie legte, war zu sehen.
„Ich habe das Gefühl, wir sollten hier weggehen“, sagte Lena, ihre Hände zitterten. „Ich kann diese Stille nicht ertragen. Und das hier – es fühlt sich falsch an.“
Doch bevor Max antworten konnte, gab es ein lautes Zischen aus den Bäumen. Ein unheimliches Geräusch, das sich wie das Fauchen einer riesigen Schlange anhörte. Alle zuckten zusammen, und ein kalter Schauer lief ihnen über den Rücken.
„Da!“, rief Tom und deutete auf den Rand des Waldes, wo sich ein Schatten bewegte – ein dunkler Fleck, der sich schnell von einem Baum zum nächsten schlich. Doch als sie genauer hinsahen, war da nichts. Nur der Nebel, der sich unaufhörlich weiter ausbreitete.
„Das… das war kein Tier“, sagte Max, „und das war auch kein Wind.“
„Wir sollten wirklich zurückgehen“, drängte Lena, und ihre Stimme klang jetzt panisch. „Das ist zu viel.“
Doch noch bevor sie sich umdrehen konnten, begann der Himmel sich zu verändern. Der Morgen, der gerade noch von einem schwachen, goldenen Licht erleuchtet war, verdunkelte sich plötzlich. Es war, als ob eine unsichtbare Hand den Himmel mit einer dunklen Decke zudeckte. Das Licht wurde kälter, und der Nebel schien sich noch dichter zu verdichten.
„Was ist hier los?“, fragte Sara, ihre Augen weiteten sich vor Angst.
„Das ist… das ist unmöglich“, sagte Max, „wir sind noch nicht einmal so tief im Wald, dass so etwas passieren könnte.“
Die Luft um sie herum schien sich plötzlich zu verdichten. Es war, als ob der Raum um sie herum immer enger wurde, als ob die Dunkelheit sie erdrückte.
„Schaut!“ rief Tom, seine Stimme war jetzt lauter und ängstlicher. „Die Schatten! Sie… sie bewegen sich!“
Alle drehten sich gleichzeitig um. Die Bäume standen zwar unbeweglich, doch die Schatten, die sie warfen, schienen sich zu verschieben. Sie verzerrten sich, als ob sie einen eigenen Willen hätten. Die Äste, die vor wenigen Augenblicken noch starr in den Wind ragten, bewegten sich nun in unnatürlichen Winkeln.
„Das ist nicht normal“, flüsterte Lena, während sie sich zurückzog. „Das… das ist nicht real.“
Doch es war real. So real wie die Dunkelheit, die sich nun weiter ausbreitete, die Schatten, die sich zu verzerren begannen, als ob sie lebendig wären.
„Wir müssen jetzt gehen“, rief Max, und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte er sich um und begann, den Rückweg zum Schuppen anzutreten.
Doch während sie sich umdrehten und den Wald hinter sich ließen, wurde das Gefühl der Bedrohung nur stärker. Der Nebel schien sich noch dichter um sie zu legen, und das Rascheln hinter ihnen wurde lauter. Es war, als ob sie verfolgt wurden.
„Wir müssen uns beeilen!“, rief Sara, ihre Stimme zitterte.
Sie rannten so schnell sie konnten, doch der Nebel schien sie zu verschlucken. Die Luft war schwer, und jeder Schritt schien langsamer als der letzte. Der Schuppen war plötzlich viel weiter entfernt, als er in ihrer Erinnerung gewesen war.
Als sie endlich den Schuppen erreichten, war der Nebel noch immer dicht um sie herum. Max öffnete hastig die Tür und trat ein, während die anderen ihm folgten. Drinnen war es genauso unheimlich ruhig wie draußen, doch der Druck in der Luft war immer noch da.
„Was zum Teufel war das?“ fragte Tom atemlos. „Was war das für ein Geräusch? Was zum Teufel war das für ein Schatten?“
„Ich weiß es nicht“, sagte Max, seine Stimme war angespannter als je zuvor. „Aber ich glaube, das erste Zeichen ist da. Inferna hat uns bemerkt. Und es will, dass wir weitergehen.“
„Glaubt ihr wirklich, dass das hier irgendwie mit der Karte zu tun hat?“, fragte Lena.
„Ja“, sagte Max. „Ich bin mir sicher. Es hat angefangen. Und es wird schlimmer werden.“
Ein schrecklicher Gedanke durchfuhr ihn, als er die Karte noch einmal ansah. Es war erst der Anfang, und sie hatten keine Ahnung, was als Nächstes kommen würde. Aber eines war sicher – sie hatten das Tor zur Hölle geöffnet, und nun konnte niemand mehr sagen, was sie von hier an erwarten würden.
Kapitel 4 – Das Tor öffnet sich
Die Tage, die nach den seltsamen Ereignissen im Wald vergangen waren, schienen endlos zu vergehen. Max, Lena, Sara und Tom hatten versucht, zur Normalität zurückzukehren, aber irgendetwas war anders. Die Luft fühlte sich schwerer an, die Sonne schien matter, und selbst der Klang des Windes klang veränderten. Es war, als ob die Welt sich selbst nicht mehr vertraute.
Am dritten Tag nach dem Vorfall beschlossen sie, die Karte erneut zu betrachten, um nach Antworten zu suchen. Max hatte sie in einem alten, staubigen Koffer aufbewahrt, weit weg von den Blicken anderer. Aber in den letzten Nächten war es ihm, als würde sie ihn rufen. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah er das Symbol auf der Karte – diesen düsteren Kreis, das spiralförmige Muster, das in der Mitte zu einem geheimen Punkt führte.
„Es ist, als würde die Karte zu uns sprechen“, murmelte Max, als er sie wieder ausrollte. „Ich kann nicht mehr aufhören, darüber nachzudenken.“
„Wir müssen sie einfach ignorieren“, sagte Lena, ihre Stimme klang aber genauso unsicher wie der Rest von ihnen. „Sie führt uns nur in die Dunkelheit. Irgendetwas hat sich verändert, seitdem wir sie gefunden haben. Und es wird schlimmer, je mehr wir uns darauf einlassen.“
„Ich weiß, was du meinst“, antwortete Sara und setzte sich neben Max. „Aber was, wenn sie der einzige Weg ist, all das zu verstehen?“
Tom, der bisher still geblieben war, trat näher. „Ich stimme Sara zu. Vielleicht haben wir keine Wahl. Wir müssen wissen, was passiert ist, und wir können nicht einfach zurückgehen.“
Max seufzte tief und betrachtete das unheimliche Symbol auf der Karte. „Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Wir müssen weitergehen. Wenn wir nicht weitermachen, wird es uns weiterhin verfolgen, und irgendwann wird uns das ganze Leben entgleiten.“
Lena nickte langsam, als ob sie die Entscheidung nicht treffen wollte, aber wusste, dass es keine andere Möglichkeit gab. „Okay, aber was tun wir als Nächstes? Wie aktivieren wir das Tor?“
Max’ Finger glitten über das Papier, auf dem sich die seltsamen Zeichen und Symbole befanden. Doch als er seine Hand in der Nähe des Zentrums der Karte hielt, begann die Karte zu vibrieren. Ein sanftes, fast unhörbares Brummen füllte die Luft, und die Linien der Karte begannen sich zu verschieben. Die Zeichen verzerrten sich, als ob sie lebendig wären.
„Was zum Teufel?“ flüsterte Max, während er die Karte vorsichtig in seinen Händen drehte.
„Das passiert nicht einfach so“, sagte Lena. „Das… das ist etwas anderes. Irgendetwas reagiert darauf.“
Im selben Moment, als Max die Karte ein wenig nach rechts neigte, öffnete sich die Luft vor ihnen. Ein leises Knacken, wie das Geräusch von etwas, das sich von innen nach außen durchbohrt, war zu hören. Eine Art Welle, eine Zerrung, durchbrach den Raum, und plötzlich stieg aus dem Zentrum der Karte ein kleiner, flimmernder Lichtstrahl auf, der sich zu einem größeren, klareren Licht verhärtete.
Es war ein blauer Strahl, der schräg in die Dunkelheit zog, und der Raum begann sich zu verändern. Die Wände um sie herum begannen zu pulsieren, und der Boden unter ihren Füßen schien zu atmen. Ein dunkler, schwerer Schatten breitete sich aus, und der Himmel, der durch das Fenster sichtbar war, verdunkelte sich, als ob er von einer dichten Wolke verschluckt wurde.
„Oh mein Gott“, flüsterte Tom, während seine Augen sich weiteten. „Was passiert hier?“
„Wir… wir haben es aktiviert“, sagte Max mit einem stockenden Atem. „Das Tor. Es ist… es öffnet sich.“
Die Luft vor ihnen verzerrte sich weiter. Plötzlich gab es einen gewaltigen Ruck, der sie alle zurückschleuderte. Als sie wieder auf den Beinen waren, standen sie nicht mehr im alten Schuppen, sondern in einer verzerrten Version der Welt, die sie kannten. Die Landschaft vor ihnen war schwärzer, verkrümmter und gefährlicher. Der Boden war rissig und schwarz, als ob er von Feuer verbrannt worden wäre. Die Bäume, die sich vor ihnen erhoben, waren deformiert, ihre Äste wie düstere, knorrige Klauen, die in den Himmel griffen.
„Das ist nicht möglich“, sagte Lena, ihre Stimme war erstickt vor Schock und Angst. „Wo sind wir?“
„Inferna“, flüsterte Max. „Wir… wir sind in Inferna.“
Die Luft war schwer, von einem seltsamen, metallischen Geruch erfüllt, der sie fast würgen ließ. Doch es war nicht der Geruch von Feuer oder Schwefel. Es war etwas anderes – etwas, das in den Tiefen der Hölle verborgen war, ein ständiger, bedrohlicher Atemzug, der aus der Dunkelheit selbst zu kommen schien.
„Schaut euch das an!“, rief Sara und deutete auf die entfernte Skyline. Dort, wo normalerweise die sanften Hügel der Heimatlandschaft zu sehen gewesen wären, erhob sich nun eine undurchdringliche Wand aus schwarzen Bergen, die in den Himmel ragten, und die Luft war so dick, dass sie kaum atmen konnten. Der Himmel war kein klarer blauer Ton mehr, sondern eine graue, zähe Masse, durchzogen von Blitzen, die wie lebendige Schlangen zuckte.
„Das ist nicht die Welt, die wir kannten“, sagte Tom, und seine Stimme zitterte. „Das hier ist… das ist kein normaler Ort.“
„Das ist Inferna“, wiederholte Max. „Und es ist noch schlimmer, als ich es mir vorgestellt habe.“
Die vier Freunde standen reglos, ihre Blicke auf die verzerrte Welt gerichtet, die sich vor ihnen erstreckte. Die Dunkelheit schien sich aus allen Ecken zu schleichen, und der Boden unter ihren Füßen fühlte sich wie weiches, heißes Blei an. Jeder Schritt, den sie machten, hinterließ eine tiefe, glühende Spur im Boden, als ob der Boden selbst sie veränderte.
„Was jetzt?“, fragte Sara, ihre Stimme quälte sich zwischen Angst und Unsicherheit.
„Wir müssen weitermachen“, sagte Max, während er die Karte fest in seinen Händen hielt. „Sie wird uns den Weg zeigen.“
„Wo?“, fragte Lena. „Was sollen wir hier tun? Wo genau sind wir?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete Max. „Aber… irgendetwas zieht uns hierher. Wir müssen herausfinden, was uns erwartet.“
„Die Welt ist… es ist, als ob sie uns beobachtet“, flüsterte Tom, und als er sich umdrehte, sah er aus den Augenwinkeln Schatten, die sich unnatürlich bewegten. Aber jedes Mal, wenn er direkt hinsah, war dort nichts. Doch das Gefühl, dass sie beobachtet wurden, ließ sich nicht vertreiben.
„Wir sollten uns beeilen“, sagte Lena, ihre Stimme war fest. „Ich habe das Gefühl, dass wir nicht alleine hier sind.“
Langsam, vorsichtig, begannen sie, sich durch die düstere Landschaft zu bewegen. Der Boden war von schwarzen, leuchtenden Rissen durchzogen, die tief in die Erde führten. Jeder Schritt ließ das knirschende Geräusch von zerbröckelndem Gestein und verbranntem Holz ertönen. Die Dunkelheit war erdrückend, und doch schien etwas anderes, etwas Fremdes, in der Luft zu schwingen.
„Ich habe gehört, dass dieser Ort die Hölle der Seelen ist“, sagte Max, seine Stimme ruhig, aber von einer dunklen Besorgnis durchzogen. „Inferna ist nicht nur ein Ort der Pein – es ist ein Ort, an dem du nicht entkommen kannst, wenn du einmal den Weg hineingefunden hast.“
„Und was, wenn wir hier nicht wieder rauskommen?“, fragte Lena, während sie sich umblickte, als würde sie in den Schatten der unheimlichen Bäume etwas erblicken.
„Dann müssen wir unsere eigenen Ängste besiegen“, antwortete Max, „und vielleicht… uns selbst retten.“
Plötzlich begann der Boden zu vibrieren. Ein tiefes Dröhnen ertönte in der Ferne, und ein Riss öffnete sich am Horizont. Dunkle Gestalten, die wie verworrene Silhouetten aus Rauch und Schatten aussahen, bewegten sich auf sie zu. Die Gestalten schienen sich aus der Dunkelheit selbst zu manifestieren, ihre Formen ständig verändernd, als ob sie durch die Luft gesogen wurden.
„Was ist das?“, fragte Sara, und ihre Stimme war jetzt panisch. „Sind das… Dämonen?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete Max, während er die Karte noch fester hielt. „Aber wir sind nicht alleine. Inferna hat uns bemerkt, und jetzt beginnt die wahre Reise.“
Doch die Gruppe wusste, dass es kein Zurück mehr gab. Sie waren in Inferna – und der Weg, den sie vor sich hatten, würde sie bis an die äußersten Grenzen ihrer Seele führen.
Kapitel 5 – Betreten der Dunkelheit
Die Welt um sie herum hatte sich in ein Albtraumreich verwandelt, das jede Vorstellung von Realität sprengte. Was vor wenigen Minuten noch als der vertraute Wald hinter dem Schuppen gewesen war, war nun ein Land, das jenseits der menschlichen Vorstellungskraft existierte. Eine Landschaft, die sich der Schöpfung selbst widersetzte, deformiert und voller Schrecken.
Die Luft war drückend heiß, und obwohl der Wind schwach wehte, trugen seine Bögen nur die glühende, stickige Wärme mit sich, die wie ein unsichtbarer Schleier über alles lag. Es fühlte sich an, als ob der Himmel selbst von einem feurigen Zelt überzogen war, der glühend rote Glanz des Himmels war von Asche und schwarzen Wolken durchzogen. Der Sonnenuntergang war ein blutiger, schmerzhafter Blick in den Abgrund.
„Es ist… viel schlimmer als ich dachte“, sagte Lena, als sie die zerklüftete, schroffe Landschaft vor sich sah. Der Boden unter ihren Füßen war aus schwarzem, zersplittertem Gestein, das von leuchtenden Rissen durchzogen war. Die Luft brannte in ihrer Lunge, als sie tief einatmete.
„Es ist… wie ein Albtraum“, flüsterte Sara, während sie sich hektisch umblickte, als könnte sie hinter jedem verformten Baum, jedem Bergmassiv ein Monster vermuten.
Max, der die Karte immer noch fest in seinen Händen hielt, blickte vorsichtig in die Ferne, als die Dunkelheit um sie herum sich weiter verdichtete. „Das hier… ist Inferna“, murmelte er, als würde er sich selbst die Wahrheit eingestehen. „Der Ort, an dem alles, was böse und verkommen ist, vereint wird.“
Ein dumpfes Dröhnen hallte durch die Luft. Es war wie das Geräusch von fernen, rasenden Fluten, aber es war nicht Wasser, das da rann. Es war das Zischen und Knistern von Feuer, das durch die Risse im Boden brüllte, wie die Glut eines Drachen, der im Inneren der Erde brannte.
„Was war das?“, fragte Tom und blieb wie angewurzelt stehen. „Könnt ihr das hören?“
„Schreie“, sagte Lena und starrte in die Ferne. „Ich höre Schreie. Von weit da drüben…“ Ihr Blick wanderte zu den verformten Hügeln und gewaltigen Bergen, die sich wie schwarze Felsen in den Himmel schoben. „Da ist etwas da draußen.“
„Es klingt wie… wie ein Fluss von Seelen“, sagte Max mit einem mulmigen Gefühl in der Brust. „Ein Fluss von verfluchten Seelen. Vielleicht sind sie… gefangen in den Flammen.“
„Lass uns nicht näher kommen“, sagte Sara, ihre Augen weit aufgerissen vor Angst. „Das ist zu viel. Diese Schreie… ich kann das nicht ertragen.“
Doch Max ging weiter, mit festem Schritt. „Wir müssen. Die Karte führt uns in diese Richtung.“
Der Boden unter ihren Füßen vibrierte, als ob etwas Großes und Schweres unter der Erde wanderte, als ob es durch die Dunkelheit kroch. Max’ Blick war fest auf die Karte gerichtet, doch er konnte das Gefühl nicht loswerden, dass sie beobachtet wurden. Irgendetwas war in der Luft – eine Bedrohung, die immer näher rückte.
„Hört ihr das?“ fragte Tom plötzlich und hielt inne. Der Klang, der in der Luft lag, war seltsam – ein tiefes Grollen, das den Boden erschütterte und die Luft zum Knistern brachte.
„Was ist das?“, fragte Sara, als sie den Blick von den trüben, flimmernden Bergen abwandte und in die Richtung sah, aus der das Grollen kam.
„Sie kommen“, sagte Max, während er einen Schritt zurücktrat. „Etwas ist uns gefolgt.“
Da hörten sie es – das Zischen und Kreischen von zahllosen Flügeln, die durch die Luft schnitten. Eine düstere Masse aus Kreaturen schwebte auf sie zu, seltsam geformte Schatten, die wie schwarze Drachen über den Horizont zogen. Ihre Umrisse waren unklar, deformiert, als ob sie sich der menschlichen Wahrnehmung widersetzten. Ihre Augen leuchteten blutrot, und ihre Mäuler schnappten nach Luft, als hätten sie das Verlangen, die Seele der Vier zu verschlingen.
„Verdammt!“ rief Tom, als er einen Schritt zurückmachte. „Was sind das für Dinger?“
„Sie kommen aus den tiefsten Ebenen der Hölle“, antwortete Max und griff nach einer nahegelegenen Fackel, die in der heißen Luft brannte. „Höllenbestien. Und wenn wir nicht schnell handeln, sind wir verloren.“
„Was sollen wir tun?“ fragte Sara, die jetzt panisch wirkte. „Wir sind keine Krieger, Max!“
„Das Einzige, was wir tun können, ist, weiterzugehen“, antwortete Max, als er die Karte nach oben hielt. „Die Karte zeigt uns den Weg. Wenn wir ihnen entkommen wollen, müssen wir die Richtung beibehalten.“
Doch die Kreaturen waren nun direkt über ihnen. Ihre Flügel schlugen mit einem wütenden Zischen, und ihr massiger Körper schien die Luft zu durchdringen. Ihre knorrigen Klauen griffen nach den Reisenden, als sie sich senkten und von den schwarzen Felsen in der Luft schwebten.
„Schnell!“, rief Max, „Weiter!“
Mit einem Satz rannte die Gruppe in die Richtung, die die Karte ihnen wies. Der Boden unter ihren Füßen brach auf, als ob das Land selbst von den Bewegungen der Kreaturen beeinflusst wurde. Die Luft begann zu flimmern, und die Hitze nahm zu – fast unerträglich, als ob die Sonne selbst näher gekommen war.
Die Höllenbestien zischten und kreischten hinter ihnen, aber sie wagten es nicht, zu landen. Ihre klauenbewehrten Füße kratzten über den heißen, zerklüfteten Boden, doch sie konnten nicht den nötigen Halt finden, um den Boden zu betreten.
„Was sind das für Kreaturen?“ fragte Sara, die sich immer wieder umdrehte, als ob die Bestien hinter ihnen herfielen.
„Dämonen der Lüfte“, sagte Max. „Sie sind die Jäger der Hölle, gefangen zwischen Himmel und Erde. Sie dürfen niemals den Boden berühren.“
„Aber wir müssen weiter!“, rief Tom, während sie in das tiefe Dunkel rannten, das sich vor ihnen auftat. „Wir können ihnen nicht entkommen, wenn wir hier bleiben!“
Das Ungetüm hinter ihnen ließ einen wütenden, durchdringenden Schrei ertönen, als es versuchte, auf sie herabzustürzen. Doch Max war schneller. Er griff nach der Karte und rannte, ohne einen weiteren Blick zurückzuwerfen.
„Da!“, rief er, als sie endlich eine schmale Brücke erreichten, die über einen schwarzen Abgrund führte. Der Fluss unter ihnen war kein Wasser – es war ein brodelndes Inferno, das wie ein lebendiger Strom aus Lava und Feuer tobte. Flammen züngelten aus dem Fluss, und der Dampf, der in den Himmel stieg, war so heiß, dass er fast die Luft verdampfen ließ.
„Wir müssen da rüber“, sagte Max, der Blick fest auf die andere Seite gerichtet. „Das ist der einzige Weg. Wir müssen uns beeilen.“
„Was, wenn die Brücke einstürzt?“ fragte Lena, während sie an der dicken, geschwungenen Struktur zitterte.
„Wir haben keine Wahl“, antwortete Max und zog sie mit sich. „Wir müssen.“
Die Gruppe setzte einen Fuß nach dem anderen auf die schmale Brücke, die aus schwarzen Steinen bestand. Sie fühlten sich fast wie Ameisen auf einem Drahtseil, das über einem gähnenden Abgrund schwebte. Der Wind heulte in ihren Ohren, und das Knacken der Brücke, das unter ihren Füßen widerhallte, ließ das Herz schneller schlagen.
Doch gerade als sie die Hälfte des Weges erreicht hatten, brach ein Stück der Brücke unter Tom weg. „Halt!“ rief er, als er beinahe in den Abgrund gefallen wäre, „Haltet mich fest!“
„Tom!“ rief Lena und streckte die Hand aus, doch die Brücke begann zu vibrieren und die Kreaturen hinter ihnen kreischten wütend.
„Wir müssen weiter!“, rief Max, „Wir müssen hier durch!“
Mit einem Ruck zog Max Tom zurück, und sie rannten weiter, so schnell sie konnten, bis sie endlich das andere Ende der Brücke erreichten. Sie stolperten auf den festen Boden, nur um sofort von der sengenden Hitze begrüßt zu werden, die den Abgrund hinter ihnen zu einem unvorstellbaren Inferno machte.
„Wir sind nicht sicher“, sagte Max, als er sich mit angehaltenem Atem umdrehte. „Aber wir haben es geschafft, das erste Tor zu überwinden. Was uns jetzt erwartet, ist noch viel schlimmer.“
„Was ist das?“, fragte Sara und zeigte in die Ferne.
„Das wahre Inferno“, flüsterte Max. „Und wir sind nur am Anfang.“
Die Dunkelheit, die sie umhüllte, schien in sich selbst zu atmen. Und in ihr war etwas, das niemals sterben durfte. Etwas, das sie nicht entkommen lassen würde.
Kapitel 6 – Die ersten Prüfungen
Die Gruppe hatte die Brücke hinter sich gelassen, doch die Dunkelheit von Inferna hatte sie nicht losgelassen. Der Boden unter ihren Füßen war ein gemischtes Terrain aus flimmernden Lavaflüssen, zerbrochenem Gestein und schwarzen Feldern, die sich endlos in alle Richtungen erstreckten. Die sengende Hitze brannte in ihren Lungen, und der widerliche Gestank von verbrannter Erde lag in der Luft. Es war unmöglich zu sagen, wie lange sie schon unterwegs waren. Die Zeit in Inferna hatte ihren Sinn verloren.
„Wo sind wir überhaupt?“, fragte Lena, während sie sich vorsichtig umsah. „Das hier fühlt sich an, als ob wir in einem Albtraum gefangen sind.“
Max warf einen Blick auf die Karte, doch sie hatte sich verändert. Die Linien waren nun unscharf, verschwommen, und das Zeichen, das zuvor der Wegweiser gewesen war, war verschwunden. Stattdessen schien die Karte nun selbst in Bewegung zu sein, als würde sie sich dem ständigen Wandel von Inferna anpassen.
„Wir müssen einfach weitergehen“, sagte Max schließlich und steckte die Karte weg. „Irgendwo muss es einen Ausgang geben. Wir müssen diese Prüfungen bestehen. Wenn wir die Hölle je wieder verlassen wollen, müssen wir uns ihr stellen.“
„Aber welche Prüfungen?“ fragte Tom. „Was genau erwartet uns?“
Bevor Max antworten konnte, war ein Ruck in der Luft zu spüren. Der Boden unter ihren Füßen begann zu beben, und die Luft verdunkelte sich, als ob ein Schatten die Sonne verschluckte. Es war, als ob das Land selbst atmete und sich ihnen zuwandte.
„Achtung!“ rief Max, doch er konnte nichts tun, als sich die Landschaft vor ihren Augen verzerrte. Der Himmel riss auf, und in einem Augenblick fanden sie sich auf einer anderen Ebene von Inferna wieder – einem Ort, der noch dunkler war, noch bedrohlicher.
„Wo sind wir jetzt?“, fragte Sara, ihre Stimme zitterte. „Was ist das hier?“
„Die Prüfungen haben begonnen“, sagte Max, und in seiner Stimme lag eine gewisse Schwere. „Inferna wird uns nicht einfach passieren lassen. Jeder von uns wird sich seiner tiefsten Ängste stellen müssen, seiner eigenen Fehler. Und jeder von uns wird von den Dämonen dieser Hölle geprüft.“