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akzeptiert. Ansgar ist genetischer Berater und Friedemanns Kumpel aus der Schraubergemeinschaft. Aber Ansgar hat mächtig Dreck am Stecken. Er trifft während eines Oldtimertreffens Darius, den Ansgar mal falsch beraten hat, um mit seiner Frau zu schlafen, woraus ein Kind entstanden ist, welches Darius zugeschoben wird. Darius schlägt Ansgar ein illegales Autorennen vor, um die Sache zu bereinigen. Weil Karin den Revolver findet, mit dem Cornelia den Bankräuber erschossen hatte, beschließt sie ihren Mann zu erschießen, um sich Ansgar zuwenden zu können. Doch Karin und Ansgar kommen bei einem illegalen Autorennen uns Leben, denn Darius hat niederträchtig nachgeholfen. Ingo, Cornelias Freund, ermittelt nun selbständig, findet Cornelias Mörder und sinnt auf Vergeltung. Dabei hilft ihm eine Bombe, ein Blindgänger aus dem zweiten Weltkrieg, der jedoch bei der leisesten Berührung explodieren kann. Ob die Bombe, eine Zeitzünderbombe, noch explodieren und Cornelias Mörder mit in den Tod reißen wird, ist fraglich, denn da ist noch Rosemarie, die mittlerweile grundgute Esoterikerin, die behauptet, dass das nur Schicksal jedes Fehlverhalten ahndet. Ingos Vorhaben, Cornelias Mörder mit der Bombe in die Luft zu sprengen, ist in Rosemaries Augen ein Fehlverhalten. Trotzdem lässt Ingo sich von Nichts und Niemandem davon abbringen, seine über alles geliebte Cornelia zu rächen. Es gelingt ihm, den Mörder Cornelias gefesselt auf die Bombe zu stellen. Doch in diesem Moment erscheinen Rosemarie und Friedemann. Rosemarie versucht den Mörder Cornelias von der Bombe zu befreien und Ingo ein Fehlverhalten vorzuwerfen, welches das Schicksal über kurz oder lang ahnden wird ...
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Seitenzahl: 612
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Hagen van Beeck
Jahrgang 1948, offiziell Rentner aber endlich ein freier Mensch, Autor und ‚Privatgelehrter‘.
Vorher war ich Techniker, Automatenmonteur, Fertigungsplaner, zwischendurch Marktfahrer auf Mittelaltermärkten, Ladner, Vertreter und immer wieder mal Taxifahrer.
Ich habe bereits bei etlichen Kleinverlagen Romane und in diversen Anthologien Kurzgeschichten veröffentlicht.
Bisher von mir erschienen:
Zauber der Düfte Silberschnur Verlag
Apollofrau Militzke
Liebenswertes Darenwede: Alte und neue Legenden aus Darenwede Seemann Publishing
Nur mal eben nachgedacht Seemann Publishing
Tage und Nächte mit Lydia Seemann Publishing
Myriams Rückkehr: Roman Seemann Publishing
Blues für Rebecca: Band 1 Rebeccas letzte Liebe Seemann Publishing
Blues für Rebecca: Band 2 Vergeltung für Rebecca Seemann Publishing
Hagen van Beeck
Die Kluge, die Schöne und die Untreue
Engelsdorfer Verlag Leipzig 2024
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.
Copyright (2024) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Titelbild © Svetlana Cherruty [Adobe Stock]
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt
www.engelsdorfer-verlag.de
Cover
Titel
Impressum
Cornelias Rolle ihres Lebens
Warum sind wir uns nicht schon früher begegnet?
Wir fahren jetzt in irgendein Hotel und lassen es uns gutgehen
Irgendwas muss mit Cornelia sein
Mein Publikum, und das hier ist meine Bühne!
Wir sollten schon mal einen Irish Coffee trinken
Jetzt können wir endlich abhauen
Lass uns noch etwas auf der Bank sitzen
Möglicherweise schaffen wir eine zweite Runde Liebe
Du küsst wie eine Göttin
Big-Bumper Meeting
Meine Dessous habe ich Cornelia geliehen
The older the berry, the sweeter the juice
Ich werde uns mal die Karten legen
Sie werden sich fühlen, wie Marilyn dereinst!
Vielleicht war das auch nur ein kurzes Intermezzo!
Ich habe mich nicht gefühlt wie Marilyn Monroe
Ich habe den ‚Tod‘ gezogen, das betrifft deine Frau!
Gibt es denn keine normalen Menschen mehr?
Kartenlegen ist wie das tägliche Leben
Was? Ich soll spießig sein?
Man muss aufpassen, dass die Hütte nicht explodiert
Wir können’s noch mal im Maisfeld versuchen
Das Umbringen meiner Frau schlag’ dir aus dem Kopf
Da liegt ein Toter im Maisfeld
Wir fangen sofort an zu trainieren
Wenn man eine Affäre hat, darf man seine Gewohnheiten nicht ändern!
Eine Femme fatale könnte ich hervorragend spielen
Die Frau eines Arztes zu sein fühlt sich gut an
Ich ziehe auch wieder die Reizwäsche an
Ich stell’ mir vor wie du duschst
Billard spielen doch nur Zuhälter und Ganoven
Wieso haben wir kein Schnittlauch mehr?
Sonne steht still über Gibeon
Wer weiß, wofür es gut war!
War Schauspielerin Mittäterin bei Banküberfall?
Ich küss’ dich überall
Sind Sie Einbrecherin auf selbständiger Basis?
Bumst dein Freund auch wie ein Gangster?
Wir treffen uns in dem Café
Es im grünen Wald zu treiben kann sehr schön sein
Heute brauch’ ich dich mal … !
Der Knall des Schusses war ohrenbetäubend
Jeder bekommt das, was er verdient!
Natürlich, liebe Karin. Lass uns gehen
Wir werden sehen, was sich weiterhin tut
Ich war bei meiner Geliebten
Die Sache mit der Handgranate
Ich werde Rosemarie helfen, Karin umzubringen
Einer verkrachten Schauspielerin braucht man nur eine hübsche Rolle zu versprechen und schon spurt sie
Du machst alles kaputt
Wir haben’s auch lange nicht mehr getan
Dafür kriegst du gleich was besonders Schönes
Soziopathen sind unfähig zur Liebe
Die letzte Karte ist … ‚Der Tod’
Wenn es keinen Spaß macht, ist es kein Auto
Warum belügt Karin mich dauernd?
Cornelia schlug Rosemaries Warnung in den Wind
Ich werde mit Rosemarie drüber reden
Wo soll’s denn hingehen, schöne, junge Frau?
Lass Neider neiden, Hasser hassen, was Gott uns gönnt, muss man uns lassen!“
Ich soll hier hundert Queues abholen
Göttinnen sind in unserem Kulturkreis immer schlank
Niemals vergisst er den Sicherheitsschuss!
Mit uns Pädagogen kann man es ja machen
Wir wollen erst mal hören, was Rosemarie uns erzählt
Wozu muss man so einen Mist wissen?
Als letzte Karte stand der Tod!
Halte mich ruhig für sentimental
Das war doch ganz einfach
Zum Lieben haben wir leider keine Zeit mehr
Kein Quickie im Lehrerzimmer
Eine ‚Woge der Extase‘ für Rosemarie
Ansgar werde ich auch umbringen, jetzt reicht’s!
Ich spüre, dass deine Frau heute Nacht sterben wird
Wir fahren jetzt ins Hotel, Champagner trinken!
Die Zeit des Abschieds von deiner Frau ist gekommen
Mitwisser werden von solchen Typen auch beseitigt
Eine Fliegerbombe aus dem zweiten Weltkrieg
Ich glaube wir hätten als Team eine Chance
Da liegt der Hase im Pfeffer
Diesmal frühstücken wir bei dir
Rosemaries Augen blitzten als sie ihre Kleider auszog
Wir müssen eine Vermisstenanzeige aufgeben
Sie wollte Freiraum für ihre Eskapaden
Alles fließt – aus und ein, alles hat seine Gezeiten!
Kann es sein, dass du ein Alkoholproblem hast?
Wer denkt sich bloß so was Grauenhaftes aus?
Wir sollten diesen Anfang, in dem ein Zauber wohnt, so lange wie möglich halten
Gesquirtet habe noch nie
Ich bin jetzt total pleite!
Meine Tochter hat jetzt ein Septum-Piercing
Love me tender, love me soul
Haben Sie schon mal einen Sazerac probiert?
Sie verdammte Hure!
Manchmal bin ich auch ein kleines Gangsterchen
Was mache ich bloß?
Deshalb habe ich auch noch was zu erledigen
Ach wäre das schön, wenn die Karten einmal lügen würden
Friedemann und Rosi were lovers
Ich muss noch schnell was erledigen
Irgendwas nachkochen kann schließlich jeder
Wenn etwas gut funktioniert, sammelt es nur Energie für den Worst Case
Wir sind, was wir denken
Ich muss anfangen, an meinem Karma zu arbeiten
Mal eben hundert Queues vom Polenmarkt abholen
Rosemarie hat nichts außer einem Parfüm an
Wir beseitigen den Mann so diskret wie üblich
Das fassen wir als Opfer für die Götter auf
Ich werde improvisieren müssen!
Ich fühle mich gerade so schön frivol
‚Stupsnase‘ im Gürtelholster
Das Schicksal ist ein böses Weib
Ferner sah ich unter der Sonne, dass nicht die Schnellen den Lauf gewinnen und nicht die Helden den Krieg und auch nicht die Weisen das Brot und auch nicht die Verständigen den Reichtum und auch nicht die Kenntnisreichen die Beliebtheit, sondern Zeit und Geschick trifft sie alle.
Prediger 9,11
Der Geldautomat in der kleinen Sparkasse war kaputt. Ein handgeschriebener Zettel, an den Automaten geklebt, gab darüber Auskunft.
„Wollen Sie bitte zu mir kommen?“, rief eine Frau am Tresen, „der Wartungsdienst ist schon informiert, dass der Apparat nicht funktioniert.“
„Ja, gerne.“
Cornelia Brandes nahm ihre Karte und ging zum Schalter. „Ich will mich gleich mit meinen Freunden in einem Ferienhäuschen in der Lüneburger Heide treffen“, sagte sie zu der Sparkassenangestellten. „Ich hätte gerne 200 Euro von meinem Konto. Ist noch so viel drauf?“
In diesem Moment bohrte jemand den Lauf einer Waffe in Cornelias Schläfe. Gleichzeitig flog eine schwarze Reisetasche an ihr vorbei, ein Arm legte sich von hinten um ihre Brust und zog sie etwas zurück. Mit heiserer Stimme flüsterte der Mann dicht hinter ihr: „Das ist ein Überfall! Tun sie alles Geld in die Tasche, und geben sie keinen Alarm! Lösen sie auch keinen stillen Alarm aus, sonst erschieße ich diese Frau!“
Cornelia stand wie erstarrt. Gewiss, ihr Freund hatte ihr mal eine kleine Pistole, eine Walther TPH geschenkt, die sie in ihrer Jackentasche bei sich trug, aber die nützte ihr in diesem Moment nichts.
„Zum Selbstschutz!“, hatte er damals gesagt, „falls eine schöne Frau wie du mal überfallen wird. – Aber lass dich damit nicht erwischen, ich habe sie mal von einer alten Dame geklaut!“
Daraufhin hatte Cornelia die Pistole immer in der Jackentasche, aber schon fast vergessen. Aber die Pistole war gespannt und schussbereit.
Cornelia hatte mal in einem drittklassigen Film eine winzige Rolle gespielt, eine von diesen Angestellten, die sich bei einem Banküberfall mit Geiselnahme flach auf den Boden werfen mussten. Nur, damals war es ein lustiger Film gewesen, und der Filialleiter, der neben ihr am Boden lag, hatte ihr zuzuflüstern: ‚Fräulein Kleinschmitt, bitte legen Sie sich auf den Bauch, wir sind hier nicht auf einem Betriebsausflug!‘
„Sie, ja sie“, hörte sie die heisere Stimme hinter ihr, „nehmen sie die Tasche und tun sie endlich alles Geld hinein! Ich weiß, dass Sie den Geldautomaten geleert haben und nun so auszahlen müssen! Also keine Zicken! Alle anderen hinlegen! Keinen Alarm, sonst erschieße ich diese Frau!“
Die Kassiererin kam aus der Panzerglasbox und nahm die Tasche. Der Druck an Cornelias Schläfe ließ etwas nach, und Cornelia spürte, wie der Mann hinter ihr erleichtert ausatmete.
In dem Film war Cornelia zunächst für die Rolle der Geisel vorgesehen gewesen. Man hatte die Szene etliche Male geprobt und dann umbesetzt. Cornelia wusste, dass der Mann hinter ihr ein Routinier war. Er hatte den Lauf seiner Waffe in der kleinen Vertiefung an der Schläfe leicht nach oben eingerastet und zog Cornelia ein wenig nach hinten, aus dem Gleichgewicht. Sie musste sich an ihn lehnen, keine Chance, sich mit einer schnellen Bewegung frei zu machen. Sie würde zunächst straucheln.
Cornelia schloss die Augen zu schmalen Schlitzen. Undeutlich sah sie, dass die Geldbündel in die Tasche flogen. Sie hörte die Eingangstür klappen, kurz darauf verschwand die Waffe von ihrer Schläfe. Ein dumpfer Schlag, ein männlicher Körper flog zu Boden, der Druck an der Schläfe war wieder da.
Der Mann am Boden versuchte aufzustehen.
„Da bleibst du liegen!“
Cornelia wurde herumgerissen, wieder ein Schlag, ein Schmerzlaut, Cornelia wurde zwei Schritte zurückgezogen.
Sie sah einen Mann verkrümmt am Boden liegen. Zu allem Überfluss begann Cornelias Handy zu jingeln.
„Stellen sie sofort ihr Handy ab! – Alle anderen auch!“, brüllte der Mann hinter ihr.
Mit einer mechanischen Bewegung zog Cornelia ihr Handy aus der Tasche und schaltete es ab. In diesem Moment zog ihr Leben an ihr vorbei: Die Ausbildung zur Schauspielerin, ihre ersten kleinen Rollen, aber dann blieben sie aus, weil eine Vorabendserie mit ihr wegen schlechter Quoten vorzeitig abgesetzt wurde. Sie bekam keine Engagements mehr, weil sie bei dem Casting für einen Film über das Leben des Otto Muehl nicht die nackte Frau spielen wollte, über die während einer von Muehls Aktionen Urin und Kot geschüttet wurde, nachdem ein Schwein im Bett mit einer Axt geschlachtet worden war. Zudem war ihr ein bekannter Arzt auf dem Rückweg hinten in ihr Auto geknallt. Weil Cornelia nicht wütend wurde, sondern ausgesprochen kultiviert und freundlich reagierte, diagnostizierte der Arzt an Ort und Stelle Hypomanie sowie eine Bipolare Störung. Sie hätte angeblich ohne Grund gebremst, und er hatte sie in einer depressiven Phase erwischt. Diese Schnelldiagnose hielt er in dem unabdingbar folgenden Prozess aufrecht. Sein renommierter Anwalt schlachtete diese Schnelldiagnose gnadenlos aus. Cornelia konnte sich nur einen Pflichtverteidiger leisten, der sich die Akte auf dem Flur des Gerichts kurz ansah und Cornelia fragte, was eine Bipolare Störung ist.
Nach dem kurzen, routiniert geführten Prozess konnte Cornelia froh sein, dass sie ihren Führerschein behalten durfte. Sie war ‚verbrannt‘ als Schauspielerin, weil ein Käseblatt getitelt hatte: ‚Erfolglose Schauspielerin mit Bipolarer Störung verwickelt renommierten Arzt in Unfall.‘ Mit Juristen und Journalisten wollte sie daraufhin nichts mehr zu tun haben.
Sie ging seit dem kellnern, Pornofilme wollte sie nicht machen, sie hoffte immer noch auf ein Engagement, und verbrachte ihr freie Zeit mit Malen, neben dem Telefon, falls doch mal jemand anrufen sollte, der eine Schauspielerin benötigte.
Ihren Freund aus der Nachbarschaft hatte sie vor Kurzem kennengelernt, als sie eingezogen war, in eine winzige Wohnung. Er war Tatortfotograph, ab und zu lieh er ihr sogar seinen Wagen, wenn sie voller Hoffnung zu weiteren Castings fuhr. Der Wagen war ein roter Triumph Spitfire, den er sorgsam pflegte. Sicher machte er sich mehr Hoffnungen, als nur ab und zu mal Sex. Cornelia jedoch klammerte sich an den Rest einer Chance, irgendwann doch mal eine große Rolle spielen zu können.
‚Dies ist ein Film‘, dachte Cornelia, ‚ich spiele eine Rolle in einem Film! Aber kein Regisseur wird ‚AUS‘ rufen, die Scheinwerfer werden nicht erlöschen und in der Waffe an meiner Schläfe wird echte Munition sein. – Aber ich will hier lebend rauskommen, ich habe noch viele Filme zu drehen. Ich muss jetzt unbedingt meinen Freund abholen, weil wir ins Ferienhaus in der Lüneburger Heide wollen, um Friedemann und Ansgar dort zu treffen.‘
„Stellen sie die Tasche da vorne hin!“, befahl die heisere Stimme hinter Cornelia, „und legen sie sich auf den Boden! – Sie nehmen die Tasche! Jetzt!“
Der Mann hinter ihr schob sie bis an den Tresen, auf dem die Tasche stand.
„Mit der linken Hand“, flüsterte die Stimme hinter ihr, während sich der Druck an ihrer Schläfe kurz verstärkte.
Cornelia zog die Tasche langsam zu sich heran, während sie mit dem rechten Arm vorsichtig an der Tasche ihrer Jacke vorbeitastete. Durch den Stoff spürte sie ihre Pistole, die Walther TPH, und ein Hauch von Sicherheit durchströmte sie.
Gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass man sie der Komplizenschaft beschuldigen würde, wenn die Sache hier irgendwie schief ging.
Cornelias Herz begann erst jetzt wild zu schlagen, als der Mann hinter ihr sie zur Tür drängte.
„Bleiben sie ruhig, dann geschieht ihnen nichts“, flüsterte die Stimme hinter ihr und fuhr laut fort: „Bleiben sie noch fünf Minuten so liegen und geben sie keinen Alarm, sonst erschieße ich diese Frau!“
Die Tür der Bank schloss sich langsam hinter ihnen und fiel ins Schloss.
„Wir nehmen ihren Wagen und sie fahren!“
„Ich habe keinen Wagen“, flüsterte Cornelia.
„Ich habe sie kommen sehen, der rote Spitfire dort! Nun machen sie schon! Gehen sie unauffällig!“
„Das ist nicht mein Wagen, der ist nur geliehen, von meinem Freund Ingo, der bei der Polizei arbeitet.“
„Egal! Fahren sie endlich los!“
Ohne sie loszulassen drängte der Mann sie zu ihrem Wagen.
‚Das fällt doch auf‘, dachte Cornelia, ‚das muss doch auffallen. – Was ist das bloß für ein Film?‘
„Steigen sie ein! Die Tasche nach hinten, zu den anderen!“
Der Arm um Cornelias Brust und die Waffe von der Schläfe verschwanden. Der Mann öffnete die Beifahrertür, während Cornelia die Tasche auf den kleinen Rücksitz des Wagens schleuderte, warf sie aus den Augenwinkeln heraus erstmalig einen Blick auf den Mann. Der Mann trug eine Sturmhaube auf dem Kopf und einen silbernen Revolver in seiner behandschuhten Hand.
„Rüber rutschen!“
Cornelia glitt über den Schaltknüppel auf den Fahrersitz.
„Nun fahren sie schon!“
Cornelias rechte Hand glitt in die Jackentasche. Die Wagenschlüssel waren dort, zusammen mit der TPH. Einen winzigen Moment berührten die Finger das kühle Metall, aber dann war der Lauf des Revolvers wieder an ihrer Schläfe. Cornelia schluckte, zog mit leicht zitternden Fingern die Schlüssel hervor, knöpfte die Tasche wieder zu und startete den Motor.
„Los, geradeaus!“
Beinahe den Motor abwürgend fuhr Cornelia mit einem Ruck an.
Hinter ihnen lief der schrille Ton der Alarmanlage hoch und ein gelbes Licht begann zu blinken.
„Verdammt“, keuchte der Mann neben ihr, „fahren sie schneller! Dort zu dem Wald!“
‚Schnitt!‘, dachte Cornelia, ‚Aus! Danke, gestorben. … Kein Schnitt!‘
Nur der Motor vor ihr heulte geschunden auf.
Cornelia schaltete in den zweiten Gang und trat das Gaspedal bis zum Bodenblech durch. Das dunkle Betonband der Straße sauste unter ihr hindurch. Sie knüppelte die Gänge hoch, als könne sie sich damit befreien, saß mit weit ausgestreckten Armen etwas zusammengesunken im Sitz. Alles was sie spürte, war der Lauf des Revolvers an ihrer Schläfe. Alles kam ihr unwirklich vor, die Autos, die Fußgänger, die Bäume, die Häuser.
Sie erinnerte sich an einen LSD-Trip, den sie vor Jahren mal mit ihrem damaligen Freund genossen hatte, und an das verzerrte Zeitempfinden dabei, und plötzlich bekam sie Angst vor sich selber. Angst, dass sie aus purer Panik das Lenkrad herumreißen und gegen eine Mauer fahren würde.
Und dann schien plötzlich eine zweite Straße auf der Straße vor ihr zu liegen. Die zweite Straße bog etwas ab von der ersten, und sie wusste nicht, welcher Straße sie folgen sollte, aber sie hielt das Lenkrad gerade, und der Ton einer Hupe knallte in ihre Ohren und entfernte sich tiefer werdend irgendwo in der Unendlichkeit.
Die Waffe verschwand aus ihrer Schläfe und sie erinnerte sich, eben haarscharf an einem Lastwagen vorbeigefahren zu sein.
Sie schloss die Augen kurz, einen einzigen Herzschlag lang, der wie ein Donnerschlag durch ihren Körper toste, öffnete sie wieder und sah nur noch eine Straße vor sich, gesäumt von Bäumen.
„Ganz ruhig! Langsamer! Mein Gott, was soll denn das?“, die raue Stimme des Bankräubers drang wie aus weiter Ferne zu ihr. Sie nahm den Fuß vom Gas.
„Und nun links rum!“
‚Links rum, links rum, links rum‘, pochte ein imaginäres Drehbuch in ihr.
Der Revolver war wieder da, und Cornelia schraubte das Lenkrad herum, einige Bäume wuchsen in das Blickfeld der Windschutzscheibe, flossen wieder heraus und glitten seitlich vorbei.
‚Wo ist das Stichwort … ? Wo ist ‚meine‘ Action … ? – Welches Stichwort – oh, mein Gott – es gibt kein Drehbuch … Niemand wird ‚AUS, gestorben‘ rufen … Niemand!‘, fegten schrille Gedanken durch ihren Kopf.
Wie in Trance hatte sie die schmale Abzweigung getroffen, und erst jetzt, nachdem der Wagen noch mal kurz schlingerte und mit durchdrehenden Reifen wieder Fahrt aufnahm, drang das wimmernde Kreischen der Pneus zu ihr durch. Der Revolverlauf verschwand für einen kurzen Moment von ihrer Schläfe, kehrte sofort wieder zurück und die Stimme neben ihr schrie: „Sind sie denn verrückt geworden?“
Cornelias Fuß blieb auf dem Gaspedal, als wollte sie ihrem Entführer, ihrem bisherigen Leben, davonfahren, und möglichst schnell, weit hinter dem Horizont ein Neues beginnen, ohne das Drehbuch eines anderen.
„Langsamer verdammt noch mal!“
Die Stimme drang wie aus weiter Ferne zu ihr, mit einem Widerhall der Unendlichkeit, mehrerer, zahlreicher Unendlichkeiten, aus denen sich das zusammensetzte, was zu ihr drang, langsam und schleichend „llaanngssaammmer, verrrdaaammmt nnnoooch mmmaaalll!“
Der Druck an Cornelias Schläfe verstärkte sich. Für einen kurzen Moment sah sie sich in dem roten Spitfire sitzen. Sie nahm den Fuß vom Gas, und trat auf die Bremse. Der Mann neben ihr schob den Schaltknüppel in den Leerlauf. Der Rücken der behandschuhten Hand auf dem Schaltknüppel war glänzte feucht. Cornelia atmete aus, von irgendwo her, weit her, floss sie wieder zusammen, als hätte sie irgendwas auseinander genommen. Sie fügte sich wieder zusammen, verbolzte und verschraubte sich und empfand plötzlich Hitze unter ihren Augen. Sie sah ihre Hände mit weißen Knöcheln, die das Lenkrad hielten.
Ganz ruhig nahm sie die Stimme neben sich auf: „Mein Gott, sie bringen uns ja um! Bleiben sie ruhig! – Sehen sie das Maisfeld da vorne? Da fahren sie jetzt vorsichtig hinein, und ich warne sie … !“
Der Revolver war wieder da, kalt und brutal.
Cornelia fuhr an. In ihr tauchte ein Schalter auf, er hatte drei Stellungen, er stand auf Mitte – nach oben war für sie GUT, nach unten war BÖSE – ihr imaginärer Finger legte sich auf den Schalter und drückte ihn nach unten … BÖSE.
Der seltsame Zustand, die Mischung aus Trance und Euphorie, glitt von Cornelia ab, verließ sie wie eine Boa, die genug gewürgt hatte.
Sie legte ihre Schneidezähne frei und bog in einen Weg ein, ausgefahren und zerklüftet, zu oft benutzt.
‚Mein Leben ist wie der Weg ‚, dachte sie, ‚aber jeder Weg führt irgendwo hin … ‘
„Bei dem Stein ins Feld fahren!“
Ein etwas mehr als kopfgroßer Findling lag halb eingebettet in dem flachgefahrenen Gras zwischen Maisfeld und Weg.
„Hinter dem Stein!“
Cornelia verließ den Weg. Die Stoßstange ihres Wagens drückte die Maispflanzen herunter. Sie fuhr langsam weiter, der Spitfire schlingerte und drohte sich in dem schmalen Gang des Maisfeldes festzufahren.
„Zügig weiterfahren!“
Die Stimme neben Cornelia war wieder ganz ruhig, nur eine leichte Spur von Nervosität schwang mit.
Der Gang zwischen den Maispflanzen beschrieb eine Biegung, eine etwas größere freie Fläche war dahinter, abgedeckt von einem Tarnnetz, in dem Maiskolben steckten. Ein grasgrüner Audi stand zwischen zwei Stützpfosten.
„Neben den Wagen fahren!“
Cornelia gehorchte. Vorsichtig und mit nur wenig zitternden Händen manövrierte sie den Spitfire zwischen den Stützstreben des Tarnnetzes hindurch neben den anderen Wagen.
„Sehr gut“, sagte die Stimme neben ihr, und eine Hand zog den Zündschlüssel ab.
„Aussteigen und ausziehen!“
Cornelia riss entsetzt die Augen auf. „Ausziehen? Warum denn Ausziehen?“
„Damit du nicht so schnell abhaust! – Ich will dich ja nicht unbedingt erschießen, aber etwas Vorsprung brauch’ ich schon! So, nun mach’ hin!“
„Und wenn ich verspreche, hier eine Stunde zu warten?“
„Du glaubst doch wohl nicht, dass ich das glaube? Los aussteigen und ausziehen!“
Der Mann machte mit dem Revolver eine winkende Bewegung.
Cornelia stieg aus, ging einige Schritte leicht gebückt unter dem Tarnnetz, öffnete dabei die rechte Jackentasche, in der ihre Pistole steckte, und drehte sich um.
Sie sah, wie der Mann ihre Schlüssel in seine Jackentasche steckte, ausstieg, den Revolver von der rechten Hand in die linke wechselte, mit der rechten einen Schlüssel aus seiner Hosentasche zog und den Audi aufschloss.
Cornelia musterte ihn. Er trug einen normalen, dunklen Anzug und eine Sturmhaube. Alles an ihm war normal, nicht zu dick, nicht zu groß, alles normal.
„Na, was ist? Ausziehen habe ich gesagt.“
„Ich würde gerne eine Zigarette rauchen“, sagte Cornelia, sie hätte so einen Grund gehabt, in ihre Tasche zu greifen, in der ihre Pistole war, „ich kann das nicht!“
„Du spinnst wohl! Das Zeugs hier ist viel zu trocken! – Nun mach’ endlich, sonst muss ich dich leider erschießen.“
‚Verdammt‘, dachte Cornelia, während sie sich langsam aus ihrer Hose zu schälen begann, ‚ich hab’ mich schon vor der Kamera ausgezogen, unzählige Männer haben mich nackt gesehen, da kommt es auf einen mehr oder weniger auch nicht an. Aber das war früher – und es war etwas anderes.‘
Sie stieg vollends aus ihrer Hose.
„Na, es geht doch“, sagte der Mann, „wirf“ her!“
Cornelia wollte sich zuerst bücken, ihre Hose aufnehmen und sie dem Mann zuwerfen, aber sie hatte die Jackentasche schon aufgeknöpft, vielleicht wäre ihre Pistole dabei herausgefallen.
Als würde Cornelia sich leicht erotisiert an den Busen fassen, presste sie die rechte Hand auf die rechte Jackentasche, spürte ihre Pistole und ging tief in die Hocke. Der Mann ließ seinen Revolver sinken und sah zu, wie Cornelia ihre Hose mit der linken Hand etwas zusammenraffte und ihm zuwarf. Sie warf mit Absicht etwas schlampig, aber der Mann fing die Hose trotzdem auf, wandte sich ab und öffnete eine Tür des Audis.
In diesem Moment fasste Cornelia in ihre Tasche und packte ihre Pistole.
Der Mann warf die Hose in den Wagen, Cornelia zog ihre Pistole, richtete sie auf den Mann und drückte in dem Moment ab, in dem er sich ihr wieder zuwandte.
In dem Knall vermeinte sie das Aufschlagen des Geschosses auf die Haut und das Knirschen von Knochen zu vernehmen.
Mit metallischem Klang fiel die leere Patronenhülse auf die Motorhaube ihres Wagens.
So gut es aus der Hocke ging, sprang Cornelia zur Seite während einige Rebhühner irgendwo in der Nähe mit knatterndem Flügelschlag aufflogen.
Blutspritzer waren plötzlich neben ihr auf den welken Maisblättern.
Die Patronenhülse rollte langsam klickernd die Motorhaube herunter, schlug noch mal auf der Stoßstange auf und fiel zu Boden.
Der Mann hatte die Hände vors Gesicht geschlagen, sank langsam in sich zusammen, kippte zur Seite und fiel auf die trockenen Blätter am Boden.
Staub quoll hoch. Die Staubkörner schienen im schrägen Licht der Sonne, das durch die Öffnungen des Tarnnetzes fiel, langsam wieder zu Boden zu tanzen.
Der Mann, der Cornelia aus ihrem bisherigen Leben gerissen hatte, lag auf dem Gesicht. Aus seinem Hinterkopf sickerte Blut. Die Sturmhaube war vom Kopf gerutscht.
Cornelia blieb hocken, lehnte sich an einen Kotflügel ihres Wagens und starrte auf die Pistole in ihrer zitternden Hand. Sie hockte auf trockenen Maisblättern, lehnte sich an das kühle Metall ihres Wagens, sah auf den Mann am Boden, das sickernde Blut, und die Pistole in ihrer Hand schien schwer zu werden, schwer wie die Weltkugel, die Atlas einst getragen hatte.
Nachdem sich die Rebhühner beruhigt hatten und das Blut aufhörte, aus dem Hinterkopf zu sickern, kehrte Leben in Cornelia zurück.
Sie legte die Pistole auf die Haube ihres Wagens, ging hinten um ihren Wagen herum, holte ihre Hose aus dem Audi, wischte den Türgriff ab und zog sich wieder an.
‚Wenn jemand den Schuss gehört haben und ihm nachgegangen sein sollte, müsste er inzwischen da sein‘, dachte sie, ‚bis jetzt habe ich nur in Notwehr gehandelt.‘
Aber alles blieb ruhig, unheimlich still.
Sie steckte ihre Pistole wieder in die Jacke, knöpfte die Tasche zu, zog ihre Jacke aus und wollte sie wie üblich auf die Rückbank ihres Wagens werfen, als sie die schwarze Reisetasche sah.
Die schwarze Reisetasche voller Geld!
Mit nervösen Bewegungen fingerte Cornelia ihre Zigaretten aus der linken Brusttasche ihrer Jacke, zündete sich eine an und inhalierte tief. Irgendwie kam ihr der Rauch geschmacklos vor, als würde sie nur warme Luft in die Lungen saugen.
Ihr Blick wanderte wieder zur Reisetasche.
Wie viel Geld mochte wohl darin sein? Zwanzigtausend? Dreißigtausend? Dreihunderttausend?
Mit dreihunderttausend Euro würde sie, wenn sie ihren Lebensstandard nicht hochschrauben und weiterhin kellnern würde, damit es nicht auffiel, fast zehn Jahre hinkommen. Genug Zeit, auf ein richtiges Engagement zu warten, sie könnte sich auch einen richtigen Agenten nehmen.
Aber sie wurde auch nicht jünger …
Cornelia blies den Rauch aus.
‚Warum eigentlich nicht‘, dachte sie, rauchte die Zigarette zu Ende und grub den Filter in den Boden, ‚das Geld ist versichert, was soll’s?‘
Mit der Kippe vergrub sie auch ihre moralischen Bedenken, sie war entschlossen, das Geld zu behalten. Die Nervensubstanz, die sie durch die Polizeimühle verlieren würde, konnte ihr keiner ersetzen.
Cornelia stand auf und drehte den Toten auf den Rücken. Er hatte die Augen noch offen. Es berührte Cornelia kaum, sie hatte sich gut ‚abgeschaltet‘.
Sie war Schauspielerin und spielte eine Rolle; – die Rolle ihres Lebens!
‚Sieht so ähnlich aus wie mein Nachbar‘, dachte sie, ‚wie klein doch die Welt ist. – Jetzt wird sich herausstellen, ob ich eine gute Schauspielerin bin, ob sich der ganze Schlauch der Ausbildung gelohnt hat!‘
Der Revolver lag neben den Audi. Sie nahm ihn in die Hand und setzte die Mündung auf das kleine Loch über dem linken, starren Auge.
Sie korrigierte noch ein Wenig und drückte ab.
Das .38 Geschoß aus dem Revolver ging durch den gleichen Schusskanal und riss dem Toten vor ihr einen Teil des Hinterkopfs weg. Gehirnmasse quoll heraus.
Eine würgende Übelkeit stieg in Cornelia auf, bitter-galliges schmeckte sie im Rachen. „Oh Gott.“
Nein, dies war kein Film, in dem die Toten immer einfach liegen blieben.
Sie zwang sich, ruhig zu atmen, kämpfte den Brechreiz nieder, schaute starr auf die Maispflanzen und sie schluckte und schluckte, das Bittergallige herunter.
Ein Rascheln, eine Bewegung.
Hatte sich der Tote bewegt?
Neben ihr, der Mann, den sie gerade erschossen hatte?
Sie unterdrückte einen Schrei, richtete den Revolver wieder auf den Toten und wollte wieder abdrücken, die ganze Trommel in ihn hinein feuern, dass der Mann sich wirklich nicht mehr wird bewegen können …
Sie saß einige Atemzüge lang auf dem Boden, mit gebeugtem Nacken, den Revolver in ihrer Hand anstarrend, bis ihr Herz langsamer schlug und der Schalter wieder auftauchte, der Schalter, der in der BÖSE-Stellung stand.
Sie ließ ihn stehen.
Cornelia wurde wieder professionelle Schauspielerin in einem Film. Sie wischte den Revolver gründlich mit ihrem Taschentuch sauber. Erst jetzt sah sie die Gravur auf den kurzen Lauf; – LAWMAN Mk 111.
‚Dramaturgisch hochinteressant‘, dachte sie, fasste die Waffe mit dem Taschentuch an und warf sie soweit es ging ins Maisfeld.
Mit spitzen Fingern klaubte sie ihre Wagenschlüssel aus der Tasche des Toten, steckte stattdessen ihre halbvolle Zigarettenschachtel hinein, zog sie wieder heraus, wischte die Schachtel ab, drückte sie dem Toten ein paarmal in die Hand und schob sie mit dem Taschentuch wieder in seine Tasche.
‚Möglicherweise finden die die Kippe, wenn die nach der Patrone suchen‘, dachte Cornelia, ‚glücklicherweise habe ich keinen Lippenstift drauf. – Ach, herrjeh, die Hülse!‘
Sie steckte die leere Patronenhülse in ihre Hosentasche, sie war noch heiß, legte das Taschentuch in den Fußraum ihres Wagens, ihre Jacke auf die Reisetasche und sah sich noch einmal um.
Es gab nichts, was auf ihre Anwesenheit hingedeutet hätte, trotzdem wischte sie ihre Sandalen mit dem Taschentuch sauber, bevor sie in ihren Wagen stieg und den Motor startete. In ihren Reifenspuren fuhr sie wieder aus dem Maisfeld und auf den Weg. Erleichtert atmete sie auf, als sie niemanden auf dem Weg sah. Sie hielt an, stieg aus und ging um den Wagen. Ein Maisblatt hatte sich hinter eine Chromleiste geklemmt. Sie zog es heraus und warf es weg. Abgesehen von einigen Schlammspritzern sah ihr geliehener Wagen noch sauber aus. Langsam fuhr sie zur Straße zurück, auf der Nebenstraße zur Hauptstraße, und sie bog auf dieser links ab.
Als das Betonband der Straße wieder unter ihr durchfloss, fühlte sie sich mit jedem Meter, den sie zurücklegte, freier.
Das Geld in der Reisetasche hinter ihr wollte sie sich nun endgültig verdienen. Sie zog einen Vergleich zum Anlegen eines Bildes, einen verpfuschten Ansatz zu reparieren war ihr noch nie gelungen.
‚Ein verpfuschtes Bild kann man wegwerfen‘, dachte Cornelia während sie in der Einfahrt eines Umspannwerks bremste, ‚einen Mord aber nicht ungeschehen machen!‘
Neben der gepflasterten Einfahrt war der Boden weich und mit gemähtem Gras bewachsen. Cornelia lenkte den Spitfire auf den weichen Boden, stoppte kurz und startete erneut mit einem Kavalierstart, dass die Grasfetzen und Erdklumpen auf die Einfahrt flogen. Dann wendete sie und fuhr wieder zurück, mit einer lässigen Bewegung warf sie unterwegs das Taschentuch heraus.
‚Auf zum nächsten Akt‘, dachte sie, ‚jetzt wird sich zeigen, ob ich eine gute Schauspielerin bin. Ich werde gleich ganz cool mit Ingo in das Ferienhaus fahren und meine Freunde Friedemann und Ansgar mit seiner Freundin treffen. Ich werde so tun, als wenn nichts Wesentliches geschehen wäre. Der ganze Schlauch der Ausbildung soll nicht umsonst gewesen sein. Ich werde wieder in die Presse kommen, irgendein Produzent wird schon auf mich aufmerksam werden … ‘
Friedemann Bertzbach holte Frau Riemenschneider am Freitag nach ihrem Feierabend vom Supermarkt ab. Sie kam mit ihren Kolleginnen aus dem Personalausgang, winkte ihnen noch einmal zu, gab Friedemann einen flüchtigen Kuss auf die Wange, wie einem alten Bekannten, während er sie kurz in den Arm nahm, ihre Reisetasche aufnahm und sie zu seinem Wagen führte.
„Boooh, das ist ja ein geiles Autochen“, meinte Frau Riemenschneider, als Friedemann ihr die Tür seines Wagens aufhielt.
„Ja, ein Citroën Traction Avant“, sagte Friedemann, „die legendäre französische Gangsterlimousine. Wegen der guten Straßenlage und hohen Geschwindigkeit war der Traction Avant seinerzeit ein beliebtes Fluchtfahrzeug der Gangster.“
Frau Riemenschneider stieg grazil ein, aber so, dass Friedemann kurz sah, dass sie halterlose Strümpfe trug. Sie bemerkte es, lächelte und zog ihren Rock runter.
„Seien Sie bitte vorsichtig mit der Tür, Frau Riemenschneider! Das sind sogenannte Selbstmördertürern“, meinte Friedemann, „die sind hinten angeschlagen und können während der Fahrt aufgehen, wenn die nicht richtig eingerastet sind.“
Er legte Frau Riemenschneiders Reisetasche auf die Rückbank, schloss die Tür sorgsam und stieg selbst ein, „wir fahren also jetzt in ein Ferienhaus in der Lüneburger Heide und bleiben da ein paar Tage. Sonntag bringe ich Sie dann abends wieder nach Hause.“
„Ich muss verrückt sein“, murmelte Frau Riemenschneider, „total verrückt! Da fahre ich mit einem im Grunde wildfremden Mann einfach für ein Wochenendchen in ein Ferienhaus. – Wissen Sie, meine Kolleginnen sind entweder verheiratet oder haben einen festen Freund. Ich bin die einzige, die Single ist. Da wollte ich auch mal mit einem Freund auftrumpfen. Nur um dem Alltagseinerlei zu entfliehen, fahre ich mit einem angeblichen ‚Freund‘ mal eben für ein Wochenendchen weg. Und dann noch mit so einem tollen Autochen. Ich werde den Kolleginnen bei meinem nächsten Mädelsabend was zu erzählen haben, die haben vielleicht geguckt!“
„Ja, manchmal geht das Leben seltsame Wege“, Friedemann ließ seinen Wagen an und fuhr los, „das ist ja gerade das Interessante.“
„Ich bin zwar blond, aber nicht blöde!“, meinte sie. „Bilden Sie sich bitte nicht ein, mit mir gleich mitten ins Bettchen steigen zu können! Wie gesagt, für mich ist dieser Ausflug nur eine Möglichkeit, dem tristen Alltagstrott mal für ein Wochenendchen zu entfliehen. Nächste Woche habe ich wieder Nachtschicht bis zweiundzwanzig Uhr. Da graust es mir jetzt schon vor.“
„Ja, das kann ich verstehen. – Aber ich glaube, wir sollten uns duzen. Ich heiße Friedemann Bertzbach. Von Ihnen weiß ich nur, was auf Ihrem Namensschild stand, als Sie im Supermarkt an der Kasse gesessen haben.“
„Wurde auch langsam Zeit! Ich heiße Rosemarie Riemenschneider. Riemenschneider, wie der Bildschnitzer und Bildhauer. Allerdings kann ich nicht Schnitzen oder Bildhauern wie Tilman Riemenschneider dereinst.“
„Tilman Riemenschneider war übrigens auch Bürgermeister und Freiheitskämpfer zur Zeit der Spätgotik.“
„Ich weiß! Aber ich bin weder Bildschnitzer, Bildhauer oder Freiheitskämpfer. Nur Rosemarie Riemenschneider, abgekürzt R. R. wie die britische Nobelmarke der Automobile.“
„Oder R. R. wie ‚Relatives Risiko‚, ein Begriff der deskriptiven Statistik, der ausdrückt, um welchen Faktor sich ein Risiko, beispielsweise für eine Erkrankung, in zwei Gruppen unterscheidet. – Wir gehen auch zur Zeit beide ein relatives Risiko ein, aber das finde ich interessant“, meinte Friedemann.
„Verstehe ich nicht.“
„Es ist in der heutigen Zeit immer ein Risiko, mit einer im Grunde fremden Person zu verreisen. – Du bist mir dadurch aufgefallen, dass du mir als Einzige beantworten konntest, was ‚Schlagobers‘ ist. Ich habe etliche deiner Kolleginnen gefragt, aber nur du konntest mir eine Antwort geben.“
„Wieso? Schlagobers sagt man in Österreich zur Schlagsahne, das weiß doch jeder.“
„Alle deine Kolleginnen wussten das nicht! Na ja, wir sind ja auch nicht in Österreich. – Und weil du mir ansonsten auch sehr sympathisch erschienen bist, bin ich kurzentschlossen das Risiko eingegangen, dich zu fragen, ob du mal ein Wochenende mitkommst in die Lüneburger Heide. – Hat mich gewundert, dass du zugesagt hast, zwar erst am nächsten Tag, aber immerhin. Ich habe gar nicht damit gerechnet.“
„Da kannste mal sehen! Du bist mir auch schon ein paarmal aufgefallen, als ich an der Kasse gesessen habe. Du hast mir immer die Centchen von dem Wechselgeld gegeben und: „Bitte schön, die sind für Ihre Brautschuhe“, gesagt. – Das fand ich irgendwie süß!“
„Du trägst ja auch keinen Trauring. – Außerdem hast du immer gesagt: „Ach, das wird ja in diesem Leben doch nichts mehr.“ Oder so ähnlich, und hast gelacht.“
„Ja, und dann hast du mich ganz erst gefragt, ob ich eben über dich gelacht hätte. – Außerdem hast du immer so exotische Gewürze gekauft, Matcha Tee nicht aus dem Beutel, Mandelmilch, Panch Phoron, Garam Masala und Makham On und so, was sonst kein Mensch kauft.“
„Ja, Kochen ist mein neues Hobby. Ich probiere gern was aus. Ich hab’ mich mal an Hirschragout mit Rotkraut, Pilzen und Knödeln versucht. Dafür brauchte ich wieder Schlagobers und Paradeismark. Paradeismark habe ich nirgends gekriegt, was ist denn das überhaupt? Leider warst du nicht da, als ich es brauchte.“
„Paradeiser sind in Österreich ganz simple Tomaten. Also einfach Tomatenmark.“
„Habe ich nicht gewusst. Weißt du, ich suche mir aus dem Internet immer Rezepte aus, drucke die aus, gehe danach einkaufen und koche sie zuhause mehr oder weniger genau nach, meistens weniger genau. Ich dachte einmal, Paradeismark wäre Knochenmark oder so. Paradeismark wurde im Rezept jedenfalls nicht erklärt. Es gibt ja auch Markklößchen, habe ich gedacht. – Deshalb schmeckte das Hirschragout, für das das verwendet hatte, auch ein ganz klein wenig … äh, seltsam.“
„Hähä, kann ich mir vorstellen.“
„Tja, und morgen gibt es übrigens Heidschnuckenbraten in der Hütte. Ich bin diesmal dran mit Kochen.“
„Wie? ‚Ich bin dran mit kochen?‘ Was soll das denn heißen?“
„Ja, das habe ich noch nicht erzählt: Es kommen noch zwei Freunde von unserer Schraubergemeinschaft und die bringen immer ihre Freundinnen mit. Endlich kann ich auch mal eine Freundin mitbringen, und dazu noch so eine Hübsche!“
„Lass mich sofort aussteigen! Mit Sexpartys habe ich nichts am Hut!“
„Ach Quatsch, Sexpartys! Sowas machen wir nicht! Wir fahren alle Oldtimer. Um diese zu pflegen, haben wir eine Schraubergemeinschaft gegründet. Alle gehen ansonsten einem ordentlichen Beruf nach und drei von uns spannen ab und zu mal mit ihren Freundinnen in der Hütte aus. Doktor Ansgar Jakobi ist ‚genetischer Berater‘, so eine Art Arzt … “
„Was, ein Doktorchen ist dabei?“
„Ja. Aber an diesen Wochenenden sind wir privat. Sag’ einfach ‚Ansgar‘ zu ihm und gut ist, so wie bei Ingo ‚Dexter‘ Morgan. Ingo ist Tatortphotograph und mag ‚Dexter Morgan‘ gar nicht hören. ‚Dexter‘ erinnert nämlich an den ‚Rächer‘ aus dem gleichnamigen Roman von Frederick Forsyth. ‚Dexter‘ ist zudem der Titel einer amerikanischen Krimiserie. Ich habe die auf den Bohrinseln, auf denen ich gearbeitet habe, manchmal gucken können.“
„Da habe ich ja noch nie was von gehört, von dieser Serie. Na ja, ich gucke ja auch nicht viel Fernsehen.“
„Im Prinzip ist die saustark. Der Serienmörder Dexter Morgan, arbeitet beim Miami-Metro Police Department als Forensiker in der Blutspurenanalyse und übt in seiner Freizeit Selbstjustiz aus. Dexter tötet aber nur diejenigen, die es verdient haben, also Mörder, die von der Justiz nicht belangt werden können.“
„Und so was macht dein Freund Ingo?“
„Ach Quatsch, der ist davon weit entfernt. Er mag es nur nicht so gerne hören, denn wenn er erwähnt, dass er mit Zweitnamen ‚Dexter‘ heißt, kommen die Leute gleich und sagen: „Ah, Dexter, wie der Serienkiller.“ Unbewusst wird er dann abgestempelt. – Ingo liebt seine Freundin Cornelia nämlich über alles. Er bringt sie immer mit und die lieben sich erst mal. Cornelia ist eine richtige Schauspielerin. Zur Zeit leider ohne Engagement, deshalb kellnert sie.“
„Das finde ich aber gut! Ich sitze ja auch im Supermarkt an der Kasse, obwohl ich eigentlich Baugeräteführerin bin.“
„Ja, ich finde das auch gut, besser als sich ins soziale Netz fallen zu lassen. – Einen Schriftsteller mit seiner ‚Herzensdame‘ haben wir normalerweise auch dabei! Die bewegen einen Hotchkiss Willys Overland Jeep. Spielen übrigens gut Billard, die Beiden und machen regelmäßig bei den Turnieren mit. Leider können die dieses Wochenende nicht, weil die zu den ‚Golden Oldies‘ mit Musik, Motoren und Modetrends gefahren sind. Wäre ich auch gerne hingefahren, aber alleine macht mir das keinen Spaß.“
„Oh, spielt ihr auch Billard?“
„Ich nicht, nur die anderen. – Na ja, wir treffen uns nur ab und zu in der Hütte und essen gut, trinken gut, grillen ab und zu mal und gehen auch mal Billard spielen. Berufliches ist dabei absolut tabu! Ich kann allerdings nicht Billard spielen und sitze dann immer allein mit Ansgars jeweiliger Freundin rum und gucke zu … “
„Billard? Ehj geil! Habe ich lange nicht mehr gespielt.“
„Oh, du kannst Billard spielen? Finde ich toll! Ich kann das leider nicht, weil ich manchmal Probleme mit meiner linken Schulter habe. Scheißcaissonkrankheit!“
„Ach, die linke Schulter brauchst du kaum für Billard. Billard ist geil! Die Grundlagen bringe ich dir bei, es bedarf nur eines Anfangs, dann erledigt sich das Übrige. Üben musst du selber, kein Problem. Ich hatte auch mal Unterricht, habe aber sehr schnell aufgegeben und alleine trainiert, vom large-curve massé shot bis zum Jump Shot … aber das ist eine andere Geschichte.“
„Erzähl ruhig, wenn du magst. Wir werden ja noch ein Weilchen unterwegs sein.“
„Na, gut. – Ich bin geschieden, weißt du. Mein Ex ist angeblich immer Billard spielen gegangen, in Wirklichkeit ging der zu seiner Geliebten. Er hatte sogar immer noch Kreide an den Fingern, wenn er nach Hause kam. Ich habe so was geahnt und ihm ein Queue zum Zusammenschrauben geschenkt. – Allerdings passten die Gewindeteile nicht zueinander. Er hat das Queue immer mitgenommen und mir erzählt, wie wunderbar es sich mit dem Queue spielt. Da wusste ich Bescheid! Ich habe zwar in meiner Jugend schon Billard gespielt, dann aber richtig Unterricht genommen. Mein Trainer meinte sogar, ich wäre ein Naturtalent. Das war der Punkt, an dem ich angefangen habe, alles alleine zu machen, ohne die Fehler der anderen zu übernehmen. Weißt du, es bedarf nur eines Anfangs, dann erledigt sich das Übrige! Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben. Ich war auf einmal fasziniert vom Billard. – Na ja, jedenfalls habe ich meinen Mann dann auf einer Party bei Leuten, die einen Billardtisch hatten, richtig vorgeführt. An diesem Abend kam nämlich erst raus, dass die Gewindeteile des Oberteils und des Griffstücks des Queues nicht zusammenpassten. – Na ja, es sind noch ein paar andere Sachen vorgefallen und ich habe mich scheiden lassen. – Aber Billard würde ich gerne mal wieder spielen, ‚hab’ lange genug ausgesetzt!“
„Das lässt sich bestimmt einrichten! Wir gehen am Freitag immer erst mal gepflegt Essen und die Jungs spielen anschließend Billard. Sonnabend kocht immer einer von uns. – Weißt du, ich bin diesmal dran und habe bei dem Landschlachter am Ort eine Heidschnuckenkeule bestellt. Die möchte ich gerne über Nacht in Buttermilch legen, damit wir alle am Sonnabend gegen Abend schön niveauvoll Tafeln können. Die anderen Ingredienzien habe ich auch mit, inklusive Wein, Whisky und Schlagobers für Irish Coffee. Traditionell trinken wir nämlich zuerst immer Irish Coffee, bis die Jungs und ihre Damen nach und nach eintrudeln und gehen dann Essen. Am Sonnabend gibt’s erst mal ein British Breakfast, das macht Ingo immer, ich helfe ihm dabei, und gegen Abend wird niveauvoll getafelt, so richtig schön mit Wein und guten Gesprächen. – Weißt du, lange bevor Ingo seine Cornelia kennengelernt hat, ist er mal mit ein paar geschiedenen Fertigungsplanern hierhergefahren. Die haben das immer genauso gemacht. Besonders das mit dem British Breakfast und dem Abwechseln Kochen und dem anschließenden gemeinsamen Tafeln fand Ingo geil und hat das für unsere Clique übernommen. Dieses Wochenende koche ich mal. Am Sonntag frühstücken wir noch mal schön, machen die Hütte sauber und ich bringe dich wieder nach Hause. Wenn du willst, können wir noch mal irgendwo was essen.“
„Das hört sich gut an. Aber, was den Irish Coffee betrifft, nicht zu viel Alkohol! Ich werde dann nämlich immer frivol, wenn ich unmäßig viel Alkohol getrunken habe. Das habe ich von meiner Mutter geerbt.“
„Finde ich schön! Hier kennt dich keiner, und wir benehmen uns an diesen Wochenenden immer alle etwas, ähm, ausschweifend. – Nach dem Irish Coffee müssen wir Cornelia und Ingo allerdings ein Weilchen alleine lassen. Ich lade dich ins Wirtshaus in der Nähe auf einen Grillteller mit Gyros, Schweinefilet, Souflaki-Spießen und Lammsteaks ein. Ansgar macht das mit seiner Dorit nämlich auch. Ich hoffe, du bist keine Vegetarierin, der Grillteller dort ist nämlich hervorragend.“
„Nee, diesen Vegetarier,- und ganz besonders diesen Veganer-Boom finde ich bescheuert und besonders diese neumodische Waerland-Kost … “
„Was ist das denn schon wieder? Waerland-Kost, habe ich ja noch nie gehört.“
„Waerland-Kost ist eine vegetarische Ernährungsform, die von einem bekloppten schwedischen Ernährungsreformer entwickelt wurde. Die Basis dieser Kost besteht aus Rohkost und so einem von ihm erdachten, widerlichen Getreidebrei. Dauernd kommen die Kunden zu mir und fragen, ob da auch wirklich kein Fleisch drin ist und ob wir auch Waerland-Kost und diesen veganen Kram hätten. Dabei steht’s doch drauf, auf den Produkten. Da ist mir ein Lammsteak oder ein Heidschnuckenkeulchen lieber.“
„Eben! Ich bin allerdings Halbvegetarier, ich esse nur Tiere, die sich vegetarisch ernährt haben.“
„Ganz recht! Die Vegetarier sollen doch rausgehen und grasen oder sich was von der Hecke abschneiden!“
„Genau! – Die haben in dem Wirtshaus ‚Zum Karrenbauer‘ übrigens auch einen sehr schönen Billardtisch, da können wir dann anschließend spielen. Da ist, glaube ich, sogar ein Turnier bei Ingolf im Karrenbauer an diesem Wochenende.“
„Großartig“, jubelte Rosemarie, „das kann ja ein richtig tolles Wochenende werden! Warum sind wir uns nicht schon früher begegnet?“
„Tja, das Leben ist nicht anders.“
Es entstand eine kurze Pause, während der Citroën über die Landstraße schnurrte, räkelte Rosemarie sich in ihrem Sitz.
„Sag’ mal“, fragte sie plötzlich, „was machst du eigentlich beruflich, dass du dir solch einen tollen Wagen leisten kannst?“
„Ich bin jetzt Frührentner“, sagte Friedemann, „vorher war ich Unterwasserschweißer.“
„Was ist denn ein Unterwasserschweißer? Habe ich ja noch nie gehört!“
„Unterwasserschweißer sind Spezialisten, die bei dem Bau oder der Instandhaltung von Wasserbauwerken oder Bohrinseln Schweißarbeiten unter Wasser ausführen. Unterwasserschweißer sind dumm, stark und wasserdicht.“
„Glaube ich nicht, wenn ich dich so ansehe. – Aber das ist ja interessant! Bitte erzähl mir mehr davon!“
„Ich habe auf einer Bohrinsel gearbeitet. Für Schweißarbeiten unter Wasser gibt es zwei unterschiedliche Vorgehensweisen: Das so genannte trockene Verfahren, wobei das Schweißen in Druckkammern vorgenommen wird, und das nasse Verfahren. Hierbei wird direkt im Wasser gearbeitet. Habe ich meistens gemacht, weil ich oft Schweißarbeiten an schwer zugänglichen Stellen ausgeführt habe. Da musste ich sogar schon mal über Kopf arbeiten. Ich habe dabei allerdings im Team gearbeitet und hielt stets über Funkverbindungen Kontakt zu Helfern an der Wasseroberfläche. – Bis die Galeere abgesoffen ist … “
„Wieso Galeere? Ich denke, Galeeren sind so alte Kriegsschiffe, mit Rudern und einem Rammsporn.“
„Ach so. – Galeeren sind im Jargon die Arbeitsschiffe für die Borinseln, weil die Leute darauf fürchterlich arbeiten müssen. – Solch ein Ding ist jedenfalls mal abgesoffen und hat meinen Teamkameraden mitgerissen. Ich bin dann aus fast dreißig Metern Tiefe nach oben geschossen wie ein Korken, weil die Verbindungsleitungen dabei alle gekappt wurden. Ich habe mir dabei eine unheilbare Caissonkrankheit zugezogen, und durfte nicht mehr tauchen.“
„Was ist denn eine ‚Croissantkrankheit‘?“
„Caissonkrankheit oder Taucherkrankheit, die sogenannte arterielle Gas-Embolie, wird durch Stickstoffanreicherung im Gewebe, besonders im fetthaltigem Gewebe, bei zu schnellem Auftauchen, hervorgerufen. Wird zu schnell aufgetaucht, ohne die erforderlichen Dekompressionspausen, wird in kurzer Zeit zu viel Stickstoff freigesetzt und setzt sich in Form von vielen Gasblasen im Blut oder auch direkt im Körpergewebe ab. Es kann zu Gewebeschäden oder verstopften Blutbahnen kommen. In entsprechenden Tiefen perlt dieser angereicherte Stickstoff in Form von Mikro-Gasbläschen ins Gewebe aus, und ruft die arterielle Gas-Embolie hervor. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Heute noch nach Jahren habe ich besonders bei wechselhaftem Wetter, leichte bis mittlere Beschwerden in der linken Schulter und im linken Bein. Mikroskopisch feine dekospezifische Gewebeveränderungen im betroffenen Bereich sind taucherärztlich auch bestätigt worden. Na ja, Hauptsache, ich kann noch Auto fahren.“
„Und deshalb darfst du nicht mehr tauchen?“
„Na ja, Sport und so kann ich nicht mehr machen, weil Herz und Lunge bei mir betroffen sind. Das bedeutet Frührente. Glücklicherweise war ich gut versichert. Die Versicherung wollte, wie üblich, erst nicht zahlen, aber dann hat’s doch geklappt. – Na ja, eigentlich habe ich ja auch mein Alter. Normalerweise ist man bei dieser Arbeit spätestens mit vierzig platt.“
„Aber du musst ganz gut verdient haben, oder?“
„Mein Gehalt lag bei ungefähr sechstausend Euro im Monat, allerdings bei einer Arbeitszeit von zwölf Stunden täglich. Ich war immer vierzehn Tage auf der Insel, und hatte dann etliche Tage frei.“
„Toll! Wenn ich da an mein Gehalt denke! Ausgesprochen mies, und dafür sitze ich manchmal bis zweiundzwanzig Uhr an der Kasse und muss mit dem Fahrrädchen oder zu Fuß zum Supermarkt. An der Kasse sitzt man sich den Hintern breit, das Kreuz tut weh und ich bekomme regelmäßig Nackenschmerzen. – Aber trotzdem, ich komme zurecht! Mit überflüssigem Reichtum kann man nur Überflüssiges erwerben. Nichts von dem aber, was die Seele notwendig braucht, kann man mit Geld kaufen.“
„Jaha, das wird den Niedrigverdienern von den Machthabern, die selbst nicht wissen wohin mit ihrem Geld eingebläut!“
Rosemarie lächelte, „ich weiß! Aber man kann es leben. – ‚Sei zufrieden mit dem, was Dir beschieden, entbehre nicht, was Du nicht hast. Ein jeder Stand hat seinen Frieden, ein jeder Stand hat seine Last.‘ Das stand mal auf Französisch in dem Likörschrank meiner Großmutter, bei der ich aufgewachsen bin. War übrigens auch in der Lüneburger Heide, ich war sogar mal Heideblütenkönigin! Aber das ist lange her.“
Friedemanns Handy meldete sich. Er zog es während der Fahrt aus der Tasche, lenkte mit der linken Hand weiter und sagte: „Ja, Ansgar, erzähl’ mir. – Oh, das ist aber schade. – Nee, Cornelia ist nicht bei mir. – Das ist aber nicht gut. Es wird ihr doch nichts passiert sein? – Na, wenn du meinst! Ich bin gleich da, ich muss nur noch schnell eine Heidschnuckenkeule vom Schlachter holen, bevor der zumacht, damit wir Sonnabend tüchtig tafeln können. Jammerschade, dass du nicht dabei sein kannst, aber dir viel Spaß beim Big-Bumper Meeting. – Natürlich verstehe ich das, aber beim nächsten Mal bist du dabei, oder? – Ansgar, hau rein! Ich rufe Ingo gleich noch mal an, und grüß’ Dorit schön. – Was? – Dann fährst du eben mit einer anderen Frau zum Big-Bumper Meeting, Hauptsache bei dir kommt Freude auf, es sei dir gegönnt. – Ja, tschüss Ansgar, und viel Spaß mit deiner neuen Freundin beim Big-Bumper Meeting.“
Friedemann legte auf, und sagte: „Cornelia, das ist die Freundin von Ingo, meldet sich seltsamer Weise nicht. Das ist sonst nicht ihre Art, die lieben sich nämlich und telefonieren dauernd miteinander. Ingo hat übrigens auch einen Oldtimer, einen britischen Spitfire. Cornelia ist die Einzige, der er seinen Spitfire leiht, und das will was heißen!“
„Ja, Ja, ich verstehe die Mentalität. An alten Autos neues lernen. Ich kann mir vorstellen, dass es dazu einen Menge zu wissen gibt, wie machst du das?“
„Learning by doing“, meinte Friedemann. „Zuerst hat mir mein Kumpel Rolf aus der Schraubergemeinschaft geholfen, dann musste ich aber alleine weitermachen und klarkommen. Der Wagen hat mal gelaufen, ich muss ihn dazu bringen, wieder zu laufen! Wenigstens die Zündung einstellen und so kann ich bei diesem Wagen noch selbst machen, das ist bei den heutigen Autos nicht möglich. – Fährt nicht gibt’s nicht!“
„Eine tolle Einstellung, Herr Bertzbach“, sagte Rosemarie, „die Einstellung gefällt mir.“
„Ist das nicht normal? Den Wagen in die Werkstatt bringen kann jeder. – Was ich noch sagen wollte: Ansgar kann diesmal leider nicht dabei sein. Er fährt mit einer neuen Tussi zum Big-Bumper Meeting, weil er einen amerikanischen Oldtimer, einen Mustang fährt, ist das Big-Bumper Meeting ein absolutes Muss.“
Friedemann steckte sein Handy wieder weg, „muss ja eine komische Frau sein, die mit ihm zum Big-Bumper Meeting fährt. Sicher eine Rockabella oder eine neue Schlampe. Na ja Ansgar hat dauernd neue Freundinnen, wir kennen ihn nicht anders. Seit er geschieden ist, hat er einen unheimlich hohen Frauenverschleiß.“
„Ansgar ist der Arzt, nicht wahr?“
„Genetischer Berater, oder wie das heißt. – Mist, die Lammkeule ist für sechs Personen dimensioniert. Da bleibt uns nichts anderes übrig, als mächtig zuzulangen.“
„Ich glaube das werden wir schaffen. Wenn ich dran denke, dass es Lammkeulchen gibt, kriege ich jetzt schon ein Hüngerchen.“
Karin Bertzbach rollte ihren Koffer zur Tür, verschloss sie sorgsam und prüfte noch mal nach.
„Guten Abend Karin, schön dich mal wieder zu sehen. Na, du scheinst mir ja ein Kontrollfreak zu sein.“
Ansgar Jakobi wirbelte Karin herum und nahm sie fest in den Arm.
„Pass auf, die Nachbarn“, sagte Karin, „ich möchte nicht, dass die uns so sehen, nein, nein! Dann geht nämlich sofort das Getratsche los, die denken dann sofort, wir hätten ein Verhältnis oder so was, schließlich bin ich verheiratet, mmhmm.“
„Muss ja auch nicht sein.“ Ansgar nahm Karins Rollkoffer und brachte ihn zu seinem Wagen.
„Wenigstens ein vernünftiges Auto“, sagte Karin als sie einstieg, nachdem Ansgar Karins Koffer auf die Rücksitze gelegt hatte, „bei Friedemanns altem Citroën, dieser blöden Gangsterlimousine, komme ich mit der Schaltung nicht klar. Die hakelt und knirscht, na ja, da soll er mit klarkommen, mmhmm. Was ist denn dies für ein Auto? Hat das eine Klimaanlage?“
„Quatsch, Klimaanlage! Dies ist ein 1965ger Ford Mustang Fastback“, meinte Ansgar, „da gibt’s keine Klimaanlage! Eine Klimaanlage ist was für Weicheier! Einen Mustang Fastback kennst du vielleicht aus ‚Bullit‘, den Kriminalfilm aus dem Jahr 1968? Da fuhr Steve McQueen während der legendären Autojagt durch San Francisco einen derartigen Wagen gegen einen Dodge Charger. – Würde ich gerne mal fahren, ein Rennen gegen einen Charger.“
„Ich gucke mir doch keine Kriminalfile an, wo es so schöne Literaturverfilmungen gibt! Der Zauberberg zum Beispiel ist endlich mal eine gelungene Literaturverfilmung, obwohl der bisher als unverfilmbar galt.“
„Ach, lass mich doch damit in Ruhe! Aber, wie gesagt, ein Rennen gegen einen Dodge Charger oder einen Camaro möchte ich auch mal fahren … “
„Ein Rennen? Ist das nicht ein wenig pubertär? – Warum muss man überhaupt so eine alte Karre fahren? Wenigstens ist in der Sonnenblende ein Schminkspiegel.“
Karin nahm ihren Lippenstift aus der Handtasche, klappte die Sonnenblende herunter und begann ihre Lippen ausgiebig nachzuziehen.
„Weil Oldtimer fahren etwas Besonderes ist. Das passiert nämlich ohne Gadgets wie bei den heutigen Autos“, meinte Ansgar.
„Ach was! Autos sind dazu da, von A nach B zu gelangen, und dass so bequem wie möglich. Da braucht man auch keine Rennen zu fahren, mmhmm. – Außerdem muss der Citroën von Friedemann dauernd in die Werkstadt. Heute auch, und er hat beim Landschlachter eine Heidschnuckenkeule für euer Wochenende im Ferienhaus in der Lüneburger Heide bestellt. So ein Quatsch. Der sollte lieber gefüllte Paprika mit irgendwas machen. Ja, ja.“
„Ich weiß“, meinte Ansgar und fuhr schwungvoll los, „darum hat er mich gebeten, dich mal eben abzuholen und zum Busbahnhof zu fahren, damit du deine Städtereise machen kannst. Er muss eine Keule nämlich noch abholen, bevor der Landschlachter zumacht.“
„Ach ja, der und seine Kocherei, er sollte sich lieber mehr um seine Bildung kümmern. Letztens hat er mir ein Hirschragout mit Rotkraut und Pilzen gemacht, das schmeckte irgendwie beschissen. Aber egal, das ist sein neues Hobby, lassen wir es ihm, solange er keinen Schaden anrichtet. Ich habe ihm gesagt, er soll statt dessen doch mal den Zauberberg von Thomas Mann lesen, er hat ja jetzt als Rentner genug Zeit dazu, mmhmm. Ein faszinierendes Buch. Kennst du das?“
„Um Gottes Willen, diesen Schmachtfetzen! Ich hab’s mal versucht, aber nicht zu Ende gelesen, das hält doch kein Mensch aus! – Außerdem soll dieser Thomas Mann schwul gewesen sein … “
„Homosexuell heißt das, mmhmm, homosexuell! Wie du weißt bin ich Lehrerin. Wir diskutieren im Kollegium, warum das Homosexuelle im ‚Standard-Schulbuch‘ noch nicht zu finden ist, obwohl wir eine Unterrichtseinheit für die Grundstufe darüber abhalten sollen. Grundschüler haben nämlich noch nicht die Vorurteile von Jugendlichen und sind daher dem Thema Homosexualität gegenüber sehr viel aufgeschlossener, mmhmm. Es wird diskutiert, ob wir mit den Grundschülern darüber sprechen sollten. Die Debatte verweist darauf, dass Homosexualität eben doch noch nicht im Mainstream der Grundstufe angekommen ist … “
„Bitte, Karin, hörst du dir eigentlich selbst zu? Lass dein pädagogisches Gesülze! Es gibt sogar schwule Pinguine, die dann Waisenkinder adoptieren!“
„Glaube ich nicht, nein, nein.“
„Stimmt aber! – Ich bringe dich mal schnell zum Busbahnhof, wie ich es meinem Kumpel aus unserer Schraubergemeinschaft versprochen habe, damit du deine Städtereise machen kannst. Auf Friedemanns Heidschnuckenbraten bin ich eigentlich gespannt, aber leider kann ich diesmal nicht mitkommen.“
„Oh, du machst diesmal nicht mit, bei eurem ‚Herrenwochenende mit Damen‘?“
„Leider nicht, aber Ingo hat beim letzten Mal Resche Enten mit Rotkohl und Knödeln gemacht. War lecker! Das soll es mal als Promidinner beim Dschungelcamp gegeben haben.“
„Ach, das Dschungelcamp! So was gucke ich als Lehrerin doch schon gar nicht. Du etwa?“
„Manchmal schon. – Wenn ich dran bin mit kochen, gibt’s jedenfalls von mir immer Ribeye Steak vom Grill, klassisch.“
„Ach du meine Güte! Koch doch lieber eine Gemüselasagne oder Reis mit Hähnchen und Gemüse mit einer guten Soße, mmhmm. – Sag’ mal, ist da was mit dem Auspuff? Das ist ja ein fürchterlicher Krach!“
„Ach Quatsch, das muss so sein! Ein 4,7-Liter-V8-Motor muss so grollend klingen, aber davon verstehst du nichts!“
„Halt mal an, bitte.“
Karin tat ihren Lippenstift wieder in ihre Handtasche und knipste sie zu.
„Halt mal an, habe ich gesagt!“
Ansgar hielt knapp in Sichtweite des Busbahnhofs, „war ja nicht so gemeint … “
„So ein Mist! Doktor Schamberger und seine spießige Frau fahren mit auf die Städtereise, da kann ich nicht mitfahren, mmhmm!“
„Warum nicht?“
„Ich hatte mal mit diesem Doktor Schamberger und auch mit Herrn Ködels, unserem Schulleiter, ein Verhältnis, als Friedemann mal wieder auf der Scheißbohrinsel war … Mist, jetzt ist mir was rausgerutscht. Bitte, sag Friedemann nichts davon.“
„Ach was, das werde ich schon nicht tun.“
„Weißt du, Herr Ködels ist unser Schulleiter und Initiator der Städtereisen, Herr Doktor Schamberger sitzt inzwischen im Ministerium für Bildung, mmhmm. Wenn ich da jetzt als einfache Lehrerin auch auftauche, gibt es einen Skandal. – Erzähl Friedemann bitte nichts davon, aber nach dreizehn Jahren Partnerschaft, wovon er mindestens acht auf irgendwelchen Scheißbohrinseln verbracht hat, und mich alleine gelassen hat, ist keine Liebe mehr da, und keine Verliebtheit, kein Reiz, kein Prickeln, mmhmm. Na ja, Friedemann ist manchmal eigensinnig, aber durchweg sanft und gutmütig, aber absolut loyal. Er ist aber nicht gerne alleine. Gegenüber seinen Kumpels aus der Schraubergemeinschaft verhält er sich freundlich und spielt gerne mit seiner alten Gangsterlimousine. Aber er ist intelligent und sehr lernfähig, da muss ich nur etwas nachhelfen. Außerdem fehlt mir der emotionale Tiefgang bei Friedemann, mmhmm.“
„Verstehe. – Aber du beschreibst einen Bassed Hound! Was machest du denn jetzt?“
„Bring mich wieder nach Hause! Oder noch besser: Wir fahren irgendwo hin und machen uns auch ein schönes Wochenende“, sagte Karin und leckte sich über ihre Lippen, „soll das Kollegium mit diesem Doktor Schamberger doch alleine zu der Wilhelmshöhe in Kassel fahren, mmhmm! Du willst doch auch bei diesem Männerwochenende nicht dabei sein. – Ich muss nur noch mal eben kurzfristig absagen.“
Sie zückte ihr Handy und erzählte dem Schulleiter Ködels schlimme Sachen von plötzlich aufgetretenen Bauchschmerzen und einem Virus-Durchfall, weil ihr Mann wieder so komische Sachen gekocht hatte, weil er immer so seltsame Gewürze verwendet, die sie absolut nicht vertragen könnte. Sie würde sich eine Hühnersuppe kochen und sich dann mit einer Wärmflasche auf dem Bauch ins Bett legen, um am Montag wieder unterrichten zu können.
„So“, sagte Gelinde anschließend, klappte ihr Handy zusammen und steckte es ein, „fahren wir jetzt in irgendein Hotel und lassen es uns gutgehen?“
„Na klar! – Aber ich muss Dorit noch mal eben absagen.“
Ansgar nahm sein Handy zur Hand, „du, Dorit, ich muss unseren heutigen Ausflug leider absagen. – Nein, ich bin nicht krank, aber ich muss unbedingt eine Privatberatung machen. – Nein, das sind ganz reiche Leute, da müsste ich ja blöde sein … – Schatz, ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich Genetischer Berater bin, und Privatberatungen vorkommen können. – Nein, aber in Flensburg … natürlich kann das ein Wochenende dauern, weil die Leute ihre Unterlagen auf dem Schloss haben. Das Big-Bumper Meeting muss ich deswegen leider auch knicken … – habe ich dir doch gesagt, dass die reich sind … – natürlich rufe ich dich an. – Ja, ich küsse dich überall und ein dicker Kuss auf die Muschi!“
Ansgar steckte sein Handy weg, „so, erledigt! Friedemann werde ich später auch noch anrufen, aber nicht sofort, das fällt auf. Wir sollten schön weit wegfahren, die Welt ist nämlich eine Erbse!“, sagte Ansgar und fuhr los. „Wir fahren jetzt zum ‚Big-Bumper Meet‘, das US-Car-Treffen in Oldenburg! Da wollte ich sowieso hin, und es wird uns dort keiner vermuten. Außerdem fährst du in einem 1965ger Ford Mustang Fastback, da ist ein US-Car-Treffen ein absolutes Muss, mal sehen, ob ich da einen Gegner für ein Rennen finde!“
„Können wir anstatt des Big-Bumper Meet nicht in ein … “
„Nein! Fang nicht an rumzuzicken, wir sind ohnehin spät dran! Ich möchte die Rockabillys nicht verpassen!“
„Welche Rockabillys? Sind wir nicht ein bisschen zu alt für solch einen Schmarren?“
„Nicht im Geringsten! Auf einem US-Car-Treffen sind noch viel Ältere, richtige Freaks mit ihren Amikutschen! Rockabillymusik gehört auch dazu! Schade, dass du keinen Petticoat mit hast, oder?“
„Petticoat! Du spinnst wohl, die sind doch längst aus der Mode, mmhmm. Außerdem habe ich diese Musik noch nie gemocht, nicht mal als ich noch zur Schule gegangen bin! Können wir nicht lieber in ein Konzert gehen?“
„Ach was, Konzert! Das gibt’s doch dauernd, aber das Big-Bumper-Meet in Oldenburg nur einmal im Jahr!“
„Wenn das jedes Jahr wiederkommt, wirst du doch einmal … “
„Nein! Wie du weißt, war ich auch mal verheiratet. Immer, wenn ich mal an irgendwas Spaß hatte, hat meine Frau einen Weg gefunden, mir das zu vermiesen! Jetzt fang du nicht auch noch an! – Außerdem müssen wir vorher noch was essen, mir knurrt nämlich der Magen.“
„Mir auch. Dann such’ du bitte ein Restaurant aus, in dem es Hirschragout gibt, ich liebe nämlich Hirschragout, mmhmm! Friedemann hat letztens mal versucht, mir ein Hirschragout zu machen, das schmeckte vielleicht grauenhaft, mmhmm. Jetzt will ich mal ein anständiges Hirschragout essen!“
„Hirschragout? Mädchen, mit diesem Wagen komme ich auf das Gelände! Da essen wir Ribeye Steaks, T-Bone Steaks oder Hamburger, wie sich das für ein US-Car-Treffen gehört! Wir sind doch nicht auf einem Kaffeekränzchen!“
„Ach Quatsch, Kaffeekränzchen. Friedemann hat kürzlich Steaks gemacht, jetzt hätte ich gerne mal was anderes, Hirschragout mit Pilzen, Nüssen und Früchten zum Beispiel, mein Lieblingsgericht, aber das kriegt Friedemann ja nicht hin. Oder irgendwas mit Tofu … “
„Hirschragout kannst du später essen, soviel du willst! Das kannst du dir für dieses Wochenende aus dem Kopf schlagen!“