Die Karte des Goldes - Janina Müller - E-Book

Die Karte des Goldes E-Book

Janina Müller

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Beschreibung

Eigentlich will Kaya bei archäologischen Arbeiten in Las Vegas mitarbeiten, doch dann endet sie als Kellnerin in einem Casino. Durch Zufall trifft sie auf den skrupellosen Mafiaboss Joshua Ryder, der ihr ein verlockendes Angebot macht. Sie soll nach der »Karte des Goldes« suchen, einem legendären Artefakt, dass mit dem Verschwinden von Kayas Großvater zu tun hat. Auf ihrer Suche verschlägt es die junge Frau in eine andere Welt, in der sie auf den mysteriösen Kronprinzen Kamron trifft. Bald steht fest, Die Karte des Goldes ist gefährlich und muss zerstört werden, auch wenn Kaya dafür ihr Leben opfern muss.

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Seitenzahl: 427

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Ähnliche


Die Karte des Goldes
Über die Autorin
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17

Janina Müller

Die Karte des Goldes

XOXO Verlag

Über die Autorin

Umgeben von Weinbergen, Burgen und Industrie wurde Janina Müller 1996 geboren. Bis heute lebt Sie in einer Stadt direkt an der magischen Grenze zwischen dem Schwaben- und dem Badenerland. Nach der Geburt ihrer Zwillinge suchte Müller eine Möglichkeit sich neu zu entfalten und begann einen Fernlehrgang zur Journalistin. Noch vor ihrem erfolgreichen Abschluss startete sie ihre Tätigkeit als freie Mitarbeiterin einer bekannten Zeitung der Region. Das Schreiben wurde Stück für Stück Teil ihres Lebens und so wurde aus einem Hobby eine Leidenschaft und aus Leidenschaft eine Berufung. Ziel von Janina Müller ist es sich selbst und allen anderen zu beweisen, dass man eine liebende Mutter sein kann, ohne die eigenen Träume und Wünsche aus den Augen zu verlieren. Eine Frau sollte sich nicht zwischen Karriere und Familie entscheiden müssen, nur, weil Teile der Gesellschaft dies als richtig und angemessen ansehen.

Impressum

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.deabrufbar.

Print-ISBN: 978-3-96752-227-3

E-Book-ISBN: 978-3-96752-725-4

Copyright (2023) XOXO Verlag

Umschlaggestaltung: Grit Richter, XOXO Verlag

unter Verwendung der Bilder:

Stockfoto-Nummer: 1622850466, 657454345, 343854320

von www.shutterstock.com

Buchsatz: Grit Richter, XOXO Verlag

Hergestellt in Bremen, Germany (EU)

XOXO Verlag

ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH

Alte Heerstraße 29

27330 Asendorf

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Kapitel 1

Der nervige Wecker klingelte ohne Gnade und riss mich aus dem Schlaf. Ich streckte mich ausgiebig und drehte mich auf die Seite um das störende Geklingel auszuschalten. Vorsichtig öffnete ich die Augen einen Spalt, die gleisende Sonne bohrte sich durch die braunen Vorhänge, die vor meinen Fenstern hingen. Ich seufzte und stand auf, langsam stapfte ich durch mein Zimmer. Erstmal duschen, dachte ich und suchte unter den Wäschebergen nach einem sauberen Handtuch.

Auf dem Weg ins Bad kam mir meine beste Freundin und Mitbewohnerin Charlie entgegen. Sie sah aus wie frisch aus dem Urlaub, ihre braun gebrannte Haut kam durch die hellblonden, langen Haare noch mehr zur Geltung. Sie blieb stehen und musterte mich, dann stemmte sie ihre Hände in die schmale Taille. »Du siehst aus wie ein Waschbär auf Drogen.« Sie lachte schrill. Ich warf ihr einen bösen Blick zu und lief an ihr vorbei.

Ich konnte ihr Lachen noch hören als ich bereits die Badezimmertüre geschlossen hatte. Als ich in den Spiegel schaute, wusste ich schlagartig was Charlie meinte. Meine Augen hatten dicke schwarze Ränder. Vorsichtig wischte ich mit der Hand unter meinen Augen, aber die getrockneten Wimperntuschenreste hielten sich hartnäckig. Ich zuckte mit den Achseln, putze mir die Zähne und sprang unter die Dusche.

Nach dem Duschen war auch von dem letzten bisschen Make-up nichts mehr zu sehen und meine Sommersprossen auf den Wangen zeigten ihre volle Pracht. Ich zog mir eine schwarze Jogginghose und ein viel zu großes T-Shirt an und lief Richtung Küche.

Charlie saß am Esstisch und nippte an ihrem Kaffee. Ich schenkte mir auch eine Tasse ein und setze mich gegenüber von ihr auf die Eckbank. »Ich will gleich joggen gehen, kommst du mit?« fragte sie und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Ich sah sie an und zog eine Augenbraue hoch. »Heute nicht« antwortete ich schließlich. Charlie schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. »Ein bisschen Sport würde dir gut tun.« »Heeeey, ich mach Power Yoga« verteidigte ich mich. »Kaya, wir wohnen seit einem Jahr zusammen und du hast in der Zeit nicht einmal Power Yoga gemacht.« Sie betonte es übertrieben und machte dabei komische Bewegungen mit ihren Händen um die Ironie zu verdeutlichen. »Ich mach es eben wenn du schläfst.« Ich zuckte mit den Schultern und versuchte Augenkontakt zu vermeiden, um meine Lüge nicht zu gefährden.

Charlie stand seufzend auf, stellte ihre Tasse in die Spüle und lief Richtung Haustüre. »Ich geh dann jetzt, nicht jeder von uns ist mit so einer Figur gesegnet wie du. Manche müssen dafür arbeiten.« Ich musste grinsen. Es stimmte, dafür das ich so ziemlich der unsportlichste und gleichzeitig hungrigste Mensch auf diesem Planeten war, konnte sich meine Figur wirklich sehen lassen. Ich war nicht groß und zierlich gebaut.

Das war auch der Grund warum ich mir schon mein ganzes Leben Witze anhören musste. »Wie ist die Luft da unten?«, »Seh es positiv, wenn es regnet wirst du später nass.«, dass waren nur ein paar der Dinge die ich oft zu hören bekam. Inzwischen konnte ich aber gut damit umgehen und es war mir weitestgehend egal was die Leute zu mir oder über mich sagten.

Am Abend machten Charlie und ich uns gemeinsam fertig. Ich band meine Haare zu einem lockeren Knoten zusammen und zog meine unverschämt kurze Uniform an. Wir arbeiteten zusammen in einem großen Hotel hier in Las Vegas, genauer gesagt arbeiteten wir in dem dazugehörigen Casino. Charlie war Barkeeperin und ich kellnerte. Nicht gerade mein Traumjob, aber mit dem Trinkgeld verdiente ich genug Geld um alles Lebensnotwendige zu finanzieren.

Vor einem Jahr war ich nach Las Vegas gezogen. Geboren und aufgewachsen bin ich in einer Kleinstadt in Tennessee. Nach meinem Schulabschluss studierte ich Archäologie, wie mein Großvater.

Als Kind hatte ich ihn immer in den Ferien bei seinen Ausgrabungsstätten auf der ganzen Welt besucht. Es war magisch, wenn er und sein Team ein Artefakt aus einer anderen Zeit fanden. Jeder noch so kleine Gegenstand erzählte eine Geschichte.

Vor drei Jahren verschwand mein Großvater spurlos und es kursierten die unheimlichsten Geschichten über sein Verschwinden. Die einen sprachen von einem Unfall, andere sprachen von einem kaltblütigen Mord. Aber eine Leiche wurde nie gefunden.

»Kaya?! Bist du fertig? Wir müssen los.« Charlies Stimme riss mich brutal aus meinen Gedanken und ich schaute ein letztes Mal kurz in den Spiegel. Meine schokobraunen Haare erinnerten mich durch den Dutt eher an ein Vogelnest, weshalb ich mich entschied den Zopf zu lösen und ihn später neu zu binden. Als wir die Wohnung verließen war es bereits dunkel, auch wenn die grellen Lichter der Stadt eine richtige Dunkelheit nicht zuließen. Uns wehte ein sanfter und warmer Wind entgegen, kaum nennenswert, aber ausreichend um meine Haare quer über mein Gesicht zu verteilen.

Im Hotel angekommen liefen wir direkt zu den Umkleiden für die Mitarbeiter. Wir verstauten unsere Wertsachen und sprachen kurz über den Arbeitsplan für heute Abend. Ich war für den VIP Bereich eingeteilt. Das stimmte mich fröhlich, da das Trinkgeld in diesem Teil des Casinos wesentlich höher war als im restlichen.

Wir machten uns auf den Weg zu Charlies Bar, als wir von unserem Chef gestoppt wurden. »Miller. Blaike. Warten Sie eine Sekunde.« Rief er uns hinterher. Wir blieben stehen und warteten bis er uns eingeholt hatte. Mr. Ballouchy war ein sehr kleiner, rundlicher Mann. Er hatte eine Glatze und einen einprägsamen italienischen Akzent. »Was ist los, Boss?« fragte Charlie und ich konnte ihr Desinteresse förmlich riechen. Mr. Ballouchy strich sich mit zwei Fingern den Oberlippenbart glatt, so wie er es gefühlt alle fünf Minuten tat. »Ich möchte Ihnen nur mitteilen, dass heute Vormittag ein wichtiger Gast angekommen ist. Es ist ein sehr spontaner Besuch und ich erwarte absolute Perfektion. Er wohnt bis zu seiner Abreise in der Präsidentensuit.« Mr. Ballouchy nickte einmal kurz während er erneut die Wichtigkeit betonte. Dann rannte er davon. Wir sahen ihm nach, an seine Hektik waren inzwischen alle Mitarbeiter gewohnt.

Die ersten Stunden des Abends verliefen weitestgehend ruhig. Es waren hauptsächlich ältere Herren mit jungen Begleitungen im Casino. Sie prahlten mit ihren Villen, Autos und teuren Uhren. Andere sprachen über geschäftliches und genehmigten sich einen Drink nach dem anderen.

Meine Pause verbrachte ich, wie immer an der frischen Luft. Ich setzte mich auf die kalten Stufen der Hintertür des Casinos und starrte in die dunkle Gasse. Wenn ich hier so alleine saß, dachte ich oft über mein Leben nach, klischeehaft, ich weiß. Ich war aus Tennessee nach Las Vegas gezogen um als Archäologin in einem Museum zu arbeiten, oder bei Ausgrabungen in der Wüste zu helfen. Leider hat sich mein Traum bisher nicht erfüllt, weshalb ich stattdessen hier gelandet bin und Whiskey an alte Männer und Touristen verteilte.

Viel zu schnell war meine Pause wieder vorbei. Ich lief die langen Flure mit den hohen und verzierten Decken entlang und hielt nach leeren Gläsern und winkenden Gästen Ausschau. Als ich schließlich in der großen Halle ankam, war der VIP Bereich voller Menschen. Ich lief an einigen, mir zugeteilter Tische vorbei und steuerte auf einen Pokertisch zu, an dem mehrere Männer und eine Frau saßen. Ich sammelte die leeren Gläser ein und nahm Bestellungen entgegen.

Als ich meinen Kopf hob um den letzten Gast nach seinem Wunsch zu fragen, fiel mein Blick auf einen weiteren Gast. Er saß an einem anderen Tisch am anderen Ende der Halle. Der Gast stach aus der Menge hervor. Er war jung, hatte schwarze, gegelte Haare und einen schwarzen Anzug mit einem weißen Hemd an. Ich konnte nicht anderes als den Unbekannten anzustarren und als hätte er das gespürt, hob er den Kopf und starrte zurück. Unsere Blicke trafen sich und ich war auf der Stelle eingeschüchtert. Ich atmete tief ein und drehte mich um, ohne ihn noch ein weiteres Mal anzuschauen lief ich hastig davon.

Während ich auf die Getränke der Gäste wartete, bekam ich den fremden Mann nicht mehr aus meinen Vorstellungen. Ich schüttelte den Kopf in der Hoffnung auf neue Gedanken zu kommen. Erfolglos.

Schließlich machte ich mich auf den Weg zurück. Zu meinem Erschrecken saß der schwarzhaarige Schönling plötzlich an dem von mir zu bedienenden Tisch. Schweigend verteilte ich die Getränke, ein Dank war von den meisten Gästen nicht zu erwarten, daran hatte ich mich schon gewohnt. Als mein Tablet schließlich leer war, steuerte ich auf den jungen Mann zu. Vorsichtig trat ich neben ihn, aus der Nähe war seine Schönheit noch eindrucksvoller. Durch das weiße Hemd konnte ich seine Muskeln und Tattoos durchschimmern sehen.

»Kann ich Ihnen etwas bringen, Sir?« fragte ich leise. »Whiskey, ohne Eis« antwortete er, ohne mich anzusehen. Ich schaute seinen Begleiter an, der die gesamte Zeit hinter ihm stand und schwieg. »Und Ihnen?« fragte ich. Er schaute mich an und schüttelte den Kopf. Ich drehte mich wortlos um und lief davon, ohne den beiden noch einen weiteren Blick zu würdigen.

Ein paar Meter entfernt, wurde ich von einem älteren Herrn gestoppt. Noch bevor er seinen Mund öffnete, konnte ich den Alkohol riechen, er war offensichtlich weit entfernt von nüchtern. Seine grauen Haare waren zerzaust und das hellblaue Hemd hing zur Hälfte aus der Anzugshose. »Bleib hier, meine Hübsche.« Er packte mich am Oberarm und zog mich an sich heran. Angewidert drehte ich den Kopf weg und versuchte mich loszureißen. Ohne Erfolg, sein Griff wurde immer fester. »Entschuldigen Sie, Sir. Ich muss arbeiten« stotterte ich, doch er ließ nicht von mir ab. »E-eigentlich steh ich nicht auf so flache H-hintern. Aber für dich mach ich eine Ausnahme.« Er grinste schief und lachte. Mit seiner freien Hand zwickte er in meinem Po. Ich schlug seine Hand weg und versuchte verzweifelt den festen Griff zu lösen. »Sind Sie taub, alter Mann? Sie sollen Sie los lassen.« Eine tiefe Stimme ließ mich zusammenschrecken. Der ältere Mann drehte sich um. Vor uns stand der tätowierte Unbekannte mit verschränkten Armen. Sein Blick war düster und einschüchternd. Er starrte den Mann an. Ich schaute zu ihm nach oben, er war mit Sicherheit mindestens 1,90 Meter groß und sehr muskulös, sein markantes Gesicht verzog keine Miene. Das Lallen des alten Mannes zog mich aus meinen Gedanken: »K-kümmer dich um deinen eigenen S-s-scheiß, Jüngling.« Ich zog eine Augenbraue hoch und fragte mich ob der Alte nüchtern auch soviel Mut hatte, weil mit seinem Gegner war offensichtlich nicht zu spaßen. Der schwarzhaarige Fremde baute sich auf und ich spürte wie der feste Griff an meinem Oberarm nachließ, scheinbar macht er doch Eindruck auf den Betrunkenen. Von hinten konnte ich Roy hören: »Gibt es hier ein Problem?« fragte er mit seiner rauen Stimme. Roy ist der Türsteher vom Casino, er ist groß, hat eine dunkle Hautfarbe und kurze schwarze Haare. Wir verstehen uns gut, er fährt Charlie und mich nach unserer Schicht oft nach Hause um sicher zu gehen, dass wir gut Daheim ankommen.

»Roy« sagte ich, die Erleichterung war mir scheinbar anzuhören, den plötzlich waren alle Blicke der drei Männer auf mich gerichtet. Roy nickte mir zu und griff nach dem älteren Mann, der sich mittlerweile eigentlich nur noch an mir anlehnte um nicht umzufallen. Ich schaute den beiden nach, als Sie davon liefen. Dann drehte ich mich um, ich wollte dem Unbekannten danken, aber er war verschwunden und auch von seinem glatzköpfigen Begleiter war nichts mehr zu sehen.

Nach unserer Schicht erzählte ich Charlie von dem Vorfall. Sie war außer sich und beschimpfte den alten Mann mit Worten, die ich selbst noch nie gehört hatte. Nachdem wir zuhause angekommen waren, kletterten wir durch unser Wohnzimmerfenster auf die Feuertreppe. Das war verboten, aber morgens um halb 6 kontrollierte das Niemand. Es war zu unserem Ritual geworden, nach der Nachtschicht gemeinsam den Sonnenaufgang anzuschauen und dabei eine Zigarette zu rauchen. »Weißt du was wir machen?« fragte Charlie nach ein paar Minuten Schweigen. »Hmm?« antwortete ich und pustete den Rauch der Zigarette in die saubere Morgenluft. Sie drehte sich zu mir und grinste: »Wir gehen richtig feiern.« Ich lachte. »Komm schon, K. Wir haben so selten Freitags gleichzeitig frei. Außerdem kannst du den Frust von heute mal rauslassen.« Sie nickte mir zu. »Weißt du was? Du hast Recht.« Die Freude war ihr deutlich anzusehen.

Die restliche Zeit redeten wir über unsere Outfits für die Disko und Charlie beschloss ihren Freund Fred einzuladen. Fred und Charlie waren seit vier Jahren ein Paar und nach wie vor über beide Ohren in einander verliebt. Nach einer Weile kletterten wir zurück in die Wohnung und gingen ins Bett.

Ich blieb lange im Bett liegen, durch die Ereignisse am letzten Abend konnte ich nicht direkt einschlafen. Das Gefühl dieser Hilflosigkeit ließ mir keine Ruhe. Betrunkene und aufdringliche Gäste gab es eigentlich jede Nacht, aber ein solcher Vorfall passiert nicht sonderlich oft. Außerdem ging mir der Fremde nicht aus dem Kopf, seine grünen Augen hatten sich in mein Gedächtnis gebrannt und alleine die Erinnerung an seine tiefe und bedrohliche Stimme machte mir Gänsehaut.

Als ich mich endlich aus meinen Gedanken reißen konnte, war bereits nach 15 Uhr. Ich hörte die Stimmen von Charlie und Fred aus dem Wohnzimmer und entschied schließlich aufzustehen. Nach einem kurzen Besuch im Bad, lief ich ins Wohnzimmer. Die Sonne schien durch die großen Fenster und die beiden Turteltauben saßen nebeneinander auf der Couch. Charlie hatte ihre Beine auf Freds Schoß abgelegt und kicherte vor sich hin. Als die beiden mich sahen, richteten sie sich auf. »Guten Moooorgen« rief Charlie fröhlich. Ich winkte ihr überschwänglich zu und gähnte. »Gibt’s was zu essen?« fragte ich schließlich. Fred lachte und sagte: »Ich habe was vom Chinesen mitgebracht. Steht in der Küche.« »Fred, du bist mein Held. Wenn du irgendwann mal genug von Charlie hast, du weißt wo du mich findest.« Ich grinste und ignorierte Charlies Protest. Fred und ich machten gerne solche Witze auf Charlies Kosten und ich konnte Fred aus dem Wohnzimmer lachen hören.

Sein Lachen war eines der ansteckendsten die ich jemals gehört habe. Grund dafür waren unteranderem seine roten Locken, die unkontrolliert wackelten sobald er lachte. Ich lernte Fred vergangenes Jahr gleichzeitig mit Charlie kennen, als ich in unsere Wohnung eingezogen war. Ich hatte die Wohnungsanzeige letztes Jahr zufällig gefunden und nach ein paar Telefonaten mit Charlie hatte ich den Mietvertrag unterschrieben, ohne das ich unsere Wohnung jemals richtig gesehen hatte. Charlie und ich waren einfach von Beginn an auf einer Wellenlinie gewesen. Am Tag meines Einzuges erwartete mich dann nicht nur das breite Grinsen von Charlie, sondern auch Fred. Wie sich herausstellte hatte er Sorge, dass die Angaben zu meiner Person eventuell nicht korrekt waren und ich stattdessen ein fünfzig Jähriger Psychopath war. Nachdem er dann gesehen hatte, dass tatsächlich nur eine 24 Jährige Kellnerin einziehen wollte, war ihm die Erleichterung deutlich anzusehen.

Ich schnappte mir das chinesische Essen und ging zurück ins Wohnzimmer. Dort setzte ich mich auf den Sessel und begann die gebratenen Nudeln mit dem Hühnchen zu essen. »Nichts zu arbeiten, Fred?« fragte ich. Fred arbeitete für ein großes Architektenbüro in Las Vegas. Er war mit seinen 27 Jahren schon an der Planung von einigen großen Projekten beteiligt gewesen und zurecht stolz darauf. »Bin schon fertig für heute. Wir warten auf die Zusage von unserem neusten Kunden. Er möchte sich die Unterlagen über das Wochenende anschauen« sagte Fred zufrieden. »Interessant« erwiderte ich mit sarkastischem Ton. Charlie kicherte und Fred verdrehte die Augen.

Wir unterhielten uns noch eine Weile über die Arbeit, nach einiger Zeit stand Charlie auf und deutete auf die Uhr. »Wenn wir alle noch duschen wollten, sollten wir langsam anfangen.« Sie packte Freds Hand und zog ihn nach oben. »Und wir fangen an.« Sie grinste und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Freds Gesicht wurde beinahe so rot wie seine Haare. »Kommt schon, Leute.« Ich verdrehte die Augen. »Hey, nur weil du derzeit so prüde bist, müssen wir uns nicht anschließen« rief Charlie als sie und Fred durch die Tür verschwanden. »Ich bin nicht prüde« schrie ich ihnen hinterher, doch meine Antwort blieb unkommentiert.

Ich beschloss in mein Zimmer zu gehen und die Zeit sinnvoll zu nutzen. Ich legte Klamotten zusammen, räumte meinen kleinen Holztisch auf, der mir die meiste Zeit als Miniaturschreibtisch diente, und ich goss meine Pflanze, die mir meine Mutter zu meinem Umzug nach Las Vegas geschenkt hatte. Ich trug Dinge hin und her, packte Wäsche in einen Wäschekorb und überlegte nebenbei was ich heute Abend anziehen könnte.

Nach etwa einer Stunde war mein Zimmer wieder aufgeräumt, das Badezimmer war inzwischen auch längst frei, weshalb ich mich auf den Weg zur Dusche machte. Nach dem Duschen stand ich vor dem Spiegel, der über dem weißen Waschbecken hing. Meine großen, dunkelblauen Augen starrten mich an, während ich versuchte mich für einen Lippenstift zu entscheiden. Ich fuhr mit den Zeigefinger über meine Unterlippe, die an einer Stelle etwas aufgebissen war. Ich hatte die nervige Angewohnheit bei Nervosität und Langeweile auf meiner Lippe zu kauen. Das sorgte oft dafür das meine Lippen anschwellten und so noch größer wirkten. Ich entschied mich für eine leicht getönte Tagescreme und dunkelroten Lippenstift. Meine Augen betonte ich nur leicht mit Wimperntusche, da sie mir sowieso schon zu groß vorkamen. Von meiner Familie werde ich wegen meiner großen Augen, nach wie vor oft Bambi genannt, wie das Reh. Nicht gerade mein Liebling unter den Spitznamen, ich meine: wer wird gern mit einem kleinen und hilflosen Tier verglichen?

Zurück in meinem Zimmer stellte ich mich vor meinen großen Spiegel. Ich starre auf meinen Körper und überlege was ich anziehen könnte. Ein Kleidungsstück nach dem anderen landet auf dem Boden, bis ich mich schließlich entschieden hatte. Ich zog eine zerrissene Jeans und ein kurzes weißes Top an, dazu noch meine Lieblingsschuhe. Weiße Stiefeletten mit einem kleinen Absatz. Als ich aus meinem Zimmer in den kurzen Flur trat, standen Fred und Charlie schon vor der Haustüre und warteten auf mich. Fred trug ein grünes T-Shirt und eine Jeans, Charlie ein blaues kurzes Kleid mit weißen kleinen Punkten, dazu blaue Pumps.

»C., wenn du Absatz trägst, sehe ich wieder aus wie ein Zwerg neben dir« protestierte ich und zeigte auf ihre unverschämt hohen Schuhe. Sie zuckte mit den Schultern. Demonstrativ stellte ich mich neben Charlie, sie war auch ohne Absatz schon einen Kopf größer als ich. »Hör auf zu motzen und lass uns gehen, meine süße, kleine Kaya.« Sagte sie lachend und streichelte mir sanft über die leicht gewellten Haare. Ich schlug ihre Hand weg und verdrehte die Augen, dann verließen wir gemeinsam die Wohnung.

Im Club angekommen, dröhnte bereits laute Musik nach draußen. Ich wurde hibbelig und hatte plötzlich große Lust zu tanzen. Der Türsteher war ein ehemaliger Arbeitskollege von Charlie und mir, weshalb wir nicht lange in der Schlange anstehen mussten. Durch die Bevorzugung ernteten wir böse Blicke von den anderen Wartenden, aber das ließ uns kalt. Wir gingen hinein und begannen schon auf dem Weg, an den Garderoben und Toiletten vorbei, zu tanzen. Unser Weg führte uns direkt zur Bar.

»Shots?« schrie Fred uns zu, um gegen die laute Musik anzukommen. Charlie und ich signalisierten ihm ein deutliches JA. Der Abend verlief entspannt. Wir tanzten viel und tranken ohne Grenzen. Eigentlich war ich nicht Jemand, der sich sinnlos betrank oder ähnliches, aber heute hatte ich das Gefühl es sollte mal wieder so sein. Und diesem Gefühl gab ich nach.

»Ich muss mal aufs Klo.«, sagte ich zu Charlie auf der Tanzfläche. Sie fragte ob sie mit solle, aber ich verneinte. Dann drehte ich mich um und schwankte davon. Auf dem Weg zur Toilette lief ich am VIP Bereich der Diskothek vorbei, meine Augen schweiften über die Köpfe der Feierwütigen, als ich plötzlich in zwei unvergleichliche grüne Augen schaute. Einen Moment fragte ich mich, ob ich jetzt schon halluziniere. Aber auch auf den zweiten und dritten Blick sah ich ihn. Der junge Mann von gestern. Er schaute mich an und ich war so perplex, dass ich einfach nur zurückstarren konnte. Auf einmal rammte mich versehentlich eine hübsche, junge Frau und riss mich aus meinen Gedanken.

Sie entschuldigte sich und ich bahnte mir weiter meinen Weg zur Toilette.

Als ich aus der Toilette kam und den Gang Richtung Tanzfläche zurücklief, hörte ich plötzlich ein lautes Räuspern hinter mir. Ich erschrak und drehte mich blitzschnell um. Da stand er. Wunderschön, wie in meiner Erinnerung. Er trug ein dunkelblaues Oberteil und eine braune Hose, seine Hände hatte er in den Hosentaschen und er lehnte lässig an der Wand. »Stalkst du mich?« lallte ich und biss mir danach unsicher auf die Lippe, fast augenblicklich bereute ich diese Frage. Er musterte mich schweigend von oben nach unten. »Davon träumst du wohl nachts« sagte er schließlich, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Ich schnaubte und wollte auf die freche Antwort kontern, aber mir fiel nichts passendes ein, weshalb ich mich einfach umdrehte und davon lief.

Nach ein paar Schritten drehte ich kurz den Kopf, um zu sehen ob meine kalte Reaktion irgendeine Auswirkung auf ihn hatte. Aber er stand bewegungslos da und starrte mir hinterher. Als ich wieder auf der Tanzfläche ankam, kreisten meine Gedanken immer noch um das unerwartete Wiedersehen. Doch bevor ich einen weiteren Gedanken verschwenden konnte, stürzte sich Charlie auf mich. Sie war offensichtlich extrem betrunken. Sie lachte und sang lautstark bei der Musik mit. Ich ließ mich von ihr mitreißen und kurz darauf brachte uns Fred noch einen Drink. Wir lachten, sangen und tanzten bis die Drinks leer waren. »Ich bin dran, was wollt ihr trinken?« fragte ich die beiden schließlich. Es war mir unangenehm das Fred für mich bezahlte, weshalb ich die beiden einladen wollte. Sie zuckten mit den Schultern, was so viel heißen sollte wie: Egal, bring einfach das was du trinkst.

Also drückte ich mich an den Menschenmassen vorbei bis zur überfüllten Bar. Vor mir standen eine Horde Menschen die alle ihre Wünsche durcheinander Richtung Barkeeper schrien. Durch meine kleine Statur konnte ich die Bar vor lauter Partywütiger kaum sehen, weshalb ich mich entschied einfach zu warten.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich noch immer keine Drinks. Neue Leute kamen und ich wurde nur noch durch die Gegend geschoben. Mein Blick schweifte durch den Raum, keine Ahnung wonach ich suchte, aber plötzlich sah ich ihn. Er stand im VIP Bereich, umgeben von bildhübschen Frauen, die sich offensichtlich alle um einen Funken Aufmerksamkeit von ihm bemühten. Er starrte mich genauso an wie am Tag zuvor und als ich sein Starren eine Weile erwiderte, grinste er plötzlich. Ich sah zum ersten Mal eine Veränderung seiner Miene und konnte dieses Grinsen nicht deuten. Machte er sich etwa lustig über mich? Ich schaute weg, sein Starren verwirrte mich und als ich wieder rüber schaute war er verschwunden.

Gott, Kaya, wieviel hast du getrunken? Fragte ich mich selbst und fasste an meinen Kopf. Ich war mir plötzlich nicht mehr sicher ob er tatsächlich dort gestanden hatte, oder ob es eine Einbildung durch den Alkohol gewesen war. Ich schüttelte den Kopf, ein verzweifelter Versuch die Vorstellung von ihm loszuwerden. »Was willst du trinken?« riss mich eine tiefe Stimme aus meinen Gedanken. Ich zuckte zusammen und drehte mich um. Da stand er wieder, unverschämt schön und mit starrem Blick. »Drei Tequila Sunrise.« Sagte ich. Durch die laute Musik war ich mir nicht sicher ob er mich verstanden hatte, aber dann runzelte er die Augenbrauen. »Drei? Das ist doch ein bisschen viel für deine Größe.« Er lachte. »Das ist für meine Freunde, du aufgeblasener M-, ach, vergiss es.« Antwortete ich schnippisch und winkte ab. Er schaute mich, als würde er versuchen meine Gedanken zu lesen. Dann drehte er sich Richtung Bar und wiederholte kaum hörbar meine Bestellung. Der Barkeeper schaute auf und als er ihn erkannte, ließ er augenblicklich den halbfertigen Cocktail stehen und begann mit meiner Bestellung. Sehr zur Missgunst von der Dame die vor mir stand und sich lautstark beschwerte. Ich ignorierte sie und drehte mich stattdessen zu dem Schönling um. »Wer bist du? Der Papst?!« fragte ich, ob meine Frage eher überraschend oder schockiert rüberkam, war mir eher unklar. Er lachte über meine Verwunderung und schüttelte den Kopf, dabei flogen die schwarzen Haare in sein Gesicht. Er strich sie mit einer einfachen Bewegung wieder auf die Seite. Ich fragte mich wie weich sie wohl sind und hätte sie gerne einmal angefasst. Entsetzt über meine Gedanken räusperte ich mich.

»Joshua Ryder. Du solltest dir meinen Namen merken.« Sagte er und drehte sich zu dem Barkeeper, der ihm die Cocktails reichte. »Die gehen auf mich.«, er zwinkerte mir zu, drückte mir die Getränke in die Hand und lief davon. Ich starrte ihm nach und blieb Mitten in den Menschenmassen, alleine zurück. Der Barkeeper zog mich aus meinen Gedanken: »krasser Abgang.« Er nickte andächtig und wendete sich der noch immer wütenden Frau zu.

Unsere Nacht verlief weitestgehend entspannt weiter, aber ich ertappte mich dabei wie ich heimlich immer wieder zu dem VIP Bereich blinzelte. Doch dieser blieb leer, er war nirgends mehr zu sehen. Wer auch immer dieser Joshua Ryder war, er hatte bei mir definitiv Eindruck hinterlassen.

Wir riefen uns nach ein paar Stunden ein Taxi und fuhren nach Hause. Charlie wollte die Nacht in Freds Wohnung verbringen, weshalb ich alleine Zuhause ankam. Die Ruhe ließ mich schnell einschlafen und ich träumte von schwarzen Haaren und grünen Augen.

Als ich meine Augen öffnete, war es bereits taghell. Ich setzte mich seufzend auf und schaute auf die Uhr, schon nach 14 Uhr. Lustlos ließ ich mich wieder nach hinten auf mein Kopfkissen fallen.

Mein Kopf tat weh und ich fuhr mir mit den Händen über das Gesicht. »Nie wieder Alkohol.« Flüsterte ich zu mir selbst. Langsam stand ich auf und zog die Vorhänge ein bisschen weiter zusammen, um den Raum abzudunkeln. Dann schlich ich ins Bad und ging duschen.

Anschließ machte ich mir einen Kaffee und nahm ihn mit in mein Zimmer. Ich setzte mich auf mein Bett und nahm mein Handy vom Nachtisch. Charlie hatte mir geschrieben und gefragt ob alles in Ordnung ist, dann hatte sie mir in 4 weiteren Nachrichten ausführlich erklärt dass sie niemals mehr Alkohol trinken möchte. Ich musste lachen und schrieb ihr kurz zurück, ohne was von meinem Kater zu erzählen. Danach öffnete ich die Suchmaschine auf meinem Handy und wollte gerade einen Namen eingeben, als meine Mutter anrief.

»Na, Joshua Ryder. Du musst wohl noch warten.«, sagte ich, bevor ich den Anruf annahm.

Kapitel 2

»Hey, Mum« rief ich in mein Handy. »Kaya, wie geht es dir?« hörte ich die hohe Stimme meiner Mutter. »Gut. Nur ein bisschen gestresst« log ich und überkreuzte die Finger.

Meine Mutter und ich redeten eine Weile über Lautsprecher, während ich in der Küche begann die Spülmaschine auszuräumen. Während ich telefonierte, spürte ich immer einen ungewohnten Bewegungsdrang. So lief ich beispielsweise in meinem Zimmer auf und ab, oder machte Hausarbeiten. Letzteres allerdings nur wenn ich alleine war.

Meine Mutter erzählte mir vom Wetter in Tennessee, sie erzählte von neuen Nachbarn und von allen Dingen die sie heute schon erledigt hatte, während ich faul im Bett gelegen war.

Meine Eltern leben auf einer Ranch mitten im Nichts von Tennessee. Ich war also mit purer Natur und Tieren aufgewachsen. Früher habe ich mich oft gelangweilt, um meine Freunde zu sehen, musste ich ca. 20 Minuten mit dem Fahrrad in die nächste Kleinstadt fahren. Aber inzwischen ist es für mich der Himmel auf Erden, wenn ich meine Eltern besuchen konnte. Auf Dauer wäre diese Einsamkeit allerdings jetzt immer noch nichts für mich.

Meine Eltern, Helena und Jakob Miller waren ruhige, entspannte Menschen. Kein Problem konnte sie aus der Ruhe bringen, so kam es mir zumindest immer vor. Als mein Großvater vor drei Jahren verschwand, brach für mich eine Welt zusammen. Ich hatte immer gehofft mit ihm gemeinsam zu arbeiten und so die geheimsten Flecken dieser Erde und die Geheimnisse die sie verbargen, zu entdecken. Meine Eltern gaben mir Kraft und überzeugten mich davon, mein Archäologiestudium weiter zu führen. Meine Abschlussarbeit schrieb ich über meinen Großvater und dessen zahlreiche Entdeckungen.

Nach einem langen und ausgedehntem Telefonat mit meiner Mutter, aß ich noch was und bereitete mich dann auf die Arbeit vor.

Gegen 20 Uhr kam ich am Casino an, von Charlie war noch keine Spur. Ich ging hinein und traf auf Ray, er winkte mir schon von weitem entgegen und lief direkt auf mich zu. »Hey Ray« rief ich ihm entgegen. »Hallo Kaya, geht es Charlie schon ein bisschen besser?«, er grinste mich freundlich an und zupfte an seinem schwarzen Hemd. Ich öffnete meinen Mund um ihm zu antworten, doch genauso schnell schloss ich ihn wieder. »Mhm..« machte ich nur und verabschiedete mich schnellstmöglich, mit der Notlüge ich müsste noch dringend mit Mr. Ballouchy über die Schichtpläne für kommende Woche sprechen.

In den Umkleiden angekommen, schrieb ich Charlie eine Nachricht. Soso, wir sind also krank? Noch bevor ich meine Sachen im Spint verstaut hatte, vibrierte mein Handy. Sorry, K. Es ist ein Notfall. Mein Kopf bringt mich um. Ich bleibe noch eine Nacht bei Fred. XOXO. Schrieb Charlie mir, sie spielte also tatsächlich krank. Ich schnaufte laut und legte das Handy zu meinen anderen Sachen in den großen, grauen Spint.

Ich lief aus der Umkleide heraus und zupfte an dem kurzen Minirock. Die Arbeitskleidung die Mr. Ballouchy auswählte, wurde gefühlt jedes Jahr kürzer. Er schob es auf zusätzliches Trinkgeld, aber Charlie und ich waren uns sicher, der schmierige Lustmolch wollte nur ordentlich was zu sehen bekommen. Was auch immer dahinter steckt, ich werde es wohl nie herausfinden, dachte ich.

Auf dem Weg zu Haupthalle kamen mir plötzlich zwei unverschämt große und breite Männer entgegen. Sie trugen schwarze Anzüge. Einer von beiden hatte eine Glatze, der andere braune Haare die zu einem Dutt gebunden waren. Der Hals und die Hälfte der Glatze von dem Unbekannten waren tätowiert, von weitem konnte ich aber leider nicht genau sehen was genau dort gezeigt wurde, aber dafür erkannte ich ihn, es war der gleiche Mann, den ich bereits an der Seite von Joshua Ryder gesehen hatte. Ich blickte auf den Boden, die Männer waren mir irgendwie unheimlich. Sie strahlten eine unglaublich große Bedrohung aus. Kurz vor mir blieben die Männer stehen, sie schauten mich an. Der Glatzkopf sagte: »Ms. Miller? Sie müssen uns begleiten«, ich erstarrte, woher kannten diese Riesen meinen Namen und was zum Teufel wollten sie von mir? Tausende Fragen schossen durch meinen Kopf und ich suchte den Raum nach Mitarbeiter des Security-Teams ab, doch es war als wäre die große Halle plötzlich ausgestorben. »Ich muss arbeiten, entschuldigen Sie.« Antwortete ich.

Als ich an den Männern vorbeigehen wollte, packte mich einer an der Schulter und schob mich vor sich her in Richtung der drei Aufzüge am anderen Ende der Eingangshalle. Ich wehrte mich und sagte energisch er solle mich loslassen. Aber umso mehr ich mich werte, umso fester wurde sein Griff.

»Wir können das auf die sanfte, oder auf die harte Tour machen.« Der zweite Mann grinste mich frech an. »Ich warne Sie. Lassen Sie mich gehen. Hier sind überall Securitys und Kameras.« Ich versuchte durch meine Drohung möglichst viel Selbstbewusstsein auszustrahlen, allerdings war ich mir unsicher ob das so funktionierte, die Männer schienen sich nämlich nicht stören zu lassen. Sie schauten sich an und mir war fast so als würden sie sich ein Lachen verkneifen. »Ich werde nicht in den Fahrstuhl einsteigen.« Sagte ich festentschlossen. Wieder bekam ich keine Antwort. Ich schlug um mich und werte mich mit allen Mitteln. Immer dahin wo es wehtut, dachte ich mir und versuchte mit meinem Knie an die Kronjuwelen von einem der beiden zu kommen. Der jüngere Mann mit dem Dutt packte mich, warf mich über die Schulter, als wäre ich leicht wie eine Feder und nickte dem anderen Mann zu.

Wir standen vor den drei Fahrstühlen, die Männer drückten einen Knopf und der linke Fahrstuhl öffnete sich augenblicklich. Ich wusste das dieser Fahrstuhl direkt in die Präsidentensuite führte, die beiden anderen waren für die restlichen Stockwerke zuständig. Da ich weder großartig Interesse an unseren Gästen, noch an der Vermietung der einzelnen Zimmer hatte, hatte ich keine Ahnung wer oder was sich in der Präsidentensuite befindet. Ich war auch noch nie dort, aber ich konnte mir gut vorstellen das es wohl eine wichtige Persönlichkeit sein musste. Wer mietet schon eine Suite die über 3.500 Dollar die Nacht kostet? Als sich die Fahrstuhltüren schlossen, wehrte ich mich erneut mit allem was ich hatte. Der Mann hatte kurze Zeit zu kämpfen, mich nicht fallen zu lassen, zumindest hatte ich das Gefühl. »Ganz schön viel Energie, für so einen kleinen Menschen« lachte er zu seinem Kollegen. »Heeey… Was soll der Mist?« Inzwischen war meine Angst zu Wut geworden. »Weißt du, Kleine, umso mehr du strampelst, umso mehr rutscht dein süßer kleiner Rock nach oben.« Die beiden Männer lachten trocken und ich erstarrte. Wie ein Brett lag ich über seiner Schulter und bewegte mich keinen Zentimeter. Wenig überrascht von meiner Reaktion ignorierten mich die Männer weiter.

Als sich die Fahrstuhltüren öffneten, war ein Klingeln zu hören, ähnlich wie das einer Haustüre. Die beiden stiegen aus und ein paar Schritte entfernt vom Fahrstuhl ließ der Mann mich herunter. Ich zog meinen hochgerutschten Rock nach unten und drehte mich zu den Männern um. »Seit froh dass ich heute einen guten Tag habe. Sonst hätte ich- Argh.« Ich wedelte wild mit meinem Zeigefinger, als würde ich mit einem Kind schimpfen. Doch ich bemerkte schnell, dass die Männer mir keine Aufmerksamkeit widmeten, sondern an mir vorbei schauten. Ich drehte mich um und suchte nach dem Grund für ihre geistige Abwesenheit.

Mein Blick fiel augenblicklich auf Joshua Ryder, er stand vor einem großen, weißen Ledersofa. Seine Arme waren vor der Brust verschränkt und er zog eine Augenbraue hoch, als würde er warten ob meine Aggressionen nach ließen. Er starrte mich eindringend an und ich konzentrierte mich darauf sein Starren zu erwidern. Doch er gewann unser persönliches Duell und ich schaute mich fragend um. Die Präsidentensuite war noch größer als ich sie mir vorgestellt hatte. Riesige Fenster zeigten einen atemberaubenden Blick über die Lichter der Stadt. In der Mitte des Raumes stand das weiße Sofa, davor ein vergleichsweise kleiner Glastisch und links und rechts davon ebenfalls weiße Ledersessel. Die Wände waren grau tapeziert und an der Decke waren tausende kleine Lichter, die einem Sternenhimmel gleichen. Über dem Couchtisch hing ein Kronleuchter, dessen Licht zu grell war und den Raum kalt und ausladend wirken ließen.

Joshua wartete einen Moment, bis ich mich umgeschaut hatte, dann räusperte er sich. Mein Blick wanderte schlagartig zu ihm. »Ich sagte doch, merk dir meinen Namen.« Er zwinkerte mir zu. Ich trat einen Schritt nach vorne und atmete tief ein. »Warum kidnappen Sie mich?« fragte ich schnippisch. »Oh, ich dachte wir sind schon beim DU.« Er ignorierte meine Frage und musterte mich mit seinen grünen Augen. Sofort fühlte ich mich miserabel, er stand da im blauen Anzug und mit Lederschuhen, ich hingegen in meiner verdammt kurzen Kellneruniform.

»Was ist das für ein krankes Spiel?« fragte ich und spannte meinen Kiefer an. Er nickte den beiden Männern zu, die immer noch hinter mir standen. Sie liefen zurück zum Fahrstuhl und verschwanden darin. Ich wollte ihnen folgen, aber Joshua rief mir nach: »Das wird dir nichts bringen, Kaya.« Ich drehte mich erneut fragend zu ihm um. »Die beiden werden unten warten und dich wieder hochbringen, bis unser Gespräch beendet ist« sagte er mit ernster Miene. »Dann ist unser Gespräch hiermit beendet« antwortete ich kühl »Und woher kennst du überhaupt meinen Namen?« ich stemmte meine Hände in die Hüfte.

Er lief um den kleinen Glastisch herum und kam auf mich zu, kurz vor mir blieb er stehen und schaute zu mir herab. Er war locker zwei Köpfe größer als ich. »Wir sollten uns setzen« sagte er, während er eine Hand auf meinen unteren Rücken legte und mich langsam Richtung Couch schob.

Ich wehrte mich nicht und schlug schweigend seine Hand weg. Die Wärme von seiner Hand fühlte sich an wie tausend kleine Stromschläge und das gefiel meinen Nerven überhaupt nicht. Wir setzten uns auf das Sofa, instinktiv rutschte ich weiter von ihm weg, als er sich neben mich setzte. »Also? Warum bin ich hier?« fragte ich ihn schließlich, als sein Schweigen unerträglich wurde. »Ich möchte das du für mich arbeitest.« Ich lachte. »Das ist kein Scherz, Kaya.« Sein Blick blieb ernst und ich schüttelte den Kopf.

»Ich weiß das du Archäologie studiert hast.« Nach dieser Aussage schoss mein Kopf nach oben und ich sah ihn fragend an. »Woher?« »Ich weiß eine Menge über dich.« Er machte eine Pause »Von deinem Großvater.« Ich runzelte die Stirn und antwortete nicht, innerlich schossen mir tausend Fragen durch den Kopf. Aber ich konnte nichts sagen, die Überraschung traf mich tief und ohne Vorwarnung. Er schien es zu merken und fuhr fort: »Ich habe gerade ein..« er hielt inne, als würde er seine Gedanken sortieren. »Projekt.« Er schaute mich an, um zu überprüfen ob ich ihm folgen konnte. »Dein Großvater hat bereits mit meinem Vater zusammengearbeitet. Nachdem mein Vater gestorben ist, arbeitete ich mit ihm zusammen. Ich möchte das du seinen Platz einnimmst und für mich arbeitest.« Ich starrte ihn an, mein Mund stand offen und dann tat ich das einzige was in so einer verrückten Situation angebracht war. Ich lachte. Laut und schrill.

Joshua sah mich verwundert an, als hätte er damit gerechnet dass ich ihm um den Hals fallen würde. »Ich gehe jetzt« sagte ich und stand auf. Joshua folgte meiner Positionsveränderung. »Du hast nichts was dich hier hält und ich biete dir einen unverschämt hohen Lohn. Komm mit mir nach New York und schau dir mein Museum an.« Ich blinzelte mehrfach. »New York? Das wird ja immer besser. Und außerdem habe ich einen Job hier.« Ich zupfte an meiner Uniform, als wollte ich ihn an meine Pflichten für das Casino erinnern. »Du wirst also lieber von alten Männern befummelt, als für mich zu arbeiten? Nicht zu vergessen, in deinem absoluten Traumjob?« er kniff ungläubig die Augen zusammen. Ich machte meinen Mund auf um etwas zu sagen, aber genauso schnell schloss ich ihn wieder. Ich wusste nicht was ich sagen sollte.

»Ich werde deiner Entscheidung auf die Sprünge helfen.« Er zog sein Handy aus der Tasche und tippte darauf herum, bevor er es sich ans Ohr hob. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und schaute aus den großen Fenstern auf die Stadt. Meine Gedanken waren ein einziges Chaos, aber trotz aller Irritation, ich war mir bei einer Sache sicher: Joshua meinte es todernst. Er schien mir nicht wie ein Mensch der Spaß machte, wenn es um Business geht.

»Ryder hier. Ich möchte sofort mit Mr. Ballouchy sprechen.« Ich drehte mich zu ihm und war mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich dem Gespräch weiter zuhören wollte, doch ich tat es. »Mr. Ballouchy? Ich möchte das Sie auf der Stelle Ms. Miller feuern.« »Moment. WAS?« unterbrach ich ihn, doch er ignorierte mich. Dann legte er auf und wandte sich an mich. »Also ein Job hält dich hier nicht mehr.« Er klang beinahe belustigt. »Ich bin ein sehr einflussreicher Mann, liebe Kaya. Ich bekomme immer was ich will.«

Ich hatte absolut keinen Zweifel daran, dass er es ernst meinte. Wortlos drehte ich mich um und lief Richtung Aufzug. Alle Weiteren Aufforderungen von Joshua ignorierte ich, als sich die Aufzugstüren schlossen, sah ich ihn ein letztes Mal an, er fuhr sich mit der Hand durch die schwarzen Haare und hielt sich erneut sein Handy ans Ohr.

Unten angekommen, taumelte ich fast aus dem Aufzug. Zuviel war in zu kurzer Zeit passiert. Die beiden Mitarbeiter von Joshua sahen mich an, als ich den Aufzug verlassen hatte. Der Glatzkopf kam auf mich zu und drückte mir eine Visitenkarte in die Hand und sagte: »Morgen Mittag fliegen wir zurück nach New York. Entscheide und melde dich morgen früh.«

Wortlos nahm ich die Karte und lief an den beiden Männern vorbei. Ich kam etwa zwanzig Meter weiter, als ich Mr. Ballouchys Stimme hörte, er meinte wir müssten uns unterhalten. Doch ich hob einfach die Hand und streckte meinen Mittelfinger aus, schließlich wusste ich genau was er mir zu sagen hatte.

Ich lief nach draußen, die warme Wüstenluft wurde mir von leichtem Wind ins Gesicht geblasen. Wenige Minuten später saß ich im Taxi und drehte die Visitenkarte in meinen Fingern.

Zum ersten Mal schaute ich neugierig darauf. Sie war schwarz, mit silberner Schrift war lediglich eine Telefonnummer darauf abgebildet. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, stopfte ich sie in meine Hosentasche. Was zur Hölle war gerade passiert?

Daheim angekommen ging ich schnurstracks ins Badezimmer. Ich wollte duschen, versuchen den Kopf klar zu bekommen. Mein Körper führte die Bewegungen aus wie eine Maschine, alle meine Gedanken kreisten um die vergangenen Stunden.

Ich wollte das Angebot annehmen. Ich wollte herausfinden an was für Projekten mein Großvater gearbeitet hatte. Und ich wollte, verdammt nochmal, irgendetwas über sein Verschwinden erfahren. Aber ich wollte es nicht weil mein zukünftiger Boss Joshua Ryder wäre?

Dann schoss es mir in den Kopf: wie dumm bist du denn? Ich trocknete mich ab und lief nackt in mein Zimmer zurück. Dann packte ich mein Telefon und wählte die Nummer von der Visitenkarte.

Es klingelte nur einmal. »Hallo Kaya« sagte eine tiefe Stimme, die ich wahrscheinlich unter tausenden anderen Stimmen erkannt hätte. »Mr. Ryder, ich würde Ihr Angebot gerne annehmen. Ich komme mit nach New York, ich werde gleich mit dem packen beginnen.« Ich hielt die Luft an, doch von der anderen Seite kam nichts zurück. »Hat der aufgelegt?« fragte ich, ohne eine Antwort zu erwarten. Ich war fassungslos, das hatte ich jetzt wirklich nicht erwartet. Enttäuscht schmiss ich das Handy aufs Bett.

Dann klingelte es an der Tür. Ich schnappte mir ein Handtuch und rannte zur Haustüre. quer durch die Wohnung. Nur im Handtuch eingewickelt, öffnete ich die Tür und da stand er. Joshua Ryder, ich starrte ihn eine gefühlte Ewigkeit an, bis mein Blick zu den beiden anderen Männern im Hintergrund wanderte. Erschrocken sprang ich hinter die Tür, um meinen Körper zu verstecken. »Was soll das?« fragte ich stotternd. »Na, ich dachte du kannst ein bisschen Hilfe beim packen gebrauchen« sagte Joshua und zeigte mit seinem Kopf auf die beiden Männer. Es waren die selben beiden wie im Casino. »Luke und Ben, würden dir gerne unter die Arme greifen.« Ich sah die beiden an: »Luke und Ben also.« Der Mann mit Dutt, mit dem markanten Gesicht hieß Ben und der Glatzkopf mit den strahlend blauen Augen ist Luke, muss ich mir merken. Die beiden zwinkerten mir zu und liefen an mir vorbei in die Wohnung, dicht gefolgt von Joshua. »Ich muss mich erst umziehen« sagte ich und zeigte mit einer Hand auf meine nassen Haare.

Dann drehte ich mich um und sprintete in mein Zimmer. Ich schmiss alle Kleidungsstücke die ich rumliegen sah auf mein Bett, inklusive BH und Slip. Kaum drehte ich mich um ging die Tür auf und Joshua kam herein. »Ich will mit dir noch ein paar Dinge für den Arbeitsvertrag besprechen« sagte er und musterte mich, mein Mund stand auf als ich ihn anschaute. Kann man wirklich so dreist sein? »Und ich möchte mich anziehen, Mr. Ryder.« Er nickte kurz und schloss die Tür. »Raus!« schrie ich. »Kaya, es ist wirklich wichtig.« Er machte eine Geste um mich aufzufordern. »Dann drehen Sie sich wenigstens um« sagte ich genervt. Kommentarlos drehte er sich um. Ich ließ das Handtuch fallen und beeilte mich mit dem anziehen, schnell schnappte ich mir das erstbeste was mir in die Hände fiel. »Also? Was liegt Ihnen auf dem Herzen?« fragte ich ihn, während ich meinen BH zumachte. »Ihre Wohnsituation in New York« sagte er trocken und mir fiel auf das ich an diese Kleinigkeit nicht gedacht hatte. Wo sollte ich wohnen?

»Ich denke es ist am effektivsten wenn Sie in meine Villa ziehen. So habe ich Sie als Beraterin in archäologischen Angelegenheiten immer um mich herum.« »In Ordnung« antwortete ich. Ich konnte sowieso schon nicht glauben was gerade alles passierte, warum dann nicht in einer Villa wohnen?

Er schwieg einen Moment, offensichtlich hatte er nicht mit so einer schnellen Zusage gerechnet.

»Ich bin fertig« sagte ich als Zeichen, dass er sich umdrehen konnte.

Er öffnete de Tür und hielt sie für mich offen. Als ich an ihm vorbeilaufen wollte, hielt er mich am Handgelenk fest und flüsterte mir ins Ohr: »Du hast ein sehr schönes Zimmer, Kaya. Vor allem die ganzen Spiegel gefallen mir.« Dann drückte er sich an mir vorbei und ließ mich verwirrt stehen. Ich drehte meinen Kopf und schaute in den Spiegel. Es war genau die Stelle zu sehen, an der ich gestanden war. Er hatte mich die gesamte Zeit beobachtet.

Ich spürte wie mein Gesicht rot anlief, aber ich war mir nicht sicher ob vor Wut oder Scham.

Dann rannte ich ihm hinterher.

Kapitel 3

Kaum im Wohnzimmer angekommen, hörte ich wie die Haustür aufgeschlossen wurde. Charlie betrat den Raum und blieb verwundert stehen, wir sahen uns an. Ihre Haare waren zerzaust und sie hatte rote, verheulte Augen. Ich wusste genau was das bedeutete, sie hatte sich wieder mit Fred gestritten. Die beiden führten die meiste Zeit eine wirkliche ruhige und entspannte Beziehung, genauso so wie man sich die perfekte Beziehung eben vorstellt: Treue, Leidenschaft und Vertrauen. Wie es aber leider in den meisten Partnerschaften ist, stritten sie sich auch regelmäßig über die unwichtigsten Kleinigkeiten, die man sich vorstellen konnte. Aber in der Regel waren diese Streitigkeiten bereits nach wenigen Stunden wieder aus der Welt geschafft, weshalb ich mich auch immer raushielt.

Charlie sah sich irritiert in unserer Wohnung um. Die für sie fremden Männer liefen herum, schleppten die mitgebrachten Kisten aus meinem Zimmer und trugen sie hinaus. Ich stand schweigend da und beobachtete Charlie, langsam erkannte ich wie der Groschen bei ihr fiel. Sie schaute abwechselnd zu mir und Joshua, bevor ihr Blick auf mir ruhen blieb und sie mich entsetzt fragte: »Kaya, warum hast du nicht gesagt das du Geldprobleme hast?« sie kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. »Warte, was?« antwortete ich mit einer Gegenfrage. »Na die Zwangsvollstrecker.« Sie zeigte auf Luke, der gerade meinen alten Fernseher aus meinem Zimmer trug. Joshua lachte laut und Charlie sah ihn verwundert an.

Ich packte sie an der Hand und zog sie hinter mir her in Richtung Küche. Ich atmete tief ein, wissend das Charlie nach meiner Offenbarung geschockt sein wird. Noch schneller als sonst, sprudelten die Worte aus meinem Mund. »Ich habe ein Jobangebot in New York und werde heute noch dorthin fliegen.« Wahrscheinlich hätte kein anderer Mensch auf der Welt auch nur einen Bruchteil des Satzes verstanden, so sehr hatte ich durch die Geschwindigkeit genuschelt. Doch Charlie verstand, allerdings blieb der erwartete Schock aus. Stattdessen nahm sie mich in den Arm.

Ich erzählte ihr von Joshuas Angebot, den Teil mit meinem Großvater ließ ich absichtlich aus. »Außerdem hat mich Mr. Ballouchy sowieso gefeuert« fuhr ich fort. Charlie zog die Augenbrauen hoch. »Wie jetzt? Warum?« fragte sie irritiert und mit scharfem Ton. Als Antwort zuckte ich nur mit den Schultern und presste die Lippen aufeinander.

»Wie geht es dir?« fragte ich sie um vom Thema abzulenken, aus der Nähe konnte ich unter ihren verheulten Augen deutlich die dunklen Augenringe sehen. Sie schüttelte den Kopf und sagte: »Vergiss das mal. Jetzt geht es nur um dich. Schließlich werde ich dich bald nicht mehr sehen.« Ich senkte den Kopf, als mir dämmerte, dass ich tatsächlich mein gesamtes Leben innerhalb von einer Nacht hinter mir lassen würde. Charlie spürte meine Bedenken und versuchte mich aufzubauen: »Gott sei Dank gibt es Skype.« Sie grinste mich an und zwinkerte mir zu.

Wir sprachen noch kurz über die weitere Vorgehensweise. Die Miete für den gesamten Monat hatte ich bereits bezahlt und da er erst angefangen hatte, hatte Charlie noch ein paar Wochen um einen neuen Mitbewohner zu finden. Durch den aktuellen Wohnungsmangel sollte das kein Problem darstellen, da waren wir uns sicher.

Nach ein paar Minuten gab mir Charlie einen Kuss auf die Wange und lief Richtung Wohnzimmer. »Ich muss jetzt Fred anrufen und ihm alles erzählen« sagte sie und verschwand in ihrem Zimmer. Der Streit mit ihrem Freund schien bereits vergessen zu sein. Ich starte auf die runde Uhr, die über der Küchentür hing. Es war inzwischen kurz vor Mitternacht. Langsam ging ich zurück ins Wohnzimmer, wo Joshua, Luke und Ben schon auf mich warteten. »Schon fertig?« fragte ich ungläubig und Ben nickte. »Es tut mir Leid, dass ich euch nicht geholfen habe« sagte ich mit schlechtem Gewissen. »Schon gut. War nicht viel« sagte Luke und zuckte mit den Schultern. Ich sah ihn an und war mir einen Moment nicht sicher, ob er sich gerade über meine wenigen Besitze lustig machte. Doch er verzog keine weitere Miene, weshalb ich die Frage in meinem Kopf ignorierte.

Kurz darauf gingen die drei Männer und ich blieb in meiner halbleeren Wohnung zurück. Am nächsten Morgen sollte ein Mitarbeiter von Joshua vorbeikommen um mich abzuholen.

Statt in mein Zimmer zu gehen, lief ich schnurstracks zu Charlie. Sie lag bereits im Bett und ich legte mich einfach neben sie. Als sie mich bemerkte, drehte sie sich zu mir um und nahm mich in den Arm. »Du rockst das schon, K. Mach dir keine Gedanken« flüsterte sie mir von hinten ins Ohr. Ich antwortete nicht, stattdessen fuhr sie fort: »Ich habe mit Fred geredet. Es ist alles wieder gut.« »Das freut mich« sagte ich leise. Kurz darauf schlief ich ein, der Tag war so ereignisreich gewesen, dass ich kaum die Augen offen halten konnte.

Am nächsten Morgen standen wir früh auf. Wir frühstückten in Ruhe und überlegten, wie Charlie am besten schnellstmöglich einen neuen Mitbewohner finden könnte.