Die kleine Mühle am Wiesenbach - Leonie Fröhlich - E-Book
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Die kleine Mühle am Wiesenbach E-Book

Leonie Fröhlich

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Beschreibung

Verliebe dich in der kleinen Mühle am Wiesenbach!

Als Lisa erfährt, dass der Reiterhof in der Eifel, wo sie als Kind immer die Ferien verbracht hat, zwangsversteigert werden soll, fasst sie kurzerhand einen Entschluss: Sie nutzt ihre gesamten Ersparnisse, um den Hof samt Mühle zu erwerben. Im Wiesenbachtal angekommen, trifft sie der Schlag: Das Gebäude ist vollkommen verwahrlost.

Durch Zufall lernt sie Vincent kennen, den Sohn des Geschäftsführers einer großen Bäckerei-Kette. Er und auch sein bester Freund Simon, ein charmanter Bio-Bäcker, helfen Lisa dabei, ihren Traum zu verwirklichen: Sie will die alte Getreidemühle wieder in Betrieb nehmen und hochwertiges Mehl herstellen. Doch schon bald gerät Lisas Herz gefährlich aus dem Takt ...

Zauberhaft wie eine Blumenwiese, malerisch wie das Rauschen eines kleinen Baches, romantisch wie der Sternenhimmel - das ist die kleine Mühle am Wiesenbach!

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Seitenzahl: 297

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Epilog

Über die Autorin

Impressum

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Über dieses Buch

Verliebe dich in der kleinen Mühle am Wiesenbach!

Als Lisa erfährt, dass der Reiterhof in der Eifel, wo sie als Kind immer die Ferien verbracht hat, zwangsversteigert werden soll, fasst sie kurzerhand einen Entschluss: Sie nutzt ihre gesamten Ersparnisse, um den Hof samt Mühle zu erwerben. Im Wiesenbachtal angekommen, trifft sie der Schlag: Das Gebäude ist vollkommen verwahrlost.

Durch Zufall lernt sie Vincent kennen, den Sohn des Geschäftsführers einer großen Bäckerei-Kette. Er und auch sein bester Freund Simon, ein charmanter Bio-Bäcker, helfen Lisa dabei, ihren Traum zu verwirklichen: Sie will die alte Getreidemühle wieder in Betrieb nehmen und hochwertiges Mehl herstellen. Doch schon bald gerät Lisas Herz gefährlich aus dem Takt ...

Zauberhaft wie eine Blumenwiese, malerisch wie das Rauschen eines kleinen Baches, romantisch wie der Sternenhimmel – das ist die kleine Mühle am Wiesenbach!

Leonie Fröhlich

Die kleine Mühle am Wiesenbach

Prolog

»Das ist das Donnerwetter allemal wert!«

»Warte auf mich, Julia!« Lisa spornte ihr Pferd an, um mit Julias Tempo Schritt zu halten. »Schneller, Stella!« Das Pferd gehorchte, und das gesteigerte Tempo ließ Lisa im Sattel nach hinten rutschen. Mit Julia mitzuhalten war kein leichtes Unterfangen, denn ihre Freundin war eindeutig die bessere Reiterin. Aber so schnell gab Lisa nicht auf. Die beiden Mädchen ritten durch die enge Schlucht, folgten einem steinigen Pfad dem Bachlauf entlang. Ein schweres Grollen legte sich über das Echo der Hufschläge.

»Komm schon, wir schaffen das, bevor der Regen einsetzt!«, rief Julia zurück, ohne sich umzudrehen.

Lisas Herz klopfte vor Aufregung. Der Weg wurde immer holpriger, und sie waren viel zu schnell unterwegs. Ihr Haar hüpfte aus dem Haarreif, und der Wind blies ihr die Strähnen immer wieder ins Gesicht, sodass sie ihre Umgebung nur noch durch einen blonden Schleier wahrnahm.

Das Grollen des Donners wurde lauter. Lisa zuckte zusammen, als ihr die ersten dicken Regentropfen ins Gesicht klatschten. Selbst der Bach rauschte wilder, als würde er bereits die Wassermassen mit sich tragen, die sich nicht weit von ihnen entfernt aus dem Himmel lösten.

Endlich schaffte es Lisa, zu ihrer Freundin aufzuschließen, wohl auch nur, weil Julia das Tempo verlangsamte, da der Weg stetig schmaler wurde.

»Veronika wird uns ganz bestimmt den Kopf abreißen!« Lisa beugte sich nach vorn und strich dem Tier über den Mähnenansatz.

Julia grinste sie unbekümmert an. »Aber das war es doch wert, oder?«

Ihr Herz klopfte noch immer wild in der Brust, dennoch nickte Lisa eifrig. Sie liebte diesen Reiz, etwas Verbotenes zu tun. Und das, was sie getan hatten, war verboten hoch zehn. Klammheimlich hatten sie sich von den anderen entfernt und zu den Ställen geschlichen, wo ihre beiden Lieblingspferde bereits auf sie gewartet hatten.

Für die nötige Ablenkung war gesorgt, indem sie überall in den Gebäuden der Mühle die Wasserhähne aufgedreht hatten – auch an den Duschen in den Waschräumen. Dass sie von Joachim dennoch gesehen worden waren, wie sie sich auf die Rücken der Tiere geschwungen hatten und losgeritten waren, war Pech und ließ sich nicht mehr ändern. Donnerwetter hin oder her, Lisa war glücklich.

Selbst das aufziehende Unwetter konnte ihrer Stimmung nichts anhaben. Sie befand sich in den Ferien ihres Lebens – mit dem unvergleichlichen Gefühl von Freiheit, das das Reiten ihr bescherte. Seit zwei Wochen teilte sie diese Erfahrung mit ihrer besten Freundin Julia auf der Alten Reitermühle, und noch zwei weitere Wochen lagen wie ein nicht enden wollendes Abenteuer vor ihnen.

Natürlich gab es Momente, in denen sie ihre Eltern vermisste. Sie waren nach Südfrankreich gereist, allerdings ohne Lisa. Zwar genoss Lisa ihre Familienauszeit in vollen Zügen, aber ein kleiner Teil von ihr sehnte sich danach, ihre Erlebnisse mit ihnen teilen zu können.

Doch gegen das Heimweh gab es diesen einen Jungen auf dem Hof, der ihre Gedanken seit Beginn der Ferien ordentlich durcheinanderwirbelte. Er war im selben Alter und hatte ein unglaubliches Händchen für die Ponys und Pferde. Lisa hatte ihn vom ersten Tag an bewundert, allerdings befand sie sich in einer Zwickmühle, denn Julia hatte ebenfalls ein Auge auf ihn geworfen.

Bislang war ihre Freundschaft mit Julia immer so einfach gewesen. Keine Dramen, keine Eifersucht, nichts. Und nun war plötzlich alles kompliziert. Lisa wusste nicht mal, was sie wirklich wollte. Natürlich wollte sie mehr Zeit mit ihm verbringen und ihn besser kennenlernen. Aber dafür riskieren, dass Julia sauer auf sie wurde? Auf keinen Fall! Ihre Freundschaft war zu wichtig. Außerdem stand nichts über dem Reiten. Schon gar kein Junge!

Sie beugte sich nach vorn und umarmte Stellas Hals. »Das hast du spitze gemacht, dafür gibt es heute eine Extraportion Hafer für dich!«

Sie ließen die letzten Meter der Schlucht hinter sich und ritten aus den Schatten der Bäume heraus, womit sich ihnen der Anblick der alten Mühle offenbarte. Das liebevoll zu einem Ferienreiterhof umfunktionierte Mühlenanwesen lag idyllisch an dem im Moment nicht mehr ganz so leise plätschernden Bach, der einst das schwere Mühlrad angetrieben hatte. Das Fachwerk des Hauptgebäudes zeichnete sich scharf gegen den schwärzer werdenden Himmel ab. Ein wenig ängstlich hob sie den Kopf. Sie hasste Gewitter.

Trotzdem strahlte das Mühlenanwesen mit dem großen Gartengrundstück und all seinen Nebengebäuden eine robuste Beständigkeit aus, als wäre es ein sicherer Hafen – selbst im Angesicht eines heranziehenden Sturms. Und doch ließ sich das flaue Gefühl in Lisas Magen nicht ignorieren.

»Das wird Ärger geben«, murmelte Lisa mehr zu sich selbst.

»Und wenn schon!« Ihre Freundin warf ihr einen Mut machenden Blick zu. »Hast du gesehen, wie Bella und Stella gelaufen sind? Das war Freiheit pur!« Ihre Stimme klang beinahe beschwörend, als wolle sie Lisa überzeugen, dass der Ärger es wert gewesen war.

Lisa bewunderte sie. Julia war schon immer die Tapfere von ihnen gewesen. Es gab kein Abenteuer, das sie ausließ. Angst schien ihr ein Fremdwort.

Als sie sich dem Hof näherten, fiel Lisas Blick auf einen Wagen in der Einfahrt, der vor ihrem Ausritt definitiv noch nicht dort gestanden hatte. Etwas daran wirkte merkwürdig vertraut, doch bevor sie dem Gedanken weiter nachgehen konnte, bemerkte sie eine Gruppe Kinder, die sich bereits auf dem Hof versammelt hatte. Lisa kam es vor, als wären alle Augen auf sie gerichtet. Und nun schwieg auch Julia und sah auf einmal mächtig eingeschüchtert aus.

Mit einem letzten tiefen Atemzug ritten sie auf das Tor zu, bereit, sich den Folgen zu stellen.

Kaum waren sie abgestiegen und hatten die Pferde zögerlich in den Hof geführt, fanden sie sich unmittelbar in der festen Umklammerung von Joachims Blick wieder. Er funkelte sie mit einer Intensität an, die Lisa und Julia stumm bleiben ließ. Er trat auf sie zu und nahm ihnen die Zügel der Pferde aus der Hand.

Julia öffnete den Mund, doch Joachim fegte mit seiner Hand durch die Luft und ließ so keinen Raum für Diskussionen. Stumm wies er sie an, sich zu den anderen zu gesellen.

Lisas Herz schlug schneller. Dicht an Julia gedrängt wollte sie in die vermeintliche Sicherheit der Gruppe flüchten. Doch ein hallendes »Du nicht!« ließ sie abrupt innehalten. Sie blickte den groß gewachsenen Mann eingeschüchtert an. Etwas stimmte nicht. Er vermied es, sie direkt anzusehen. Und das war ein Verhalten, das sie nur noch mehr beunruhigte.

»Geh in die Küche, Lisa. Veronika wartet dort auf dich.«

Mit einem schweren Kloß im Hals tauschte sie einen kurzen Blick mit Julia. Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Lisa war die Ältere, vermutlich wurde sie deshalb zur Verantwortung gezogen.

Sie machte sich wortlos auf den Weg zur Küche der Mühle. Immer mehr Regentropfen landeten auf ihr, und der zunehmende Wind zerrte an ihren Haaren. Als sie die schwere Holztür der Mühle öffnete, wurde sie von einer einladenden Wärme und Stille empfangen. Kaum hatte sie die Küche betreten, schlug ihr der Duft von frisch gemahlenem Kaffee entgegen.

Veronika stand am rustikalen Holztisch und hielt eine alte Kaffeemühle in der Hand. Sie hörte erst mit dem Mahlen auf, als Lisa ein paar Schritte in ihre Richtung ging. Sie trug ihre typische bunte Tunika, die in allen Farben des Regenbogens leuchtete, und eine Vielzahl von Armreifen, die bei jeder Bewegung klirrten.

Veronika war eine warmherzige Frau, deren wilde Locken und sanfte Gesichtszüge auf eine faszinierende Weise zusammenpassten. Sie strahlte eine Energie aus, die an eine Naturgewalt erinnerte – kraftvoll und unaufhaltsam, als könnte sie Stürme und Orkane entfachen, und das stets mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht.

»Hallo, Lisa, da bist du ja«, sagte sie leise. »Setz dich doch – zu deinen Großeltern.«

Lisas Kopf fuhr herum, und als ihr Blick auf den Tisch fiel, zuckte sie vor Schreck zusammen. Dort saßen zwei Menschen, die sie nur zu gut kannte.

»Aber ... was ... Oma! Opa! Dann war das euer Wagen in der Einfahrt!«

Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, während sie bereits den ersten Schritt auf die beiden zutrat, bereit, auf sie zuzustürmen und sie innig zu umarmen. Doch dann hielt sie inne. Etwas an ihrem Gesichtsausdruck ließ sie stocken. Ihre Oma hatte rote, verweinte Augen. Und auch ihr Opa, der sonst mit seiner ruhigen Art immer Halt gab, wirkte erschöpft.

»Setz dich, mein Schatz«, sagte ihre Oma, und ihre Stimme klang ungewohnt rau.

Lisa wäre lieber stehen geblieben. Noch viel lieber wäre sie einfach davongerannt. Was ging hier vor sich?

Dennoch ließ sie sich langsam auf einen Stuhl sinken, ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust. Etwas stimmte nicht. Ganz und gar nicht. Ein kalter Kloß bildete sich in ihrem Hals, als sie den Blick ihrer Großeltern suchte.

»Lisa, Liebes ...« Ihre Oma griff nach ihrer Hand und hielt sie fest, als würde sie sich selbst daran klammern. „Wir ... wir müssen dir etwas sagen.«

Ihr Opa setzte zum Sprechen an, doch seine Stimme versagte. Es war ihre Oma, die schließlich die Worte fand, die alles für immer verändern sollten.

»Etwas Schlimmes ist passiert, Lisa«, flüsterte sie. „Es gab einen schrecklichen Autounfall ...«

Lisa spürte, wie ihr der Boden unter den Füßen entglitt. Ihre Finger krampften sich in den Stoff ihrer Reithose, als sie den Kopf schüttelte. „Nein ...«

Der Druck um ihre Hand wurde fester.

Unversehens kullerten aus den Augenwinkeln ihrer Oma Tränen und liefen die Wangen hinunter.

Dieser Anblick erschütterte Lisa bis ins Mark. Sie nahm all ihren Mut zusammen und fragte mit brüchiger Stimme. „Was für einen Unfall?«

Ihre Oma schluckte schwer, räusperte sich und sprach mit stockender Stimme weiter. »Deine Eltern ... sie ... sind tot.«

Kapitel 1

Es war kein guter Tag. Wie konnte er auch? Er hatte von Anfang an nicht die Chance dazu gehabt, auch nur ein halbwegs anständiger Tag zu werden.

»Wie Sie sehen können, habe ich versucht, die Tradition Ihres Unternehmens mit einem modernen Ansatz zu verbinden.« Lisa platzierte die beiden Ausdrucke ihrer Entwürfe so, dass sie direkt unter den Nasen der beiden Männer lagen. Zwei Mappen hatte sie angefertigt und auf hochwertigem Papier im Copyshop ihres Vertrauens drucken lassen. Sie fand noch immer, dass ihre Kreation echt was hermachte. »Das neue Design spiegelt die Reinheit und Natürlichkeit Ihrer Produkte wider, und die Verwendung von sanften Farben kommuniziert Vertrauen und Zuverlässigkeit.«

Sie saß an dem riesigen Tisch des unfassbar riesigen Konferenzraums, der allein schon einschüchternd genug war. Doch so richtig eingeschüchtert war sie dadurch, dass neben ihr niemand Geringeres als Ernst Heidger, der Gründer und Geschäftsführer von Vitaskin, saß – mitsamt seinem Marketingleiter Dr. Jan Westmann. Beide rochen sogar nach der Hautcreme, die hier produziert und vertrieben wurde.

Lisa hatte diesen wichtigen Termin, um die ersten Layout-Vorschläge für den neuen Unternehmensauftritt zu präsentieren.

Ihre Designs sollten die Grundlage für die Neugestaltung sämtlicher Broschüren sowie der Homepage bilden. Ziel war es, dem Auftritt eine moderne, frische Optik zu verleihen.

Es war ein guter Job. Ein lukrativer Job.

Die Männer blätterten durch die ausgedruckten Seiten. Immer wieder erklärte Lisa ihre Gestaltungselemente, erntete aber zurückhaltende Reaktionen, was sie zunehmend verunsicherte.

»Nun ja, Frau Rosenberg.« Dr. Westmann nahm die Ausdrucke über den Rand seiner Brille hinweg in Augenschein. »Das wirkt alles recht ... hm, modern.«

Vor ihm aufgeschlagen lag eine gestaltete Doppelseite, die Lisas ganzer Stolz war. Die linke Seite wurde von einem großformatigen Bild dominiert, das eine stilisierte Nahaufnahme eines Tautropfens auf einem grünen Blatt zeigte. Sie wollte damit die Reinheit und Natürlichkeit des Produkts symbolisieren. Die rechte Seite war in klare und modern aussehende Segmente unterteilt. Im oberen Bereich befand sich ein großflächiges Bild einer Influencerin, die lächelnd eines der Vitaskin-Produkte in die Kamera hielt. Daneben war ihr Instagram-Name zu lesen:

@beautybyjoana: »Diese Creme hat mein Hautpflege-Karma revolutioniert!«

»Aber ja doch!« Lisa lächelte. »Zeitgemäß und dynamisch, mit einem besonderen Fokus auf eine potenzielle Social-Media-Kampagne – ein Bereich, in dem Ihr Unternehmen bislang noch gar nicht präsent ist.« Sie nahm tief Luft, um sich zu zügeln, weil sie selbst merkte, wie schnell sie sprach. »So, wie es im Briefing stand.« Sie tippte die Frau auf dem Ausdruck an. »Eigens hierfür habe ich namhafte Influencer kontaktiert und -«

»Das verstehen wir natürlich«, fiel Dr. Westmann ihr ins Wort. Auch er lächelte, jedoch wirkte es ein wenig verkrampft.

»Allein die neue Typografie.« Sie deutete auf die übersichtlichen, aber wirkungsvollen Überschriften. »Sie ist bewusst so gewählt, dass sie die Lesbarkeit erhöht und gleichzeitig das Auge auf die wesentlichen Informationen lenkt.«

»Aber was war denn an der Bodoni auszusetzen?«, unterbrach der Marketingleiter sie. »Die haben wir doch immer schon benutzt. Sie ist klar strukturiert. Prägnant.«

Nun war es Lisa, die gequält lächelte. »Nun ja, Herr Dr. Westmann«, begann sie zögernd. Keinesfalls wollte sie dem Mann, an dem dieser Auftrag zum großen Teil hing, auf den Schlips treten. Aber an manchen Tatsachen gab es einfach nichts zu rütteln. »Es ist eine Schriftart, die hauptsächlich für Todesanzeigen verwendet wird.«

Dr. Westmann sagte nichts, schaute sie dafür umso ausdrucksloser an. Also drehte sie ihren Kopf in die andere Richtung und betrachtete den Firmengründer, der aber auch nichts sagte.

Also redete Lisa unbeirrt weiter: »Ich dachte, dass es ruhig etwas frischer sein könnte für Ihren neuen, modernen Look.«

Ernst Heidger war ein Mann mit grau meliertem Haar und scharfen Zügen, der sie nun streng musterte. Der Marketingleiter machte sich derweil Notizen, ohne den Blick von seinem Block zu heben. Leider hatte er eine zu krakelige Schrift, als dass Lisa auch nur ein Wort hätte entziffern können.

»Das ist richtig«, stimmte nun auch der Firmengründer zu. »Aber ... so modern?«

»Wir dachten da eher an etwas Klassisch-Modernes«, griff der Marketingleiter die Kritik seines Vorgesetzten auf. »Eben nicht so gänzlich modern, sondern eben ...«

»Klassischer?«, fragte Lisa.

Nun war es ein echtes Lächeln in seinem Gesicht. »Ganz genau, Frau Rosenberg!«

»Wir danken Ihnen für Ihre Bemühungen.« Der Gründer erhob sich, woraufhin auch der Marketingleiter förmlich aufsprang. »Allerdings glauben wir, dass Ihre Entwürfe noch einiges an Überarbeitungen bedürfen, um wirklich den Kern unserer Marke zu treffen.« Ernst Heidgers Stimme klang zwar höflich, aber distanziert.

Dr. Westmann nickte zustimmend. »Genau. Es ist wichtig, dass die damit einhergehende Modernisierung unseres Unternehmensauftritts nach wie vor unsere lange Tradition und die Qualität unserer Produkte repräsentiert. Wir sind uns sicher, dass Sie mit einigen Anpassungen genau das erreichen können.«

»Natürlich.« Lisa nickte eifrig und verbarg ihre Enttäuschung hinter einem professionellen Lächeln. Unzählige Stunden hatte sie an diesen Entwürfen getüftelt. Bis eben noch war sie überzeugt davon gewesen, eine perfekte Markenerneuerung für eine angestaubte Hautcreme geschaffen zu haben, deren Zielgruppe dem Unternehmen nach und nach wegstarb.

»Ich werde noch einmal über die Entwürfe gehen und versuchen, Ihre Anmerkungen so gut wie möglich umzusetzen.« Selbst in ihren Ohren klang es nach einer einstudierten Phrase, was es in gewisser Weise auch war. Zu oft hatte sie Präsentationsmeetings mit ebendiesem Ergebnis verlassen. Aufträge, mit denen Firmen sich neu erfinden wollten, die dann doch einen Rückzieher machten. »Ich schätze Ihr Feedback und möchte sicherstellen, dass das Endprodukt Ihren Vorstellungen entspricht.«

»Und denken Sie noch einmal über die Bodoni nach«, empfahl Dr. Westmann ihr. »Das ist wirkliche eine klare und prägnante Schrift.«

Mit diesen Worten wurde sie sanft, aber bestimmt aus dem Konferenzraum hinauskomplimentiert.

Kaum hatte sie die Tür hinter sich zugezogen, spürte sie das summende Vibrieren ihres Smartphones in ihrer Handtasche.

Sie zog es aus dem Wust ihrer Ausdrucke und Notizen heraus und warf einen Blick auf das Display. Das erste aufrichtige Strahlen des Tages breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Wie das eben so war, wenn Lieblingsmenschen anriefen. Freudig nahm sie den Anruf entgegen und bahnte sich einen Weg durch die stillen Flure des Bürogebäudes.

»Hey, wie lief es?«, erkundigte sich Julia sofort, ohne Lisa auch nur ein »Hallo« zu erlauben.

Lisa seufzte leise. »Ehrlich gesagt, nicht so, wie ich gehofft hatte. Ich glaube, meine Entwürfe konnten sie nicht überzeugen.«

Am anderen Ende vernahm sie ein unbekümmertes Kichern. »Nimm das bloß nicht persönlich«, befahl Julia. »Die Hautcreme riecht sowieso nach altem Käsekuchen, der zu lange in der Sonne stand.«

Nun hatte auch Lisa wieder ein Grinsen auf den Lippen, denn das beschrieb exakt den Geruch, den die beiden Männer im Konferenzraum verströmt hatten.

»Genug davon«, sagte sie entschieden, weil sie überhaupt keine Lust mehr darauf hatte, sich ihre Laune weiter von dem Meeting vermiesen zu lassen. »Wie läuft es mit dem Praxisprojekt?«

Julia war Physiotherapeutin für Tiere und momentan auf der Suche nach einer passenden Immobilie für ihre erste eigene Praxis.

Ein lautes Schnauben drang an Lisas Ohr. »So gut wie gar nicht«, erwiderte ihre Freundin. »Ich habe immer noch nichts Passendes gefunden. Aber, ähm, ich bin auf ein ziemlich interessantes Inserat gestoßen. Genau deshalb rufe ich auch an.«

Das Zögern in Julias Stimme ließ Lisa aufmerken. Es klang so, als ob sie unsicher sei, wie sie fortfahren sollte – und das passte nicht zu ihrer besten Freundin. Etwas lag hier definitiv in der Luft ... »Was für ein Inserat?«, fragte sie neugierig.

»Es geht um die Alte Reitermühle ...«, begann Julia vorsichtig. »Du weißt schon. Wo wir damals unsere Sommerferien verbracht haben.«

Lisas Griff um das Telefon versteifte sich. Natürlich wusste sie. Es gab Dinge im Leben, die man einfach nie vergessen würde. Niemals.

»Sie soll versteigert werden«, sprach Julia weiter.

Lisa lehnte sich gegen die Wand, schloss kurz die Augen.

Mit der Erwähnung der Mühle brach ein Schwall an Erinnerungen über sie herein. Die unbeschwerten Tage des Sommers, die Freiheit, die sie auf dem Rücken der Tiere verspürt hatte, das Lachen und die Abenteuer mit Julia – all das kam in einem einzigen Moment zurück. Es waren die schönsten Tage ihres Lebens und auch die letzten unbeschwerten, bevor sie auf ebendiesem Reiterhof die schreckliche Nachricht vom Tod ihrer Eltern erhalten hatte.

»Lisa?« Julias besorgte Stimme brachte sie zurück in den nüchternen Büroflur des Hautcreme-Unternehmens. »Ist alles in Ordnung bei dir? Ich weiß, es ist seltsam, dass ich dich ausgerechnet heute damit konfrontiere ...«

Lisa schluckte schwer, zwang sich zu einem annähernd fröhlichen Tonfall. »Jaja, alles gut. Es hat mich nur ... unvorbereitet getroffen. Das ist alles.« Sie schüttelte den Kopf, als würden sich dadurch die Gedanken sortieren. »Aber ... warum soll sie öffentlich versteigert werden?«

»Das kann ich dir tatsächlich erklären«, erwiderte Julia sofort. »Ich habe ein wenig nachgeforscht.« Ihre Stimme senkte sich. »Veronika und Joachim sind wohl verstorben. Joachim vor einer ganzen Weile, Veronika erst kürzlich.«

Lisa spürte einen scharfen Stich in ihrem Herzen. In Gedanken überschlug sie grob das Alter der beiden. Schon damals, zu Zeiten ihres Ferienlagers, waren sie nicht mehr jung gewesen. Dennoch schockierte sie diese Information.

»Da es wohl keine Erben gibt, hat das Nachlassgericht entschieden, das Grundstück zu verkaufen. Und deshalb die öffentliche Versteigerung.« Lisa hörte sie tief Luft holen. »Ich weiß, der Zeitpunkt ist absolut unpassend.« Wieder stieß sie dieses Schnaufen aus. »Aber ich musste es dir einfach erzählen.«

»Danke, das weiß ich zu schätzen.« Vor allem wusste Lisa, wie schwierig es für ihre Freundin war, mit diesem Thema umzugehen. In der schlimmsten Zeit ihres Lebens war sie stets an ihrer Seite gewesen, hatte dafür gesorgt, dass Lisa schnell wieder in ein halbwegs normales Leben zurückfand, weil sie trotz dieses schweren Schicksalsschlags nicht allein auf dieser Welt war. Weil sie geliebt wurde. Entsprechend vorsichtig war Julia damit, die Geister der Vergangenheit zu wecken, wohl weil sie befürchtete, damit bei Lisa die Büchse der Pandora zu öffnen. Aber so war es nicht. Viele Jahre waren seitdem vergangen. Lisa hatte sich mit ihrem Schicksalsschlag abgefunden. So gut man das eben konnte.

»Wie sieht es denn aus?«, fragte Julia energiegeladen. »Bleibt es bei heute Abend?«

Lisa schluckte. Es gab einen Grund, warum der Tag nie die Chance hatte, gut zu werden. Dennoch erwiderte sie tapfer: »Natürlich tut es das.«

»Sehr schön!«, erwiderte Julia enthusiastisch. »Lass uns in unsere Lieblingsbar gehen. Auf einen Cocktail ... oder zwei ... oder drei. Eben alles, was es braucht, damit dieser dämliche Jahrestag ein halbwegs angenehmes Ende findet.«

Lisa lachte, und es fühlte sich zum ersten Mal nicht nur echt, sondern auch wahnsinnig gut an. Die Aussicht, den Abend dieses miesen Tages mit ihrer allerbesten Freundin zu verbringen, wirkte wie Balsam für ihre Seele. Aber keiner von der Ranziger-Käsekuchen-Marke Vitaskin. »Das klingt nach einem guten Plan«, sagte sie ins Telefon. »Ich könnte heute wirklich einen Cocktail vertragen. Oder zwei. Oder drei.«

Kapitel 2

Begleitet vom Rauschen der Wellen und sanften Ukuleleklängen, ließ sich Lisa ihren fruchtigen Cocktail schmecken und war bereit, sich von dem Alkohol ganz weit hinaus auf das Eiland des Vergessens tragen zu lassen. Weg von diesem unguten Tag, dafür zu einer fernen Südseeinsel – die sich jedoch inmitten von Kölns Friesenviertel befand.

Sie saßen in einer hawaiianischen Cocktailbar – der perfekte Ort, um nach den endlosen Stunden voller Korrekturen und Zweifeln endlich abzuschalten. Denn nach all dem Grübeln über ihre Entwürfe war sie zu einer bitteren Erkenntnis gelangt: Sie war ganz offensichtlich die falsche Person für diesen Auftrag. Mittlerweile spielte sie ernsthaft mit dem Gedanken, diesen Job hinzuschmeißen. Ihren modernen Unternehmensauftritt konnten sich der Firmengründer und der Marketingleiter der Vitaskin GmbH & Co. KG sonst wo hinstecken.

Entschieden hob sie ihr Glas und stieß mit Julia an. »Auf uns!«

»Hipa-Hapa!«

Der Porzellanbecher in Form einer Tiki-Figur war so üppig mit einem Schirmchen, einer Hibiskusblüte und Fruchtspießen geschmückt, dass Lisa ihn vorsichtig in Richtung Mund navigieren musste, um sich nicht versehentlich ein Auge auszustechen.

Die Hula Wave Bar war ihre unangefochtene Lieblingsbar. Weniger wegen der Musik, die bereits nach einer halben Stunde recht nervig werden konnte, sondern aufgrund der ausgefallenen Cocktails, die an Exotik kaum zu überbieten waren. Lisas absoluter Lieblingscocktail war der Coconut-Mojito.

Sie hatten sich in einer gemütlichen Ecke niedergelassen, umgeben von Kunstpalmen. Lisa freute sich, endlich wieder mit ihrer Freundin unterwegs zu sein. Viel zu selten waren diese gemeinsamen Abende geworden, seitdem Julia das klassische Familienmodell lebte. Ehemann, Reihenhaus, zwei Kinder und ein Hund.

Lisa gönnte es ihr von Herzen, zumal ihre beste Freundin auch noch den nettesten Mann der Welt erwischt und mit ihm die besten Patenkinder des Universums zustande gebracht hatte. Nur mit dem Hund stand Lisa ein wenig auf Kriegsfuß. Es war ein ausgewachsener Kangal, einer von dieser Sorte, die einst gezüchtet wurden, um Schafsherden vor Wölfen zu schützen.

Entsprechend riesig war er und sah Furcht einflößend aus. Dass er jedoch das lammfrommste Wesen war, änderte nichts daran, dass Lisa riesigen Respekt vor ihm hatte. Vermutlich spürte der Hund ihre Angst und machte sich wiederum einen Spaß daraus, ihr aufzulauern und sie anzubellen, wenn sie nicht damit rechnete. Jedes Mal, wenn ihm das gelang, wedelte er freudig mit dem Schwanz und sprang vor ihr auf und ab.

Während sie ihren Coconut-Mojito durch den Strohhalm saugte, sah sie dabei zu, wie Julia sich über ihren Mai Tai hermachte. Ihre Freundin hatte sich ordentlich zurechtgemacht. Die wilde Lockenpracht war mit Haarspray und Haarklammern gebändigt. Zudem trug sie eine hübsche Kragenbluse, die jedoch ein wenig zerknittert aussah.

»Keine Zeit mehr zum Bügeln«, erklärte Julia ihr über den Rand des Cocktailglases hinweg, weil sie wohl ihren Blick bemerkt hatte. »Ich musste schnell verschwinden, bevor Flo es sich anders überlegt und doch noch einen Rückzieher macht. Du kennst ihn doch – sobald er einen Abend allein mit den Würmern verbringen muss, gerät er in Panik.« Sie grinste. »Er gibt sich die größte Mühe und nimmt sich alles vor, aber sobald auch nur die kleinste Abweichung vom gewohnten Ablauf passiert, ist es mit seiner Gelassenheit vorbei.«

Lisa verzog gespielt das Gesicht. »Du sollst meine Patenkinder nicht ständig Würmer nennen.«

Julia grinste. Es war ein Grinsen von der Sorte, das Lisa klarmachen sollte, dass sie ihre Zwillinge nennen konnte, wie immer sie es wollte.

»Ich soll dich ganz lieb von den beiden gefräßigen Maden grüßen.«

Lisa schnaubte. »Dann doch lieber Würmer.«

Die beiden Spitznamenträger waren die süßesten Mädchen, die je das Licht der Welt erblickt hatten. Zumindest waren sie das Lisas Meinung nach. In den Augen der Mutter jedoch waren die fünfjährigen Dalia und Delia parasitäre Wesen in Menschenverkleidung, die ihr das alte, unbeschwerte Leben weggenommen hatten und ihr in jeder Minute den letzten Nerv raubten. Das meinte Julia natürlich nicht ernst, sie war abgöttisch vernarrt in ihre Kinder. Aber trotz mütterlicher Liebe war sie klar genug im Kopf, um zu wissen, welchen Verzicht sie mit der Entscheidung, Kinder zu bekommen, auf sich genommen hatte.

Lisa beobachtete sie dabei, wie sie sich einige widerspenstige Locken aus dem Gesicht strich, die sich aus dem Gefängnis von Haarspray und Haarklammern befreit hatten. Julia sah sich aufmerksam um. Dabei hatte sie einen besonderen Glanz in den Augen.

»Ist das nicht schön, mal wieder unter Leuten zu sein?« Flugs hob sie die Hände. »Versteh mich nicht falsch, ich liebe meine Familie, aber es ist ein unglaublich freies Gefühl, endlich mal nur für sich selbst verantwortlich zu sein und tun und lassen zu können, was man will.« Sie grinste breit und nahm noch einen extralangen Schluck ihres Rum-Cocktails. Als sie den Becher wieder vor sich abstellte, warf sie einen sorgenvollen Blick auf die Uhr. »Bloß sollten wir uns mit der Happy Hour beeilen. Nicht dass Flo doch noch früher anruft, weil er mit irgendetwas nicht klarkommt.«

Sie zückte das Handy, dann sah sie Lisa an, und auf einmal lag etwas Verschlagenes in ihrem Blick. Über den Tisch hinweg bemerkte Lisa, wie ihre Freundin den Flugmodus aktivierte und das Handy wieder in ihrer Tasche verstaute. »Es ist aber auch ein schlechter Empfang hier drinnen«, gab sie mit gespielter Empörung von sich.

Lisa bewunderte ihre Freundin. Nicht für ihre Verschlagenheit, sondern wie sie ihr Leben geregelt bekam. Trotz der familiären Verpflichtungen ließ Julia es sich nicht nehmen, weiter an ihrer eigenen Karriere zu schrauben. In der Stillzeit hatte sie eine Ausbildung zur Tierphysiotherapeutin begonnen und vor zwei Monaten tatsächlich ihren Abschluss geschafft. Lisa dachte heute noch mit Grauen an den Kater zurück, den ihr das Feiern eingebracht hatte. Seitdem waren Lisa und Flo auf der Suche nach einem größeren Haus, in dem auch eine Physiopraxis ihren Platz finden würde. Und das war in Köln ein alles andere als leichtes Unterfangen.

Lisa schlürfte an ihrem Getränk. »Toll, wie du alles unter einen Hut bekommst.« Sie seufzte schwerfällig vor sich hin. »Und was habe ich bislang erreicht? Ich bewohne eine viel zu teure Altbauwohnung, komme mit meinem Job gerade mal über die Runden, und von meinem nicht vorhandenen Liebesleben will ich erst gar nicht anfangen.«

Julia grinste. »Bei mir ist längst nicht alles eitel Sonnenschein. Du warst schon lange nicht mehr bei uns zu Hause. Das reinste Chaos, wir platzen aus allen Nähten.«

Ihr Blick verlor sich in den bunt leuchtenden Minilampions, die über ihren Tisch gespannt waren. »Ich kann es kaum erwarten, endlich meine eigene Praxis zu eröffnen. Es fühlt sich so richtig an, weißt du? Als hätte ich endlich meine Berufung gefunden. Wenn ich bald endlich mein eigener Boss sein kann.« Mit einem tiefen Blick nahm sie Lisa in Augenschein. »Wie du!«

»Ja, spitze!« Lisa lächelte ironisch über Julias Worte. »Bist du erst mal dein eigener Chef, wird alles ein Selbstläufer.« Sie schloss kurz die Augen, und ganz von selbst schoben sich die Köpfe von Ernst Heidger und Dr. Jan Westmann in ihr Bewusstsein. Dennoch gefiel es ihr, dass ihre beste Freundin sie ein klein wenig als Vorbild sah. Und sie mochte es, Julia derart leidenschaftlich über ihre Zukunftspläne sprechen zu hören.

Sie selbst empfand dabei etwas Wehmut. Denn so toll war ihr Leben als Freiberuflerin nicht. Irgendwann in ihrer beruflichen Laufbahn musste sie die falsche Abfahrt genommen haben und irrte nun navigationslos umher.

»Ich freue mich für dich, Julia. Wirklich!« Sie schob die Zuckerkirsche von ihrem Fruchtspieß und schob sie in den Mund. Sie war so süß, dass sich ihr Mund zusammenzog. »Bei mir ist es jedoch kompliziert. Dieser Hautcreme-Kunde ...« Sie stöhnte so sehr, dass es kurz das Schirmchen von der einen auf die andere Seite des Bechers fegte. »Die treiben mich in den Wahnsinn. Sosehr ich meinen Job als Grafikdesignerin auch mag, manchmal fühlt es sich an, als wäre es nicht das, was mich wirklich erfüllt.«

Julia hörte aufmerksam zu. »Ich denke, das ist ein Gefühl, das wir alle kennen«, erwiderte sie. »Die Suche nach etwas, das nicht nur ein Job ist, sondern eine wahre Leidenschaft.«

Lisa spielte nachdenklich mit dem Strohhalm ihres Cocktails. »Ja, genau das. Ich wünschte nur, ich könnte herausfinden, was das für mich ist. Abends ins Bett zu fallen mit dem Gefühl, wirklich etwas geleistet zu haben.«

Julia erhob ihren Tikibecher und prostete ihr zu. »So oder so«, sagte sie. »Ich bin stolz auf dich. Darauf, wie du dein Schicksal gemeistert hast.«

Lisa lächelte verlegen. »Du, alles in allem ist es wirklich nur ein Job.«

»Nein, nicht deswegen.« Ihre Freundin schüttelte so sehr den Kopf, dass ihre dunkle Lockenpracht noch mehr durcheinandergeriet. Lisa war schon immer neidisch auf diese Haare. Ihre eigenen glatten Haare ließen sie neben Julia mit ihrer Mähne immer ein wenig unscheinbar aussehen. Zumindest hatte sie selbst das Gefühl.

Sie schluckte tapfer und hob auch das Glas. Schließlich war dieses Thema der Grund, warum sie heute hier saßen und die Happy Hour genossen.

Die Tiki-Porzellanbecher stießen so heftig gegeneinander, dass das Schirmchen aus Lisas Drink fiel. Es hatte sie sowieso nur gestört. So konnte sie viel schneller trinken. Und, bei den Göttern der Vulkaninseln, das hatte sie vor.

»Dennoch«, fing Julia zögerlich an, womit sie sich einen schrägen Blick von Lisa einfing. Denn sie wusste nur zu gut, was dieses dennoch bedeutete. Und tatsächlich: »Du solltest nicht mehr allein sein.«

»Ich bin nicht allein«, hielt Lisa dagegen. »Ich habe doch dich und meine Patenkinder.«

»Du weißt, wie ich das meine.«

Lisa sah sie herausfordernd an. Natürlich wusste sie es. Aber sie wollte es ihrer Freundin nicht leichter als nötig machen.

»Du solltest noch mal jemanden daten.«

Und da war wieder dieses leidige Thema.

»Ich denke, dass dir eine Beziehung guttun würde«, sprach sie weiter. »Etwas Festes.«

Lisa schaute ihre Freundin ausdruckslos an. Zu oft hatten sie sich darüber unterhalten. Zu oft hatte sie sich Julia gegenüber erklärt. Beziehungen waren einfach nicht ihr Ding. Zwar verliebte sie sich gern und genoss das Gefühl der umherflatternden Schmetterlinge, doch erlebten die schneller eine Bruchlandung, als es gut für sie war.

»Ich habe eben noch nicht den Richtigen gefunden«, erklärte sie ausweichend.

Julia presste die Lippen zusammen und bedachte sie mit einem zaghaften Lächeln, wohl wissend, dass das Thema damit beendet war. Sie hob wieder ihr Glas. »Auf unsere Freundschaft«, sagte Julia, ehe sie zum Trinken ansetzte. »Machen wir das Beste aus diesem Tag.«

Lisa war schon einen Schritt weiter und verschluckte sich prompt an ihrem Cocktail.

Zwanzig Jahre. Auf den Tag genau.

Das war eine lange Zeit für ein Ereignis, dass ihr Leben grundlegend auf den Kopf gestellt hatte. Zwei unfassbar lange Jahrzehnte waren vergangen, seit sie ihre Kindheit verloren hatte. Von einem Tag auf den anderen. Eine einzige Sekunde hatte sogar dafür gereicht. Wieder sah sich Lisa in der Küche, gemeinsam mit Veronika und ihren Großeltern, die ihr das Schlimmste offenbart hatten, was man einem Kind überhaupt mitteilen konnte.

Lisa nahm einen weiteren Schluck. Und noch einen. Dann stürzte sie den Mojito in einem Zug runter, als wäre er ein großes Glas Wasser, als würde ihr der helle hawaiianische Rum dabei helfen, auch die Erinnerungen hinunterzuspülen. Dabei waren genau diese Gedanken so wichtig für die Heilung, das hatte nicht zuletzt ihr Therapeut ihr erklärt.

»He.« Julia zerrte ihr mit sanfter Gewalt den Cocktailbecher aus der Hand, lachte aber dabei. »Nicht, dass du dich hier noch abschießt«, sagte sie. »Trotz allem.«

Trotz allem, dachte Lisa. Das beschreibt ziemlich gut den Scherbenhaufen meiner Seele, den ich über die Jahre hinweg wieder mit viel Sekundenkleber zusammengeklebt bekommen habe.

»Zwanzig Jahre«, murmelte Lisa. Sie horchte tief in sich hinein. Sie verspürte keine Trauer, aber eine geradezu greifbare Melancholie, wenn sie ihre Freundin ansah.

»Ja, unfassbar, wie alt wir beide geworden sind.« Julia schüttelte sich gespielt angewidert und suchte dann in einer übertriebenen Geste ihr Gesicht nach Falten ab, die nicht vorhanden waren.

Ihre Freundin war eine der Frauen, die niemals alt wurden. Schon als Kind sah sie beinahe wie eine erwachsene Frau aus. In der Jugend wurde sie zu einer schönen erwachsenen Frau, und nun war sie eine unglaublich schöne Frau mit dem reinsten Herzen in der Brust, das ein Mensch nur haben konnte. In Lisas Augen war sie schlichtweg perfekt.

Und ich, dachte Lisa, die bereits die Wirkung des Alkohols in ihrem Blut spürte. Ich bin ... ich!

Während Julia sich schon lange gefunden hatte, war Lisa noch immer auf der Suche, ohne überhaupt zu wissen, was genau sie suchte. Zumindest bis heute.

Denn etwas war mit ihr geschehen. Ein kleiner Gedanke hatte sich seit Julias Anruf in ihrem Gehirn eingenistet und es sich dort gemütlich eingerichtet. Erst war es nichts weiter als ein Hirngespinst. Aber dieses blähte sich allmählich zu einem Heißluftballon auf, der drauf und dran war abzuheben.

Julia legte ihre Hand auf Lisas Arm. »Du hattest wirklich Glück mit deinen Großeltern, Lisa. Sie haben dir so viel Liebe und Unterstützung gegeben.«

Lisa nickte, und sie spürte, wie ein schwaches Lächeln ihre Lippen umspielte. »Ja, das stimmt. Sie waren unglaublich. Aber manchmal ... manchmal vermisse ich einfach, was hätte sein können, weißt du?« Ihr Blick schweifte durch den Raum, sie nahm die fröhlichen Gesichter der anderen Gäste wahr, die tanzenden Lichter und die exotischen Dekorationen, die so gekonnt die Illusion eines tropischen Paradieses schufen. Obwohl es mitten in der Woche war, war die Bar gut besucht. Wie es eben in Großstädten der Fall war.

Sie winkte der vorbeigehenden Kellnerin zu und deutete an, dass sie gern noch eine Runde bestellen würde.