Die Lebensgeschichte eines amerikanischen Sklaven - Frederick Douglass - E-Book

Die Lebensgeschichte eines amerikanischen Sklaven E-Book

Frederick Douglass

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Beschreibung

Frederick Douglass wurde als Frederick Augustus Washington Bailey in der Nähe von Easton in Talbot County, Maryland, als Sklave geboren. Als kleiner Junge wurde er als Hausdiener nach Baltimore geschickt, wo er mit Hilfe der Frau seines Herren das Lesen und Schreiben erlernte. 1838 entkam er der Sklaverei und ging nach New York City, wo er Anna Murray heiratete, eine freie farbige Frau, die er in Baltimore kennengelernt hatte. Bald darauf änderte er seinen Namen in Frederick Douglass. Im Jahr 1841 sprach er auf einem Kongress der Massachusetts Anti-Slavery Society in Nantucket und beeindruckte die Anwesenden so sehr, dass sie ihn sofort als Agenten anstellten. Er war ein so beeindruckender Redner, dass zahlreiche Personen bezweifelten, dass er jemals ein Sklave gewesen sein könne, und so entschloss er sich seine Lebensgeschichte niederzuschreiben.

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Die Lebensgeschichte

eines amerikanischen Sklaven

von Frederick Douglass (1845)

 

 

 

Übersetzung: Stefan Gresse (2021)

Aureon Verlag GmbH (Alle Rechte vorbehalten)

 

INHALTSVERZEICHNIS

KAPITEL I

KAPITEL II

KAPITEL III

KAPITEL IV

KAPITEL V

KAPITEL VI

KAPITEL VII

KAPITEL VIII

KAPITEL IX

KAPITEL X

KAPITEL XI

VORWORT

Im August 1841 besuchte icheine Anti-Sklaverei-Konferenzin Nantucket, bei der ich das Glück hatte, die Bekanntschaft vonFREDERICKDOUGLASSzumachen,demVerfasserdernachfolgendenErzählung.ErwarfastkeinemderMitgliederdieserGesellschaftbekannt. DaererstkürzlichdemSklavenhausimSüdenentkommenwarundseineNeugierdegewecktwurde,mehrüberdieGrundsätzeundMaßnahmenderAbolitionistenzu erfahren,vondenenerwährendseinerZeitalsSklaveeinenursehrvageVorstellunghatte,fühlteersichdazuveranlasst,andieserVeranstaltungteilzunehmen, obwohl er zu dieser Zeit in New Bedford wohnte.

Einglückliche,höchstglücklicheFügung!EinGlückfürdieMillionenseinergeknechtetenBrüder,diesehnsüchtigaufdieBefreiungausihrerfurchtbarenGefangenschaftund die Erlösung vonihren schrecklichen Leiden warten! Ein Glück für die Bewegung derEmanzipationderSchwarzenundderuniversellenFreiheit!EinGlück für sein Vaterland, zu dessen Rettung und Segen er bereitssovielbeigetragenhat!EinGlückfürdengroßenKreisvonFreundenundBekannten,derenSympathieundZuneigung er aufgrund seines individuellen Leidensweges,seinesvorbildlichen Charakters und durch sein unablässiges Mitgefühl gegenüber seinenLeidensgenossen,gewonnenhat.EinGlückfürdiezahlreichenMenscheninallenTeilenunsererRepublik,dieerwachgerütteltundüberdasThemaderSklavereiaufgeklärthatunddiedurchseinSchicksalzuTränengerührtunddurchseinemitreißendenAppellegegenSklavereizumoralischerEmpörungaufgewühltwurden!

IchwerdeniemalsseineersteRedeaufderKonferenzvergessen–dieseaußerordentlicheEmotionen,diesieinmeinemeigenenKopfhervorgerufenhat–diesenmächtigenEindruck,den sie in einem überfüllten und völlig überwältigten Auditoriummachte–denApplaus,dervomAnfangbiszumEnde auf seineausgezeichnetenAusführungenfolgte.Ichglaube,dassichdieSklavereinochniesogehassthabe,wieindiesemAugenblick;wahrscheinlich,weilmeineWahrnehmungdiesersoungeheuerlichenSchande,dieandergottähnlichenNaturdieserOpferbegangenwird,deutlicherwurdealsjemalszuvor.DortstandeinMenschinFleischundBlutmiteinemaußergewöhnlichenIntellekt,mitnatürlicherBeredsamkeit,dieeinemWunder gleichkommt,miteinerSeele,diemanfast als dieeinesEngelsbezeichnen kann - und dennoch ein Sklave, ein flüchtiger Sklave-einer,derumseineSicherheitbangt und kaum zu glauben wagt,dassihmaufamerikanischemBoden auchnureineinzigerWeißerallen Gefahren zum TrotzausLiebezuGottundderMenschheitdieFreundschaftanbietenwürde!Dankseinerintellektuellen Fähigkeiten undmoralischenIntegritätbedurfte es nur wenig,umihn zueinerBereicherungfürdieGesellschaftundzueinemSegenfürseineRassezumachenund dennoch warernachdenGesetzendesLandes,nachdenBestimmungendesSklavengesetzesnichtsweiteralseinObjekt,einPackesel,ein persönliches Eigentum!

EingeschätzterFreundausNewBedforddrängteMrDOUGLASSdazu,aufderVersammlungzusprechen.Erkam nur zögerlichundverlegenaufdieBühne,eindeutigdieBegleiterscheinung eines sensiblen Geistes in einer solchen, für ihnneuenSituation.NachdemersichfürseineUnwissenheitentschuldigt hatteunddasPublikumdaraufaufmerksamgemachthatte,dass die Sklaverei eine schlechte Schule für denmenschlichenVerstandunddasHerzsei,beganner,einpaarDetailsausseinerVergangenheit in der Sklaverei zu schildernundimLaufeseines Vortrages brachteerzahlreichenobleIdeenundinteressante AnsichtenzumAusdruck.AlserseinenPlatz wieder eingenommenhatte,standichvollerHoffnungund Bewunderungaufunderklärteöffentlich,dass auch PATRICKHENRY,derberühmteamerikanischeRevolutionär,niemalseineeloquentereRedeüberdieFreiheitgehaltenhattealsdiese,diewirgeradevondenLippendiesesgejagtenFlüchtlingsgehörthatten.DaswarmeinefesteÜberzeugungdamals-undauchnochheute.IcherinnertedasPublikumandieGefahren,vondenendieserselbstemanzipierte,jungeMannselbstinMassachusetts,aufdemBodenderPilgerväter umgebenwar;undichfragtesie,ob sie es jemals zulassen würden, ihn in die Sklavereizurückzubringen – Gesetz oder nicht, Verfassung oder nicht. DieAntwort war einstimmig und erklang imDonnerhall – »NEIN!« »Werdet ihr ihm beistehen und ihn beschützen wie einen Bruder? »JA!«, schrie dieMenschenmassemiteinersolchalarmierendenEnergie,dassdieskrupellosenTyrannensüdlichderMason-Dixon-Linie diesen mächtigen

Gefühlsausbruch beinahe gehört und als BelegderunbesiegbarenEntschlossenheitderjenigenerkannthabenmussten, diedasVersprechengaben,niemals denUmherirrenden zu verraten, sondern den Ausgestoßenen zu verstecken und alle damit verbundenen Konsequenzen auf sich zu laden.Insgeheim war mir sofort klar, dass, wenn man MrDOUGLASSdazuüberredenkönnte,seineZeitundseinTalentderFörderungderAnti-Sklaverei-Bewegungzuwidmen,würdemandiesemProjektnichtnureinenmächtigenImpulsgeben,sondern gleichzeitig den Vorurteilen des Nordens gegenüberFarbigen einen betäubenden Schlag versetzen. Ich versuchtedaher,ihmHoffnungundMutzumachen,damitereswagte,sichauf eine für ihn in dieser Situation völlig ungewohnte undverantwortungsvolle Aufgabe einzulassen; und ich wurde indieser Bemühung von warmherzigen Freunden unterstützt;insbesonderevomverstorbenenGeneralagentenderAnti-SlaverySocietyvonMassachusetts,MRJOHNA.COLLINS,derindiesemFalleganzmeinerMeinungwar.Zuerstließersich nicht dazu ermutigen; mit ungezügelter ZurückhaltungbrachteerseineÜberzeugung zum Ausdruck,dasserfürdieDurchführungeinersolchgroßartigenAufgabenichtdiegeeignete Person wäre;er wäre ganzaufrichtig besorgt, dasser mehr Schaden als Nutzenanrichtenkönnte.NachreiflicherÜberlegungwilligteerschließlich doch ein,einenVersuchzuwagen;undseitdieserZeitister unter der Schirmherrschaft der Anti-SlaverySocietyvonMassachusettsalsDozenttätig.SeinErfolgbeiderBekämpfungvonVorurteilen,beiderGewinnungvonBekehrtenundbeiderSchärfungdesöffentlichenBewusstseinsübertrafbeiweitemdiehoffnungsvollstenErwartungen.Als öffentlicher Redner zeichnet er sich durchPathos, Scharfsinnigkeit, ArgumentationsstärkeundSprachgewandtheitaus.ErhatdiesebesondereVerbindungvonKopfundHerz,dieunabdinglichist,umandere Menschen zu überzeugen und ihre Herzen zu gewinnen. MögeerauchinZukunftsostarkseinwiebisher!

EsistsicherlicheinesehrbemerkenswertenUmstand,dasseinerdererfolgreichstenFürsprecher der Sklavenbevölkerung,derjetztim Blickpunkt der Öffentlichkeitsteht, selbst einflüchtigerSklaveist,nämlich in Person von FREDERICK DOUGLASS;und dass die freiefarbigeBevölkerungderVereinigtenStaatendurcheinenausihreneignenReihenvertretenwird,inPersonvonCHARLESLENOXREMOND,dereneloquenteAppellegroßen ApplausaufbeidenSeitendesAtlantiksausgelösthaben.MögendieVerleumderderfarbigenRassesichselbstfürihreHeimtückeunddieIlliberalitätihresGeistesverachtenundfortanaufhören,vondernatürlichenUnterlegenheitderjenigenzusprechen,dienichtsweiteralsZeitunddieChancebenötigen,umdenGipfelmenschlicher Vortrefflichkeit zu erreichen.

MankannsichvielleichtmitRechtfragen,obirgendeinandererTeilderBevölkerungderErdedieEntbehrungen,LeidenundSchreckenderSklavereiertragenhätte,ohneaufderSkaladerMenschlichkeitweiterdegradiertzuwerdenalsdieSklavenafrikanischer Abstammung.Nichtsist unversucht geblieben,umihrenIntellektzulähmen,ihrenVerstandzuverdunkeln,ihremoralischeNaturzuentwürdigen,alleSpurenihrerBeziehungzurMenschheitauszulöschen;unddennochhabendiese MenschenaufwunderbareWeisediemächtigeBürdeeinerfurchtbarenKnechtschaftertragen,unterdersieseitJahrhundertenleiden!UmdemweißenManneinmaldieAuswirkungenderSklavereizuveranschaulichen–umihmzu zeigen,dassseineKräftedenenseinesschwarzenBrudersunterlegensind,erzähltDANIELO'CONNELL,derbedeutendeFürsprecherderuniversellenEmanzipationunddermächtigste Kämpfer für das gestürzte, aber nicht besiegte Irland,diefolgendeAnekdoteineinerRede,dieerinderConciliationHall, in Dublin,vorderLoyalNationalRepealAssociationam 31.März1845hielt.»Ganzgleich«,sagteMrO'CONNELL,»unterwelchemfadenscheinigenBegriffsiesichzuverschleiern vermag, so ist die Sklaverei doch immerabscheulich.Sie hat dienatürliche,unvermeidlicheTendenz,jedeedleFähigkeiteinesMenschenzubrutalisieren.EinamerikanischerSeemann,deranderKüsteAfrikas ausgesetzt wurde, wo man ihn drei Jahre lang als Sklavegefangen hielt, wurde am Ende dieses Zeitraums völlig verstört undverblödet wieder aufgefunden–erhattejegliches Denkvermögen verloren;undnachdemerseineMuttersprachevergessenhatte,konnteernureinwildesKauderwelschzwischenArabischundEnglischvon sich geben,dasniemandverstehenunddaserselbstnurschweraussprechenkonnte.SovielzumhumanisierendenEinflussderINLÄNDISCHEN INSTITUTIONEN!«

Auch wenn wir zugeben, dass dies ein außergewöhnlicher Fall geistigen Verfallswar,beweisterzumindest,dass ein weißerSklaveaufderSkalader Menschlichkeit mindestens genauso tief herabsinken kann wie einschwarzer.

MrDOUGLASS hatdierichtigeEntscheidunggetroffen,seine eigeneLebensgeschichte,inseinemeigenenStilundnachbestem Wissen und Gewissen niederzuschreiben, anstatt jemand anderendamitzubeauftragen.SiestammtalsoausseinereigenenFederundwennmanbedenkt,wielangeundtraurigsein DaseinalsSklavewar –wiewenigMöglichkeitenerhatte,sein Wissen zu vergrößern, seitdem er den Fesseln der Sklaverei entkommen war – so ist ihm dieses Buch hoch anzurechnen.Derjenige,dereslesenkannohne,dasssichseineAugenmitTränenfüllen, ohne, dass er eineLastaufseinerBrustempfindet, ohne, dassereinetiefeAbscheuvorderSklavereiundihrenHelfershelfernempfindetundnichtunmittelbarmiteinerEntschlossenheitbeseeltist,diesesabscheulicheSystemzustürzen–ohneumdasSchicksaldiesesLandeszuzittern – muss ein finsteres Herz haben und alsMittäterbeimHandelvonSklavenundMenschenseelen angesehenwerden.Ichbinsehr überzeugt davon,dassallseine AussagenimWesentlichenwahrsind;dassnichtsausBosheitgeschrieben,nichtsübertrieben,nichtserfunden word ist;dasserdieRealität,SOWIEDIESKLAVEREIIST,sogaruntertreibt.DieErfahrungvonFREDERICKDOUGLASSalsSklavewarkeineBesonderheit;seinLoswarnichtaußergewöhnlichhart;seinFallkann als ein sehr gutes Beispiel für die Behandlung von Sklavenin Maryland angesehen werden, einem Staat, in dem die Sklavenzugegebenermaßenbesserernährtundwenigergrausambehandelt werden als in Georgia, Alabama oder Louisiana.Vielehabenunvergleichlichmehrgelitten,währendnursehrwenigeauf den Plantagen weniger gelitten haben als er selbst. Doch wiebedauerlichwarseineSituation!Welchschrecklichen Peinigungen wurden seinerPersonzugefügt!WelchschockierendeGräueltaten wurden anseinemVerstandverübt!Trotzseines edlen Charakters und seiner erhabenen Motive,wurdeerwieeinTiergequält,sogarvondenen,diebehaupten,dengleichenGlaubenzuhabenwieJesusChristus!

DieseErzählungenthältvieleberührendeEreignisse,vielePassagenvongroßerEloquenzundWirkmacht;aberichdenke,derspannendsteTeilistdieBeschreibung,dieDOUGLASS vonseinenGefühlenmacht,alseramUferderChesapeakeBaystandundüberseinSchicksalunddieChancen,einesTageseinfreierMannzu sein, Selbstgespräche führte – während er aus der Entfernung dieSchiffebetrachtete,wiesiemitihrenweißenFlügelninderBrisedavonflogen,und er siealsvomlebendigenGeistderFreiheitbeseeltapostrophierte.WerkanndiesePassagelesen und ihrem Pathos und ihrer Erhabenheit gegenüber gleichgültigreagieren?Komprimiertdarin enthalten isteinevollständigealexandrinische Bibliothek des Denkens, Fühlens und derEmotionen–alles, was man Vorbringen kann, wasman Vorbringen muss, um eineAnklage, des Flehens, Tadelns gegen dieses größte allerVerbrechen zu formulieren– die den Menschen zum Eigentum seinesMitmenschenmacht!OwieverfluchtistdiesesSystem,dasdengottgleichenGeistdesMenschenverschlingt,dasgöttlicheBildverunstaltet, diejenigen, die durch die Schöpfung mit Ruhm undEhregekröntwurden,aufeineEbenemitvierfüßigenTierenreduziertunddenHändlervonmenschlichemFleischüberalleserhebt,wasGottgenanntwird!WarumsolltedessenExistenzauchnurumeineStundeverlängertwerden?Istesnichtböse,nurböse,unddiesfortwährend?Wasbedeutetdie Existenz der Sklaverei, anderes als dieAbwesenheitallerGottesfurcht,allerAchtungvordemMenschen, seitens des Volkes der Vereinigten Staaten? DerHimmelmögeseinenimmerwährendenUntergangherbeiführen!Viele Menschen wissen so wenig über das Wesen derSklaverei,dasssiebeharrlichungläubigbleiben, selbst wennsieetwas überdieGrausamkeitenlesenoderhören,diedenOpferntäglichzugefügtwerden.Sie leugnennicht,dass dieSklaven alsEigentumgehaltenwerden;aberdieseschrecklicheTatsachescheint ihrem Verstand keine Vorstellung von der abgrundtiefenUngerechtigkeit,EmpörungoderwildenBarbareizuvermitteln.ErzähltihnenvondengrausamenGeißelungen,von VerstümmelungenundBrandmarkungen,vonderVerbannungallenLichts undWissens,undsieempörensichzutiefstübersolcheungeheurenÜbertreibungen,solchepauschalenFalschaussagen,solcheabscheulichenVerleumdungendesCharaktersdersüdlichenFarmers!AlsoballdieseschrecklichenSchandtaten nichtdienatürlichenFolgenderSklavereiwären!Alsobeswenigergrausamwäre,einenMenschenaufdenZustandeinesObjektszureduzieren,alsihmeineschwerePrügelstrafezuverpassenoderihmdienotwendigeNahrungundKleidungvorzuenthalten!AlsobPeitschen,Ketten,Daumenschrauben,Schläge,Bluthunde,Aufseher,Treiber,Patrouillennichtalleunentbehrlichwären,umdieSklavenimZaumzuhaltenundihrenrücksichtslosenUnterdrückernSchutzzugewähren!Skeptiker gegenüber dem niederträchtigen Charakter der Sklaverei sind in dieser GesellschaftimÜberflussvorhanden.IneinigenwenigenFällenentstehtihreUngläubigkeit aus einem Mangel an Reflexion; aber imAllgemeinendeutetesauf denWunsch,dieSklavereivordenAngriffenihrerFeindezuschützen, auf eine Verachtung der farbigen Rasse, ob gefesselt oderfrei.Einsolcherwirdversuchen,dieschockierendenGeschichtenüberdieGrausamkeitderSklavereizudiskreditieren,diein dieserwahrheitsgemäßenErzählungfestgehaltensind;aberihreBemühungenwerdenvergeblichsein.MrDOUGLASShatganzoffen den Ort seiner Geburt, die Namen derer, die das EigentumanseinemKörperundseinerSeelebeanspruchten,undauchdieNamenderer,diedieVerbrechenbegangenhaben,dieerihnen vorwirft, bekannt gegeben.Seine Aussagen könnten daher leicht widerlegt werden, wenn sie denn unwahr wären.

ImLaufeseinerErzählungberichtetervonzweiFällenmörderischerGrausamkeit–ineinemdavonerschosseinFarmerabsichtlicheinenSklaveneinerbenachbartenPlantage,deraufderSuchenachFischenunbeabsichtigtinseinHerrschaftsgebiet geraten war; und in einem anderen Fall blies einAufsehereinemSklavendas Licht aus,derzueinemWasserlaufgeflohenwar,umeinerblutigenGeißelungzuentkommen.MrDOUGLASSsagt,dassinkeinemdieserFälleeinelegale Verhaftung oder eine gerichtliche Untersuchungstattgefundenhat.Die Zeitung derBaltimoreAmericanvom17.März1845berichtet über eine ähnliche Gräueltat, die mitvergleichbarerStraflosigkeitverübtwurde,folgendes:›Sklaveerschossen.–DurcheinenBriefausCharlesCounty,Maryland, deneinGentlemandieserStadterhaltenhat,erfahrenwir,dasseinjungerMannnamensMatthews,einNeffevonGeneralMatthews,unddessenVater,derangeblicheinAmtin Washingtoninnehat,einenderSklavenaufdemGrundstückseinesVatersgetötethat.IndiesemSchreibenheißtes,dassderjungeMatthewsfürdieFarmverantwortlichgewesensei;dasserdemKnechteinenBefehlgab,derabernichtgehorchte,woraufhinMatthewsinsHausging,eineWaffeholte,zurückkehrteunddenSklavenerschoss.Matthew,soheißtesindemBriefweiter,seiindieWohnungseinesVatersgeflohen,woer nochimmerunbehelligtverweilt.‹–Esdarfnievergessenwerden,dasskeinSklavenhalteroderAufseheraufgrundderZeugenaussage einer farbigen Person, gefesselt oder frei, wegeneinerSchandtatanderPersoneinesSklavenverurteiltwerdenkann,soteuflischsieauchseinmag.NachdemSklavenkodexwerdensiealsinkompetentbeurteilt,umgegeneinenweißenMannauszusagen.DahergibteskeinenrechtlichenSchutzfürdie Sklavenbevölkerung, in welcher Form auch immer; und jede noch so undenkbare Grausamkeit darf ihnen ungestraft zugefügt werden.Kann sich der menschliche Geist einen schrecklicheren Zustandder Gesellschaft vorstellen?

Die Auswirkung eines religiösen Glaubensbekenntnisses auf dasVerhalten der Herrschaftenim Süden wirdinder folgenden Erzählunganschaulichbeschriebenundalsallesandereals heilsamdargestellt.EsliegtinderNaturderSache,dassesinhöchstemMaßeschädlichseinmuss.DieAussagevonMrDOUGLASSzudiesemPunktwirddurcheineReihevonZeugengestützt,derenGlaubwürdigkeitunanfechtbarist.»DasBekenntnis eines Sklavenhalters zum Christentum ist eineindeutigerSchwindel.EristeinSchwerverbrecherhöchstenGrades.EristeinMenschenschinder.Esistunerheblich,wasman auf die andere Waagschale legt.«

LieberLeser!EmpfindenSieSympathieundVerständnisfürdenMenschenschinderoderstehenSieaufderSeitedergeknechtetenOpfer?WennSiemitersteremübereinstimmen,dannsindSieeinFeindvonGottund der Menschheit.WennSiemit Letzteremübereinstimmen,wassindSiebereit,zutunundinderenNamenzuwagen?Seidtreu,seidwachsam,seidunermüdlichineurenBemühungen,jedesJochzubrechen,undlasstdieUnterdrücktenfrei.Komme,waswolle–kostees,waseswolle–schreibtalseuerreligiösesundpolitischesMottoaufdasBanner,dasihrimWindaufrollt–›KEINKOMPROMISS MITDERSKLAVEREI!KEINEVEREINIGUNGMITSKLAVENHALTERN!‹

WM. LLOYD GARRISON

BOSTON, 1. Mai 1845

 

ERZÄHLUNGDER

LEBENSGESCHICHTE VON FREDERICK DOUGLASS

 

KAPITEL I

IchwurdeinTuckahoegeboren,inderNähevonHillsborough,etwazwölfMeilenvonEaston,inTalbotCounty,Maryland,entfernt.IchhabewedergenaueKenntnisseübermeinAlter, noch habe ich jemals eineauthentische Aufzeichnunggesehen,dieAngabendarüberenthält.DiemeistenSklavenwissensowenigüberihrAlter wiePferdeunddergrößteTeildermirbekanntenHerrenmöchtedieSklavendahingehendauchunwissendhalten.Ichkannmichnichterinnern,jemalseinenSklavengetroffenzuhaben,dermirseinGeburtsdatumnennen konnte.SiekommenihmseltennäheralsPflanzzeit,Erntezeit,Kirschzeit,FrühlingszeitoderHerbstzeit.SchoninmeinerKindheitlittichunterdemMangeldieserInformationundwarsehrunglücklichdarüber.DieweißenKinderwusstenallewiealtsiesind.Eswarmirunverständlich,warummanmirdasgleichePrivilegvorenthielt.IchdurftemeinenHerrnnichtdarüberbefragen.ErhieltalldieseErkundigungenseitenseinesSklavenfürunangemessenundunverschämtundalsBeweisfüreinenunruhigenGeist.NachmeinergrobenSchätzungbinichjetztzwischensiebenundzwanzigundachtundzwanzigJahrealt.Zu diesem Schluss komme ich, weil mein Herr irgendwann im Jahre1835 sagte, ich wäre etwa siebzehn Jahre alt.

MeineMutterhießHarrietBailey.SiewardieTochtervonIsaacundBetseyBailey,beidefarbigundrechtdunkelhäutig. Meine Mutter hatte einen dunkleren Teint als meine Großmutteroder mein Großvater.

MeinVaterwareinweißerMann.Erwurdevonallen,dieichjemalsübermeineAbstammungsprechenhörte,alssolcher anerkannt.Manmunkeltesogar,dassmeinHerrmeinVatersei;aberichkanndieRichtigkeitdieserAussagenichtbestätigen,dennichweißnichtsdavon;mirwurdensämtlicheMittelzumErlangendiesesWissensvorenthalten.MeineMutterundichwurdengetrennt,alsichnocheinSäuglingwar–bevorichsiealsmeine Mutterkennenlernte.IndemTeilvonMaryland,ausdemichgeflohenbin,istesüblich,dassKinderschonsehrfrühvonihrenMütterngetrenntwerden.HäufigwirddemKind,nochbevor es den zwölften Monat erreicht hat, die Mutter genommenundaufeinesehrweitentferntenFarmverdingtunddasKindwirdunterdieObhuteineraltenFraugestellt,diezualtfürdieFeldarbeitist.WarumdieseTrennungerfolgt,weißichnicht,esseidenn,manwolledieEntwicklungderZuneigungdesKindeszuseinerMutterverhindernunddienatürlicheZuneigungderMutterzumKindabstumpfenundzerstören.Diesistdasunvermeidliche Ergebnis.

IchhabemeineMutter,umsiealssolchezukennen,niemehr als vier- oder fünfmal in meinem Leben gesehen; und jedes dieserMalewarsehrkurzundnachts.SiewurdevoneinemMr Stewarteingestellt,deretwazwölfMeilenvonmeinemHausentferntwohnte.SiemachtesichnacheinemlangenArbeitstagauf den Weg und legte die ganze Strecke zu Fuß zurück, nur ummich in der Nacht zu sehen. Sie war eine Feldarbeiterin und eineAuspeitschungistdieStrafe,wenneinSklavebeiSonnenaufgangnichtaufdemFelderscheint.Esseidenn,derSklavehateinebesondere Erlaubnis seines Herrn – eine Erlaubnis, die sie seltenbekommen, unddiedemjenigen,dersieerteilt,denehrenwertenRuferteilt,eingütigerHerrzusein.Icherinneremichnichtdaran, meine Mutter jemals bei Tageslicht gesehen zu haben. SieverbrachtedieNachtmitmir.SielegtesichmitmirhinundwiegtemichindenSchlaf,aberlangebevorichaufwachte,warsieschonwiederverschwunden.Wirkommuniziertennursehrwenigmiteinander.DerTodnahmunsdasbisschen,waswirhattenundbeendeteihreNotundihrLeiden.Siestarb,alsichetwa sieben Jahre alt war, auf einer der Farmen meines Herrn, in derNähevonLee’sMill.IchdurftewederwährendihrerKrankheitnochbeiihremTododerihrerBeerdigunganwesendsein.Siewarschonlangeverstorben,bevorichetwasdavonwusste.DaichihreberuhigendeGegenwart,ihrezärtlicheundwachsameFürsorgenieinnennenswertemUmfangerfahrendurfte,nahmichdieNachrichtüberihrenTodmitdengleichenGefühlenauf,dieichwahrscheinlichbeimTodeinesFremden empfunden hätte.

DurchihrplötzlichesAblebenverließsiemichohnedie geringsteAndeutung,wermeinVaterwar.DasGerücht,dassmein Herr auch gleichzeitig mein Vater war, mag wahr sein odernicht;aberwahroderunwahristfürmeineSituationnurvongeringer Bedeutung, denn die Tatsache bleibt, in all ihrereklatanten Abscheulichkeit, dass Sklavenhalter befohlen unddurch ein Gesetz festgelegt haben, dass die Kinder vonSklavenfrauenausnahmslosdemSchicksalihrerMütterfolgenmüssen; und es ist zu offensichtlich, dass dies geschieht, um ihreeigenen Begierden zu befriedigen und um ihre bösartigenWünsche sowohl gewinnbringend als auch angenehm zu erfüllen;denndurchdieseniederträchtigeAnordnungerhältderSklavenhalter in den allermeisten Fällen seinen SklavengegenüberdiedoppelteBeziehungvonHerrnundVateraufrecht.Ich kenne solche Fälle; und es ist erwähnenswert, dasssolcheSklavenausnahmslosschwererleidenmüssenundmehrzukämpfenhabenalsandere.Siesindvorallemeineständige Beleidigung für ihre Herrin. Sie ist stets geneigt, Fehler an ihnenfinden;siewerdenseltenetwastun,was