Die Katze, die Alarm schlug - Band 17 - Lilian Jackson Braun - E-Book
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Die Katze, die Alarm schlug - Band 17 E-Book

Lilian Jackson Braun

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Beschreibung

Gefahr im Verzug! „Die Katze, die Alarm schlug“ von Bestsellerautorin Lilian Jackson Braun jetzt als eBook bei dotbooks. Eigentlich will Jim Qwilleran nur für wohltätige Zwecke spenden, als er an der Jungfernfahrt der restaurierten Eisenbahn teilnimmt. Doch als wenig später der Bahnbesitzer samt all dem Geld verschwindet, ist Jim unvermittelt in den Betrugsfall verstrickt. Er stellt selbst Nachforschungen an – und ihm wird bald klar, dass die Polizei dem falschen Täter auf der Spur ist. Als Jims ungewöhnlich schlauer Siamkater Koko mysteriöse Hinweise liefert, die auf den Tod des verschwundenen Bahnbesitzers hindeuten, spitzen sich die Dinge weiter zu … „Dieser skurrile und fesselnde Krimi packt den Leser – eine lebendige, witzige Geschichte mit fein präzisierten Charakteren!“ Publishers Weekly Die Krimi-Serie mit Suchtpotenzial! Der siebzehnte Fall für Reporter Jim und Siamkater Koko – jetzt als eBook kaufen und genießen: „Die Katze, die Alarm schlug“ von Lilian Jackson Braun. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 333

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Über dieses Buch:

Eigentlich will Jim Qwilleran nur für wohltätige Zwecke spenden, als er an der Jungfernfahrt der restaurierten Eisenbahn teilnimmt. Doch als wenig später der Bahnbesitzer samt all dem Geld verschwindet, ist Jim unvermittelt in den Betrugsfall verstrickt. Er stellt selbst Nachforschungen an – und ihm wird bald klar, dass die Polizei dem falschen Täter auf der Spur ist. Als Jims ungewöhnlich schlauer Siamkater Koko mysteriöse Hinweise liefert, die auf den Tod des verschwundenen Bahnbesitzers hindeuten, spitzen sich die Dinge weiter zu …

»Dieser skurrile und fesselnde Krimi packt den Leser – eine lebendige, witzige Geschichte mit fein präzisierten Charakteren!« Publishers Weekly

Über die Autorin:

Lilian Jackson Braun (1913–2011) wurde in Massachusetts geboren. Nach der Highschool arbeitete sie als Journalistin und in der Werbebranche, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihre Katzenkrimis wurden in 16 Sprachen übersetzt und standen regelmäßig auf der »New York Times«-Bestsellerliste.

Bei dotbooks erscheinen alle Bände der Erfolgsserie. Eine vollständige Übersicht finden Sie am Ende dieses eBooks.

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eBook-Neuausgabe November 2016

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1994 Lilian Jackson Braun

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1994 unter dem Titel »The Cat who blew the Whistle«.

Copyright © der deutschen Ausgabe 1996 Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co., Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/Forewer und Svinkin

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-879-3

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Lilian Jackson Braun

Die Katze, die Alarm schlug

Kriminalroman

Aus dem Amerikanischen von Christine Pavesicz

dotbooks.

Kapitel 1

Der Lokführer läutete die Glocke. Zwei schrille Pfiffe ertönten, und die alte Dampflokomotive – die berühmte Lok Nummer 9 – fuhr mit ihren Personenwagen schnaufend und keuchend vom Bahnsteig ab. Sie war ein schwarzes Ungetüm mit sechs riesigen Treibrädern, die von den unerbittlichen Stößen der Kolbenstangen angetrieben wurden. Der Lokführer beugte sich, die linke Hand am Dampfregler, den Blick auf die Schienen gerichtet, aus seinem Führerstand; der Heizer schaufelte Kohlen in die Feuerbüchse; der trichterförmige Schornstein spuckte schwarze Asche. Es war ein Bild aus der Vergangenheit.

Doch es war ein Sonntagnachmittag im High-Tech-Zeitalter. Sechsunddreißig prominente Einwohner von Moose County hatten sich am Bahnhof von Sawdust City eingefunden, um fünfhundert Dollar pro Karte für eine Fahrt hinter der alten Neuner-Lok zu zahlen. Es war die erste Fahrt der Oldtimer-Lok, seit sie aufgekauft und überholt worden war, und im Fahrpreis war ein Champagner-Dinner in einem restaurierten Speisewagen sowie eine großzügige, steuerabzugsfähige Spende für den Stipendienfonds des neuen öffentlichen Colleges enthalten.

Als die Messingglocke läutete, schritt ein Schaffner mit strenger Miene den Bahnsteig entlang und verkündete mit Stentorstimme: »Der Zug nach Kennebeck, Pickax, Little Hope, Black Creek Junction, Lockmaster und weiter nach Süden fährt ab! Alles einsteigen!« Ein gelber Trittschemel wurde aufgestellt, und die gutgekleideten Fahrgäste stiegen in den Speisewagen, wo Tische mit weißen Tischtüchern und funkelnden Kristallgläsern gedeckt waren. Kellner in weißen Jacken füllten die Gläser mit Eiswasser aus versilberten Krügen.

Unter den Passagieren, die Platz nahmen, befanden sich Bürgermeister aus umliegenden Städten und andere hohe Beamte, die es übers Herz brachten – oder es aus politischen Gründen für günstig hielten –, fünfhundert Dollar pro Gedeck zu zahlen. Des weiteren waren der Herausgeber der Bezirkszeitung an Bord, der führende Kolumnist des Blattes, der Besitzer des Kaufhauses von Pickax, eine geheimnisvolle Erbin, die erst vor kurzem aus Chicago gekommen war, und die Leiterin der öffentlichen Bücherei von Pickax.

Der Bahnhofsvorstand gab freie Fahrt, und die Neuner- Lok begann zu rollen; die Waggons folgten mit einem sanften Ruck. Als das Rattern der Antriebsräder auf den Gleisen immer schneller wurde, rief jemand: »Sie fährt!« Die Fahrgäste applaudierten, und der Bürgermeister von Sawdust City erhob sich, um einen Toast auf die Neuner-Lok auszubringen. Die Fahrgäste erhoben die Gläser mit Eiswasser. (Der Champagner kam erst später.)

Das schwarze, messingbeschlagene Ungetüm glänzte im Sonnenlicht, als es durch die Landschaft tuckerte. Stahl rollte auf Stahl, und an jedem Bahnübergang ertönte der klagende Pfiff.

Es war die erste Fahrt des Lumbertown-Partyzugs … Niemand ahnte, daß es auch die letzte sein würde.

Moose County, vierhundert Meilen nördlich vom Rest der Welt, war einst sehr reich gewesen, und die Eisenbahn hatte dazu beigetragen, es vor dem Ersten Weltkrieg zum wohlhabendsten Bezirk im Staat zu machen. Mit Bergbau, Holzwirtschaft und Transportwesen wurden Vermögen gemacht, und viele der alten Familien waren noch immer da; sie versuchten, das vererbte Geld zu halten oder beklagten seinen Verlust. Nur die Klingenschoen- Millionen waren zu Milliarden angewachsen, und dann waren sie – durch eine Ironie des Schicksals – in die Hände eines Außenstehenden gelangt, eines Mannes mittleren Alters mit einem üppigen, graumelierten Schnurrbart und einer ungewöhnlichen Abneigung gegen Geld.

Der Erbe war Jim Qwilleran. Im Süden unten, wie die Bewohner von Moose County die überbevölkerten Städte mit ihrer Umweltverschmutzung und ihren hohen Verbrechensraten nannten, war er ein hart arbeitender, preisgekrönter Journalist gewesen. Doch statt sich über sein Glück zu freuen, betrachtete Qwilleran ein zwölfstelliges Nettovermögen als Belastung und Beeinträchtigung. Er rief sofort den Klingenschoen-Fonds ins Leben, um den Überschuß wohltätigen Zwecken zuzuführen. Er selbst lebte zurückgezogen in einer umgebauten Scheune und schrieb für die lokale Tageszeitung die zweimal wöchentlich erscheinende Kolumne ›Aus Qwills Feder‹. Seine Freunde nannten ihn liebevoll ›Qwill‹; die restlichen Bewohner des Bezirks sagten respektvoll ›Mr. Qwilleran‹ zu ihm.

Bei einer Meinungsumfrage bei einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung würden die Frauen sagen:

»Ich finde seine Kolumne ganz toll! Er schreibt, als würde er mit mir reden!«

»Warum kann mein Freund nicht so groß und attraktiv und reich sein wie Mr. Qwilleran?«

»Sein Schnurrbart ist ja so romantisch! Aber seine Augen haben etwas Trauriges an sich, als hätte er ein schreckliches Geheimnis.«

»Er muß über Fünfzig sein, aber er ist phantastisch in Form. Ich sehe ihn ständig irgendwo herumspazieren oder radfahren.«

»Stellen Sie sich das mal vor – soviel Geld, und er ist noch immer Junggeselle!«

»Für sein Alter hat er wunderbar dichtes Haar. An den Schläfen wird es zwar schon grau, aber das gefällt mir!«

»Ich habe einmal bei einem Essen zugunsten des Roten Kreuzes neben ihm gesessen; er hat mir wirklich zugehört und das Gefühl gegeben, wichtig zu sein. Mein Mann sagt zwar, Journalisten werden dafür bezahlt, daß sie zuhören. Aber das ist mir egal. Mr. Qwilleran ist ein sehr charmanter Mann!«

»Wissen Sie, so wie er in seiner Kolumne über Katzen schreibt, muß er ein netter Mensch sein.«

Und die Männer von Moose County würden sagen:

»Eines kann ich Ihnen über Mr. Qwilleran sagen: Er paßt in jede Gesellschaft hinein. Man würde gar nicht glauben, daß er soviel Kies hat.«

»Wenn Sie mich fragen, er ist ein sehr lustiger Typ. Er kommt mit Leichenbittermiene zum Friseur, und bald darauf kugeln sich alle vor Lachen über seine witzigen Bemerkungen.«

»Die Frauen mögen ihn alle. Meine Frau zitiert ständig seine Kolumne, als wäre sie die Verfassung der Vereinigten Staaten.«

»Es heißt, er lebt mit ein paar Katzen zusammen. Ist das zu fassen?«

»Man fragt sich ja, warum er nicht heiratet. Er ist doch ständig mit dieser Frau von der Bücherei zusammen.«

»Die Leute finden es seltsam, daß er in einer Apfelscheune wohnt, aber was soll’s? Immer noch besser als ein Schweinestall.«

Qwilleran lebte tatsächlich in einer umgebauten Apfelscheune, und er verbrachte viele Stunden in der Gesellschaft von Polly Duncan, der Leiterin der Bücherei. Was die Katzen anbelangte, so handelte es sich um zwei verwöhnte Siamkatzen, die sich durch außerordentliche Intelligenz und den anspruchsvollen Gaumen von Gourmets auszeichneten.

Die Scheune war achteckig und hundert Jahre alt; das Fundament war aus Bruchstein, sechzig Zentimeter dick und mannshoch. Das Fachwerk aus dreißig mal dreißig Zentimeter dicken Holzpfosten ragte drei Stockwerke hoch auf, bis zum Dach. Einst hatte man eine Wagenladung voller Äpfel durch das Scheunentor fahren können, und unter dem Dach waren ganze Ernten gelagert worden. Jetzt bestand das Innere der Scheune aus einer Reihe von Galerien, die durch Rampen miteinander verbunden waren und einen makellos weißen Würfel genau in der Mitte der Scheune umgaben. Er hatte an drei Seiten Kamine, und drei weiße zylindrische Rauchabzüge führten zu dem achteckigen Dach. Der Kamin war ein beliebtes Plätzchen für die Katzen, die gerne hoch oben saßen. Die spiralförmig verlaufenden Rampen betrachteten die Katzen als hauseigene Rennbahn, und sie konnten einen Hundert-Meter-Sprint in der halben Zeit bewältigen, die ein menschlicher Athlet dafür benötigt hätte.

Eines Abends im Frühsommer – Qwilleran und seine beiden Freunde waren gerade von einem kurzen Urlaub auf der Frühstücksinsel zurückgekommen – las er ihnen gerade laut vor, als das Telefon läutete. Er entschuldigte sich und ging zu dem Apparat auf dem Schreibtisch.

»Ich hab’ ihn, Qwill!« rief eine aufgeregte Stimme. »Ich hab’ den Job!«

»Herzlichen Glückwunsch, Dwight! Ich würde gerne mehr darüber erfahren. Wo sind Sie?«

»Im Theater. Wir hatten gerade eine Komiteesitzung.«

»Kommen Sie ’rüber. Das Tor ist offen.«

Der Theaterclub von Pickax war im ehemaligen Klingenschoen-Herrenhaus am Park Circle untergebracht. Hinter dem Theater befand sich ein eingezäunter Parkplatz mit einem Tor, das zu einem dichten, kleinen Nadelwald führte, den Qwilleran ›Schwarzwald‹ nannte. Er war eine Art Puffer zwischen dem Verkehr auf dem Park Circle und der Apfelscheune. Binnen weniger Minuten hatte Dwights Wagen den holprigen Weg durch das Wäldchen zurückgelegt.

»Freut mich, daß alles so gut geklappt hat«, sagte Qwilleran zur Begrüßung. »Wie wär’s mit einem Glas Wein zur Feier des Tages?«

»Nur etwas Alkoholfreies«, sagte der junge Mann. »Ich bin von der guten Nachricht so aufgedreht, daß ich bei etwas Stärkerem glatt abheben würde. Wie gefällt Ihnen meine neue Fassade?« Er strich sich über sein glattes Kinn. »Meine neuen Bosse mögen keine Vollbärte. Ich komme mir plötzlich ganz nackt vor. Wie würden Sie sich ohne Ihren Schnurrbart fühlen?«

»Mir würde etwas fehlen«, sagte Qwilleran wahrheitsgemäß. Sein Schnurrbart war mehr als eine Zierde seines Gesichts, mehr als ein Markenzeichen über der Kolumne ›Qwills Feder‹.

Als er das Tablett mit den Getränken und den Snacks in den Wohnzimmerbereich trug, deutete Dwight auf den würfelförmigen Kamin. »Wie ich sehe, sind alle Ihre Enten zum Rapport angetreten.«

»Den Ausdruck habe ich nicht mehr gehört, seit ich in der Armee war. Wie gefallen sie Ihnen? Das sind handbemalte, handgeschnitzte Lockvögel aus Oregon. Polly hat sie aus ihrem Urlaub mitgebracht.«

»Wie hat es ihr in Oregon gefallen? Ich habe gehört, es soll dort wunderschön sein.«

»Ich bezweifle, daß sie viel von der Landschaft gesehen hat«, sagte Qwilleran. »Sie war bei einer ehemaligen Schulkollegin vom College zu Besuch, die jetzt Architektin ist, und anscheinend haben die beiden die ganze Zeit damit zugebracht, ein Haus für Polly zu entwerfen. Sie wird auf einem Stück Land am östlichen Ende meines Obstgartens bauen.«

»Ich dachte, sie wollte ihre Wohnung am Goodwinter Boulevard behalten.«

»Das hatte sie ursprünglich auch vor, als sie den Boulevard in ein College-Gelände umzubauen begannen. Sie dachte, es würde ihr Spaß machen, unter den Studenten zu leben. Aber als sie anfingen, Grünflächen zu asphaltieren und Parkplätze daraus zu machen, hat sie es sich anders überlegt.«

»Sie hätten am Eingang einen großen Parkplatz machen und die vielen Rasenflächen am Gelände beibehalten sollen«, sagte Dwight.

»Um Gottes willen, dann hätte doch vielleicht jemand einen Häuserblock weit zu Fuß gehen müssen, Dwight. Auf dem Lande bewegt man sich auf Rädern fort. Nur Stadtmenschen wie Sie und ich wissen, daß man auch zu Fuß gehen kann … Aber jetzt erzählen Sie mir von dem neuen Job.«

Dwight Somers, ein Publicity-Manager aus dem Süden unten, war in den Norden gekommen, um für ein florierendes Bauunternehmen in Moose County zu arbeiten. Leider war der Job ein Flop gewesen, und da alle von seiner Kreativität und Vitalität profitiert hatten, fürchtete man jetzt, ihn zu verlieren.

»Okay«, begann er. »Ich habe Ihnen ja erzählt, daß ich ein Vorstellungsgespräch bei einer PR-Firma in Lockmaster hatte, nicht wahr? Sie wollen, daß ich für sie eine Zweigstelle in Pickax eröffne, und gleich unser erster Klient ist höchst vielversprechend. Kennen Sie Floyd Trevelyan in Sawdust City?«

Er sprach von einer Industriestadt, die zwar eine große Bevölkerung und eine blühende Wirtschaft aufzuweisen hatte, bei den Bewohnern von Pickax jedoch als rückständig galt und einen schlechten Ruf hatte.

»Ich kenne niemanden in Sawdust City«, sagte Qwilleran, »aber ich weiß, daß es im Telefonbuch von Trevelyans wimmelt. Diese Scheune hier hat vor hundert Jahren zum Obstgarten der Trevelyans gehört.«

»Also, dieser Typ ist der Generaldirektor der Lumbertown Credit Union in Sawdust City, und das ist ein wirklich gutgehender Kreditverein. Er wohnt mit seiner Familie in einem großen Haus auf einem Riesengrundstück in West Middle Hummock. Außerdem ist er zufällig auch verrückt nach Eisenbahnen; er hat eine Modelleisenbahnanlage im Wert von einer halben Million Dollar. Und das ist noch nicht alles! Jetzt hat er auch eine echte Eisenbahn – eine Dampflokomotive und ein paar alte Waggons, ›rollendes Material‹, wie es im Eisenbahnerjargon heißt. Er will sie für Charterausflüge anbieten.«

»Welche Gleise will er benutzen?«

»Die alte SC&L-Linie befördert noch immer Frachtgut aus dem Süden unten herauf. Das ist kein Problem. Floyd möchte seinen Zug für Abendgesellschaften vermieten, für Cocktailpartys, Geschäftsveranstaltungen, Hochzeiten, Touristenausflüge, was auch immer. Wir nennen ihn den Lumbertown-Partyzug. Die führenden Persönlichkeiten von Sawdust City wollen den Fremdenverkehr ankurbeln, wie alle hier in der Gegend, und sie haben ihm ein bißchen unter die Arme gegriffen – ihm zum Beispiel geholfen, eine Konzession für Alkoholausschank zu bekommen.«

»Glaubt er, daß er damit Geld machen kann?« fragte Qwilleran, der sich daran erinnerte, wie die Hoffnungen von Dwights vorherigem Arbeitgeber geplatzt waren.

»Nun, in Floyds Fall ist es ein Hobby, oder vielleicht aus steuerlichen Gründen ein bewußtes Verlustgeschäft. Er hat einen Haufen Geld hineingesteckt, aber offenbar hat er es, also warum nicht? Die ganze Geschichte fing damit an, daß er auf diese eingemottete SC&L-Lokomotive stieß. Heute findet man kaum noch Dampflokomotiven, sagt er, und hier war eine in seiner unmittelbaren Umgebung. Ein toller Fund! Er hat Hunderttausende für die Restaurierung ausgegeben, angefangen mit der Entfernung des Taubendrecks. Danach kaufte er einen Speisewagen, und dann einen Art-deco- Salonwagen, und dann einen Triebwagen aus dem Privatbesitz eines Textilmagnaten. Die Ausstattung dieses Privatwaggons war phantastisch, doch war alles in einem miserablen Zustand, und er hat ein Vermögen für die Renovierung ausgegeben. Die Leitung der Renovierungsarbeiten hatte Amandas Inneneinrichtungsatelier. Ist das nicht ein phantastischer Auftrag? Vielleicht setzt Amanda sich jetzt zur Ruhe, und Fran Brodie kann das Geschäft übernehmen.«

»Hat er das Geld, das er in dieses Projekt steckt, geerbt?« fragte Qwilleran. »Ich weiß, es gibt ein paar gutbetuchte Trevelyans und ein paar, die von der Sozialfürsorge leben.«

»O nein! Floyd stammt aus einem Zweig des Trevelyan- Clans, der der Arbeiterklasse angehört, doch hat er aufgrund seiner Vorfahren, die als Pioniere hierherkamen, den sozialen Aufstieg im Blut. Er hat als Zimmermann angefangen, mit nicht mehr als einem Werkzeugkasten, und eines der größten Bauunternehmen des Bezirks aufgebaut. Zu seinem Glück war er von Anfang an dabei, als die staatliche Unterstützung zur Wiederbelebung von Moose County anlief.«

»Wollen Sie damit sagen, daß ein Bauunternehmer in Sawdust City mehr Aufträge hatte als XYZ Enterprises?« fragte Qwilleran erstaunt.

»Ob Sie es glauben oder nicht. XYZ Enterprises gibt es überhaupt erst, seit sich Exbridge, Young und Zoller zusammenschlossen und das Bauunternehmen Trevelyan aufkauften. Mit ihren Millionen hat Floyd dann die Lumbertown Credit Union aufgemacht. Er hatte das Arbeiter-Image satt, und dieser Schritt machte ihn in seiner Heimatstadt zu einem angesehenen Unternehmer – zu einer Art Lokalmatador. Für die Büros baute er ein Haus, das aussieht wie ein altmodisches Bahnhofsgebäude. Die Innenwände sind mit schmalen, dick lackierten Brettern getäfelt, und es gibt sogar ein paar alte, unbequeme Bänke aus Warteräumen. Und als wäre das alles noch nicht genug, fährt in der Eingangshalle eine Modelleisenbahn. Die Kunden sind begeistert! Sie nennen es die ›Choo-Choo Credit Union‹, und der Generaldirektor wird liebevoll F. T. genannt … Was halten Sie von Modelleisenbahnen, Qwill?«

»Auf die Gefahr hin, unamerikanisch zu klingen, muß ich sagen, daß ich mich nie dafür begeistern konnte. Als Kind habe ich mal zu Weihnachten eine einfache Gleisanlage und vier Waggons bekommen. Eigentlich hatte ich mir aber einen Baseballhandschuh gewünscht. Als die Waggons sechs- oder achtmal im Kreis gefahren waren, war ich ein sehr gelangweilter Baseballspieler. Es ist anzunehmen, daß mich diese Enttäuschung für mein ganzes Leben geprägt hat … Aber wenn Ihr Klient mitmacht, hätte ich nichts dagegen, eine Kolumne über Spielzeugeisenbahnen zu schreiben.«

»Wir nennen sie Modelleisenbahnen«, erklärte ihm Dwight. »Wenn meine Daten stimmen, gibt es mehr Erwachsene als Kinder, die diesem Hobby frönen.«

»Danke, das wußte ich nicht«, sagte Qwilleran, der als Journalist Respekt vor korrekten Bezeichnungen hatte.

»Ist Ihnen klar, Qwill, daß sich ernsthafte Sammler um einen schönen alten Modelleisenbahnwagen richtiggehend streiten? Floyd hat für eine fünfundzwanzig Zentimeter lange Lokomotive in der Originalschachtel über tausend Dollar gezahlt.«

»Wäre er an einem Interview interessiert?«

»Nun, der Umgang mit den Medien liegt ihm nicht besonders, aber ich werde ihn darauf vorbereiten. Geben Sie mir ein paar Tage, dann können Sie ihn im Lumbertown-Büro anrufen. Sein Haus in West Middle Hummock heißt The Roundhouse – der Rundschuppen. Es befindet sich zwei Meilen nach der Stelle, wo sich die Hummock Road vom Ittibittiwassee-River abgabelt. Sie können es nicht verfehlen. Er hat eine Lokomotive als Briefkasten. Aber veröffentlichen Sie seine Adresse nicht; er hat Angst vor Dieben. Sie sollten seine Alarmanlage sehen!«

»Wann wird der Partyzug zum ersten Mal fahren?«

»In ein paar Wochen. Maximal drei. Ich plane ein fulminantes Debüt, das die besten Leute im Bezirk anlockt und im ganzen Staat Publicity bekommt. Was würden Sie zu einer Probefahrt sagen, bei der die Fahrkarte fünfhundert Dollar kostet und der Erlös an wohltätige Zwecke geht? Es sollte alles vom Feinsten sein; ein exquisites Dinner mit Champagner und Chateaubriand, frische Blumen, Live- Musik …«

Qwilleran unterbrach ihn: »Wenn der Erlös an den Stipendienfonds des neuen Colleges geht, kaufe ich zwei Karten. Und ich setze auch Arch Daumenschrauben an, bis er welche kauft … Darf ich Ihnen nachschenken, Dwight?«

»Nein, vielen Dank. Das eine Glas reicht vollkommen … He, dieses Knabberzeug ist gut! Was ist das? Es sieht aus wie Trockenfutter für Hunde.«

»Eine Bekannte aus dem Süden unten hat es mir geschickt – sie hat es selbst erfunden. Sie nennt es Kabibbles.«

»Sie sollte es abpacken und verkaufen.«

Während sie sich unterhielten, krochen zwei geschmeidige, sandfarbene Gestalten mit braunen Extremitäten lautlos auf den Couchtisch und die Schlüssel mit den Kabibbles zu. Augen, die bei Tageslicht himmelblau waren, glitzerten im künstlichen Licht pechschwarz. Sie waren vollkommen auf das Ziel ihrer Wünsche konzentriert.

»Nein!« donnerte Qwilleran, und sie erhoben sich senkrecht in die Lüfte, als hätten sie statt Beinen Sprungfedern; dann liefen sie weg, um ihr nächstes Manöver zu planen. Sie hießen Koko und Yum Yum. Der Kater, der eigentlich Kao K’o Kung hieß, hatte einen schlanken, kräftigen Körper, unter dessen seidigem Fell das Spiel der Muskeln zu sehen war; außerdem zeichnete er sich durch seine unbeirrbare Entschlossenheit aus. Yum Yum war vom Körperbau und vom Wesen her zarter, wußte aber ganz genau, wie sie ihren Willen durchsetzen konnte.

»Wie hat es den Katzen auf der Frühstücksinsel gefallen?« fragte Dwight.

»Ihnen ist es egal, wo sie sind«, erwiderte Qwilleran, »solange sie ein paar sonnenbeschienene Fleckchen und ein weiches Plätzchen zum Schlafen haben.«

»Was wird im Hinblick auf das Chaos auf der Frühstücksinsel unternommen?«

»Es ist noch nicht offiziell bekanntgegeben worden, aber XYZ Enterprises wird die Rechte auf das Ferienzentrum verlieren, und der Klingenschoen-Fonds wird die Südspitze der Insel wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Das bedeutet auch Aufforstung und Sanierung des Strandgebietes. Den Rest soll dann Mutter Natur übernehmen.«

»Eine Riesenaufgabe, wenn Sie mich fragen«, sagte Dwight.

»Aber den Aufwand wert.«

»Was wird aus dem Domino Inn und den anderen Frühstückspensionen?«

»Es ist geplant, sie als Jugendherbergen, als Seniorenherbergen und für die Sommerkurse des neuen Colleges zu benutzen. Die Inselbewohner werden weiterhin in ihren abgeschiedenen Dörfern leben, und die Steuern für die exklusiven Sommerwohnsitze werden erhöht … Und jetzt erzählen Sie mir vom Theaterclub, Dwight. Was ist bei der Sitzung heute abend herausgekommen?«

»Wir haben beschlossen, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen und erstmals eine Sommerproduktion herauszubringen. Als Sekretär des Komitees nehme ich das Protokoll immer auf Tonband auf. Wollen Sie es hören?«

Dwight zog einen kleinen Kassettenrecorder aus der Tasche und stellte ihn auf den Couchtisch. Er spulte das Band ein paar Sekunden schnell vorwärts, und dann ertönten wohlbekannte Stimmen. Obgleich verzerrt durch die Beschränkungen des Geräts, waren sie doch erkennbar; Larry Lanspeak, der Kaufhausbesitzer … Fran Brodie, Innenausstatterin … Scott Gippel, Autohändler und Kassenwart des Clubs … Dwights eigene Stimme … und Junior Goodwinter, der junge Chefredakteur der Zeitung.

LARRY: Und jetzt etwas anderes. Sollen wir in Anbetracht des Zustroms von Touristen nicht ein Sommerstück aufführen?

JUNIOR: Die Camper, die Angler und Bootsfahrer können abends nirgends hingehen, außer in Kneipen. Es gibt nicht mal ein Kino.

GIPPEL: Ich bin dafür, es zu versuchen. Holen wir uns doch ein paar Touristendollar. Spielen wir eine Broadway- Komödie, bei der die Leute viel lachen können.

JUNIOR: Oder eine gute Kriminalgeschichte.

DWIGHT: Oder ein rührseliges Melodram, wie Billy the Kid, bei der das Publikum den Schurken ausbuht.

LARRY: Oder ein Musical mit kleiner Besetzung, wie The Fantasticks.

FRAN: Ich hätte gern, daß wir den Sommernachtstraum aufführen.

GIPPEL: Sie sind wohl übergeschnappt! Das ist Shakespeare!

LARRY: Ja, aber das Stück beinhaltet Komödie, Romanze, glanzvolle Szenen bei Hof und Zauberei. Was will man mehr?

JUNIOR: Der Sommernachtstraum kann großen Spaß machen. Ich habe im College den Puck gespielt.

LARRY: Im Keller sind noch alle Kostüme für Heinrich VIII. Die könnten wir für die Szenen bei Hof verwenden.

DWIGHT: Wirtschaft, Horatio! Wirtschaft!

FRAN: Wie war’s, wenn wir als Statisten Schüler nehmen, wie damals bei Heinrich?

GIPPEL: Endlich ein vernünftiger Vorschlag! Dann werden all ihre Freunde und Verwandten Karten kaufen. Ich sage: Machen wir’s. Wie viele Schüler können wir nehmen?

FRAN: Die Anzahl der Statisten ist praktisch unbegrenzt. Die älteren Schüler können das Gefolge bei Hof spielen und die jüngeren die Elfen.

GIPPEL: Elfen? Machen Sie Witze? Daraus sollten Sie lieber kleine grüne Männchen machen. Die Kids stehen nicht mehr auf Elfen. Ich habe drei zu Hause, ich weiß das.

DWIGHT: Drei kleine grüne Männchen? Oder drei Kinder?

(Lachen)

FRAN: Die Idee mit den kleinen grünen Männchen gefällt mir! Machen wir es! Ich würde sehr gerne Regie führen.

Dwight schaltete den Recorder aus. »Was halten Sie davon, Qwill?«

»Klingt gut, aber Polly wird einen Anfall bekommen, wenn Sie aus Shakespeares Elfen Außerirdische machen. Sie ist eine Puristin.«

»Dieses Detail steht noch nicht endgültig fest, aber wir fangen schon mal mit den Vorsprechterminen an. Ganz unter uns, wir wollen Junior als Puck und die Lanspeaks als den Herzog und seine Braut. Sie werden Oberon und Titania spielen. Sie haben die Rollen schon mal gespielt, und wenn wir vor dem Labor Day mit dem Stück auf die Bühne gehen wollen, müssen wir es uns so einfach wie möglich machen.«

Es war elf Uhr, und die Katzen waren wieder hereingekommen. Sie starrten den Gast ostentativ an.

Plötzlich sagte er: »Nun, ich sollte mich wohl lieber auf den Weg in die Hügel machen. Vielen Dank für alles.«

»Freut mich, daß Ihre berufliche Laufbahn eine so günstige Wendung genommen hat, Dwight.«

»Und das ist nicht die einzige gute Nachricht. Gestern abend hatte ich ein Rendezvous mit Hixie, und es läuft bestens.«

»Sie sind ein Glückspilz! Hixie ist ein lustiger Typ.« Die beiden paßten gut zueinander. Hixie Rice hatte es ebenfalls aus dem Süden unten in den Norden herauf verschlagen; sie leitete die Anzeigenabteilung der Zeitung. Qwilleran setzte eine gelbe Baseballkappe auf, die neben der Küchentür hing und begleitete seinen Gast zum Auto. »Wir haben im Wald eine Eule«, erklärte er, »und wenn sie ein dichtes Haarbüschel sieht, denkt sie vielleicht, es handle sich um ein Kaninchen. Ich zitiere Polly, die Vogelexpertin.«

»Nun, dann habe ich ja nichts zu befürchten«, sagte Dwight und fuhr sich mit der Hand über sein schütteres Haar. Dann neigte er den Kopf und lauschte. »Ich kann sie schreien hören. Hört sich an wie Morsezeichen – lange und kurze Schreie.«

Der glückliche junge Mann fuhr weg. Qwilleran sah seinen Rücklichtern nach, die über den ausgefahrenen Weg durch den Schwarzwald holperten, und er fragte sich, was wohl aus Hixies vorherigem Angebeteten geworden war. Er war Arzt. Er besaß ein Kajütboot. Er hatte einen Bart. Qwilleran spazierte ein paarmal um die Scheune herum, bevor er wieder hineinging; es war angenehm warm, und ein leichter Wind wehte. Er lauschte und zählte.

»Whuu-u-u huu huu … huu huu huu … whuu-u-u.«

Qwilleran beschloß, sie Marconi zu nennen und eine Kolumne über Eulen zu schreiben. Im Sommer waren neue Themen rar. Manchmal mußte die Zeitung seine beliebtesten Kolumnen wieder bringen, wie die über Baseball und die über Katzen.

Als er hineinging, war alles ruhig. Das war nicht normal. Die Katzen hätten auf- und abmarschieren und lautstark ihren nächtlichen Leckerbissen verlangen müssen. Statt dessen putzten sie sich gewissenhaft Pfoten, Schnurrhaare und Ohren, und die Schüssel auf dem Couchtisch war leer. Vollgestopft mit Kabibbles schwankten sie die Rampe zu ihrem Zimmer auf der obersten Galerie hinauf. Bevor er Feierabend machte, schrieb Qwilleran noch einen Dankbrief an eine Frau namens Celia Robinson.

Kapitel 2

Qwilleran schrieb seinen Dankbrief für die Kabibbles an seinem Schreibtisch im Bibliotheksbereich – an der Seite des würfelförmigen Kamins, die mit Bücherregalen verkleidet war. Für ernsthaftes Arbeiten gab es auf der Galerie ein Arbeitszimmer, zu dem die Katzen keinen Zutritt hatten, doch die freundliche Atmosphäre der Bibliothek mit den vielen Büchern war angenehmer zum Briefeschreiben und Telefonieren. Für seinen kurzen Brief an Celia Robinson verwendete er den scherzhaft-bombastischen Stil, bei dem sie Tränen lachen würde. Sie lachte sehr gern, und es bedurfte wenig, die gute Frau zum Lachen zu bringen.

Liebe Celia,

ich halte es für angebracht, meine Begeisterung und meinen aufrichtigen Dank für die delikaten Köstlichkeiten zu Papier zu bringen, die heute hier eingetroffen sind, um meine Geschmacksknospen zu reizen und meine Stimmung zu heben. Feinschmecker hier in dieser Gourmetbastion des Nordens haben Ihren Kabibbles bereits das glühendste Lob ausgesprochen. Ich schlage vor, Sie lassen sich den Namen patentieren und bringen sie auf den Markt. Sie könnten die Betty Crocker des einundzwanzigsten Jahrhunderts werden! Vielleicht betrauen Sie mich mit dem Vertriebsrecht für die Bezirke Moose County und Lockmaster. Geben Sie mir Ihre neue Adresse, damit ich Kabibbles in Zehn-Pfund-Säcken oder in Fünfundsiebzig-Liter-Fässern bestellen kann.

In Dankbarkeit,Qwilleran

In Pickax wußte niemand von Qwillerans launiger Bekanntschaft mit Celia Robinson, nicht einmal Polly Duncan – ganz besonders nicht Polly Duncan, die dazu neigte, auf das geringste Eindringen in ihr Territorium sauer zu reagieren. Die Bekanntschaft mit dieser Frau, die am anderen Ende der Vereinigten Staaten lebte, hatte begonnen, als Junior Goodwinters Großmutter plötzlich in Florida gestorben war. Mit Hilfe von Ferngesprächen mit ihrer Nachbarin hatte Qwilleran Ermittlungen über ihren Tod angestellt, und zwischen ihm und Celia hatte sich ein kumpelhaftes Verhältnis entwickelt. Er nannte sie seine Geheimagentin, und sie nannte ihn Boß. Er schickte ihr Kirschpralinen und die Spionageromane, die sie so gern las; sie schickte ihm selbstgebackenen Schokoladenkuchen. Sie hatten sich noch nie persönlich gesehen.

Der Fall war jetzt abgeschlossen, doch Qwilleran erhielt die Beziehung aufrecht, weil er einen Hintergedanken hatte: sie kochte gern. Er stellte sich gern vor, daß sie sich in Pickax niederließ und ihn und die Katzen mit Mahlzeiten versorgte. Das war gar nicht so unwahrscheinlich; sie wollte aus der Pensionistensiedlung in Florida wegziehen. »Zu viele alte Leute«, klagte sie. Celia war erst neunundsechzig.

Am nächsten Morgen ging Qwilleran den Schotterweg durch den Obstgarten zur Landstraße hinunter und steckte den Brief in seinen Briefkasten am Straßenrand. Der Weg war etwa so lang wie zwei Häuserblocks in der Stadt. Er führte an den Skeletten vernachlässigter Apfelbäume vorbei, zwischen anderen Bäumen durch, die im Laufe der letzten hundert Jahre von Eichhörnchen und Vögeln gesät worden waren, an den Überresten des alten Farmhauses der Trevelyans entlang, das niedergebrannt war, und an den zwei Morgen Land vorbei, auf denen Polly ihr neues Haus bauen wollte. Nachdem er das Fähnchen an dem überdimensionalen Briefkasten gehißt hatte, sah er sich ein paar Minuten lang die Baustelle an. Das Bruchsteinfundament des alten Hauses war in dem mit hüfthohem Unkraut bewachsenen Gelände kaum zu sehen. Ein Fliederstrauch hielt sich ohne jegliche Pflege sehr gut; er war zur Größe eines einstöckigen Hauses mit drei Schlafzimmern angewachsen, und er blühte noch immer jeden Frühling. Wenn der Wind aus der richtigen Richtung kam, konnte man den Duft sogar bis zur Apfelscheune riechen.

Polly wollte das alte steinerne Fundament stehenlassen – zu welchem Zweck, das hatte sie noch nicht entschieden. Immer wieder fragte sie: »Soll ich davor bauen oder dahinter, oder auf der anderen Seite? Darauf kann ich nicht bauen.«

Qwilleran hatte versucht, Vorschläge zu machen, doch ihre Fragen waren rein rhetorisch; sie war ein selbständiger Mensch, der seine eigenen Entscheidungen traf. Ihr Ruf als Leiterin der Bücherei war ausgezeichnet. Sie war tüchtig und schnell entschlossen. Sie konnte die Mitglieder des Verwaltungskomitees der Bücherei um den Finger wickeln, verbesserte das Angebot der Bücherei, kontrollierte das Budget, kam mit den Problemen eines alten Büchereigebäudes klar, organisierte Veranstaltungen und löste freundlich und mit gesundem Menschenverstand die persönlichen Probleme ihrer jungen Mitarbeiter. Ihren eigenen Schwierigkeiten stand sie jedoch vollkommen hilflos gegenüber.

Als Qwilleran vom Briefkasten zurückkam, merkte er, daß ihn von einem oberen Fenster der Scheune zwei blaue Augenpaare anstarrten. Er winkte ihnen zu und ging weiter – durch den Schwarzwald zum Park Circle mit seinen imposanten Gebäuden und der mehrspurigen Straße. Die unmittelbare Nähe von Stadt und Land war einer der Reize des Lebens in einer kleinen Kleinstadt mit dreitausend Einwohnern. Den Park Circle säumten zwei Kirchen, das Amtshaus, das Klingenschoen-Theater und ein Gebäude, das aussah wie ein griechischer Tempel – die öffentliche Bücherei.

Qwilleran marschierte rasch die steinerne Treppe zur Bücherei hinauf – die Stufen waren über ein Jahrhundert lang von unzähligen Füßen allmählich ausgehöhlt worden. Jetzt kamen zu den Füßen der Bücherentlehner auch die der Videoentlehner dazu, und Qwilleran bezweifelte, daß die Stufen noch ein halbes Jahrhundert durchhalten würden. Im Hauptsaal ging er direkt zur Treppe zum Mezzanin, wobei er den jungen Angestellten freundlich zunickte, die ihn ihrerseits respektvoll grüßten. Außerdem warfen sie einander schelmische Blicke zu; der Anblick des nicht mehr ganz taufrischen Freundes ihrer nicht mehr ganz taufrischen Vorgesetzten, der sie am hellichten Tag besuchte, amüsierte sie. Die Beziehung zwischen der Leiterin der Bücherei und dem reichsten Mann im nordöstlichen Teil des Mittelwestens der Vereinigten Staaten war in Pickax Gegenstand ständiger Spekulationen. Qwilleran lief die Treppe hinauf und sah das wohlvertraute Bild von Homer Tibbitt, der umgeben von Büchern und Broschüren an einem der Lesetische saß. Der Historiker des Bezirks war zwar schon weit über Neunzig, verbrachte jedoch jeden Vormittag in der Bücherei, wo er an irgendeinem geheimnisvollen Forschungsprojekt arbeitete. Oder vielleicht wollte er auch nur seiner extrem fürsorglichen Frau entkommen, wie die Büchereiangestellten kichernd vermuteten. Wenngleich bereits über achtzig, konnte Rhoda Tibbitt noch Auto fahren, und sie spielte die Chauffeuse, damit ihr Mann sein Lebenswerk weiterführen konnte.

Polly saß in ihrem von Glaswänden umgebenen Büro an einem Schreibtisch, auf dem sich die Papiere türmten. Beim Klang ihrer ruhigen, dunklen Stimme lief Qwilleran ein angenehmer Schauer über den Rücken, wie immer – egal, wie oft sie sich sahen oder wie viele Stunden sie am Vorabend miteinander verbracht hatten.

»Morgen«, sagte er in vertraulichem Tonfall. Er benutzte niemals Kosenamen, außer gegenüber Yum Yum, doch er hatte die Fähigkeit, ein zweisilbiges Grußwort warm und zärtlich klingen zu lassen. Er setzte sich auf einen harten lackierten Eichenstuhl im typischen Büchereistil, zirka 1910.

Polly sagte: »Du siehst heute morgen ganz besonders energiegeladen aus, Lieber.«

»Ich habe jede Menge Neuigkeiten«, verkündete er und begann sofort mit seinem Bericht über Dwights neuen Job, den Partyzug und die Entscheidung des Theaterclubs, Ein Sommernachtstraum aufzuführen. Er erwähnte nicht, daß die Elfen möglicherweise aktualisiert würden. Er erzählte sogar von Dwights Rendezvous mit Hixie als eine Art romantischem Meilenstein in der gesellschaftlichen Szene. Ein Außenstehender mochte das vielleicht Klatsch nennen, doch in Pickax war das ein legitimer Austausch von Informationen. Gute Neuigkeiten, Gerüchte, schlechte Nachrichten, Skandale und andere Informationen erreichten irgendwie immer als erstes die Bücherei; Pollys Assistentin, Virginia Alstock, hatte direkte Kontakte zur Gerüchteküche von Moose County und war für die Verbreitung zuständig.

Heute waren Pollys Reaktionen gedämpft. Sie wirkte abwesend und warf häufig einen Blick auf den Stapel von Handbüchern über Hausbau, der auf einer Ecke ihres Schreibtisches lag.

Der Titel des obersten Buches lautete: Wie man für weniger Geld ein besseres Haus baut, und er fragte: »Kommst du mit deinen Plänen für das Haus voran?«

»Ich weiß nicht«, sagte sie und seufzte unendlich müde. »Es ist alles so verwirrend. Susan hat in Oregon Skizzen für ein ebenerdiges Haus gezeichnet, das sich harmonisch in die Umgebung einfügen würde. Kein Keller. Die Heizung sollte in einem eigenen Raum neben der Waschküche untergebracht werden … Doch in diesen Büchern hier steht, daß ein einstöckiges Haus sowohl im Hinblick auf den Bau als auch auf die Heizung wirtschaftlicher ist, und dann hätte Bootsie die Möglichkeit, die Treppe hinauf- und hinabzulaufen, um in Bewegung zu bleiben.«

»Baue ein ebenerdiges Haus mit Keller und laß ihn die Kellertreppe hinauf- und hinunterlaufen«, schlug Qwilleran mit bezwingender Logik vor. Bootsie war das andere männliche Wesen in Pollys Leben, ein kräftiger Siamkater. Qwillerans Meinung nach war er extrem verhätschelt.

»Ich mag Keller nicht. Ich habe zu viele feuchte gesehen«, warf sie ein. »Ich habe an einen gut isolierten Schlupfkeller gedacht. Was meinst du, Qwill?«

»Da fragst du den Falschen. Ich bin nur Journalist; das Hausbauen überlasse ich den Baumeistern. Warum engagierst du nicht eine Expertenfirma wie XYZ Enterprises?«

»Aber die ist so groß und rein kommerziell orientiert, und seit dem Fiasko auf der Frühstücksinsel halte ich nicht mehr sehr viel von ihr. Ich bin überzeugt, daß ein kleiner Bauunternehmer sich persönlicher mit den Bedürfnissen und Ideen des Auftraggebers auseinandersetzt. Mrs. Alstocks Schwiegereltern in Black Creek haben einen jungen Mann engagiert. Er ist zeitgerecht fertiggeworden und hat sich weitgehend an den Kostenvoranschlag gehalten. Wir sollten doch junge Handwerker fördern, findest du nicht? Er wohnt in Sawdust City.«

»Hmmm«, sagte Qwilleran nachdenklich; er hatte gehört, daß die Leute aus Sawdust City allesamt Raufbolde waren, die am Samstagabend Flaschen durch Gasthausfenster warfen. »Wie heißt er?«

»Er ist ein Trevelyan – auch so ein sogenannter ›haariger Waliser‹, aber ich habe nichts gegen lange Haare und einen Zottelbart, wenn er gute Arbeit leistet.«

»Soll ich ihn für dich überprüfen lassen? Die Zeitung hat einen Korrespondenten in Sawdust City.«

»Also … vielen Dank, Qwill, aber … Mrs. Alstock hat mich eingeladen, mir morgen abend das Haus ihrer Schwiegereltern anzusehen, und Mr. Trevelyan wird auch dort sein. Ich werde meine Skizzen mitnehmen, und wenn er einen guten Eindruck auf mich macht –«

»Schau mal, ob er mit den Skizzen etwas anfangen kann«, schlug Qwilleran vor, der sich an einen Bauarbeiter erinnerte, den er in Mooseville kennengelernt hatte.

»O nein! In Pickax müssen die Pläne und Baubeschreibungen von einem Architekten erstellt werden, damit man eine Baugenehmigung bekommt.«

Abrupt wechselte Qwilleran das Thema und sagte: »Ich halte dich von der Arbeit ab. Willst du heute mit mir in die Old Stone Mill abendessen gehen?«

»Das würde ich sehr gerne, mein Lieber, aber ich habe eine Sondersitzung des Büchereikomitees einberufen. Wir gehen ins Hotel abendessen und kommen dann hierher zurück, um die Asphaltierung des Parkplatzes zu besprechen. Wir haben Kostenvoranschläge eingeholt.«

Scherzhaft sagte er: »Ich hoffe, deinen literaturbegeisterten Damen schmeckt die unvermeidliche Hühnerpastete und das Zitronensorbet, oder ›Sorbert‹, wie es auf der Speisekarte steht.«

Polly lächelte; sie merkte, daß das ein freundlicher Seitenhieb auf die Küche des Hotels und den kümmerlichen Spesenetat der Bücherei für die Mahlzeiten der Komiteemitglieder war. »Du kannst uns gern Gesellschaft leisten«, sagte sie scherzhaft.

»Nein, danke; aber warum bringst du das Komitee nicht dazu, ein paar Dollar für Kissen für diese Stühle lockerzumachen?«

»Ach, geh doch endlich«, sagte sie zärtlich und scheuchte ihn aus ihrem Büro. Sie trug den Ring, den er ihr zu Weihnachten geschenkt hatte – einen feurigen schwarzen Opal, der von winzigen Diamanten eingefaßt war. Er wußte, sie trug ihn, um damit die ›literaturbegeisterten Damen‹ zu beeindrucken.

Qwilleran ging aus Pollys Büro und blieb bei Homer Tibbitt stehen, um ihn zu begrüßen. Die Augen des alten Mannes waren vom vielen Lesen ganz glasig, und er blinzelte ein paarmal, bevor er das Gesicht erkannte.

»Sagen Sie mir eins, Homer. Wie können Sie so viele Stunden auf diesen harten Stühlen sitzen?« fragte Qwilleran.

»Ich bringe ein aufblasbares Kissen mit«, sagte der Historiker. »Und eine Thermosflasche mit koffeinfreiem Kaffee; aber sagen Sie das bloß nicht Polly. Auf dem Schild steht: Keine Speisen und Getränke. Ich gehe alle Stunden oder so mit meiner braunen Tasche auf die Toilette und nehme einen tüchtigen Schluck.«

Qwilleran nickte verständnisvoll; er wußte, daß Homers koffeinfreier Kaffee mit einem Schuß Brandy versetzt war. »Wie geht es Ihnen denn so?« Der alte Mann schnaufte hörbar.

»Ich habe die üblichen Alterswehwehchen, und dazu eine leichte Bronchitis von diesen verstaubten, verschimmelten Dokumenten.« Er klopfte sich auf die Brust. »Meine Bronchien pfeifen. Man hört es durchs ganze Gebäude. Ich versuche eine Arbeit (pfeif) über die Bergwerke von Moose County von 1850 bis 1915 zu schreiben.«

»Was wissen Sie über die Familie Trevelyan?«

»Die gibt es hier seit sechs Generationen; sie stammen allesamt von zwei Brüdern ab, die aus Wales zugewandert sind (pfeif) und als Vorarbeiter in den Bergwerken gearbeitet haben. Die zweite Generation hat Sägewerke gebaut und Sawdust City gegründet.« Mr. Tibbitt unterbrach seinen Bericht, weil er einen Hustenanfall bekam, und Qwilleran stürzte zum Wasserbehälter und brachte ihm einen Becher Wasser. »Tut mir leid«, entschuldigte sich der alte Mann, als er sich vom Husten erholt hatte. »Also, wo war ich gerade stehengeblieben?«

»Sawdust City«, erinnerte ihn Qwilleran. »Die Trevelyans.«

»Ob Sie es glauben oder nicht, diese häßliche kleine Stadt war ursprünglich Sitz der Bezirksverwaltung; damals war Pickax nur ein Hügel an der Landstraße. Als sie die Verwaltung nach Pickax verlegten, weil es (pfeif) so zentral gelegen war, probten die Bewohner von Sawdust den bewaffneten Aufstand und wollten sich von Moose County abspalten. Das einzige, was sie erreichten, war ein unabhängiges Schulsystem.«

»Kennen Sie einen Floyd Trevelyan, Homer? Er ist Generaldirektor der Lumbertown Credit Union in Sawdust City.«

»Glaube ich nicht. Wissen Sie, wir Pickaxer sind unverbesserliche Snobs. Ist Ihnen klar, daß Sie (pfeif) im alten Obstgarten der Trevelyans wohnen? Seit Generationen wollte niemand etwas mit dem Grundstück zu tun haben, bis Sie kamen – ein Greenhorn aus dem Süden unten, heh, heh, heh.«

»Weil sie Snobs sind?« fragte Qwilleran.

»Wegen des Fluchs der Trevelyans«, verbesserte ihn der Historiker. »Die Apfelbäume sind verdorrt, das Farmhaus wurde vom Blitz getroffen, und der Farmer hat sich erhängt.«

»Wer hat den Fluch ausgesprochen?«

»Das weiß keiner.«

»Zu Ihrer Information, Homer, Polly baut an der Stelle, wo das Farmhaus stand, ein Haus.«

»Nun, erzählen Sie ihr nicht (pfeif), was ich gesagt habe.«

»Ist schon in Ordnung. Sie ist nicht abergläubisch.«

»Trotzdem, erzählen Sie es ihr nicht«, riet ihm der alte Mann.

Nachdem er die Bücherei verlassen hatte, ging Qwilleran weiter ins Stadtzentrum. Spontan besuchte er ein paar Leute, um Informationen auszutauschen.

Er ging in Scotties Herrenmodengeschäft, um sich die Sommerhemden anzusehen. Es sagte ihm keines zu, aber er plauderte mit dem Besitzer und erzählte ihm von dem Partyzug.