Ich bin für dich da - Britta Winckler - E-Book

Ich bin für dich da E-Book

Britta Winckler

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Beschreibung

Die große Arztserie "Die Klinik am See" handelt von einer Frauenklinik. Gerade hier zeigt sich, wie wichtig eine sensible medizinische und vor allem auch seelische Betreuung für die Patientinnen ist, worauf die Leserinnen dieses Genres großen Wert legen. Britta Winckler ist eine erfahrene Romanschriftstellerin, die in verschiedenen Genres aktiv ist und über hundert Romane veröffentlichte. Die Serie "Die Klinik am See" ist ihr Meisterwerk. Es gelingt der Autorin, mit dieser großen Arztserie die Idee umzusetzen, die ihr gesamtes Schriftstellerleben begleitete. Rita Weinberger sah auf ihren Mann hinunter, der vor ihr am Tisch saß und so tat, als hätte er sie nicht gehört. »Heimo!« Ihre Stimme war um einiges schärfer geworden. »Ich habe nicht die Absicht, immer im Haus herumzusitzen, während du un­terwegs bist.« Er zuckte die Achseln, hob dann jedoch den Kopf und sah sie an. »Was willst du eigentlich? Willst du mir etwa vorwerfen, daß ich nicht genügend arbeite?« Nein, das konnte sie nicht. Sie verzog das Gesicht. »Na also! Aber wenn du schon wieder einmal davon anfängst…« Er fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar und setzte entschieden hin­zu: »So geht es nicht weiter!« »Das finde ich auch«, sagte Rita schnippisch. Sie war inzwischen ein­unddreißig Jahre alt und seit zehn Jahren mit diesem Mann verheiratet. »Gut, dann sind wir in dieser Hin­sicht wenigstens einer Meinung.« Hei­mo Weinberger schob den Stuhl zu­rück und erhob sich. Der Appetit auf das Frühstück war ihm vergangen. »Wohin gehst du?« Rita vertrat ihm den Weg.

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Die Klinik am See – 43–

Ich bin für dich da

Wie konntest du an meiner Liebe zweifeln?

Britta Winckler

Rita Weinberger sah auf ihren Mann hinunter, der vor ihr am Tisch saß und so tat, als hätte er sie nicht gehört. »Heimo!« Ihre Stimme war um einiges schärfer geworden. »Ich habe nicht die Absicht, immer im Haus herumzusitzen, während du un­terwegs bist.«

Er zuckte die Achseln, hob dann jedoch den Kopf und sah sie an.

»Was willst du eigentlich? Willst du mir etwa vorwerfen, daß ich nicht genügend arbeite?«

Nein, das konnte sie nicht. Sie verzog das Gesicht.

»Na also! Aber wenn du schon wieder einmal davon anfängst…« Er fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar und setzte entschieden hin­zu: »So geht es nicht weiter!«

»Das finde ich auch«, sagte Rita schnippisch. Sie war inzwischen ein­unddreißig Jahre alt und seit zehn Jahren mit diesem Mann verheiratet.

»Gut, dann sind wir in dieser Hin­sicht wenigstens einer Meinung.« Hei­mo Weinberger schob den Stuhl zu­rück und erhob sich. Der Appetit auf das Frühstück war ihm vergangen.

»Wohin gehst du?« Rita vertrat ihm den Weg.

»Wohin wohl?« giftete er. »An die Arbeit, mein Schatz! Wie du selbst festgestellt hast, wächst uns die Arbeit über den Kopf.«

»Genau!« beharrte sie. Sie trat nicht zur Seite. »Deswegen könnten wir am Wochenende die Tankstelle einmal schließen.«

»Wenn wir damit erst einmal an­fangen…« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht dafür.« Er wollte ge­hen, doch sie schimpfte: »Du machst es dir in letzter Zeit wirklich sehr einfach! Du warst sonntags oft nicht hier. Ich saß zu Hause und tat Dienst an der Tankstelle.«

Heimos Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. »Dann ist es doch ganz einfach. Diesmal bleibe ich zu Hause und du fährst weg.«

Rita verblüffte seine Feststellung so sehr, daß sie im ersten Moment nichts sagen konnte. Pfeifend verließ ihr Mann die Wohnung. Rita setzte sich an den Frühstückstisch. Sie hatte ihn sorgfältig gedeckt und nun saß sie allein davor. Das gefiel ihr genauso­wenig wie der Gedanke, daß Heimo am Sonntag hierbleiben wollte.

Sie kaute auf dem Brötchen herum, auch ihr war der Appetit vergangen. So begann sie, den Tisch wieder abzuräumen, dann verließ auch sie die Wohnung und ging hinunter in die Garage.

Ihr Mann hatte sich den Overall bereits übergezogen. Er war dabei, ein Auto auf die Hebebühne zu befördern. Rita kreuzte die Arme vor der Brust, sah ihm einige Zeit zu. Schließlich wurde sich Heimo Weinberger der Anwesenheit seiner Frau bewußt. Nachdem er zweimal einen flüchtigen Blick in ihre Richtung geworfen hatte, fragte er: »Hast du nichts zu tun?«

»Schon, aber ich wollte mit dir sprechen.«

»Keine Zeit!« Heimo sah nicht noch einmal zu ihr hin. »Kann sein, daß der Kunde gleich in der Frühe kommt. Ich habe ihm jedenfalls das Auto für heute vormittag versprochen.«

»Du hast nicht einmal gefrühstückt.« Enger preßte Rita ihre Arme gegen den Leib.

»Kein Hunger«, knurrte Heimo. Und Sekunden später setzte er herausfordernd hinzu: »Wer macht für mich die Arbeit? Du weißt ja selbst, wie spät es gestern geworden ist.«

»Deswegen bin ich ja der Ansicht, daß wir uns ein freies Wochenende verdient haben. Silvia und Florian haben uns schon seit langem eingeladen. Weißt du, wie lange wir die beiden nicht mehr gesehen haben?«

Heimo war es egal. Er zuckte die Achseln.

»Sie sind unsere Freunde«, beharrte Rita.

Heimo reagierte darauf nicht. Da trat sie näher an ihn heran.

»Weißt du eigentlich, wie lange wir schon keine Zeit mehr für uns gehabt haben?« Ihre Stimme wurde schärfer. »Wir haben gearbeitet und geschuftet. Wir haben auch etwas ­erreicht. Die Tankstelle, die Garage – es hat sich zu einer Goldgrube entwickelt. Warum denken wir jetzt nicht auch einmal an uns?«

Ihre Stimme war jetzt weicher geworden. Sehnsüchtig ruhte ihr Blick auf ihm.

Heimo achtete überhaupt nicht darauf. Er ging einfach um das Auto herum und begann zu arbeiten. Ritas Gesicht verzog sich. So machte es Heimo in letzter Zeit immer. Man konnte mit ihm einfach nicht mehr reden. Er versteckte sich hinter seiner Arbeit. Sie verschlang die Hände ineinander. So konnte es doch nicht weitergehen. Hatten sie sich wirklich nichts mehr zu sagen?

Ihre Brust hob und senkte sich in einem tiefen Seufzer, dann ging auch sie um die Hebebühne herum. »Heimo, bitte…«

Er fuhr herum. »Du bist noch hier? Hast du die Tankstelle schon aufgemacht?«

»Es ist noch etwas Zeit!« Unwillkürlich hatte Rita auf die Uhr gesehen.

»Es schadet nichts, wenn du aufmachst. Es gibt auch Leute, die bereits vor sieben Uhr unterwegs sind.«

»Heimo, wir sind doch nicht mehr auf jeden Pfennig angewiesen. Diese Zeit ist Gott sei Dank vorbei.«

»Wenn du meinst! Ich habe jedenfalls zu tun. Meine Devise ist es, keinen Kunden warten zu lassen.«

»Ich werde pünktlich aufmachen!« Mit entschlossenem Gesicht trat Rita noch einen Schritt näher. »Ich habe auch nicht die Absicht, dich länger aufzuhalten. Ich möchte nur wissen, ob wir am Sonntag an den Tegernsee fahren.«

»Ich habe nicht die Absicht, die Tankstelle zu schließen. Eine Vertretung zu bekommen, ist sehr schwer, wie du weißt.«

»Warum sollen wir nicht einmal schließen? Jeder andere hat einen freien Samstag und Sonntag.«

»Nicht, wenn man selbständig ist!« Heimo hob seine Stimme. »Das hast du aber gewußt, ehe wir uns dazu entschlossen haben. Wir haben eingehend darüber gesprochen, haben alles genau durchgerechnet.«

»Das ist Jahre her. Wir haben es doch geschafft. Wir haben erreicht, was wir wollten. Das Geschäft floriert, wir zahlen unsere Schulden pünktlich zurück…« Sie suchte nach weiteren Argumenten.

»Das heißt nur, daß wir nicht übermütig werden dürfen.«

»Übermütig!« empört rief es Rita. »Wir werden doch Freunde besuchen dürfen. Wie lange haben wir das schon nicht mehr gemacht! Die letzten zwei Sonntage habe ich allein hier gestanden. Ich habe Dienst gemacht. Ich weiß noch immer nicht, wo du warst.«

»Das habe ich dir doch gesagt«, brummte Heimo. Langsam hob er den Kopf, ließ den Schraubenschlüssel sinken. »Du hast letzten Sonntag Dienst gemacht, dann mache ich es diesmal.« Er lächelte.

»Aber, wir wollen doch zusammen… Silvia und Florian sind auch deine Freunde.«

»Du kannst sie ja von mir grüßen.« Heimo wandte sich wieder der Reparatur zu, dann sah er jedoch noch einmal hoch. »Du kannst sogar schon am Freitagabend fahren. Dann hättest du zwei Tage.«

»Ich wollte doch mit dir fahren«, gab Rita zu bedenken.

»Das geht wirklich nicht! Silvia und Florian werden verstehen, daß ich arbeiten muß. Du hast dir jedoch ein erholsames Wochenende verdient. Warum solltest du also nicht fahren? Rufe Silvia an. Sie hat sicher nichts dagegen, wenn du allein kommst.«

Rita biß sich auf die Unterlippe. Natürlich konnte sie allein fahren, sie wollte es nur nicht, spürte sie doch, daß Heimo sich immer weiter von ihr entfernte. Zusammen hatten sie sich eine Existenz aufgebaut. Die ersten Jahre hatten sie wirklich fast Tag und Nacht gearbeitet. Es hatte jedoch Freude gemacht, denn sie hatten an einem Strang gezogen. Rita sah zu ihrem Mann hin. Er war in die Hocke gegangen, beachtete sie überhaupt nicht mehr.

*

Rita Weinbergers Gedanken glitten immer wieder ab, dabei wäre es besser gewesen, sie hätte sich aufs Fahren konzentriert. Obwohl sie sich auf die Begegnung mit den ehemaligen Freunden freute, bereute sie, gefahren zu sein. Der Verdacht, daß Heimo sie hatte los sein wollen, verstärkte sich bei jedem Kilometer, mit dem sie sich dem Tegernsee näherte. Beinahe hätte sie wieder umgedreht, doch dann sagte sie sich selbst, daß dies lächerlich war. Sie hatte nicht die Absicht, hinter ihrem Mann herzuspionieren.

Bremslichter leuchteten auf, und Rita hatte alle Mühe, ihr Auto noch rechtzeitig zum Stehen zu bringen. Der Verkehr war sehr stark. Rita mußte sich wirklich konzentrieren. Dann wurde sie erneut abgelenkt. Sie hatte den Tegernsee erreicht. Die Nacht war hereingebrochen, tausend Lichter spiegelten sich im See.

Rita erinnerte sich, daß sie mit Heimo gern an den Tegernsee gefahren war. Sie waren dann am Ufer entlanggeschlendert oder mit einem Ruderboot hinaus auf den See gefahren. Oft hatten Silvia und Florian sie begleitet. Es war eine schöne Zeit gewesen, und sie hatte so gehofft, mit den Freunden zusammen zwei schöne Tage verbringen zu können. Heimo hatte es abgelehnt. Sie beneidete Silvia. Ihre Ehe schien noch intakt zu sein, jedenfalls hatte sie noch nichts Gegenteiliges gehört. Sie jedoch hatte sich in letzter Zeit öfter bei Silvia beklagt, auch wenn sie dies nur telefonisch getan hatte.

Rita mußte das Tempo noch mehr drosseln. Die Ortstafel von Auefelden war erreicht. Ihr Blick fiel auf das Schild »Klinik am See«. Sie erinnerte sich, daß Silvia ihr bereits einmal von dieser Klinik erzählt hatte, als sie am Telefon den Wunsch nach einem Baby geäußert hatte. Die Klinik am See war eine Frauenklinik. Dr. Lindau, der Chefarzt, hatte offenbar schon vielen Frauen helfen können.

Das Ortsende war erreicht. Rita konnte wieder Gas geben und damit wies sie den Gedanken an ein Kind auch wieder von sich. Sie hatte ihre Arbeit, für ein Kind war da einfach keine Zeit. Wenig später hatte sie den Ort Tegernsee erreicht. Sie bog links ab und kam so direkt zur Tanzschule Geißler. Die Leuchtreklame blinkte. Sie stellte ihr Auto ab und blieb dann noch unbeweglich hinter dem Lenkrad sitzen. Auch sie und Heimo hatten sich dem Turniertanz verschrieben gehabt, doch als sie dann die Garage mit der Tankstelle übernommen hatten, hatten sie keine Zeit mehr dafür gehabt. Ihre Freunde jedoch hatten ihr einstiges Hobby zu ihrem Beruf gemacht.

Die Tür der Tanzschule öffnete sich, junge Leute strömten hinaus. Offensichtlich war gerade eine Stunde zu Ende gegangen. Schade, eigentlich hatte sie noch dem Unterricht beiwohnen wollen. Jedenfalls hatte Heimo gemeint, daß es ihr sicher Freude machen würde, und sie daher noch losgeschickt, bevor die Tankstelle auf Selbstbetrieb umgestellt worden war. Hatte er dabei wirklich nur an sie gedacht? Da sie nicht schon wieder darüber nachdenken wollte, stieg sie rasch aus. Da hatte Silvia sie aber auch schon entdeckt und kam ihr entgegengeeilt.

»Wie schön, daß du schon da bist!« Sie umarmte die Freundin. »Ist Heimo doch nicht mitgekommen?«

Rita schüttelte den Kopf. Da war wieder der bittere Geschmack im Mund. Sie versuchte ihn hinunterzuschlucken. »Ich bin früh losgefahren. Eigentlich wollte ich noch rechtzeitig zu eurem Unterricht kommen, doch es war sehr viel Verkehr.«

Silvia zog Rita an sich. »Dann bleibst du eben bis Montag. Heimo wird schon einmal ohne dich zurechtkommen.«

»Nein!« Rita sagte es heftig, sie versteifte sich in den Armen der Freundin.

Silvia hielt die Freundin etwas von sich. »Was ist denn los mit dir?« Sie betrachtete sie kritisch im Schein der Straßenlaterne.

»Nichts!« Unsicher trat Rita einen Schritt zurück, mit einer fahrigen Geste strich sie sich eine Haarsträhne zurück. »Ich freue mich, daß ich hier bin. Wir haben uns lange nicht gesehen.«

Silvia ließ sich jedoch nicht täuschen. »Du siehst müde aus. Ein richtiger Urlaub würde dir guttun.«

»Du weißt ja, wie das ist, die Arbeit! Heimo meint, daß wir die Tankstelle nicht einfach schließen können.«

»Man muß auch einmal ausspannen können. Florian und ich waren im Frühjahr auf Rhodos. Es war herrlich! Wir erlebten unsere zweiten Flitterwochen. Im Herbst schließen wir wieder für eine Woche, dann geht es nach Südtirol.«

Beinahe hätte Rita geseufzt. Sie beneidete die Freundin.

»Los, nun komm schon herein!« Silvia griff erneut nach ihrem Arm. »Florian freut sich auch schon auf dich, obwohl es ihm leid tun wird, daß Heimo nicht mitgekommen ist. Er hat gehofft, daß du ihn doch noch dazu überreden könntest.«

»Da war nichts zu machen!« Ritas Gesicht verfinsterte sich. Das Lächeln fiel ihr immer schwerer.

»Dann machen wir uns eben morgen einen schönen Tag.« Silvia merkte wohl, daß irgend etwas nicht stimmte, aber sie wollte Rita nicht bedrängen.

Auch Florian begrüßte Rita herzlich. »Du scheinst nicht oft aus deinen vier Wänden herauszukommen«, stellte er fest. »Du siehst bleich aus. Bewegung und frische Luft, das würde ich dir verordnen.« Er lächelte dabei, küßte sie auf die Wange, doch Rita war den Tränen nahe. Sie hatte sich auf die Freunde gefreut, doch es tat weh zu sehen, daß sich zwischen diesen nichts geändert hatte. Sie waren noch immer eins, schienen sich ausgezeichnet zu verstehen. Von ihr und Heimo konnte man dies nicht mehr behaupten. Sie gingen getrennte Wege.

Florian tauschte immer wieder verstohlene Blicke mit seiner Frau. Er war es dann auch, der sich nach dem Essen zurückzog. »Kinder, ihr müßt mich entschuldigen! Ich muß noch den Bürokram erledigen. Ihr kommt doch ohne mich zurecht?« Er lächelte Rita zu. »Setzt euch doch mit einem Glas Wein auf die Terrasse. Es ist ein sehr milder Abend.«

Silvia nickte. »Gute Idee! Wir werden noch ein intimes Plauderstündchen einlegen, ehe wir zu Bett gehen. Morgen machen wir dann einen Ausflug. Ich werde schon dafür sorgen, daß du wieder Farbe bekommst.« Sie erhob sich, lächelte Rita zu, um dann ihrem Mann mit einer liebevollen Geste die Arme um den Hals zu legen. So dankte sie ihm für sein Verständnis.

Rita sah es. Da war wieder der feine Stich in der Herzgegend. Solche kleinen Vertrautheiten gab es zwischen ihr und Heimo schon lange nicht mehr. Jeder von ihnen tat seine Arbeit, man kümmerte sich kaum noch um den anderen.

Von der Terrasse aus hatte man einen herrlichen Blick auf den See. Es war schön, hier zu sitzen. Silvia erriet die Gedanken der Freundin, sie meinte: »Wir sitzen oft hier! Es ist ein Ausspannen nach der Arbeit. Oft können einem die Tanzschüler schon auf die Nerven gehen.«

»Tanzen! Ihr habt eurer Hobby zum Beruf gemacht.« Rita sah auf den See hinaus. Ein wehmütiger Ausdruck lag auf ihrem Gesicht.

Eine Zeitlang herrschte zwischen ihnen Schweigen; dann fragte Silvia: »Was ist es dann?«

»Ich würde auch gern wieder einmal tanzen«, platzte Rita heraus.

»Wenn es nur das ist!« Silvias Stirn kräuselte sich. »Dann bleib einige Tage hier. Du könntest mir behilflich sein.«

Rita hatte auf die Worte der Freundin nicht geachtet. »Ich habe so lange nicht mehr getanzt. Am Anfang sind wir noch öfter tanzen gegangen, oder wir haben zu Hause nur für uns getanzt. Wir haben neue Figuren geübt. Doch dann war da die Arbeit, wir waren am Abend einfach zu müde.« Dieser Satz endete mit einem Seufzer.

»Man kann nicht nur arbeiten«, stellte Silvia fest.

»Wie recht du hast!« Jetzt sah Rita auch ihre Freundin an.

Silvia lächelte. »Wenn du das schon erkannt hast, dann ändere es.«

»Das ist leicht gesagt!« Rita biß sich auf die Unterlippe. Sie wollte Silvia nichts vorjammern, und doch drängte nun alles aus ihr heraus. Sie konnte doch sonst mit niemanden darüber sprechen. »Ich will ja, doch Heimo macht nicht mit. Wir tun so gut wie gar nichts mehr gemeinsam.« Sie sah auf ihre Hände, die sie nun im Schoß gefaltet hatte. »Wir sprechen auch kaum noch miteinander, es sei denn, es geht um die Arbeit.«

»Dann ist es höchste Zeit, daß ihr einmal ausspannt. Fahrt irgendwohin, nicht nur für ein Wochenende, sondern länger. Ihr müßt Urlaub machen!«

»Das will ich doch«, entgegnete Rita gepreßt. »Aber wenn ich es vorschlage, hört Heimo mir nicht einmal zu.«

»Dann ergreif die Initiative, stell ihn vor vollendete Tatsachen. Ich meine, buche einfach einen Urlaub.«

Ritas Kopf sank auf die Brust. »Es hätte keinen Sinn! Er will mit mir nicht verreisen. In letzter Zeit hatte ich oft das Gefühl, daß da eine andere ist.« Nun war es ausgesprochen. Rita war über sich selbst erschrocken. Sie drehte den Kopf zur Seite.

Silvia erhob sich. Sie trat hinter Ritas Stuhl, legte ihr die Hand auf die Schulter. »Krisen gibt es in jeder Ehe. Man lebt sich leicht auseinander, es wird alles zur Gewohnheit.«

Rita nickte. Genau das war es!

»Wenn du das erkannt hast, dann ist doch alles in Ordnung.« Aufmunternd tätschelte Silvia die Schulter der Freundin. »Jetzt muß es dir nur gelingen, gegen den Alltag anzugehen. Du mußt eine Änderung in dein Leben bringen, mußt versuchen, dem Alltagstrott zu entrinnen.«

»Das tue ich doch!« Verzweifelt sah Rita Silvia ins Gesicht. »Ich habe so gehofft, daß Heimo mich begleitet.

Wir waren stets gern am Tegernsee. Ich dachte, wenn wir wieder einmal alle zusammen sind, dann kann es vielleicht so werden wir früher.«

Silvia wußte wirklich nicht, was sie darauf erwidern sollte. Hatte Rita etwa recht? Gab es bereits eine andere?

»Ich habe in den letzten Wochen wirklich alles versucht. Mir ist klar, daß wir uns auseinandergelebt haben. Daran habe ich natürlich auch Schuld. Ich hatte Karten für einen Ballettabend besorgt. Zuerst wollte Heimo nicht einmal mitgehen, dann tat er es doch. Nur, wir kamen uns dadurch nicht näher.

Silvia ging zu ihrem Stuhl zurück und setzte sich. Sie war sich darüber im klaren, daß es Rita gut tat sich auszusprechen. Sie war auch bereit zuzuhören.

Rita sprach auch weiter. »Ich liebe meine Arbeit. Es ist wirklich schön zu sehen, daß man Erfolg hat. Nur habe ich das Gefühl, daß wir nicht mehr am gleichen Strang ziehen. Wir leben nebeneinander her. Es muß doch wieder etwas geben, was wir gemeinsam haben.« Sie zögerte kurz, fuhr dann aber fort: »Ich habe nie an ein Kind gedacht, doch jetzt, nachdem wir alles aufgebaut haben, wäre dies schön. Ich würde gerne Mutter sein.«