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Simon Suc Spinner erzählt unterhaltsam aus Sicht eines kleinen gewieften Katers seine Erlebnisse als Mitglied unserer Gesellschaft. Er kann nicht sprechen oder sich mit uns unterhalten und spielt auch keinen Kommissar, dennoch ist er ein kleiner Held. Er lebt sein Leben als Kater voll aus und löscht dabei unbeabsichtigt auch das eine oder andere Leben aus. Die Welt der Menschen ist für ihn nicht immer verständlich, aber die Mäuse hat er durchschaut. Sie haben mit den Menschen einen Vertrag geschlossen, und das kann Simon Suc Spinner nicht akzeptieren. Den Hofhund hat er im Griff, nur die Mäuse bekommen ständig von den Menschen Gegenleistungen, die er auch haben will…
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Inhaltsverzeichnis
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
Impressum
Die Leben des Simon Suc Spinner
Wenn ein Kater fliegen könnte,
würde er oben
auf den weißen Wolken
in der Sonne schlafen
Was kann das Leben bieten, das ein Kater nicht erleben kann, wenn er mit Neugier und Stolz den Tag verbringt und den Sinn für das Wesentliche nicht verliert?
Mir scheint, die Menschen wollen es besser wissen, doch ich glaube, sie bilden sich nur ein, dass ihre Welt, mit all ihren Dingen, die bessere Welt darstellt, dabei haben sie nur Angst vor dem wirklichen Leben, vor der Wahrheit, vor sich selbst! Sie haben das Gefühl dafür verloren, was es heißt, wirklich genießen und erleben zu können, glücklich zu sein und am Ende mit Stolz auf das Leben zurückzublicken.
Heute bin ich ein alter Kater. Mein Fell hat an Glanz verloren, die Augen verlieren an Schärfe, die Zähne fallen aus, die Kraft und Ausdauer lassen nach, ich werde immer dünner, und ich habe die Lust am Jagen verloren. Mein Leben geht zu Ende.
Ich spüre, dass meine letzten Stunden verstreichen und sich meine Seele für die große Reise fertig macht. Eine Reise, auf die ich nichts mitnehmen kann. Aber mein Kopf ist noch voll. Voll mit Erinnerungen, Geschichten und Abenteuern. Ich möchte Ihnen davon erzählen. Von meinem Leben, wie es war. Wie es wirklich war, ein Kater gewesen zu sein.
Nun sitze ich hier an meinem Lieblingsplatz und genieße die Wärme, die die Menschen in ihren Häusern haben. Doch beginnen möchte ich mit meinen Erzählungen ganz am Anfang:
Nun, geboren wurde ich von meiner Mutter. Leider kann ich mich heute nicht mehr so richtig an sie erinnern, außer, dass sie sehr lieb war und mich und meine fünf Geschwister beschützte, bis wir selbst laufen konnten. Leider habe ich mit zunehmendem Alter vieles von meiner Mutter aus meinem Gedächtnis verloren. Ihren Geruch habe ich aber noch in meiner Nase, als ob es gestern gewesen wäre. Meine Mama war für mich die Größte und ich hatte mich sofort bei ihr wohl gefühlt. Mehr als meine Mama brauchte ich damals gar nicht. Sie war meine ganze Welt. Gut, da waren noch meine Geschwister, aber auf die hätte ich eigentlich auch verzichten können. Trotzdem vertrugen wir uns ganz gut. Und wenn ich mal Langeweile hatte, waren sie als Spielkameraden ganz brauchbar. Ich war der Erste, der von uns auf die Welt kam, und so blieb es immer. Als wir endlich richtig sehen konnten, das Fell ausreichend Schutz und Wärme bot und wir sicherer auf den Pfoten laufen konnten, begannen wir gemeinsam die Welt um uns herum zu entdecken. Wir hatten uns gerade getraut, durch unsere Neugier getrieben, uns ein wenig von unserem warmen Nest wegzubewegen, da war sie fort. Meine Mama, verschwunden, wie später auch meine Geschwister. Von heute auf morgen, einfach weg. Komische Welt! Ich hoffte immer, dass es mir nicht einmal genau so ergehen würde. Aber ich hatte Glück, ich bin immer bei mir geblieben!
Von meinem Vater hatte ich nie gehört. Ich hatte ihn daher auch nie vermisst.
Aber meine Mama vermisse ich bis heute. Als sie plötzlich weg war, wurde ich zum ersten Mal so richtig böse. Ich wusste zwar noch nicht so richtig auf wen ich böse sein sollte, aber das war mir auch egal. Ich wusste auf jeden Fall, dass ich böse sein musste. Und das war ich dann auch. Natürlich hatten zuerst meine Geschwister meinen Zorn gespürt. Wir stritten, bis die Fetzen aus dem Fell hingen. Doch dann merkte ich, dass die Menschen, die immer um uns herumschlichen, nicht ganz unschuldig sein konnten. Ich gab ihnen nicht die Schuld am Verschwinden meiner Mama. Nein, aber sie waren mir einfach nicht geheuer und dann ließ ich eben meinen Zorn auch an den Menschen aus. Ich schlug, kratzte und biss, bis ich mich abreagiert hatte. Das Schöne daran war, dass die Menschen mich dann einfach in Ruhe ließen. Meine Geschwister wurden immer betatscht, gestreichelt, hochgehoben und angegackert. Mich ließen sie einfach in Ruhe, was meinem Wunsch vollkommen entsprach. Daher gab es auch nie einen Grund, mein Verhalten zu ändern. Ich fühlte mich wohl in meinem Fell und das war mir die Hauptsache.
Die Menschen gaben uns immer so ein weißes Wasser zu trinken. Das schmeckte lecker, aber machte nicht so richtig satt. Manchmal bekamen wir von den Menschen auch etwas zu fressen, aber das reichte meistens nur für mich. Notgedrungen lernten wir also sehr schnell, uns selbst etwas Fressbares zu jagen. Mäuse eigneten sich dabei am besten. Es gab auch immer ausreichend davon. Die gingen nie aus. Es kamen immer wieder neue Mäuse daher, das war das Schöne an ihnen.
Na ja, so die erste Zeit meiner Jugend war nicht so aufregend. Meine Geschwister stellten sich etwas tappig an. Heilige Mama, sind die oft auf die Schnauze gefallen! Die kamen mir manchmal richtig kindisch vor. Ich wollte dann aber nicht so sein und hatte das Spiel auch mitgemacht. Man musste sich ja schließlich anpassen.
Jeder von uns hatte ein anderes Fell, wobei ich eine meiner Schwestern richtig beneidete. Sie war ganz schwarz und hatte unter dem Kinn einen kleinen weißen Fleck. Und alle Pfoten waren weiß. Das sah wirklich gut aus. Ich beneidete sie. So ein Fell wollte ich auch haben.
Ich will nicht behaupten, dass ich jähzornig war, aber wenn mich meine Geschwister wegen meines grauen Felles aufzogen und ‚kleine Maus‘ zu mir sagten, wurde ich böse. Verdammt böse sogar, und dann rannten sie wie die Hasen. Niemand durfte sich über mich lustig machen, das ließ ich nicht zu. Mein Fell war zwar grau, aber darin steckte der beste Kater, den ich jemals kennengelernt hatte.
Damals spielten wir sehr viel. Ich spiele ja heute noch gerne, aber es gab einfach Dinge auf der Welt, die ich nicht mehr als Spiel betrachtete, dies musste wissen, wer mein Freund sein wollte. Ich ließ mich nie bevormunden. Mein Wille war mir immer oberstes Gebot und ich konnte auch immer sehr gut damit leben. Ich hatte in meinem Leben gelernt, das zu tun, was ich für richtig und gut gehalten habe, auch wenn andere, besonders die Menschen, meinten, es besser zu wissen. Dennoch, auch die Menschen hatten es irgendwann verstanden und mich akzeptiert. Das Einzige, was ich zu meinem Bedauern nie erreicht hatte, war dieser Vertragsabschluss mit den Menschen. Hier erwarteten die Menschen wohl eine gewisse Duckmäuserei, Unterwürfigkeit, Gehorsamkeit und einen gewissen Vorteil für sie. Aber mit mir nicht. Niemals! Lieber verzichtete ich zeitlebens auf diesen Vertrag und blieb mein eigener Herr, als mich als jämmerlicher, unterwürfiger und ausgenutzter Kater in geduckter Haltung auf dem Hof zu zeigen, der nie so richtig wusste, ob er nur ein schlechtes Gewissen haben sollte oder sich besser gar nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigte. Ich war doch kein Hund, oder so eine doofe Maus, und schon gar kein Huhn. Nein, ich lief immer mit stolz geschwellter Brust, mit erhobenem Kopf und aufgestelltem Schwanz über den Hof. Und mein Fell leuchtete in seinem edlen Grau.
Doch, später mehr zu diesem Vertrag.
Meistens war ich der Jäger, wenn wir in unserem Revier unsere Spiele spielten. Ich war schnell, schneller als jede Maus, schneller als meine Geschwister und schneller als dieser doofe Hofhund. Ich war auch schneller als die Menschen, die manchmal mit irgendwelchen Dingen nach uns warfen, um uns zu verscheuchen. Aber sie stellten uns dann immer wieder etwas von dem gut schmeckenden weißen Wasser hin, um die Sache wieder gut zu machen.
Eines Tages sah ich den Hofhund, ich nannte ihn so, weil er den Hof nicht verlassen durfte. Der große Mensch wollte das so und der dumme Hund folgte brav. Mich hatte es nie interessiert, was die Menschen wollten, aber von mir verlangten sie auch nichts. Also, dieser Hofhund nahm immer gerne Holzstöcke in sein Maul und fand das ganz toll. Er rannte dann über den Hof und brachte den Holzstock irgend einem Mensch, der gerade da war. Der Mensch konnte natürlich mit dem Stock nichts anfangen und warf ihn weg. Worauf der Hund wieder losrannte, um den Stock wiederzuholen. So viel zur geistigen Reife unseres Hofhundes.
Ich sah also den Hofhund, wie er gerade im Begriff war, so einen besagten Holzstock in sein Maul zu nehmen und los rannte. Diesmal hatte er sich einen besonders schönen und langen Stock herausgesucht. Nun, mir war gerade nach Fangen spielen und von meinen Geschwistern war niemand zu sehen. Also fand ich es doch mal angebracht, mit unserem Hofhund ein Rennen zu veranstalten. Gleichzeitig rannten wir los. Er von der Einfahrt aus, ich kam von der Seite, von der uns immer das weiße Wasser spendiert wurde. Er war schnell, keine Frage. Aber ich war schneller, eindeutig! Selbstzufrieden bog ich kurz vor der großen Mauer nach rechts ab und wollte in Richtung des großen Gebäudes rennen, in dem die Kühe wohnten. Da merkte ich, dass mir dieser Hofhund meinen Sieg nicht gönnte, er rannte mir weiterhin hinterher. Ich hörte, dass er bellen wollte. Er konnte es aber nicht, weil er ja noch seinen Holzstock im Maul hatte. So rannten wir zwei große Runden auf dem Hof, bis ich dann zu der Meinung kam, dass es jetzt genug sei. So bog ich also scharf rechts ab, direkt zu den Kühen hinein. Kurz nach der Tür sprang ich an einer Mauer hoch. Oben angekommen, blieb ich stehen und drehte mich um, weil ich wusste, dass der Hund da nicht hochspringen konnte. Ich blickte zur Tür und sah gerade noch, wie der Hund über seinen Holzstock flog, den er immer noch im Maul hatte und der wohl zu lang war, um durch die Tür zu passen.
Sein Jammern war erbärmlich und ich fand es nur gerecht, dass die Menschen ihn sofort in eines ihrer Blechkisten packten und mit ihm fortfuhren. Ich lief anschließend zufrieden über den Hof und genoss die Ruhe und meinen Erfolg.
Der kleine Mensch hatte wohl die ganze Aktion auch gesehen und fand meinen Sieg wohl auch toll. Er gackerte wie ein Huhn.
Nach ein paar Tagen war unser Hofhund wieder da, aber er war nicht mehr gut auf mich zu sprechen. Beim Fressen stellte er sich nun auch an, und sein Gesicht hatte sich irgendwie verändert.
An solche Begebenheiten erinnere ich mich echt gerne. Dies zeigte mir, was für ein toller Kater ich war.
Was ich auch recht gut fand, war die Hühneraktion. Seither wusste ich wie ich an die wohlschmeckenden Eier herankommen konnte. Ich meine, die Menschen klauten die ja auch, und was die konnten, konnte ich schon lange.
Die Menschen drückten immer an einem ganz bestimmten kleinen Ast, der sich an dem Zaun hinter dem die Hühner wohnten befand, nach unten, und dann öffnete sich die Tür zum Hühnerheim. Bei anderen Türen war das auch so, hatte ich herausgefunden.
Menschen hatten da einen Vorteil, weil sich das Ding immer sehr weit oben befand. Aber ich war ja nicht doof, ich sprang da rauf, hielt mich kurz mit meinen Pfoten daran fest und offen war das Ding.
Die Hühner hatten gar keine Freude an mir. Was für eine Aufregung das war! Dabei hatte ich gar nicht vor, Hühner zu jagen. Ich war nur neugierig, wie es bei denen zuging. Also, ich rein in das Hühnerheim und die Hühner raus aus dem Hühnerheim. Da stank es erbärmlich. Jetzt konnte ich auch verstehen, dass die Hühner sofort Reißaus nahmen, nachdem ich die Tür geöffnet hatte und zu ihnen hereingekommen war. Aber ich hatte auch sofort gesehen, dass es da Eier gab. Viele Eier! Zu viele Eier, für so ein paar Hühner!
Nachdem ich zwei leckere Eier gefressen hatte, begab ich mich wieder an die frische Luft. Ein leichtes Übelgefühl kam schon in mir hoch.
Die Menschen hatten auch ihren Spaß, bis die Hühner wieder in ihrem Mief eingesperrt waren.
Ich glaube, die Aktion hatte ich noch zweimal wiederholt, dann war auf einmal der kleine Ast an der Hühnerheimtür irgendwie anders, und die Tür ging einfach nicht mehr auf.
Hinter dem Kuhheim gab es noch einen Raum, in dem hatten die Menschen Fleisch gelagert. Auch da hatte sich dieser Ast an der Tür verändert, so dass ich die Tür nicht mehr aufbekommen konnte, was ich als sehr ungerecht empfand. Die Menschen hatten so viel Fleisch und ich bekam gar nichts davon ab. Wir bekamen immer nur das weiße Wasser und sonst nichts. Na ja, einen Menschen gab es doch, der uns manchmal etwas zu fressen brachte. Leckeres Fleisch, das ganz anders schmeckte, wie das frisch gejagte Fleisch erlegter Mäuse. Dieser Mensch hatte ein ganz langes Fell auf dem Kopf und hatte eine sehr hohe Stimme. Ich mochte diesen Mensch. Er roch nur immer so komisch. Dieser Geruch war irgendwie unnatürlich.
Ansonsten hatte ich es nicht so mit den Menschen. Ich schaute immer, dass genügend Abstand zwischen mir und den Menschen war. Einmal hatte mich einer erwischt, da war ich noch klein. Der drückte mich und tat mir weh. Und dann warf er mich durch die Luft. Seither hatte mich kein Mensch mehr angefasst, außer dem einen, mein Lieblingsmensch. Bei dem fühlte ich mich wohl und sicher. Aber vor allen anderen Menschen hatte ich Respekt. Nicht, weil sie mir überlegen waren. Nein! Aber, sie waren einfach unberechenbar und ich hatte sehr schnell festgestellt, dass es gute und böse Menschen gab. Ich traute daher lieber gar keinem, als einmal einem falschen. Gut, meinem Lieblingsmenschen vertraute ich schon, aber anfangs auch nur zögerlich und auch nur ihm. Für mich gab es also einen guten Menschen und alle anderen waren böse Menschen. Oder zumindest Menschen, bei denen Vorsicht angesagt war. Doch in diesen Tagen meiner Jugend kannte ich meinen Lieblingsmenschen ja noch gar nicht, Und die Menschen, die ich kannte, waren mir suspekt.
Irgendwann waren alle meine Geschwister verschwunden. Ich hatte niemanden mehr, mit dem ich spielen konnte. Das machte mich ein wenig traurig und böse. Doch es half alles nichts, sie kamen nicht mehr zurück. Also begann ich, die Gegend um den Hof näher zu erkunden.
Heute bin ich alt, aber aus meiner heutigen Sicht war das wohl eine schöne Zeit, obwohl ich meine Geschwister schon noch eine gewisse Zeit vermisste. Bis heute habe ich die meisten nicht wiedergesehen. Ein schwarzer Fleck in meinem Leben.
Ich vermutet ja immer, dass der große Mensch auf dem Hof irgendetwas damit zu tun hatte. Herausgefunden hatte ich es nie, zumal der große Mensch auf dem Hof ja irgendwann auch verwunden war. Eine komische Geschichte!
Ich war gerade auf Erkundung unten am fließenden Wasser, da kam der große Mensch auf seiner lauten großen Maschine über den Acker angerollt. Mir waren diese Geräte immer unheimlich und hatte mich daher auf einen Baum zurückgezogen. Von oben ließ sich die Situation besser überblicken. Direkt unter mir war der ebene Acker, auf dem der Mensch immer herumfuhr. Dieser Acker wurde an einer Seite von einer steilen Böschung begrenzt, die bis zum fließenden Wasser hinunter reichte. Er fuhr mit seiner Maschine direkt auf mich zu, und weil es mir so langsam etwas unwohl wurde, versuchte ich noch schnell etwas höher in den Baum zu kommen. Ein Ast war wohl schon etwas angebrochen. Er gab nach, und ich hatte leider keine Chance mehr, etwas an dieser Situation zu ändern. Es ging abwärts. In diesem Moment war der große Mensch mit seiner Maschine genau unter mir, was mir einen kürzeren Flug und eine etwas weichere Landung mit dem Ast auf seinem Kopf verschaffte. Mir war nicht wohl in dieser Situation, und ich machte mich so schnell ich konnte davon. Als ich hinter mir noch ein komisches Aufheulen und ein lautes Krachen hörte, drehte ich mich kurz um. Es wurde plötzlich ruhig, und der große Mensch mit seiner Maschine war weg. Irgendwie überkam mich ein seltsames Gefühl, und ich legte noch einen Zahn zu.
Wie machten die Menschen das nur, sich so schnell zu verstecken, und das noch mit so einer großen Maschine?
Danach hatte ich den großen Menschen nie wieder gesehen. Auf unserem Hof war tagelang ein Gejammer, und die Atmosphäre war irgendwie bedrückt. Auch das ging vorüber. Ich fand auch, dass wir danach, ohne den großen Menschen, viel besser dran waren. Das Leben auf dem Hof wurde dadurch viel angenehmer. Ich hatte diesen großen Mensch nie sonderlich gemocht. Er war sehr grob und gefühlsarm. Er strahlte keine Freude aus. Er war weder glücklich noch zufrieden. Ohne ihn war es schöner.
Unser Hofhund hatte immer die Angewohnheit, seine Fressschüssel nur halb leer zu fressen. Verstehen konnte ich das ja nicht. Ich überlegte ziemlich lange, bis mir eine Möglichkeit einfiel, an den von ihm übrig gelassenen Rest zu kommen. Unser Hofhund hatte ja, seit der große Mensch nicht mehr da war, eine Kette, an der er sich nur in einem bestimmten Radius um seine Hütte herum bewegen konnte. Das fand ich übrigens ganz toll! Gleich neben seiner Hütte und seiner Fressschüssel war die Kette angebunden, so dass absolut keine Möglichkeit bestand, ohne seine Zustimmung, an die nicht zu denken war, an seine Futterstelle zu kommen. Eines Tages schlief er einen tiefen Schlaf und ich schlich mich vorsichtig und so leise ich konnte an sein Fressen heran. Ich hatte gerade erst angefangen zu fressen, konnte aber das Schmatzen leider nicht vermeiden und daran würde wohl ein Bär aus dem Winterschlaf aufwachen. Er schnellte hoch, bellte, fletschte die Zähne und rannte auf mich zu, aber ich war wieder schneller. Ich sprang in Richtung Hofmitte und wusste ja, dass seine Kette irgendwann zu Ende sein würde und er mich dann nicht mehr weiter verfolgen konnte. Doch das war mir zu langweilig, also rannte ich um einen Masten, der mitten im Hof stand, herum, und wieder zurück in Richtung Hundehaus. Der vor Wut und Zorn bebende Hofhund mir hinterher. Gute zehn Katzenlängen vor seiner Hütte kam der bellende Hofhund plötzlich zum Stehen. Er bellte, was das Zeug hielt und riss an der Kette, aber er hatte keine Chance. Er sah aus, wie kurz vor der Explosion.
Ich hatte wirklich schon Besseres gefressen, aber ich fühlte mich gut und unbesiegbar. Außerdem war ich satt. Ich empfand es sowieso als sehr ungerecht, dass der Hund etwas zu fressen bekam, und auch noch so viel, und ich nichts. Aber ich empfand dafür seine Dummheit als eine ausgleichende Gerechtigkeit und konnte damit gut leben. Dieses Spiel hatten wir oft gespielt. Ich glaube auch nicht, dass der Hofhund es jemals verstanden hatte, wie es funktionierte.
Der kleine Mensch hatte auch immer seine Freude daran. Er gackerte jedes Mal wie ein Huhn.
Ach ja, was soll ich sagen, die Jugendzeit, eine schöne Zeit. Ich konnte springen wie ein Reh, war schnell wie ein Blitz, war schlauer als der Fuchs und hatte an allem meine Freude. Außer an meinem Fell. Es war grau und es blieb grau. Wie eine Maus. Na ja, irgendwann hatte ich es akzeptiert, aber so ein schönes Schwarz wäre mir schon lieber gewesen. So wie diese giftige Katze, die sich bei uns auf dem Hof breit machte. An jenem Abend, ich hatte sie mit Absicht geärgert, damit sie mir hinterher sprang, hatte ich es ihr aber gezeigt! Ich wollte sie herausfordern. Zuerst wollte sie sich nicht provozieren lassen, vollgefressen wie sie war, aber dann hatte ich ihr mit der Kralle eine auf die Nase gegeben, damit sie endlich in die Gänge kam. Sie besaß eine echt gute Ausdauer für ihr Übergewicht, natürlich nicht vergleichbar mit meiner jugendlichen Energie. Ich rannte also vor ihr so lange durch das Revier, bis ich merkte, dass sie müde wurde. Allmählich wurde auch ich langsamer, damit sie nicht aufgab und verringerte so wieder den Abstand zwischen ihr und mir. Dann machte ich einen Satz auf das Dach des Schuppens und rannte quer über das Dach. Kurz bevor sie mich erwischte, legte ich noch einen Zahn zu und sprang hinüber zum Kuhheimdach. Für mich war dieser Sprung über gute sechs Katzenlängen kein Problem. Ihr Ziel greifbar vor Augen, sprang sie hinterher, nur leider hatte sie nicht mehr genügend Kraft für den Sprung und so landete sie in der Grube, in der die stinkende Kuhbrühe aus des Kuhheim gesammelt wurde.
Muffty, wie sie die Menschen, die sie da wieder herausgezogen hatten, fortan nannten, war anschließend noch zickiger zu mir, aber sie rannte mir nicht mehr hinterher.
Ich hatte viele Namen bei den Menschen. Der Mensch mit den lange Haaren und dem penetranten Geruch nannte mich immer ‚Simon‘. Und der kleine Mensch, der immer so gackerte, nannte mich ‚Mr. Successful‘ oder oft nur ‚Suc‘. Mein Lieblingsmensch ergänzte später noch ‚Spinner‘ und so wurde ich dann immer ‚Simon Suc Spinner‘ genannt. Na ja, es gibt vielleicht schönere Namen, aber ehrlich gesagt, ist mir das eigentlich egal. Die Persönlichkeit steht für einen Kater, nicht dessen Name.
Ja, meinen Lieblingsmenschen hatte ich zu diesem Zeitpunkt meiner Jugend noch nicht gekannt. Davor musste ich noch ein paar andere Abenteuer bestehen. Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem ich von den Menschen in den Fleischraum eingesperrt wurde. Da stand zufällig die Tür offen und ich nichts wie rein, denn schließlich ist man ja neugierig und es roch immer verdammt gut aus dem Fleischraum. Ich war so was von überwältigt, so viel Futter in einem Raum, und ich war drin! Heiliger Kater! Ich hatte einen Löwenhunger und keiner hatte mich gesehen. Ich war einfach genial.
Ganz hinten in der Ecke hatte ich angefangen zu fressen. Auf einmal ging die Tür zu und das Licht aus. Da stellte ich fest, dass in diesem Raum kein Fenster war. Dunkel war es, so dunkel, dass selbst ein Kater nichts mehr sah. Aber kein Problem, ich hatte noch meine Nase und meine Schnurrhaare, das reichte, um mich zu orientieren. Das Fleisch schmeckte gut, und ich hatte mir natürlich nur die besten Stücke herausgesucht. Irgendwann war ich dann satt, und ich legte mich auf den Boden zum Schlafen. Der Boden war kalt. Die Luft war auch kalt, verdammt kalt sogar, wie ich nun feststellte. Ich dachte mir, irgendwann müsste ja mal wieder die Tür aufgehen und dann könnte ich wieder hinaus. Hinaus ins Licht und in die Wärme. Aber die Tür ging nicht auf. Ich schlief, ich wachte wieder auf, ich aß, ich trank. Alles da, wenn auch das Wasser gefroren war, aber eigentlich war alles da. Nur kein Licht und keine Wärme. Ich jammerte, ich schrie, ich brüllte, aber nichts passierte. Ich wurde richtig sauer, Ich wurde böse. Ich begann alles anzufauchen. Ich kratzte, ich schlug, was ich zu fassen bekam. Dann nach Stunden, oder waren es Tage? Ein Blitz! Es wurde so hell, dass ich nichts mehr sah. Ich fauchte, was es zu fauchen gab und rannte Richtung Licht. Ich rannte gegen etwas, fiel um, stand wieder auf und rannte und rannte. Nachdem ich wieder richtig sehen konnte, suchte ich meinen Lieblingsplatz auf und lag den restlichen Tag nur noch in der Sonne. Von der Kälte taten mir alle Gelenke weh, und ein Kater hat jede Menge davon. Entsprechend hatte ich mich gefühlt. Aber ich war satt und mein Gaumen hatte ungeahnte Leckereien genossen. Das war genug, um zufrieden zu sein.
Die Sonne wurde extra für uns Kater gemacht. Das Gemüt eines Katers wäre ein ganz anderes, wenn es die Sonne nicht gäbe. Die Sonne war das Gute in der Welt. Und dann gab es da noch das Böse. Das Böse schickte Wolken, Wasser und Kälte und weißes Zeug, das vom Himmel fiel. Für Kater völlig überflüssige Dinge.
Manchmal konnte dieses doofe Wasser auch ganz gefährlich werden. Eines Abends, als das Wasser wieder vom Himmel fiel, erlebte ich so eine Geschichte. Zuerst war das nichts Besonderes für mich. Ich hatte mich, wie meistens wenn das Wasser fiel, in den Holzschuppen zurückgezogen, wo der große Mensch sehr viel Holz lagerte. Wozu das gut sein sollte, habe ich bis heute nicht begriffen. Auf jeden Fall, ich lag da so und döste vor mich hin. Es tropfte immer stärker vom Himmel. Als dann das Wasser durch das Dach des Schuppens tropfte, wurde es mir zu ungemütlich und ich beschloss, einen anderen Platz aufzusuchen. Das Kuhheim schien mir als geeignet. Jedoch hätte ich über den ganzen Hof laufen müssen und wäre dabei total nass geworden. Also machte ich mich auf den Weg an dem langen Haus entlang, in dem der große Mensch seine lauten Maschinen stellte, denn da konnte ich unter dem Dach bis hinten zum fließenden Wasser laufen. Es wäre ein längerer Weg, aber nur ein kurzes Stück durch den Regen gewesen, um zum Kuhheim zu gelangen. Doch als ich zwischen Haus und dem fließenden Wasser an der Hausmauer entlanglief, sah ich, dass das Wasser schon so hoch war, dass ich hier nicht mehr durchkam. Ich schaute mir das Ganze einen Moment an und stellte nun fest, dass es nur noch den Rückweg gab. Also drehte ich schlecht gelaunt um und lief wieder an der Mauer entlang zurück. So circa drei Katzenlängen vor mir sah ich dann, wie auf einmal der Weg vor mir vom fließenden Wasser davongetragen wurde. Ich war eingeschlossen zwischen dem fließenden Wasser und der Mauer. Als ich mich nochmals umdrehte, stellte ich zu meinem Entsetzen fest, dass ich nur noch circa vier Katzenlängen Boden um mich hatte. Und es wurde schnell weniger. Das fließende Wasser nahm den ganzen Boden mit. Die Mauer war viel zu hoch, um irgendwo hinaufspringen zu können. Über das fließende Wasser konnte ich auch nicht springen, das war nun viel zu breit. Ich meine, nicht dass ich nicht schwimmen könnte, aber wenn es irgendeine Möglichkeit gegeben hätte, das Wasser von meinem Fell fernzuhalten, ich wäre wirklich dankbar gewesen. Aber leider dauerte es nicht mehr lange, und der Boden unter meinen Pfoten wurde weich und löste sich auf. Langsam sank ich ins Wasser ein. Auch ein lauter Schrei half nichts. Jetzt rächte sich der böse Wassergott wieder an mir. Dann war der Boden ganz weg und ich wurde völlig nass. Was für ein schreckliches Gefühl! Jetzt trug mich auch noch das Wasser weg. Die Mauer entfernte sich immer schneller. Es drehte mich herum und ich versuchte verzweifelt ans Ufer zu schwimmen. Immer, wenn ich es fast geschafft hatte, drehte das Wasser eine Kurve und trieb mich wieder mitten in die Strömung hinein. Inzwischen war ich bis zu den Ohren durchnässt. Ich war stinksauer. Auf einmal wurde ich ganz schnell und dann ging es abwärts. So ganz hatte ich es nicht mehr mitbekommen, irgendwie hatte ich den Überblick verloren, was mir ja selten passierte, aber jetzt wusste ich nicht mehr, wo oben und unten war. Ich bekam einen schmerzenden Schlag auf meine rechte Schulter und dann noch auf den Kopf. Luft war keine mehr da, nur noch Wasser und damit füllten sich nun mein Magen und die Lunge. Ich fragte mich, wie lange das noch so weitergehen könnte? Doch dann bekam ich zu meinem Glück wieder Luft und die Reise ging weiter. Mit meiner linken Hinterpfote verfing ich mich dann an einem Ast. Das war etwas ungeschickt. Denn als ich mich mit meinen Hinterläufen daran festhielt, drückte es meinen Kopf wieder unter Wasser. Also ließ ich wieder los und die Reise ging weiter. Jetzt war ich nicht nur stocksauer, nein, so langsam begann ich, um mein Leben zu fürchten. Ich hatte keinen Überblick mehr und bekam schon ein wenig Panik und schließlich wurde das Wasser ruhiger. Ich versuchte es also wieder mit Schwimmen, und weil die Strömung an dieser Stelle es gut mit mir meinte und eine kleine Ruhepause einlegte, gelang es mir, zum Ufer zu kommen.
Was für eine Sauerei! Ich war nass und voller Schmutz. Wütend und außer Atem stand ich da. Mir hätte zu diesem Zeitpunkt niemand begegnen dürfen. Aber so wie es aussah, hatte das Ganze auch niemand beobachtet. Das beruhigte mich wieder ein wenig. Langsam lief ich zurück zum Holzschuppen und legte mich wieder zwischen die Holzstapel unter das tropfende Dach. Es war verdammt kalt und mein nasses Fell wollte einfach nicht richtig trocknen. So wie in dieser Nacht, hatte ich selten gefroren. Ich konnte mich dann wenigstens noch an einer dicken Maus abreagieren, die direkt vor meiner Nase zwischen zwei Holzstücken saß und mich blöd ansah. Frechheit! Die lachte danach nicht mehr über mich.
Wenige Tage später war das Heim der Kühe leer. Alle Kühe waren weg und blieben es auch. Gut, ein Verlust der verkraftbar war. Aber was viel schlimmer war, das weiße Wasser schmeckte von nun an ganz anders. Viel dünner, einfach nicht mehr so gut. So langsam begann ich mir Sorgen zu machen. Hier veränderte sich ständig etwas. Das Revier war echt in Ordnung, aber irgendwie gefiel es mir nicht mehr so gut. Im Hof wurde es immer ruhiger. Etwas Unheimliches lag in der Luft und ich wusste aber noch nicht genau, was es war. Ich wurde daher sehr umsichtig und beobachtete alles genauer und aus größerer Distanz. So lief ich langsamer in einem größeren Bogen über den Hof, so dass der Hofhund nicht in meine Reichweite kam. Aber, der ignorierte mich sowieso schon seit längerer Zeit. Im Kuhheim herrschte eine bedrückende Stille. Nur ein komisches Brummen drang herüber. Der Geruch hatte sich auch verändert. Dieser frische Kuhgeruch, an den ich mich schon seit meinen ersten Tagen gewöhnt hatte, war weg, und es roch jetzt irgendwie abgestanden. Das Brummen irritierte mich und weil es schon dunkel wurde, ging ich in das Kuhheim hinein, um da mal nach dem Rechten zu sehen. Das Brummen kam aus einem Kasten an der Wand. Der war eigentlich sonst immer zu, darum hatte man das Brummen wohl nicht gehört. Ich wollte mir das mal näher ansehen, schließlich war ich ja neugierig. Nur vom Boden aus konnte ich nicht viel erkennen. Ich dachte, etwas gesehen zu haben, das sich bewegte.
Oben verlief ein Balken, direkt über dem Kasten. Um da hoch zu kommen, musste ich ganz nach hinten laufen und über die kleine Mauer hochspringen, was ich dann auch tat. Ich hatte richtig gesehen. In dem Kasten lag ein Stück vom Menschenessen und daran knabberte genüsslich eine Maus. Leider war es von hier oben nicht möglich, an die Maus heranzukommen, ich hätte springen müssen. Aber in dem Kasten gab es keinen Platz für mich zu landen. Also beobachtete ich die Maus, wie sie weiter knabberte. Ich sah gegenüber die schweren Stangen, durch die die Kühe immer ihren Kopf steckten, um an das Futter zu kommen. Ich dachte, dass es doch möglich sein sollte, über die obere Stange näher an den Kasten heranzukommen. Ich wollte es wagen, verlieren konnte ich ja nichts, außer die Maus. Ich sprang und landete zunächst auch sicher auf der oberen Stange, doch die bewegte sich langsam, und eine andere Stange, die daran angelehnt war, begann zu kippen. Ich sprang auf den Boden, um wieder sicheren Halt zu bekommen, als die eine Stange in den Kasten fiel und plötzlich tausend Funken den Raum erhellten. Ein unheimliches Geräusch war zu hören. Das ganze Kuhgestänge leuchtete blau auf und ich bekam es mit der Angst zu tun. So schnell war ich noch nie aus dem Kuhheim hinausgerannt. Die Funken hörten nicht auf und dann sah ich schon Flammen im Kuhheim hochsteigen. Es stank ganz entsetzlich. So etwas hatte ich noch nie gerochen. Dann füllte Rauch die Luft und ich machte, dass ich davonkam.
Das Feuer wurde immer größer und jetzt kamen ganz laute, riesengroße, blau blinkende Maschinen, und es war eine derartige Aufregung, dass ich es überhaupt nicht verstand. Was war das für eine Maus? Ich wollte wissen, wie die Maus das angestellt hatte. Diese Maus verdiente meinen vollen Respekt. So ein Zauber, nur um einen Kater zu verjagen. Wegrennen hätte es auch getan. Sie hätte ja eine Chance gehabt, sie müsste nur schneller sein. Aber das verstand ich jetzt nicht. Blöde Maus!
Das waren so Momente, in denen ich mich nicht als Sieger fühlte. Es roch noch wochenlang nach dem verbrannten Kuhheim, bis diese riesigen Maschinen der Menschen kamen und alles endgültig kaputtmachten. Sie hatten anschließend ein derart großes Loch gegraben, dass ich meinte, die sind nicht mehr ganz richtig unterm Fell. Und langsam haben sie darin ein neues Heim gebaut, nicht für Kühe, aber für Menschen. Und ehrlich gesagt, ich fand es dann auch schöner, und diese unheimliche Stimmung war auch weg.
Und dann kam er, mein Lieblingsmensch. Er zog genau in so einem der neuen Häuser ein. Er hatte auch lange Haare, roch manchmal zu stark nach irgendeinem penetranten Geruch und hatte auch eine hohe Stimme, aber eine ganz andere, als der andere Mensch, der im alten Haus wohnte. Aber mein Lieblingsmensch war einfach lieb zu mir und das ist er bis heute geblieben.
Meine Jugendzeit war da ja langsam um. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass es irgendwie noch etwas Schöneres, als das bis dahin Erlebte, geben würde. Doch, ab nun begann für mich der Himmel auf Erden. Ich durfte in das Menschenheim hinein, ich bekam manchmal sogar Fleisch zu fressen, ja sogar mein graues Fell wurde gestreichelt, ohne Ende! Heiliger Kater, und im Winter, wenn es draußen fror, war es drinnen so warm wie im Sommer. Ich konnte es nicht fassen.
Nun, meiner Meinung nach können die Menschen gut ihr Heim mit uns Katern teilen. Wenn sie das nämlich nicht tun, dann würden zumindest die Mäuse diesen Platz einnehmen. Fragt sich, was manchen Menschen lieber wäre?
Noch während die Menschen an ihrem neuen Heim bauten, tauchte hier eine neue Katze auf. Sie war aber irgendwie anders als die alten Zicken vom Hof. Sie war schön. Sie war wunderschön. Sie war himmlisch schön. Sie war jung und wich mir nicht mehr von der Seite. Sie duftete wunderbar und anregend und ich konnte den Blick nicht von ihr lassen. Sie wälzte sich auf dem Boden und lockte mit allen Waffen der Katzen. Aber, wenn ich es nicht mehr aushielt und mich ihr näherte, dann fauchte sie mich an und schlug nach mir. So ging das wohl ein paar Stunden. Sie wurde immer wilder und anregender. Sie ließ es zu, dass ich mich ihr immer weiter nähern durfte. Irgendwann packte ich sie mit meinen Zähnen im Genick und dann begann ein himmlisches Schauspiel. Es war so schön und wir konnten kein Ende finden. Immer wieder begannen wir von Neuem, bis wir nach Stunden nicht mehr konnten und ich mich an meinem Lieblingsort in die Sonne legen musste, um mich mit einem langen Schlaf wieder zu erholen.
Ich fragte mich, ob es bei Menschen auch Kater und Katzen gab. Nach langem Nachdenken fiel mir auf, dass manche Menschen größer waren, tiefere Stimmen hatten und ein kurzes Fell besaßen. Die Felle der Menschen kamen mir eh komisch vor. Auf dem Kopf hatten sie ein Fell wie Katzen, aber der Rest des Felles sah bei den Menschen jeden Tag anders aus. Na ja, manchmal träumte ich auch davon, meinen graues Fell würde schwarz, aber bei mir ging das irgendwie nicht.
Auf jeden Fall hatte ich beschlossen, die großen, triefbrummigen Kurzhaarmenschen waren die Kater, weil die immer bestimmten. Und die kleineren, hochtönenden Langhaarmenschen waren die Katzen, weil die auch immer die Menschenkinder um sich hatten, wie bei den Katzen auch. Und außerdem waren immer ein Katzenmensch und ein Katermensch zusammen. Das verstand ich nun eigentlich nicht, aber ich dachte, bei den Menschen würde das schon irgendwie einen Sinn haben. Ich brauchte niemanden um mich herum, außer vielleicht meinen Lieblingsmensch.
Ja, meinen Lieblingsmensch musste ich wohl dann unter die Katzenmenschen zählen. Das war kein Katermensch. Langes, helles Fell auf dem Kopf, höhere Stimme und konnte gut mit Menschenkindern umgehen. Die Kinder der Menschen ließen sich nicht so richtig einordnen. Aber das war auch egal, die waren mir eigentlich immer alle lieb, weil die doch etwas mehr von unserer Katzenmentalität in sich hatten. Ich meine, das waren auch Entdecker, Spieler, kannten keine Furcht, hatten Spaß und lebten das Leben, wie es kam.
Mein Lieblingsmensch aber war einmalig. Keiner konnte mir so schön das Fell kraulen wie mein Lieblingsmensch. Wünsche wurden schon erraten, bevor ich mich überhaupt anstrengen musste, diese mitzuteilen. Ich bekam alles was ich wollte, und brauchte nichts dafür zu tun. Das wäre ja auch noch schöner gewesen. Schließlich beschützte ich meinen Lieblingsmensch vor allen verfressenen Mäusen und wehrte alle schmarotzenden Katzen, und alle Kater sowieso, ab. An meinen Lieblingsmensch ließ ich sonst kein anderes Tier. Das hätte Ärger gegeben. So hatte mein Lieblingsmensch ein unbeschwertes Leben und da war so ein bisschen Fressen doch ein angemessener Ausgleich.
Ach ja, die Menschen haben es schon schön. Die haben überhaupt keinen Stress mit Revierkämpfen und Katerkonkurrenten. Die haben alles, sogar Blechdosen mit Fleisch drin. Und sie haben keine Feinde, selbst die Hunde kuschen vor ihnen. Schon beneidenswert, diese Menschen. Die haben ein Heim, in dem es immer warm ist. Ihr Essen müssen sie sich nicht erst fangen, alles einfach schon da. Sie haben immer etwas zu tun, obwohl ich sie in diesem Punkt nicht beneide. Ich glaube, den Menschen wäre es unsagbar langweilig, hätten sie nicht ständig irgendwelche unsinnigen Dinge zu erledigen. Manche Menschen sind ja ganz angenehm, manche richtig böse und manche riechen so derart nach Gefahr, dass ich nicht in ihre Nähe gehe. Darum konzentrierte ich mich immer auf einen Menschen, meinen Lieblingsmensch.
Kurz nachdem ich meinen Lieblingsmensch kennen gelernt hatte, wurde ich eingefangen und in einen kleinen Käfig gesperrt. Das war schlimm, aber viel schlimmer war es bei dem Menschen, zu dem mich mein Lieblingsmensch dann brachte. Ich dachte, die wollten mir ans Fell. Da roch es nach Schmerz, Leid und Tod. Da roch es nach Angst und nach Hunden. Dieser Mensch wollte mir sicher wehtun. Ich war sauer. So sauer, dass ich meinem Lieblingsmensch in die Hand gebissen habe. Diesem anderen unsympathischen Mensch verkratzte ich derart die Hand, dass diese blutete.
Der hatte ein ganz komisches übelriechendes weißes Fell. Dieser Mensch packte mich dann im Genick, ich konnte mich nicht mehr wehren und mein Fauchen hatte ihn nicht beeindruckt. Ich spürte einen stechenden Schmerz im Rücken und ich dachte, dass es jetzt mit meinem Leben zu Ende war. Mir wurde ganz schwindelig, und ich wusste von da an nichts mehr. Als ich wieder aufwachte, ich lebte noch, worüber ich dann doch sehr froh war, hatte ich furchtbare Schmerzen. Kater kennen ja eigentlich keine Schmerzen, aber dass man mir das angetan hatte, das schmerzte mich ungemein, zumal ich niemanden jemals etwas getan hatte. Ich war tagelang stinksauer und ich schwor mir, von meinem Lieblingsmensch nie wieder etwas fressen zu wollen. Na ja, drei Tage konnte ich durchhalten, aber so etwas durfte man auch nicht kommentarlos hinnehmen. Ich meine, so etwas empfinde ich als eine Sauerei, einen unschuldigen wehrlosen Kater zu bestrafen, der niemals auch nur das Geringste angestellt hatte. Okay, mein Lieblingsmensch machte es dann wieder gut. Das schlechte Gewissen war wohl stärker als das Machtgefühl. Aber dieser Weißfellmensch, das ist einer jener, in deren Nähe ich mich nicht mehr begeben werde, zumindest nicht freiwillig.
Seit diesem Tag, fällt mir gerade auf, sind mir Katzen nicht mehr wichtig gewesen.
Ja, auf unserem Hof gab es noch ein neues Heim. Das bauten die Menschen kurz nachdem sie die neuen Menschenhäuser gebaut hatten. Da kamen abends immer viele Leute und die waren oft ziemlich laut. Alle saßen zusammen und machten Lärm. Ich durfte da nicht hinein. Manchmal roch es sehr gut nach Fressen. Die Menschen fressen ja manchmal schon komische Sachen, eher etwas für Mäuse und Schweine. Aber es gab da so bestimmte Sachen, die hätten mir damals sicherlich auch ganz gut geschmeckt. Gutes Fleisch. Leider machten die Menschen es immer auf dem Feuer kaputt. Das schmeckte dann viel zu warm und das leckere Blut war auch weg.
Wenn es draußen warm war, dann saßen sie abends auch im Hof auf Bänken und machten Lärm. Da durfte ich dann auch hin und so manches Stück Fleisch fiel da für mich ab. Oft hatte ich auch so Mäusezeug angeboten bekommen, doch das ließ ich dann liegen. Ein wenig Stolz hatte ich dann schon auch.
Eines Abends, als alle schon weg waren, bin ich um die Bänke geschlichen und schaute mir das Ganze mal näher an. Als es niemand sah, bin ich auf die Tische gesprungen, um zu sehen, ob noch etwas Fressbares für mich übrig geblieben war. Das fand ich nun zu meinem Bedauern nicht, aber es standen noch viele Gläser herum, und manche waren noch nicht ganz leer. Ich hatte Durst und wollte mal sehen, was die Menschen für Wasser tranken. Manches schmeckte wirklich eklig. Aber auf dem dritten Tisch fand ich ein Glas, das war wunderbar. Ich streckte meine Pfote hinein und leckte sie anschließend ab. Das war gut! Ich hörte nicht auf, bevor das Glas leer war. Danach wollte ich mir einen schönen Schlafplatz suchen, doch als ich vom Tisch heruntersprang, hatte ich mir derart die Nase am Boden angeschlagen, dass ich vor Schmerz laut aufschrie. Etwas verdutzt stand ich da und stellte nun fest, dass sich die Welt um mich herum leicht drehte. Ich versuchte weiterzulaufen, aber irgendwie wollten meine Pfoten nicht so, wie ich es wollte. Ich kannte das nicht und wollte wegrennen, doch nach dem dritten Schritt landete ich wieder auf der Nase. Was war los? Was tranken die Menschen da für Zeug? Es schmeckte ja lecker, aber für Kater war das nichts, stellte ich fest. Ich schaffte es nicht mal mehr, meinen Schlafplatz in der Scheune zu erreichen. Es gelang mir nicht, über den Balken zu laufen, der hinten zu der Öffnung führte, hinter der das Stroh lagerte. Es gelang mir gar nichts mehr. Ich fiel einfach um. Anscheinend schlief ich auch sofort ein, denn am nächsten Morgen weckte mich der kleine Mensch, der immer so gackerte wie ein Huhn. Ich erschrak, weil ich so unwachsam geschlafen hatte. Sonst wachte ich an jeder Maus auf, die im Umkreis von zehn Katzenlängen an mir vorbeischlich. Und nun schlief ich auf dem Scheunenboden, völlig ungeschützt. Mir tat der Kopf weh, und laufen konnte ich auch noch nicht wieder richtig. Heiliger Kater, ging es mir schlecht. Doch jetzt schaffte ich es bis zu meinem Schlafplatz und ich legte mich wieder hin und schlief weiter.
Nachdem ich wieder aufgewacht war, es war wohl schon fast der ganze Tag vergangen, hatte ich Durst wie ein Fisch. Ich rannte schnell zum fließenden Wasser hinunter und trank so viel ich nur konnte. Jetzt war mir klar, warum die Menschen so komisch waren. Wenn die jeden Tag so Zeug trinken, dachte ich, dann konnten die doch nicht normal unterm Fell sein.
Apropos, normal im Kopf! Ich frage mich schon mein ganzes Leben, warum die Menschen immer so hektisch herumrennen? Ständig sind die am Tun und Machen. Das verstehe ich nicht. Sie haben alles, was sie zum Leben brauchen. Eigentlich haben sie viel mehr, als sie zum Leben brauchen. Und dennoch sind sie ständig am Kommen und Gehen. Da fahren sie mit stinkigen und lauten Maschinen herum, da klopfen sie an toten Bäumen herum, da schieben sie ein Stück Äste, die sie an einen dicken Ast gebunden haben, über den Boden und sammeln so kleine Krümel auf. Haben die noch alle Mäuse im Revier? Ich meine, was soll das? Das kann einen doch nicht glücklich machen? Die sollten mal mit mir auf die Jagd gehen. Das macht Spaß!
Ich ging immer am liebsten in der Dämmerung am Abend auf die Jagd. Das war meine Zeit. Meine Tour begann fast immer hinten am fließenden Wasser. Da war immer was los. Da gab es sogar Vögel, die auf dem Wasser schwammen. Manchen Tieren grauste es vor nichts. Ich meine, wenn ich fliegen könnte, würde ich doch nicht auf dem doofen Wasser herumschwimmen. Was sollte das? Aber ich beobachtete diese Vögel genau. Wenn die geflogen kamen und landen wollten, dann brauchten die sehr viel Platz. Sie landeten auf dem Wasser. Auf dem Land wären die wohl voll auf der Schnauze gelandet, weil sie nicht rechtzeitig anhalten konnten. Ganz schön blöd.
Nur eines beeindruckte mich. Die hatten ein Geheimnis, hinter das ich bisher einfach noch nicht gekommen war. Warum blieben diese Vögel immer oben auf dem Wasser, obwohl sie fast genau so groß waren, wie ich. Wenn ich versuchte über das Wasser zu laufen, ging ich sofort unter. Da stimmte etwas nicht! Das hätte ich gerne gewusst. Hier hatte ich noch eine Wissenslücke.
Na ja, aber diese Vögel schmeckten mir nicht besonders gut. Ich hatte sie einmal probiert. Es gab wirklich Besseres.
Ans Wasser kamen sehr viele Vögel, auch ziemlich große waren dabei. Da gab es welche, ihre graue Farbe war etwas heller als meine, und die waren ständig am Gurren. Schwimmen konnten die nicht, aber dafür waren sie sehr schnell, wenn sie mich kommen sahen. Die schmeckten besser.
Na ja, und die Mäuse waren da natürlich auch anzutreffen. Wobei ich sagen muss, ich fraß nur die dicken runden Mäuse, die dünnen kleinen Spitzmäuse kamen mir nicht ins Maul. Am Wasser fand man ziemlich viel zu fressen, daher begann ich immer unten am fließenden Wasser mit meiner Jagd.
In der Zeit, als es so kalt wurde und alles mit diesem doofen weißen Zeug überzogen war, war meine Ausbeute immer geringer, hatte ich festgestellt. Das war die Zeit, in der ich immer etwas dünner wurde. Man sah es nicht so richtig, da mein Fell wegen der Kälte viel dichter war, aber darunter machte sich oft der Hunger breit, wenn es draußen kalt war.
Mein Lieblingsmensch hatte von Anfang an in seinem Heim ein großes Rohr, in dem konnte er Feuer machen. Man roch aber nur ganz wenig von dem Rauch. Es gab so eine schöne Wärme ab, da hätte ich den ganzen Winter über Winterschlaf halten können. So toll! Wenn ich Feuer machen könnte, dann hätte ich auch so etwas. Ich sagte ja immer, Menschen hatten es schön.
Wenn es draußen kalt war oder es regnete, dann hatte ich neben diesem Rohr meinen Platz zum Ausruhen und es mir gemütlich zu machen. Mein Lieblingsmensch hatte mir an dem Tisch, an dem er manchmal saß, in so eine komisch leuchtende Kiste schaute und auf einem Brett herumklapperte, eine Ecke eingerichtet, mit ganz weichem Tuch und Polster und alles, was man so zum Schlafen brauchte, und vor allem ziemlich nahe an dem schönen warmen Rohr. Das war mein Lieblingsplatz, dort bei dem warmen Rohr. Ich hatte ja noch viele weitere Lieblingsplätze, aber die hatten alle wieder andere Vorzüge.
Tja, hier lag ich gerne und träumte von meinen Abenteuern. Mein Lieblingsmensch klapperte auf dem Brett und ich tat so, als ob ich schliefe.
Abenteuer hatte ich sehr viele erlebt.
Als ich einmal wieder unten am fließenden Wasser auf der Jagd war, ist mir auch so eine bemerkenswerte Sache passiert. Der Anlass war mal wieder eine Maus. Die war gerade dabei Nüsse zu fressen. Es ging ein sehr starker Wind, denn es war in der Zeit, als es wieder kälter wurde.
Ja, ich hatte also die Maus genau fixiert und war bereit zum Sprung. Da blickte die Maus auf einmal auf. Hatte sie mich gesehen? Ich zögerte. Doch dann widmete sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Nuss. Ich sprang, und als ich, mit voller Konzentration auf die Maus, durch die Luft flog, nahm ich im Hintergrund ein seltsames Geräusch wahr. Ich meine, wenn ich jagte, dann jagte ich, dann interessierten mich seltsame Geräusche nicht.
Die Maus war schnell, aber ich war mal wieder schneller. Ich musste nochmals nachsetzen, aber dann hatte ich sie im Maul. Für mich war das Mäusefangen eine Kleinigkeit. Sie schrie noch ein wenig um ihr Leben. In diesem Moment erschrak ich und ließ die Maus wieder aus dem Maul fallen. Überall neben und vor mir krachten Äste in den Boden. Erde spritze auf. Ein unheimliches Krachen und Brechen. Dann bekam ich einen Schlag auf den Kopf und es wurde still. Ich dachte, jetzt war es aus mit mir. Es war mir zwar noch nicht ganz klar, wer da hinter mir her war, auf jeden Fall hatte der mich erwischt. Den Tod vor Augen, öffnete ich mein linkes Auge, um zu sehen, was da los war. Ich erschrak, weil ich dachte, riesige Zähne vor mir zu sehen. Doch als ich mich traute mein rechtes Auge auch zu öffnen, sah ich, dass das nur ein zersplitteter Ast war. Eine kleine Erleichterung konnte ich verspüren. Vorsorglich begann ich zu fauchen, denn irgendjemand hielt mich fest. Ich konnte mich nicht bewegen, und als ich meinen Kopf ein wenig drehte, sah ich, dass ich durch viele Äste auf den Boden gedrückt wurde. Irgendwie war ich froh, dass ich nun nicht gefressen werden würde, aber andererseits war diese Situation nicht gerade glücklich für mich. So langsam stellten sich leichte Schmerzen ein. Meine linke Hinterpfote wurde etwas unangenehm zu Boden gedrückt und tat weh. Ich meine, ich war ja nicht wehleidig, nein, das war nicht meine Art, aber ein leichtes Gejammer konnte ich einfach nicht unterdrücken. Und das Beste war, diese blöde Maus war weg. Jetzt wurde es mir klar, das war die Maus. Ich wusste zwar nicht, wie die es gemacht hatte, aber diese Maus hatte doch glatt mit einem Baum nach mir geworfen, nur damit sie lebendig davon kam. Das konnte gar nichts anderes gewesen sein, denn es war nur die Maus da, sonst niemand. Ich meine, nicht dass ich neidisch wäre, aber das hätte ich eigentlich dieser Maus nicht zugetraut.
Ich wusste gar nicht, dass ein Baum so schwer sein konnte. Was ich auch versuchte, gegen diesen Druck konnte ich einfach nicht ankommen. Ich hatte es zwar geschafft, meine linke Hinterpfote in eine angenehmere Position zu bringen, was mir eine enorme Erleichterung verschaffte, aber an der Gesamtsituation änderte sich dadurch leider nicht viel. Ich weiß heute nicht mehr, wie lange ich in dieser Lage war, aber meine Geduld war so ziemlich am Ende, als ich auf einmal wieder dasselbe Krachen wie davor hörte. Ich blickte nach oben und sah, dass vom Baum daneben ein starker Ast abbrach und nach unten sauste. Ich schaute ihm auf seinem Weg nach unten zu und schloss mit meinem Leben ab. Doch er landete direkt auf dem zuerst abgebrochenen Ast und schlug diesen vollends von seinem Stamm ab. Es krachte laut und auf einmal bewegte sich der Baum, unter dem ich lag, und gab mich wieder frei. Heiliger Kater, war ich froh. Es tat mir zwar jeder Knochen weh, aber da stand ich drüber.
Am nächsten Tag begab ich mich auf der Suche nach dieser Maus. Mit der hatte ich noch etwas zu bereden. Ich lief zu dem Unfallort und sah mir die Sache genau an. Ein ganzer Baum lag quer über dem fließenden Wasser, was ich ziemlich lustig fand. Von der Maus war natürlich keine Spur zu erkennen. Aber, da war ich mir sicher, dass ich die noch erwischen würde.
Der Baum aber eröffnete mir den Weg über das Wasser und das war eine Welt, die ich noch nicht kannte. Also sprang ich auf den Baum und überquerte so das fließende Wasser. Ich freute mich richtig auf die Entdeckungstour. Auf der anderen Seite war ein steiler Hang, der mit vielen Bäumen bewachsen war. Ich lief am Wasser entlang und bog dann irgendwann ab, den Hang hinauf. Auf einmal stand ich vor einem großen Felsen, den ich nicht erklimmen konnte. Also versuchte ich den Fels zu umrunden, weil ich neugierig war, wie groß er sein würde. So gelangte ich langsam immer höher und irgendwann stand ich oben. Ich hatte einen wunderschönen Ausblick über den gesamten Hof. Die Sonne schien und der Sturm hatte sich in ein laues Lüftchen verwandelt. So genoss ich diesen neuen Lieblingsplatz eine ganz lange Zeit und konnte mich von den Strapazen des Vortages erholen. Ich sah die Menschen auf dem Hof, viel kleiner als sie sonst waren, wie sie ihrer hektischen Umherrennerei nachgingen. Hätte ich gelernt zu lachen, ich hätte es in diesem Moment getan.
Das gefiel mir, die kleinen Menschen, die Sonne, der erhabene Ausblick und die göttliche Ruhe. So stellte ich mir das Leben vor. Und in der Mitte war ich, ganz oben und schaute auf alle herunter. Nicht, dass ich eingebildet war, nein, aber ich empfand das als angemessen.
Ich beobachtete den Hofhund, wie er so eine fahrende Blechkiste der Menschen anbellte. Allein dieses unsinnige Gehabe dieses Tieres gab mir das sichere Gefühl, dass Kraft und Größe alleine noch lange keine Überlegenheit ausmachten. Mir fiel auf, dass das ‚Wau’ des Hundes erst zu hören war, als der Hund schon wieder das Maul zu hatte. Das fand ich sehr lustig. Doch als dem Menschen ein Stock aus der Hand fiel und ich den Schlag auf den Boden erst nach einem langen Moment hörte, wurde mir das unheimlich. Stimmte hier etwas nicht? Ober war ich einfach zu weit vom Hof weggelaufen? Ich fand keine Antwort und beschloss daher, mich wieder auf den Rückweg zu machen. Aus Neugier lief ich diesmal nicht in die Richtung, aus der ich kam, sondern schlug die andere Richtung um den Fels ein. Ich war noch nicht ganz unten an dem Felsen angekommen, da tat sich im Fels ein großes Loch auf. Viel zu groß für Mäuse und für Katzen, ja Menschen würden da hineinpassen. Und es war mir, als ob sich darin etwas befinden würde. Also, dachte ich, schaue ich doch mal, was es da zu entdecken gab. Vor diesem Loch lag noch ziemlich viel Gestrüpp, doch als ich den Eingang erreicht hatte, hörte das Gewächs auf. Ich konnte ohne Mühe in das Loch hineinlaufen. Es wurde schnell dunkler. Ich war jetzt so circa zwanzig Katzenlängen vorgedrungen, hatte aber noch nichts Aufregendes entdeckt. Doch dann sah ich an der Decke der Höhle Mäuse sitzen. Ganz viele Mäuse. Und zu meinem Erstaunen hatten die auch noch Flügel. Ich konnte es nicht glauben. Jetzt hatten die Viecher auch noch das Fliegen gelernt. Wie kam das?
Ich saß erstaunt auf dem Boden, blickte an die Decke und konnte es nicht fassen. So langsam bekam ich Respekt vor den Mäusen. Okay, die hatten ein wenig große Ohren, aber es waren eindeutig fliegende Mäuse. Nicht mal Angst hatten die vor mir. Keine Einzige flog weg oder rührte sich auch nur ein wenig. Leider kam ich an die nicht näher heran. Ich hätte gerne mal eine probiert. Wieso saßen die überhaupt an der Decke? War hier auf dieser Seite des fließenden Wassers die Welt andersherum? Jetzt erinnerte ich mich wieder an den Hund und sein Bellen. Dabei wurde mir unheimlich zumute und ich fragte mich wirklich, ob jenseits des Wassers tatsächlich eine andere Welt war. Irgendetwas stimmte hier doch nicht! Fliegende Mäuse, die an der Decke saßen und Hunde, die erst bellten, wenn sie das Maul schon wieder zu hatten. Ich fragte mich, was in dieser Höhle noch alles zu finden war? Also ließ ich die Mäuse weiter an der Decke sitzen und lief weiter in die Höhle hinein. Es wurde immer dunkler. Ich meine, bei Dunkelheit sah ich ja besser als so mancher Hund bei Tag, aber hier wurde es richtig dunkel. Ich sah gar nicht mehr, wo ich hinlief. Es machte keinen Sinn mehr weiterzulaufen. Also drehte ich um und begann den Rückweg. Doch der war irgendwie weg. Ohne meine Schnurrhaare wäre ich aufgeschmissen gewesen. Ich hätte mir die Nase wund gestoßen. So irrte ich eine Zeit lang durch die Dunkelheit, bis es wirklich auch hier nicht mehr weiterging. Es blieb mir nichts anderes übrig, als den Rückweg des Rückwegs anzutreten. Ich lief also zurück, was ich vorher zurückgelaufen war und kam wieder an eine Stelle, wo mein Weg zu Ende war. Was war das für eine Welt? Eine Welt, in der der Rückweg des Rückwegs nicht mehr zurückführte, kannte ich nicht. Mir kam es so vor, als ob es kein Zurück mehr geben würde. Also lief einfach nach vorne. Und nach vorne ging es. Ziemlich lange sogar. Ich weiß gar nicht mehr, wie lange ich da nach vorne gestolpert war, aber es musste sehr lange gewesen sein. Es roch immer miefiger, und feuchter wurde es auch immer mehr. Auf einmal sah ich einen hellen Punkt an der Decke und so fünf Katzenlängen vor mir schien ein wenig Licht auf den Boden. Ich sah wieder etwas und war sehr froh darüber. Einen leichten Aufschrei konnte ich nicht unterdrücken und was ich daraufhin hörte, trübte meine Freude sofort wieder. Ich bekam Antworten von mindestens zehn Katzen aus allen Himmelsrichtungen. Sie mauzten zwar alle das Gleiche wie ich, aber es kam von überall her. Eingeschüchtert wartete ich einen Moment. Es war wieder total still. Dann ließ ich vorsichtig wieder ein kurzes »Mau« von mir hören und sofort antworteten mir alle Katzen wieder mit genau dem gleichen kurzen »Mau«. Anschließend war es wieder total ruhig. Wo war ich hier? Lebte ich überhaupt noch? Oder war das ein Traum? Ich meine, in meinen Träumen waren mir ja auch schon Sachen passiert, die hätte mir niemand geglaubt. Aber wenn ich mir nicht ganz sicher gewesen wäre, dass ich nicht träumte, dann hätte ich mir im Traum jetzt sagen müssen, dass ich endlich aufwachen sollte.
Nachdenken wurde mir jetzt einfach zu anstrengend und ich beschloss mal nachzusehen, wo dieses Licht herkam. Ich vermied es, auch nur den kleinsten Ton von mir hören zu lassen, und die anderen Katzen taten es mir nach. Gesehen habe ich keine davon, aber ich hatte sie ja gehört. Wahrscheinlich irrten sie alle in völliger Dunkelheit in der Höhle umher und fanden den Rückweg nicht. Na ja, müssten sie eben selbst schauen, wie sie da herauskommen könnten, mir half auch keiner.
Der Mond! Ich sah über mir den Mond stehen, also musste es da oben rausgehen. Oben in der Decke war ein Loch und da schien der Mond hindurch. Davor war ein langer Schotterhang, den musste ich noch hinauf und endlich stand ich oben wieder im Wald. Ich schrie nochmals zurück in das Loch, dass hier der Ausgang wäre, aber ich bekam keine Antwort von den anderen Katzen mehr. Na ja, egal, dachte ich, Hauptsache, ich war wieder draußen. Ich lief die Böschung hinunter, ein wenig am fließenden Wasser entlang und fand den umgestürzten Baum wieder. So schnell wie ich wieder auf der Seite des Hofes war, war ich selten bei Nacht unterwegs.
Heute kann ich es ja zugeben, als ich damals jenseits des fließenden Wassers war, hatte mich schon ein wenig die Angst gepackt.
Auf sicherem Grund schaute ich mich nochmals um und beschloss endgültig, nie wieder das fließende Wasser über den Baum zu überqueren. Auf keinen Fall.