Die Legende von Katlyn Calavera - G.C. Lazaridis - E-Book

Die Legende von Katlyn Calavera E-Book

G.C. Lazaridis

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Beschreibung

Wie weit würdest du gehen, für jemand der dich nicht kennt? Erlebe in diesem Nerd-Fiction Drama, wie das Leben einer Gruppe Onlinerollenspieler auf dämonische Weise tiefgreifend verändert wird. Die Tragödie, in der alle immer nur versuchen das Richtige zu tun, beginnt mit dem Wiedersehen von Katlyn und ihrer Jugendliebe Tassilo. Zehn Jahre war es ihnen verboten, sich zu treffen. Doch ihr Wiedersehen endet in einem Blutbad. Tassilo merkt schnell, dass seine Katlyn für die Frau, mit der sie jetzt zusammenlebt, über Leichen geht. Lüfte das Geheimnis, das diese engelsgleiche Frau umgibt. Verpasse nicht, wie Katlyn unschuldig und falsch verstanden in immer größere Schwierigkeiten gerät. Jeder muss auf die harte Tour erfahren, dass man immer nur nach seinem aktuellen Wissensstand urteilen kann. Leseprobe auf www.tu-nicht-gut.de Das Buch erzählt in jedem Kapitel einen Tag. Die Leseprobe enthält das erste Kapitel, der zweimal acht Kapitel umfassenden Geschichte.

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Seitenzahl: 580

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Harald Lesch

Inhaltsverzeichnis

Teil 1: What I always wanted

Prolog

Kapitel 1 Land’s End

Kapitel 2 das Gipfeltreffen

Kapitel 3 Rebecca Jorden

Kapitel 4 eine Ballade für Katlyn

Kapitel 5 Charlotte

Kapitel 6 Pure fucking Metal

Kapitel 7 eine Nacht mit Jon Cruz

Kapitel 8 Mr Steel turns Hell

Epilog Die Sache mit dem Lizard King

Teil 2: Something I can never have

Prolog

Kapitel 1 Sound & Vision

Kapitel 2 Heidelberger Spezialitäten

Kapitel 3 Ruby Soho

Kapitel 4 Dead Horse

Kapitel 5 Nocturne Op 55 N1

Kapitel 6 Goliat

Kapitel 7 Mephisto & Gretchen

Kapitel 8 Slave to the Parasites

Teil 1

What I always Wanted

Prolog Irgendwann irgendwo in Andalusien

Wer zum Teufel hat das Licht angemacht?

Es ist doch mitten in der Nacht. Oder?

Isabella erwacht im grellen Neonröhrenlicht des Krankenhauses. Dachte mir schon, dass dieses große Zimmer nicht lange ein Einzelzimmer bleibt. Ich bin wach geworden, weil mindestens vier Menschen in weißen Kitteln mehr um die Gesundheit meiner Zimmergenossin, als um meinen Schlaf besorgt sind. Egal. Ich werde in wenigen Stunden Mutter. Ich mache mir seit Wochen Stress, aber jetzt bin ich ganz gelassen. Muss an den Drogen liegen, die ich bekommen habe. Ich habe niemand angerufen, so wie ich es jedem einzelnen Mitglied meiner Familie versprochen habe. Ich ruf‘ dich an … Bei der ersten Wehe … du bist der Erste, der es erfährt, wenn es etwas zu erfahren gibt. Niemanden habe ich angerufen. Die würden mir sowieso jetzt nur auf die Nerven gehen. Wenn ich an die Gesichter denke, die sie machen werden, wenn ich mit meiner Tochter auf dem Arm nach Hause komme. Ich würde lachen, wenn es im Moment nicht unangebracht wäre, da meine Zimmergenossin gerade in einer zumindest ernsten Situation zu stecken scheint. Was ich auch nur aus der Anzahl der Ärzte schließe. Die Situation scheint ganz ruhig. Im Moment fühle ich mich, als könnte mich nicht einmal eine Zombiehorde, die zur Tür herein platzt, aus der Ruhe bringen. Echt gutes Zeug.Über diesen Gedanken fallen ihr wieder die Augen zu.

Als sie die Augen nur eine Sekunde später wieder öffnet, ist das Licht gedimmt. Viel besser. Jetzt ist es definitiv Nacht. Niemand versperrt ihr mehr die Sicht auf ihre Zimmergenossin. Sie sitzt im Bett und liest, im Schein einer kleinen Tischlampe, die auf ihrem Nachttisch steht, ein Buch.

Sie ist außergewöhnlich hübsch. Isabella möchte sie noch einen Moment anstarren, doch sie wendet den Blick von ihrem Buch und schaut rüber.

„Hallo“, sagt sie freundlich und lächelt.

Lächelnd ist sie noch hübscher.

„Hola. Es ist Nacht, oder?“

„22 Uhr 35“ Sie legt ihr Buch zur Seite.

„Und? Junge oder Mädchen?“

„Mädchen.“

„Ich bekomme auch eine Tochter. Ich habe so sehr gehofft, dass es ein Mädchen wird. Ich habe darum gebetet.“

„Mir war es egal… ich bin aber trotzdem froh, dass es ein Mädchen ist.“ Beide lachen.

„Wie soll sie heißen?“ fragt Isabella, doch ihre Gegenüber zögert.

„Du hast mit dem Smalltalk angefangen und nach ‚Mädchen oder Junge‘ kommt die Frage nach dem Namen. So sind nun mal die Regeln.“ Sie zögert noch einen Moment, dann schaut sie Isabella in die Augen und sagt: „Zdisha.“

Du machst gerade so ein bescheuertes Gesicht, dass du dir deine Standardantwort ‚oh, wie nett‘ sparen kannst.

„Du bist nicht von hier, stimmt‘s?“

„Nein. Wir sind Tschechen.“

„Du sprichst sehr gut spanisch. Machst du hier Urlaub?“

„So ähnlich. Du hast mir noch nicht verraten, wie deine Tochter heißen wird.“

„Vanessa und ich heiße Isabella.“

„Jessica.“

„Freut mich dich kennenzulernen. Jigsaw ist ein außergewöhnlicher Name. Ist das so eine ‚der Erstgeborene muss den Namen des Großvaters tragen‘ Geschichte?“

Jessica überlegt kurz, dann zuckt sie die Schultern.

„Ihr Vater meinte, dass sie Zdisha heißen wird.“

„Wo ist ihr Vater?“

„Das ist kompliziert und die Frau Doktor sagt, ich soll nicht über ihn sprechen. Wo ist Vanessas Vater?“

Isabella lacht.

„Das ist auch kompliziert.“ Jessica lacht mit.

„Warum sollst du nicht über ihn sprechen?“

Anstatt einer Antwort, steht Jessica auf und verschwindet wortlos im Bad.

Seit wann stellst du so indiskrete Fragen? Scheiß Drogen. Tu‘ als würdest du schlafen oder entschuldige dich. Du entschuldigst dich, aber zuerst ruhst du ganz kurz deine Augen aus.

Als sie die Augen nur eine Sekunde später wieder öffnet, ist es dunkel. Sie versucht zu erkennen, ob Jessica in ihrem Bett liegt. Sie sieht eine Bewegung an Jessicas Bett, etwas Schattenhaftes. Sie will gerade etwas sagen, als sie eine zweite schattenhafte Gestalt direkt an ihrem Arm bemerkt. Erschrocken fährt sie hoch.

Es ist Tag. Der Raum ist sonnendurchflutet und eine frische Brise weht durch das offene Fenster. Eine Schwester bezieht gerade Jessicas Bett.

„Guten Morgen“, begrüßt sie die Krankenschwester.

„Guten Morgen. Wo ist Jessica?“

„Jessica? Sie haben mit ihr gesprochen?“

„Ja. Wie meinen Sie das?“

„Sie hat nicht viel geredet. Eigentlich hat sie nur mit ihrer Ärztin gesprochen. Zumindest glaube ich das. Sie ist vor knapp einem Monat von der Polizei hergebracht worden.“

Die Krankenschwester, die jetzt an Isabellas Bett steht, beugt sich zu ihr runter und flüstert: „Im Polizeibericht stand, dass sie sich etwas antun wollte.“

„Wo ist Jessica?“

„Es tut mir leid. Sie hat die Geburt ihres Kindes nicht überlebt.“

Isabella glaubt nicht, was sie da hört.

„Sie ist tot?“ Die Krankenschwester nickt mitfühlend. Isabella braucht einen Moment dann fragt sie:

„Wie geht es ihrer Tochter?“

„Sie wird es schaffen. Sie hat ein starkes Herz.“

„Habt ihr den Vater erreicht?“

„Den Vater? Wir sind froh, dass wir ihren Vornamen rausgefunden haben.“ Sie kommt wieder ganz nah und flüstert. „Im Bericht der Ärztin stand, dass sie ein Vergewaltigungsopfer ist und sich deswegen in Fantasien flüchtet.“

„Was wird jetzt aus ihrer Tochter? Sie wollte sie Jigsaw oder so nennen.“

„Wir haben ihre Akte zur Identifizierung nach Madrid geschickt, aber noch keine Antwort bekommen. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass wir eine positive Identifizierung bekommen. Erst recht, weil sie eine Touristin war. Ihre Tochter wird wohl im Waisenhaus landen. Wir haben Jessica in die Geburtsurkunde geschrieben.“

Kapitel 1: Freitag

Lands’s End

Zu einer anderen Zeit, irgendwo in der Republik

Sie erwacht.

Wer bin ich? Wo bin ich?

Sie schaut sich im Zimmer um. Nichts was sie sieht, gibt ihr einen Hinweis auf die Lösung der Fragen. Der Raum wird nur spärlich von dem Licht erleuchtet, das der Vorhang nicht aufhalten kann. Eine Flasche Wasser steht in Reichweite am Bett.

Sie schnappt die Flasche und nimmt mehrere große Schlucke.

„Das tut gut.“ Sie betrachtet ihre Hände einen Augenblick und stellt die Flasche zurück. Was ist bloß los mit mir? Warum weiß ich nichts mehr? Keine leeren Alkohol Flaschen oder andere Spuren von Drogenkonsum. Vielleicht bin ich anderswo unter Drogen gesetzt worden und dann hat man mich hier abgeliefert.

Sie zieht die Decke weg und betrachtet ihren Körper. Keine Spur von Gewalt und ich sehe heiß aus in der Unterwäsche. Sie steht auf und zieht die Vorhänge zur Seite. Ihr Blick schweift über eine hübsche Altstadt mit einem kleinen Dom oder einer großen Kirche.

Sie öffnet das Fenster und atmet tief ein.

Die Luft ist angenehm warm und riecht nach Frühling.

Sie lässt den Blick erneut durch das Zimmer wandern.

Es ist ein großer, sehr modern eingerichteter Raum.

Ihr gegenüber steht ein Fernseher, an dem mehrere Spielekonsolen angeschlossen sind. Ein Dreisitzer und zwei Sitzsäcke.

Den Couchtisch kann sie nicht richtig erkennen, weil er übersät ist mit Controllern, Zetteln, CDs, BDs und Kabeln… vielen, vielen Kabeln. Was einen krassen Gegensatz zum Rest des Raumes darstellt, in dem sonst nicht mal eine Socke auf dem Boden liegt.

„Wo man spielt, da lass dich ruhig nieder.“

Sie lächelt zufrieden. Ich fühle mich gut. Ich bekomm' das hin. Sie betrachtet ein Poster. Das in schwarz orange gehaltene Bild zeigt zwei Skelettpuppen mit einer Krone auf. Darüber steht: Pearl Jam.

Keine Ahnung, was mir das sagen soll. Ob ich einen Freund habe? Vielleicht ist dies das Zimmer von meinem Freund? fragt sie sich, als etwas beginnt eine Melodie zu spielen.

Was ist das? Es klingt bezaubernd.

Sie findet ein Mobiltelefon auf dem Chaostisch. Das Display zeigt eine klingende Glocke, darunter steht:

Antonio Vivaldi - Frühling.

Als sie ihren Zeigefinger auf das entsprechende Feld legt, verstummt der Maestro und es erscheint ein übertrieben glücklicher Smiley, der sagt:

„Guten Morgen Kim.“ So weit so gut.

„Guten Morgen… Telefon.“

„Du kannst mich Wayd nennen.“

„Guten Morgen Wayd.“

Sie schaut sich im Zimmer um.

„Beobachtest du mich?“

„Ich bin eine KI. Ich will dir helfen.“

„Werde ich hier festgehalten?“

Für einen Augenblick verschwindet das Gesicht und ein Fragezeichen erscheint auf dem Display.

„Festgehalten? Du musst zur Arbeit. Katlyn kommt dich in einer halben Stunde abholen.“

„Wayd. Ich bin heute irgendwie schräg drauf. Bitte sag mir: Wer ist Katlyn?“

„Katlyn ist deine Kollegin und Freundin und ihr wohnt zusammen in diesem Haus.“

Kim versucht ganz tief in ihren Gedankenpalast einzutauchen. Erfolglos. „Wo genau arbeiten wir?“

„Windsaw“, antwortet Wayd und erklärt, dass Windsaw eins der führenden Unternehmen in dem Bereich künstliche Intelligenz ist.

„Und was mache ich da so?“

„Ich kann dir helfen.“

„Was kannst du denn?“

„Ich kann dir helfen deinen Job zu machen. Auf dem Tisch liegen ein Headset und eine Sonnenbrille. Wenn du das Headset anziehst, kannst du mich alles fragen.

Trägst du die Sonnenbrille, kann ich dir auch helfen, ohne dass du fragen musst. Indem ich dir, zum Beispiel, die Namen von Kollegen einblende. Nur für den Fall, dass sie dir gerade nicht einfallen.“

„Das könnte nützlich sein.“

Irgendwie gruselig, dass das das Erste ist, was er vorschlägt. Verdächtig geradezu. Ich muss aufpassen, was ich sage. Über diesen Gedanken muss sie lachen.

Ist ja nicht so, als könnte ich irgendwas ausplaudern.

Alles wird sich finden.

„Aber erst geh' ich duschen. Wieviel Zeit hab' ich noch?“

„28 Minuten.“

„Kein Problem. Kannst du diese Musik wieder spielen?“ Anstelle einer Antwort startet Wayd den Song erneut. Eine von zwei Türen identifiziert Kim, an der klassischen rot/grün Markierung unter der Klinke, als die Tür zum Badezimmer.

„Ich beeile mich.“ Kim tanzt zu der Musik ins Bad.

Sie schaut in den Spiegel. Ihre Augen leuchten wie Bernstein. Ihr gefällt, was sie sieht. Ihre blonde Mähne, die blasse Haut, ihre feinen Gesichtszüge und die sehr ausgeprägten Wangenknochen.

Was ist bloß los mit mir? Ich hoffe meine Erinnerungen kommen zurück. Es geht mir gut. Ich bekomme das hin.

27 Minuten später ist Kim bereit. Mit Headset am Ohr, Sonnenbrille griffbereit, Wayd in der Tasche und Wasserflasche in der Hand. Nachdem sie sich ausführlich mit dem Inhalt ihres Kleiderschranks beschäftigt hat, entscheidet sie sich für ein zitronengelbes Kleid.

Ich bin Kim. Ich bin cool. Und ich zieh das durch.

Kurz darauf klopft es. Sie öffnet die Tür.

Vor ihr steht eine hübsche junge Frau mit schulterlangen Haaren und einem frechen Pony. Sie ist ihr sofort sympathisch.

Katlyn: „Guten Morgen Süße.“

Sie umarmt Kim und küsst sie auf die Wange. Kim fühlt sich sofort geborgen und möchte nicht, dass sie wieder loslässt. Ihre rabenschwarzen Haare riechen anziehend nach Honig. Sie legt auch ihre Arme um Katlyn und wünscht sich, dass sie nicht nur Kollegen sind. Alles wird gut. Sie wird mir helfen.

„Bist du so weit?“ Sie lösen die Umarmung. Kim weiß nicht, was sie sagen soll, sie spürt die Verbindung zu ihr, aber welcher Natur ist ihre Beziehung?

„Alles okay?“

„Ich bin so weit. Wir können los.“

Sie schaut aus dem ersten Stock in ein offenes Wohnzimmer. Oben befindet sich nur eine weitere Tür.

Und die steht offen. Sie wirft einen flüchtigen Blick in das Zimmer, während Katlyn schon die stählerne Wendeltreppe runter geht.

Ein Bett, nur ein Bett. Ein großes, sehr gemütliches Bett, in dass ich mich am liebsten sofort wieder reinfallen lassen möchte, aber nur ein Bett. Sie schaut wieder zu ihrer Tür. Das heißt, dies ist mein Zimmer.

Heißt das sie ist meine Mutter?

Sie folgt Katlyn. Gegenüber dem Wohnzimmer ist eine Küchenzeile mit Esstisch. Der Küchenbereich wird vom Wohnzimmer nur durch eine Theke getrennt. Alles ist in schwarz, weiß oder Stahl.

Hoffentlich hab‘ ich auch etwas zu unserer stilvollen Einrichtung beigetragen. Katlyn hält ihr, mit Haustürschlüssel in der Hand, die Tür auf. Kim geht einen Schritt schneller. Sie lächeln sich an, als sie auf einer Höhe sind. Niemals ist das meine Mutter. Es sei denn, sie war sechs, als sie mich bekommen hat.

Sie verlassen die kleine Villa. Kim schleicht ein paar Schritte, während Katlyn die Tür abschließt. Sie nimmt ihr Mobiltelefon in die Hand.

„Wayd? Kennst du den Unterschied zwischen Mutter und Freundin?“

„Ja. Der Unterschied ist mir…“ Sie steckt es wieder ein, bevor Katlyn zu ihr aufgeschlossen ist. Sehr gut. Wir sind eine coole WG oder so etwas. Wir lieben uns, sagen es aber nie, weil unsere Beziehung so wunderbar harmonisch ist, dass keiner etwas kaputt machen möchte.

Ihr wird ganz warm ums Herz.

In der Auffahrt steht ein alter, aber top gepflegter BMW. Der trotz seiner schicken Alufelgen und der mattschwarzen Lackierung nicht so richtig zu dem Luxus der Villa passen will. Alles ist gut.

Ich werde in einem schicken Auto von meiner sehr hübschen Lebensgefährtin zur Arbeit gefahren. Und ich habe eine Flasche Wasser. Alles ist gut. Sie macht es sich noch ein wenig bequemer und setzt die Sonnenbrille auf. 'Black Bullet' ist in den Schlüsselanhänger des Autoschlüssels geritzt. Er hat die Form einer Patrone. Passender Name für das Auto. Kim betrachtet die Stadt begeistert durch ihre Sonnenbrille. Sie hat Wayd gebeten alles anzuzeigen, was er weiß. Kim wird gerade von einer Flut an Mitteilungen überhäuft. Jedes Geschäft, das Kim durch die Brille anschaut, wird mit Informationen wie Öffnungszeiten, Telefonnummer und Weblinks angezeigt.

Kim schaut zu Katlyn, ihre Blicke treffen sich und sie strahlen sich kurz an. Ob ich etwas sagen soll? Wie zum Beispiel: 'Gut, dass du fährst. Ich hab' nämlich keinen Schimmer wo wir hinfahren.' Soll ich ihr sagen, dass ich ohne Wayd nicht einmal meinen Namen gewusst hätte? Unsinn. Gleich fällt mir alles wieder ein und ich hab' Katlyn unnötig die Laune ruiniert.

„Wir hauen heute etwas früher ab und fahren zum Bahnhof, einen alten Freund abholen. Tassilo. Wir haben uns ewig nicht gesehen und ich freue mich riesig.“

Einen alten Freund? Wird er in unserem Haus wohnen? Ob sie eine Beziehung hatten?

Kim fühlt, wie ein unangenehmes Gefühl in ihr aufsteigt. Sie versucht es zu ignorieren und sich stattdessen für Katlyn zu freuen. Katlyn, die immer nur ganz kurz zu Kim rüber schauen kann, weil sie vorrangig mit Auto fahren beschäftigt ist, wartet auf eine Reaktion. Als Kim Katlyns Pause bemerkt, fragt sie: „Wie lange habt ihr euch nicht mehr gesehen?“

„Zehn Jahre. Er wollte eigentlich schon vor ein paar Wochen kommen, aber es gab irgendein Problem bei der Ausreise.“

Zehn Jahre. Keine Beziehung überlebt das. Oder?

„Wir spielen zusammen Amity Online. So hatten wir ständig Kontakt.“

Kim lächelt als Antwort.

Was zum Teufel ist Amity?

„Morgen findet ein Gildentreffen statt, wo wir dann zusammen hingehen. Wegen dem Ausreiseproblem hätte es fast nicht geklappt. Ich bin sehr glücklich.“

Ob ich auch ein Gildenmitglied bin? Ob sie mit 'wir' meint, dass ich auch auf das Fest gehen kann? Oder muss. Kim gefällt es sehr Katlyn lächeln zu sehen. Sie lachen sich einen Moment an.

„Am Anfang war die Trennung sehr hart. Selbst wenn wir Kontakt hatten, war alles kacke. Aber seit wir Amity spielen und zusammen eine Gilde leiten, läuft alles sehr gut. Morgen treffen sich Spieler, die seit Jahren zusammenspielen, zum ersten Mal persönlich. Die Gilde fragt schon ewig nach einem Treffen.

Ich wollte aber nicht ohne Tassilo.“

Die Anderen sind mir völlig egal. Ich muss Wayd fragen wer dieser Tassilo ist. Wenn er schon vor ein paar Wochen kommen wollte und der Anlass das Gildenfest ist, klingt das nicht so, als würde er wieder gehen wollen. Und Katlyn klingt auch nicht so, als würde sie das wollen. Was wird dann aus uns?

„Warum habt ihr euch schon so lange nicht gesehen?“

Katlyn zögert, sucht nach Worten.

„Wegen der Sache mit dem Lizard King.

Aber das erzähle ich dir ein andermal.“

„Ich frage mich was sein wird?“ sagt Tassilo gedankenverloren, nachdem er sich mehrfach vergewissert hat, dass er in diesem Zwischenabteil allein ist. Im Zug, der ihn zu seiner Liebsten bringt.

Es ist viel Zeit vergangen. Ich bin jetzt jemand anderes. Ob Katlyn einen Freund hat? „Ich hasse dich.

Wenn es dich gibt.“

Er sitzt auf seinem Seesack und raucht eine selbstgedrehte Zigarette, die er extra für diesen Moment gebaut hat. Eigentlich ist es die letzte einer ganzen Batterie Zigaretten.

„Ich frage mich, ob Katlyn noch raucht“, sagt er wieder in den leeren Raum.

„Wir haben nie Schluss gemacht. Folglich sind wir immer noch zusammen“, grinst Tassilo in die vorbei rauschende Landschaft und stellt sich vor, wie er das einem eventuellen neuen Freund erklärt.

„Nein. Katlyn hat keinen Freund.“

Es sind bestimmt noch fünf oder sechs Stunden in diesem Zug. Bis dahin hab' ich mir die Augen ausgekratzt. Als ich vor 45 Minuten die vorletzte Zigarette geraucht habe, wollte ich mir die Letzte für kurz vorm Ziel aufheben. Das hat nicht geklappt, stellt Tassilo traurig fest mit Blick auf die dreiviertel abgebrannte Selbstgedrehte. Das Argument, dass ich, wenn ich keine Zigaretten mehr habe, es auch keinen Grund mehr gibt, mich in den Zwischenabteilen aufzuhalten und ich wie ein ganz normaler Fahrgast einen Platz zum Sitzen suchen könnte, klingt jetzt gar nicht mehr so verlockend wie noch vor zehn Minuten, denkt Tassilo, als ihm die Endgültigkeit seiner Entscheidung bewusst wird. Ob wir uns in die Arme fallen, als hätten wir gestern noch Tekken 2 auf der PSX gespielt?

Er macht die Kippe unter seinem Schuh aus. Nachdem er sie so kurz geraucht hat, dass er sich mit dem letzten Zug Finger und Mund verbrannt hat, signalisiert sein Smartphone Kontakt mit der Außenwelt.

beauty queen:

Na :) bist du schon gelandet? sag Kat von mir, sie soll dich heute besonders hart ran nehmen, nachdem du dich all die Jahre für sie aufgespart hast.

Tasmanischer Teufel:

ja! das bin ich und ja das mache ich und ich werde genau diese Wortwahl benutzen.

An einem anderen Ort

Heute sagst du es ihr, denkt Nina. Heute ist der Tag, der alles ändert.

Natascha: „Von wegen, sie wacht auf und ist schwanger.“

Nina und Natascha sitzen auf dem Boden zwischen Sofa und Tisch in Nataschas gemütlicher Wohnung.

Anscheinend machen sie das schon eine Weile, wenn man die leeren Flaschen und vollen Aschenbecher, die auf dem Tisch stehen, als Indiz nimmt. Sie haben die Vorhänge zugezogen, dass der Raum nur von einigen Lichterketten spärlich beleuchtet wird. Natascha hält eine Zigarette in der Hand. Beide lachen.

Nina: „Ist halt ein Kinderfilm.“

„Aber was soll das für eine Botschaft an unsere Jugend sein… Ich sag es dir. Sex ist etwas Schmutziges.“ Sie nehmen ihre Bierflaschen und stoßen an.

Beide: „Hopp, hopp - rin in der Kopp!“

Nina: „Sie können unserer Jungend aber auch nicht erzählen, dass Watto Shmi mit KO-Tropfen betäubt und vergewaltigt hat.“

„Shmi wusste genau, warum sie schwanger war. Sie hat es nur nicht erzählt, weil ihr Sohn ein Gewaltproblem hat.“

Beide trinken einen großen Schluck.

„Sie wusste noch nichts von seinem Gewaltproblem, als er noch klein und süß war. Es deutet alles auf Watto.“

„Wenn er Interesse gehabt hätte Shmi zu vögeln, hätte er es einfach machen können. Sie war doch seine Sklavin. Watto legt wahrscheinlich Eier und hat gar nicht das Werkzeug, um eine Frau zu schwängern.“

„Jetzt wirst du albern. Mit dem Rüssel im Gesicht soll der keinen Schwanz haben.“

„Und wieso hat Anakin keine Flügel?“

Nina überlegt: „Wissen wir das so genau?“

Sie lachen und stoßen an.

„Ja das wissen wir.“

Beide trinken einen Schluck. Eine kleine Weile sagt niemand etwas.

Nina kratzt unterm Tisch an ihren Fingernägeln.

Sie lächeln sich an. Sie schaut in Nataschas Rehaugen. Jetzt. Sag es ihr. Ihre Fingernägel sind blutig.

Doch lieber kein Augenkontakt. Sie schaut auf ihre Flasche.

„Nat? Ich muss dir etwas gestehen, was ich dir schon immer sagen wollte.“

Ich hab es ausgesprochen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.

„Bloody Hell. Das klingt ernst.“

Nina spürt, dass eine Träne runter laufen möchte.

Sie wird sie sehen. Sie springt auf und wischt die Träne unauffällig ab.

„Ja das ist es.“ Jetzt kann sie meine blutigen Finger sehen. Warum bist du nicht sitzen geblieben, geht es Nina durch den Kopf und der Mut ist weg. Natascha ist so selbstbewusst und stark und ich… Angst überkommt sie. Ich kann es nicht sagen. Ich will es sagen, aber ich kann es nicht.

Sie kneift. „Aber erst muss ich pinkeln.“

„Keine Details.“

Das Logo der Firma Windsaw ist ein Sägeblatt, das halb aus rostigem Metall und zur anderen Hälfte aus einer Wolke besteht. Das gleiche mit dem Schriftzug.

'Wind' ist in einer royalen Schriftart und einem Krönchen als i-Punkt und 'Saw' in dem Metall aus dem Logo. Kim sitzt in einem sehr stilvoll eingerichteten Büro, das Katlyns und ihren Schreibtisch beherbergt.

Große Aktenschränke und Bücherregale nehmen einen Großteil der Wandfläche in Anspruch. Die Möbel bestehen allesamt aus dunklem Holz. An der Wand, hinter Katlyns Arbeitsplatz, hängt in beeindruckender Größe das Firmenlogo. Das gigantische Sägeblatt macht jedem, der das Büro betritt klar, dass man sich nicht mit ihr anlegen sollte.

Sofort nachdem Katlyn ihren Rechner gestartet hat, beginnt auch ihr Telefon zu klingeln. Kim ist beeindruckt vom Büro und von Katlyn.

Kim könnte ihr stundenlang dabei zuschauen, wie souverän und mit einem Lächeln auf den Lippen Katlyn einen sehr stressigen Job meistert.

Wenn sie im Raum ist, kommt Kim kaum dazu ihren Job zu erledigen, der anscheinend darin besteht Fragen zu beantworten.

Nachdem ihr Wayd das Programm erklärt hat, beantwortet sie nun Fragen in der Art:

Was ist deine Lieblingsfarbe oder -getränk?

Fragen zum Ankreuzen:

Was würden Sie bevorzugen? Küche oder Keller; Küste oder Großstadt, Tamriel oder Azeroth?

Katlyn ist in einem Meeting. Kim wird langweilig, nachdem sie gefühlt 500 Landschaftsbilder gedisst oder geliked hat. Sie schaut auf ihre fast leere Wasserflasche.

„Der letzte Schluck ist für schlechte Zeiten“, sagt sie und steht auf.

Sofort meldet sich Wayd.

„Alles in Ordnung?“ hört sie Wayds angenehme Stimme im Headset. Überrascht über Wayds Reaktion antwortet sie:

„Ja, alles klar.“

Bislang machte die Atmosphäre bei Windsaw eher einen äußerst lockeren Eindruck.

Sie geht zur Tür.

„Wo möchtest du hin?“ fragt Wayd jetzt deutlich ernster.

„Ich gehe mir etwas zu trinken holen.“

„Wir haben alles, was du brauchst, hier im Büro.“

Sie hatte nicht den Eindruck, dass sie das Zimmer nicht verlassen darf. Nachdem sie mit Katlyn bei Windsaw angekommen war, ging alles ganz schnell.

Ein Pförtner, Firmengelände, ins Parkhaus, ein paar Schritte, ein Aufzug, noch ein paar Schritte und sie waren hier.

Außer einer Frau am Empfang hatte Kim keine anderen Mitarbeiter gesehen.

Heute Morgen war ihr das ganz recht. Jetzt kommt es ihr doch komisch vor.

„Ach ja, stimmt.“ Sie setzt sich wieder auf ihren Stuhl. Sie nimmt das Smartphone aus der Tasche, das Headset vom Ohr, die Sonnenbrille ab und legt alles vor ihre Tastatur. Sie steht ganz langsam auf und geht leise zur Tür, als diese aufspringt und Katlyn im Rahmen steht.

„Hallo meine Süße. Alles okay bei dir?“

„Ja… ja alles klar“, antwortet Kim erschrocken, aber trotzdem irgendwie froh Katlyn zu sehen. Als sie die Wasserflasche in ihrer Hand bemerkt, fällt ihr auf wie lebensbedrohlich durstig sie ist.

„Durstig?“ Katlyn hält ihr die Flasche hin. Kim muss sich zusammennehmen, ihr die Köstlichkeit nicht aus der Hand zu reißen. Sie setzt sich wieder an ihren Schreibtisch. Sie öffnet sie und leert die Flasche halb mit einem Zug.

„Ich wollte gleich abhauen, wenn du so weit bist.“

„Mir wurde sowieso gerade langweilig.“

Kim nimmt Wayd und das Headset und steckt es ein.

Die Sonnenbrille setzt sie auf und nimmt die Wasserflasche in die Hand.

„Ich bin so weit.“

Tassilo hat sich einen Sitzplatz gesucht. Das heißt:

sein Seesack sitzt. Er tigert in dem Waggon auf und ab. Gleich wird er Katlyn wiedersehen. Tassilo ist viel zu nervös, um zu sitzen. Der Nikotin Entzug ist auch nicht gerade hilfreich.

„Du bist unterwegs zu deiner Freundin. Richtig?“

hört er jemanden sagen. Er bleibt vor einer älteren Frau stehen.

„Ja. Wir haben uns ewig nicht gesehen und…“

„Du gehst mir auf den Keks“, unterbricht ihn die Frau.

„Wieso hast du dir eine Zugfahrkarte gekauft, wenn du lieber zu Fuß gehst?“ beleidigt schnappt Tassilo seinen Seesack und geht zurück ins Zwischenabteil.

„Alte Hexe“, sagt Tassilo in einer Lautstärke, die sie unmöglich hören kann.

„Wie lange habt ihr euch nicht gesehen?“ hört Tassilo jetzt eine andere Stimme. Er dreht sich um. In der Tür lehnt ein ganz und gar unauffälliger junger Mann.

Er trägt dunkle Kleidung ohne jedes Label oder Aufdruck. Fünf Euro Pimpffrisur. Was will der Vogel von mir?

„Wer will das wissen?“

„Der Hexe wolltest du es erzählen. Aber du hast recht.“ Er hält ihm lächelnd die Hand hin. „Mein Name ist Peter.“

Mürrisch schlägt er ein. „Zehn Jahre.“

Peter saugt geräuschvoll die Luft ein.

„Das ist eine lange Zeit.“ Tassilo nickt.

„Mach dir nix vor. Du bist jetzt jemand anderes und sie ist nicht mehr die Person, die du kanntest. Die Welt ist jetzt eine andere.“

„Ja, ja schon klar. Fick dich Alter.“ Peter lacht.

Tassilo setzt sich auf seinen Seesack. Peter zieht einen Joint aus der Tasche und zündet ihn an. Er raucht ein paar kräftige Züge und hält Tassilo die Tüte hin. Mit all seiner Willenskraft schafft er es knapp fünf Sekunden zu widerstehen.

Du willst auf keinen Fall bekifft vor Katlyn stehen.

Deswegen hast du nur Zigaretten gedreht, denkt Tassilo als er seine Hand nach der Tüte greifen sieht.

„Aus der Größe deines Seesacks schließe ich, dass wir nicht von Urlaub sprechen. Warst du im Knast?“

„Sowas ähnliches.“ Er versucht beim Sprechen den Qualm nicht auszuatmen.

„Gutes Zeug.“ Er gibt die Tüte zurück.

„Was muss man tun um zehn Jahre in so etwas ähnlichem wie Knast zu landen?“

„Ich hab’ jemanden erschossen.“

Er wundert sich über seine Redseligkeit.

„Heftig. Würdest du es wieder tun?“

Peter gibt wieder ab.

„Nerv nur weiter, dann finden wir es gemeinsam raus.“ Peter lacht.

„Wie war’s? Jemanden das Leben zu nehmen?“

Tassilo zieht an dem Joint und schüttelt den Kopf.

„Kann ich nicht weiterempfehlen.“

„Was wenn du wüsstest, dass du sterben musst?“

„Was?“ Tassilo hebt fragend die Hände.

„Was macht das für einen Unterschied?“

„Das verändert alles.“

„Wenn ich wüsste, dass meine Tage gezählt sind, würde ich es nochmal richtig krachen lassen und nicht rumlaufen, um Leute umzubringen.“

Peter wendet sich ab und flüstert: „Und wenn das ein und dasselbe ist?“

Ein und dasselbe? Was will der Vogel von mir? Der soll aufhören zu quaken, das verdirbt mir noch die Laune.

Plötzlich ist Peter weg. Bin ich eingeschlafen? Ich hab' aus dem Fenster geschaut, um ihm nicht zuhören zu müssen. Ist er ausgestiegen? Hat der Zug angehalten? Krasses Gras.

Jetzt ist Tassilo viel zu stoned, um den Stress einer Zugfahrt zu bewältigen. Der Missionsstatus wird als gefährdet eingestuft. Er hält die Stangen der Tür fest, um auf gar keinen Fall ein Öffnen zu verpassen. Nach zweimaligen 'Falschen Alarm' bei dem er jedes Mal aus dem Zug gesprungen ist, um ganz sicher zu sein, dass es nicht der richtige Bahnhof ist. Jetzt ist er sich sicher.

Der Zug fährt an Katlyn vorbei. Tassilo erkennt sie sofort, was nicht schwierig ist, da nur Katlyn am Bahnsteig steht. Aber er hätte sie auch unter Tausenden erkannt. Als er sie zuletzt gesehen hat, trug sie ihre pechschwarzen Haare fast immer als Zopf. Ihre schulterlangen Haare offen lässt sie noch selbstbewusster wirken. Aber genau das süße Lächeln in das er sich verliebt hat. Tassilo hätte am liebsten durch den Zug gebrüllt, dass die Frau da draußen auf ihn wartet.

Er findet das Gefühl geradezu berauschend bald wieder in ihrer Nähe zu sein.

Aber was war das, hatte ich gerade eine Vision? Neben Katlyn stand ein Engel. Scheiße, ich hätte Peters Kraut nicht rauchen sollen.

Nina kommt von der Toilette. Natascha ist mit einer Zigarette im Mund eingeschlafen. Sie setzt sich, nimmt die Zigarette, raucht noch einen Zug und macht sie aus.

Sie legt Nataschas Arm um ihre Schultern.

„Ich liebe dich.“ Sie küsst sie, lächelt glücklich und legt ihren Kopf an Nataschas, als diese aufwacht.

„Scheiße!“

Sie schubst Nina weg und springt auf.

„Das wolltest du mir sagen?“ Nina läuft eine Träne über die Wange, sagt kein Wort.

„Tut mir leid. Du hast mich erschrocken. Ich war richtig eingepennt. Wie lange warst du im Bad?“ Doch Nina läuft aus dem Zimmer. Sie geht ihr einen Schritt nach, bleibt stehen.

„Warte!“

Sie hört die Wohnungstür zuknallen.

„Bloody Hell.“

Kim und Katlyn stehen zur rechten Zeit am Bahnsteig, als der Zug in den Bahnhof fährt. Es ist Abend und kaum eine Menschenseele ist zu sehen. Kim achtet auf die Türen, um Ausstiegswillige auszumachen.

Da. Hinter der Tür, die gerade an den Beiden vorbeigerauscht ist, steht ein schlanker Mann. Als sie sieht, wie Katlyn zu strahlen beginnt, weiß Kim, das war Tassilo. Sie nicken sich zu und folgen dem Zug, der langsam zum Stehen kommt. Die Tür geht auf, der großer Mann mit dunkelblondem Wuschelkopf und einem riesigen Seesack, steigt aus dem Zug.

„Hey Tas.“

„Hey Kat.“

Kim hat genug gesehen. Sie fühlt sich vor den Kopf gestoßen. Sie zieht ihre Sonnenbrille an und geht ein paar Schritte. Der Seesack sieht nach Umzug, nicht nach Urlaub aus.

Sie bekommt noch mit, dass Tassilo sagt:

„Du siehst toll aus.“

Sie beschließt am Auto zu warten.

Tassilo macht einen sehr netten Eindruck. Sie sind wirklich ein schönes Paar. Wieso nervt das so sehr?

Kim möchte sich für die Beiden freuen. Klappt aber nicht. Sie fühlt sich allein gelassen und zurückgesetzt.

Wütend geht sie in das Bahnhofsgebäude und blickt sich nach einem Ausgang um. Auf dem direkten Weg kommen ihr drei junge Männer, ohne Haupthaar und eindeutig dem nationalsozialistischen Spektrum zugehörig, entgegen.

Kim geht einen Schritt schneller. Ihr wird heiß. Einer der drei schneidet ihr den Weg zum Ausgang ab.

„Wo hin so eilig?“

Ihr Blut rauscht in ihren Ohren. Erst hält sie es für Angst, aber es fühlt sich so gut an.

Die drei stehen jetzt zwischen ihr und dem Ausgang. Kim lächelt.

Tassilo schultert seinen Seesack und verlässt über wenige Stufen den Zug. Er hat es geschafft! Missionsstatus: erfolgreich abgeschlossen. Neben einem total angepissten Engel steht seine Katlyn.

„Hey Tas.“ Sie sieht fantastisch aus. Sie trägt eine enge Jeans, ein breites schwarzes Armband und ein Shirt der Band Siouxsie and the Banshees. Die Band, welche die Beiden früher so oft zusammengehört haben. Tassilo ist ganz gerührt von dieser Geste.

„Hey Kat.“ Der Engel ist eigentlich ein wenig kleiner als Katlyn, überragt sie dennoch wegen ihrer gewaltigen blonden Mähne. Tassilo ist sich immer noch nicht ganz sicher, ob sie nicht doch ein Engel ist.

Sicher ist er allerdings, dass Katlyn sie auch sehen kann. Die zierliche Gestalt, Haut wie ein Schluck Milch, ein Gesicht wie aus Porzellan. Eine Hand umklammert eine Wasserflasche wie ein Facehugger ein Gesicht.

Jetzt zieht sie sich eine viel zu große Sonnenbrille an, wendet sich ab und geht in Richtung Bahnhof.

„Du siehst toll aus.“

„Du siehst anders aus.“ Beide lachen und umarmen sich lange und fest.

„Wissen deine Eltern, dass du zurück bist?“

„Von mir jedenfalls nicht.“ Sie boxt ihn in die Rippen.

Er lacht: „Meine Mutter hat nächsten Samstag Geburtstag und wir sind die Überraschungsgäste.“

„Uuuuh! Das gefällt mir.“ Ein Schrei wie von einem Tier schallt durch die Dämmerung.

„Was war das? Es sind nur Sekunden vergangen und ich glaube mir selbst nicht mehr, was ich da gerade gehört habe.“

Katlyn schaut sich um.

„Lass uns hier verschwinden.“

Was? Wir gehen in Schrei – Richtung. Ob sie den Engel sucht?

An einem anderen Ort

Björn ist zu Hause. Er lebt in einem kleinen freistehenden Haus am Stadtrand. Er hat das Haus vor wenigen Jahren von seiner Großmutter geerbt, genau wie seine Sommersprossen und die feuerroten Haare. Da er gerne laut Musik hört und nicht immer den Nerv der Allgemeinheit trifft, nimmt er die Arbeit, die es mit sich bringt, ein eigenes Haus zu haben, gerne in Kauf.

Hätte ihm jemand gesagt, dass er bald den Rasen mäht, die Auffahrt kehrt und die Regenrinnen sauber macht und Spaß daran hat, hätte er ihn für verrückt gehalten. Er hat das Haus geerbt mit allem, was drin ist. Da er eher der pragmatische Typ ist, wohnt er immer noch mit Omas Möbeln.

Wo früher kleine Porzellanfigürchen standen, lagern jetzt Unmengen an CDs und BDs.

Omas Eichenwohnzimmerschrank dient jetzt als sein Vinyl Archiv, nachdem er kurzerhand die Türen abmontiert hat.

Der Raum wird nur spärlich von einer Stehlampe erhellt, die durch ein schwarzes Laken erheblich an Leuchtkraft einbüßt. Er sitzt auf dem Sofa und liest ein Musikmagazin. Das Muster des Sofas ist mit einer schwarzen Decke verhüllt. Die Wände zieren Poster und Schallplatten von Kataklysm, Rotting Christ und Hypocrisy.

Auf seiner Anlage spielt gerade in Konzertlautstärke der Song 'Black Crow on a Tombstone' der Band Satyricon.

Plötzlich erhellt ein Blitz den Raum.

Seine Freunde haben zusammengelegt und ihm, ganz eigennützig, eine Türklingel gekauft, die aufblitzt, wenn jemand klingelt.

Er springt auf, macht die Musik leiser und geht zur Tür. Ihm kommt eine nasse Brise entgegen, als er öffnet. Es wird langsam dunkel und es regnet in Strömen.

„Nina?“ Sie drückt die Tür auf und stürmt in die Wohnung, ohne ein Wort zu sagen. Sie ist pitschnass und ihr feuerrot gefärbtes Haar steht in alle Richtungen. Nina ist ein Punk. Sie rasiert sich über dem linken Ohr den Kopf kahl. Ihre Eltern, eine Japanerin und ein Schwede, die sich auf einer Anti-Atomkraft-Demo kennengelernt haben, sind an Ninas sechsten Geburtstag in das Haus neben Björns Elternhaus gezogen.

Seit dem Tag behaupten beide, dass er sich um den jeweils anderen kümmert. Sie ist in Tränen aufgelöst.

Der schwarze Eyeliner läuft ihr über das Gesicht. Sie lässt sich der Länge nach auf das Sofa fallen und bleibt liegen.

Die schwarze Jeans und ihre Lederjacke kleben ihr am Körper. Er kommt mit einem Handtuch nach.

„Na Björn, wie geht es dir? Darf ich reinkommen und dein Sofa mit meinen nassen Klamotten ruinieren?“ sagt er und setzt sich vor das Sofa auf den Boden.

Sie hat die Hände vor dem Gesicht, weint bitterlich.

Er kapiert was geschehen sein muss um solch eine emotionale Reaktion auszulösen.

„Du hast es ihr endlich gesagt.“

Sie schluchzt und nickt.

„So schlimm kann es doch gar nicht gewesen sein.“

Er legt seine Hand auf ihre Schulter und gibt ihr das Handtuch. Sie beruhigt sich, zieht die Jacke aus und nimmt das Handtuch.

„Jetzt erzähl mal.“

„Es war eine Katastrophe. Ich habe sie geküsst und sie hat mich weggeschubst.“ Sie sitzt, die Hände an ihrer Stirn. Ellbogen auf den Knien.

„Wie geküsst? Erzähl von Anfang an.“

„Sie ist eingeschlafen und ich habe sie geküsst.“

„Tickst du noch sauber? Wenn ein Kerl das bei dir gemacht hätte, hättest du ihn umgebracht. Nein, erst gefoltert und dann umgebracht. Man kann doch nicht einfach durch die Gegend laufen und jeden küssen, wenn einem gerade danach ist.“

Sie hebt ihren Kopf und funkelt ihn mit ihren tiefschwarzen Augen finster an.

„Jeden? Du weißt, was sie mir bedeutet.“

„Vielleicht hättest du ihr es sagen sollen, bevor du über sie herfällst.“

„Ich bin nicht über sie hergefallen!“

„Ja schon gut. Jetzt komm wieder runter. Willst du etwas trinken?“ Sie nickt. Er kommt mit zwei Bierflaschen zurück.

„Hast du nichts Stärkeres?“

„Nur Bier.“ Es schmerzt Björn, Nina so am Boden zu sehen, doch sein Herz tanzt. Er öffnet die Flaschen und gibt ihr eine.

„Hopp, hopp, rin in der Kopp!“ Sie trinken und Nina stellt die Flasche auf den Tisch.

„Zeig mir deine Finger.“ Schnell setzt sich Nina auf ihre Hände. Er schüttelt den Kopf.

„Was hast du dir nur dabei gedacht?“

„Du weißt, dass ich mit ihr sprechen wollte.“

„Ja ich weiß. Seit Wochen höre ich mir das an.“

„Tut mir leid, wenn dich mein Leben langweilt.“

„Gib mir eine Chance. Du weißt, was ich meine. Du sagst immer 'fast hätte ich es ihr gesagt'.“

„Ja, aber heute wollte ich es wirklich. Doch dann war sie eingeschlafen und ich hatte mich so erleichtert und glücklich gefühlt, als hätte ich es ihr schon gesagt.“ Sie stützt ihren Kopf wieder auf ihre Hände.

Jetzt sieht Björn, dass Nina alle Fingernägel blutig gekratzt hat, kommentiert das aber nicht. Er steht auf und geht im Raum auf und ab, wild mit den Armen beschäftigt, seinen Worten mehr Ausdruck zu verleihen.

„Wie oft bist du schon hier bei mir eingeschlafen?

Und wir haben uns noch nie geküsst. An Lust scheitert es bei mir nicht. So ist das nun mal in einer Zivilisation. Man rennt nicht rum und macht einfach alles wonach einem der Sinn steht.“

Nina hebt den Kopf - sie schaut nachdenklich.

„Warum ist das so?“

„Warum, warum heißen Maulwürfe, Maulwürfe und nicht Erdbären? Das ist so. Ich verarsch dich nicht.

Nur weil du jetzt meinst du wärst Pippi Langstrumpf und könntest dich über alle Regeln hinwegsetzen.“

„Es gefällt mir aber Pippi zu sein. Ich werde jetzt nur noch das machen wonach mir der Sinn steht.“

„Tu das. Nach so einem erfolgreichen Start.“

Nina wirft Björn einen wütenden Blick zu, dem er nicht standhält.

„Ich mein ja nur. Wenn das jeder heute Nacht sagt?

Steht die Welt morgen in Flammen!“

Sie steht auf und geht in Richtung Haustür.

„Ich glaube heute ist mir nicht nach Feuer. Aber vielleicht morgen.“

Kim ist bereit. Sie fühlt sich großartig. Der bevorstehende Kampf lässt ihr Blut rasen. Sie positioniert sich und wartet wer den Anfang macht. Sie hat sie 1, 2 und 3 getauft. Was sie sagen kommt nicht mehr bei ihr an. Sie hört nur das Blut in ihren Ohren pochen und fühlt eine wohlige Wut. Natürlich 1, der Baseballschläger, greift an. Noch bevor er richtig ausgeholt hat, schlägt Kim ihm ihre Wasserflasche so fest sie kann mitten ins Gesicht. Sie splittert, seine Nase und das Jochbein brechen. Sie schnappt die Hand mit dem Schläger und entwaffnet 1 bevor er blutüberströmt auf dem Boden aufschlägt. 3 holt etwas aus seinem Stiefel. Ein Schlag von 2 hat sie fast erreicht. Sie duckt sich und schlägt ihm den Baseballschläger gegen das Schienbein, das sofort bricht. In einer fließenden Bewegung richtet sie sich wieder auf, holt dabei Schwung und schlägt 3 den Schläger gegen die Schläfe, der sofort zu Boden geht. Er lässt ein Switchblade fallen, mit dem er gerade zustechen wollte. Keiner von dreien ist mehr eine Bedrohung.

Doch Kim ist noch nicht fertig. Sie schlägt auf 3 ein, bis er in einer Blutlache liegt. Sie hört, dass 2 versucht weg zu krabbeln. Als 2 sieht, dass Kim auf ihn zukommt, dreht er sich auf den Rücken und hält die Hände vor sein Gesicht. In letzter Sekunde, denn sie schlägt schon auf ihn ein, bis beide Unterarme gebrochen sind und der Schläger den Kopf erreicht und auch 2 in einer Blutlache liegen bleibt. Kim tobt immer noch vor Wut, als sie ihr Werk betrachtet. Sie lässt sich vor 1 auf die Knie fallen und hebt den Flaschenhals ihrer Wasserflasche auf. Sie betrachtet die dolchartige Form und rammt ihn 1 in den Oberschenkel.

Das Blut spritzt ihr ins Gesicht. Sie schmeckt das Blut, reißt den Kopf hoch und stößt einen animalischen Schrei aus.

Kim beruhigt sich. Es ist vorbei.

Sie steht auf und stellt fest, dass sie in Splittern gekniet hat. Das Blut läuft an ihren Beinen runter. Sie schaut sich nach dem Baseballschläger um, den sie achtlos fallengelassen hat und findet das Switchblade.

Es sieht irgendwie edel aus mit Holzgriff und einem Totenkopf als Abschluss. Sie steckt es ein. Sie nimmt den Baseballschläger und sieht zwei Gestalten durch das Milchglas näherkommen. Sie zieht ihre Sonnenbrille auf und läuft aus dem Gebäude bis zum Wagen.

Sie erschreckt sich, als sie ihr Spiegelbild im Black Bullet sieht. Gesicht, Haare, Klamotten, alles blutverschmiert. Katlyns Kraftfahrzeug, die Black Bullet scheint ein Windsaw Update genossen zu haben, denn Kims Sonnenbrille meldet: Bestätigen zum Öffnen. Sie nimmt ihr Headset, drückt den Knopf und der Wagen springt auf.

Nina geht den von Straßenlaternen beleuchteten Bürgersteig entlang. Es hat aufgehört zu regnen, kein Verkehr. So sehe ich die Stadt am liebsten. Sie atmet tief ein. Die Luft ist frisch und angenehm warm. Sie hat sich beruhigt und kann wieder klar denken. Von Natascha abgewiesen zu werden, obwohl sie sich schon hinter der Ziellinie sah, hat ihre ganze Welt zusammenbrechen lassen. Ein Gefühl, als würde sie von einer Klippe stürzen. Jetzt fühlt sie sich frei und glücklich.

„Sie weiß es jetzt und das ist gut. Es hätte besser laufen können, aber es ist raus“, spricht Nina in die Nacht.

„Björn hat recht. Wenn ich eingeschlafen wäre und mich hätte jemand geküsst, hätte ich ihn auch weggeschubst. Nicht umgebracht oder gefoltert, aber definitiv weggeschubst. Ich hab' total überreagiert. Natascha auch, aber das war okay. Sie hatte gar keine Zeit zu reagieren. Ich sollte mich bei ihr entschuldigen und bei Björn auch.“

Nina springt über eine Pfütze. „Sie weiß es!“

Nina hört merkwürdige Geräusche, sie schaut über einen fast leeren Parkplatz zum Bahnhof. Nichts Auffälliges zu sehen. Ein Schrei wie von einem Tier schallt durch die Dämmerung. Nina ist so erschrocken, dass ihre Beine nachgeben und sie auf die Knie fällt. Panisch blickt sie zum Bahnhof. Plötzlich wird die Tür des Gebäudes aufgerissen. Nina lässt sich nach vorne auf die Ellbogen fallen, um nicht gesehen zu werden. Sie sieht, wie ein Mädchen mit blonden Haaren in einem zitronengelben Kleid und einer viel zu großen Sonnenbrille das Gebäude verlässt. Nina hält sich die Hand vor den Mund, um nicht zu schreien.

Das Mädchen ist von Kopf bis Fuß blutüberströmt und hält einen genauso versauten Baseballschläger in der Hand. Nina kneift die Augen zu und flüstert:

„Ich wusste es. Ich wusste es.“

Sie hört eine Autotür zuschlagen.

Sie hält die Luft an. Lauf! Steh auf und lauf!

Katlyn und Tassilo gehen Hand in Hand vom Bahnsteig in Richtung Bahnhofsgebäude. Tassilo steckt der Schrei noch in den Knochen. Gleichzeitig ist er irritiert, dass sich Katlyn keine Sorgen macht. Als sich die automatischen Türen des Bahnhofs öffnen, sieht Tassilo drei sehr schwer verletzte Männer. Katlyn und Tassilo schauen sich kurz an und laufen die wenigen Schritte bis zu den Verletzten. Sie nimmt ihr Mobiltelefon. Sie stehen Hand in Hand vor drei fast zu Tode geprügelten, als würden sie eine Schaufensterauslage betrachten. Dann spricht Katlyn ins Telefon:

„Drei hilflose Personen am Bahnhof.“

Tassilo starrt Katlyn überrascht an.

„Eine hilflose Person ist ein Betrunkener. Kein Hannibal Lecter Tatort. Müssen wir nicht den Puls fühlen oder sowas?“

Katlyn hält ihr Telefon kurz weg.

„Bitte, mach doch.“

„Stabile Seitenlage kommt wohl auch nicht in Frage.“

„Ja. Mögliche Fremdeinwirkung.“

„Möglich? Vielleicht hat er sich den Flaschenhals aber auch selber ins Bein gerammt. Oder er ist gestolpert und unglücklich gelandet.“ Der Flaschenhals!

„Cate mit C. Cate Archer. A-R-C-H-E-R.“

Sie legt auf und sie laufen aus dem Gebäude und betreten den Parkplatz.

„Hast du den Flaschenhals...“

Dann sieht Tassilo Black Bullet und 'Flaschenhals' ist vorerst vergessen. Aufgeregt wie ein Zehnjähriger läuft er auf den Wagen zu.

„Ist er das? Ist er das wirklich? Du hast ihn noch?“

Es wird langsam dunkel und der Wagen steht im gerade angesprungenen Schein der Straßenlaternen.

„Ja, das ist sie“, hört er Katlyn hinter sich antworten. Er dreht sich gerade noch rechtzeitig um, dass er die Schlüssel fangen kann, die sie ihm zuwirft. Er öffnet das Kraftfahrzeug und setzt sich auf den Fahrersitz. Es ist ein überwältigendes Gefühl. Tassilo hat den Wagen von seinen Eltern zur Führerscheinprüfung bekommen. Er hat ihn Katlyn geschenkt, als er weg musste. In Tassilos Kopf gehen alle Alarmsirenen an.

Der Joint ist erst zwei Stunden her, denkt Tassilo.

Katlyn nimmt auf der Beifahrerseite Platz. Er will gerade etwas sagen, als er im Rückspiegel den völlig blutüberströmten Engel sieht. Was ihm einen schrillen Schrei entlockt.

„Heilige Scheiße!“ ruft er, als sein Herz den Betrieb wieder aufnimmt.

„Tassilo – Kim. Kim – Tassilo“, sagt Katlyn nüchtern. „Meine Tochter.“

Was! denken Tassilo und Kim gleichzeitig.

„Freut mich“, sagt Tassilo ohne einen zweiten Blick zu riskieren.

„Du fährst.“ Er drückt Katlyn die Schlüssel in die Hand. Beide steigen aus.

Beim Seitenwechsel bleiben sie vor dem Wagen stehen.

„Sie hat das getan. Das im Bahnhof meine ich.“

„Ja, ich glaube schon.“

„Du glaubst? Hast du den Flaschenhals nicht gesehen?“

„Ich hatte mir das auch anders vorgestellt, aber jetzt müssen wir weg.“ Er will noch etwas sagen, doch sie hören mehrere Sirenen. Sie nicken sich zu, Katlyn nimmt eine Wasserflasche aus dem Kofferraum, dann steigen beide in das Auto ein. Sie wirft die Wasser-flasche in Richtung Rückbank, wo sie von Kim aufgefangen wird. Sie startet den Wagen. Tassilo bekommt Gänsehaut, als er den Sound des Motors hört. Er hat nicht wie eine Bestie geklungen. Sie muss viel Zeit und Geld in das Fahrzeug gesteckt haben.

Sie fahren unauffällig vom Parkplatz. Katlyn bekommt mit, dass Tassilo Kim beim Trinken beobachtet.

„Ist die Flasche leer?“

„Nein, ein Schluck ist noch drin.“

„Den Rest trinkt sie nicht. Ich könnte Ozeane füllen mit dem Wasser, das Kim in den Flaschen lässt. Ich fahre ran und du holst ihr bitte noch eine Flasche.“

„Wir haben noch mehr? Ja, bitte!“

Die Frage, warum sie nicht selber geht, beantwortet sich Tassilo selbst als er in ihr blutverschmiertes Gesicht schaut.

Gesagt, getan und die Fahrt geht weiter. Tassilo weiß nicht, wo ihm der Kopf steht. Bin ich der Vater von diesem Blutengel auf der Rückbank? Dann wäre sie zehn. Tassilo schaut zu Kim. Sie schaut durch ihre Sonnenbrille aus dem Fenster, als wäre nichts gewesen. Nein, sie ist definitiv volljährig. Katlyn hat doch einen Freund und sie ist von ihm. Vielleicht ist er verstorben und Katlyn muss sich um sie kümmern. Ja, tot soll er sein. Wenn es ihn gibt.

Katlyn reißt ihn aus seinen Gedanken.

„Bist du verletzt?“ fragt sie in den Rückspiegel.

Nina steht mit dem Rücken zur Wand.

Überall schallen Sirenen durch die Nacht. Immer wieder wird die Umgebung für einen Augenblick von blauen Rundumleuchten erhellt. Der Geruch von Blut liegt in der Luft. Nina ist solange sie konnte durch die dunklen Straßen gelaufen. Ihre Lungen schmerzen.

Sie hat panische Angst. Hektisch schaut sie ständig die Straße rauf und runter.

„Was soll ich tun?“ flüstert sie. Ich muss zurück zu Björn. Ich muss ihn warnen und in meinem Wohnsilo sind bestimmt schon alle infiziert.

„Du musst weiter.“ Langsam und leise bewegt sie sich, dicht an der Häuserwand entlang, ohne in den Lichtkegel der Laternen zu treten. Sie hört ein Auto.

Gleichmäßig und mit konstanter Lautstärke. Der Wagen parkt, mit laufendem Motor. Sehr verdächtig.

Wahrscheinlich braucht der Fahrer das Fahrzeug nicht mehr. Sie schaut um die nächste Ecke. Ein gelbes Auto steht vor einem Geldautomaten. Was zwischen Auto und Geldautomat passiert kann sie nicht erkennen. Vorsichtig schleicht sie bis zum Kofferraum. Vor dem Fahrzeug passiert etwas.

Klingt, als würde da gerade jemand aufgefressen.

Sie riskiert einen Blick über das Fahrzeug. Ihr Herz schlägt wie wild. In dem Moment rast ein Rettungswagen durch eine Querstraße und erhellt das Szenario für einen Augenblick.

Ein Zombie und er hat mich gesehen. Kein Grund mehr leise zu sein. Er hat mich gesehen. Mit einem Satz ist sie an der Fahrertür. Sie reißt sie auf, springt in das Auto und rast los.

Kim geht es gut. Sie sitzt auf der Rückbank und hört Musik. Sie hat Wayd nach Musik gefragt. Er hat ihr gezeigt, wie man aus dem Headset Kopfhörer macht. Wayd wollte wissen, was sie hören möchte, und Kim sagt den einzigen Bandnamen, den sie kennt.

Siouxsie and the Banshees. Wayd hat ihr die Album Cover gezeigt und sie hat sich für das rote entschieden, weil es das Motiv von Katlyns Shirt ist. Kim fühlt sich frei und ausgeglichen. Sie hat zwar nicht ganz verstanden, was das Ganze Ein- und Aussteigen soll, aber jetzt fahren sie.

Ich habe drei Männer verprügelt, weil ich Sex mit meiner Mutter haben wollte. Ich glaube, ich hab' ein Aggressionsproblem. Wo kommt diese unbändige Wut her und warum fühlt es sich so gut an? Morgen geht es mir bestimmt besser und ich weiß wieder, wer sie ist und wer ich bin? Das ist so coole Musik.

Sie schaut Katlyn durch den Rückspiegel an. Ihre Blicke treffen sich.

„So wie du ausschaust sollten wir nicht nach Hause fahren. Außerdem bluten deine Knie, du musst verarztet werden.“ Kim weiß, dass ihre Knie schlimm aussehen, hat es aber vermieden hinzuschauen, um den Schmerz besser ignorieren zu können. Was jetzt natürlich schwer fällt. Sie stimmt zu und lächelt Katlyn durch den Rückspiegel an. Als sie es bemerkt, lächelt sie zurück, dann schüttelt sie den Kopf.

„Was war da los?“

„Die haben angefangen.“

Katlyn lacht bitter. „War es unbedingt nötig sie so zuzurichten?“

„Nein, mich hat die Wut gepackt. Ich hab' die Kontrolle verloren. Tut mir leid.“

„So sah das auch aus“, mischt sich Tassilo jetzt ein.

„Bist du jetzt mein Papa?“

„Wie hast du das gemacht? Die waren zu dritt. Hast du gesehen, wie der mit dem Flaschenhals im Bein geblutet hat?“

„Was hast du immer mit deinem Flaschenhals?“

fragt Katlyn trocken.

„Das war ihre Flasche.“

„Danke Sherlock. Aber ich hab' nicht gehört, dass sie es bestritten hat.“

Tassilo, der um seinen Worten mehr Ausdruck zu verleihen fast in der Mittelkonsole hängt, lässt sich zurück in den Sitz fallen.

„Und Fingerabdrücke?“

„Zu viel Blut“, sagen Kim und Katlyn gleichzeitig und lächeln sich durch den Rückspiegel an. Kim kann es nicht glauben, wie cool Katlyn die Sache nimmt. Sie fühlt sich verstanden und angenommen.

„Ich hab' keinen der Drei berührt und den Knüppel hab' ich hier.“ Kim nimmt ihn aus dem Fußraum.

„Heilige Scheiße“, sagt Tassilo beim Anblick des blutverschmierten Baseballschlägers.

„Die waren zu dritt und bewaffnet.“

„Lass ihn einfach im Auto, wenn wir aussteigen.“

„Es gibt keine Regeln mehr“, flüstert Nina als sie auf eine Ampel, die gerade auf Rot gesprungen ist, zurast. Sie nimmt die Ampel bei dunkelrot.

„Das ist die Apokalypse.“ Nina stellt sich vor, dass eine Gruppe Zombies vor Björns Haus steht.

Wenn sie auf der Wiese stehen, mähe ich sie einfach mit dem Auto weg. Wenn sie schon an die Tür klopfen, wird es schwierig. Das Vernünftigste wäre, wenn ich vorher rausspringe und die Untoten mit einem Fahrzeugtorpedo platt mache.

Hoffentlich stehen sie auf der Wiese. In wenigen Sekunden werde ich es wissen.

Als sie Druck am rechten Arm spürt, versteht sie sofort, dass ein Zombie nach ihr packt. Sie tritt mit beiden Füßen auf die Bremse. Der Kopf des Zombies knallt auf das Handschuhfach. Der Wagen schleudert und kommt zum Stehen. Blutige Hände greifen nach Nina. Sie reißt die Tür auf und lässt sich auf die Straße fallen. Der Zombie wirft sich zur Fahrerseite rüber und schnappt nach ihr.

„Zu langsam!“ Sie ist so aufgeregt, dass sie ihr Herz schlagen hört. Sie tritt die Tür zu, springt auf und läuft los.

Katlyn hält den Wagen vor einem massiven Stahltor, welches den Beginn und das Ende der hohen schwarzen Mauer, die das Windsaw Gebäude umschließt, darstellt. Neben dem Tor ist ein Fenster in der Mauer, hinter dem während der Arbeitszeit der Pförtner sitzt. Jetzt ist aber alles dunkel.

„Das haben wir gleich.“ Katlyn tippt auf ihrem Mobiltelefon und hält das Gerät jetzt vor ihr lächelndes Gesicht. Langsam öffnet sich das Tor.

„Wow. Das ist beeindruckend.“ Tassilo starrt sie an.

„Kann es sein, dass du ein hohes Tier bei Windsaw bist?“

Katlyn lächelt nur als Antwort und fährt auf das Gelände. Am Haupteingang vorbei, hinter dem Gebäude, hält Katlyn vor einem Garagentor.

Das heißt von der Größe, denn von der Optik steht es dem Haupttor in nichts nach. Es öffnet sich wie von Geisterhand. Katlyn fährt rein und stoppt den Wagen.

In der Garage befindet sich absolut gar nichts. Es gibt nur eine weitere Metalltür.

Über der Tür befindet sich auch die einzige Lichtquelle im Raum, die ihn in einem gruseligen gelb spärlich erleuchtet.

Tassilo nimmt seinen Seesack aus dem Kofferraum.

Kim nimmt sich ein Sechserpack Wasser und sie gehen zur Tür.

„Wir müssen alle gleichzeitig rein.“

Als die Tür aufspringt, huschen alle durch einen kleinen Flur in einen Raum, der offensichtlich früher ein Pausenraum oder eine Kantine war, der liebevoll in eine Wohnung umgebaut worden ist. Wo früher die Tische in Reih und Glied standen, sind jetzt mehrere Sitzgruppen, in einer steht der Fernseher mit mehreren Spielekonsolen, in einer anderen liegen Sitzsäcke um ein Bücherregal, nur vor der großen Aluminiumtheke der Küche steht noch ein Kantinentisch, an dem acht Leute Platz finden. Es ist insgesamt sehr aufgeräumt aber auf fast jeder Sitzgelegenheit liegen Comics, Magazine und Bücher. Bei der vollen Neonlicht Beleuchtung kann der Raum trotz all seinen gemütlichen Ecken seine Kantinen Herkunft nicht verleugnen.

Es riecht angenehm nach Zitronenputzmittel.

„Willkommen in unserem Safehouse“, sagt Katlyn ohne stehen zu bleiben. Tassilo möchte sich am liebsten irgendwo fallen lassen.

Doch zuerst, Toilette, Toilette, Toilette!

Der Raum hat rechts und links ein Badezimmer.

Kim verschwindet links, also geht Tassilo nach rechts.

Vier Pissoirs erwarten ihn. Er erleichtert sich und schaut sich in dem großen Raum um. Es gibt noch vier Kabinen, sechs Duschen und sogar eine Badewanne.

An den dafür vorgesehenen Stellen stehen Zahnpasta, Shampoo und Duschgel. Körbe für schmutzige; Regale mit sauberer Wäsche – natürlich mit Firmenlogo.

Björn wird von einem grellen Blitz geweckt gefolgt von heftigem Klopfen an der Tür. Er war auf dem Sofa eingeschlafen. Der Fernseher zeigt das Menü einer DVD. Björn schaltet ihn aus.

„Ich komme!“ Hoffentlich ist es Nina. Egal was sie angestellt hat.

Er öffnet die Tür. Nina ist sofort im Haus und knallt die Tür zu.

„Wir müssen sie verbarrikadieren.“

„Oh, Aliens oder Zombies?“

„Zombies.“

„Ich wusste es.“ Gemeinsam schieben sie eine schwere Eichenkommode vor die Tür. Nachdem Björn alle Fensterläden geschlossen hat, setzt er sich neben die vor Angst zitternde Nina. Er nimmt ihre Hand.

„Was ist passiert?“

„Es war furchtbar. Den ersten hab ich am Bahnhof gesehen.“

„Natürlich. Wir haben ja keinen Flughafen.“

Sie nicken sich zu. Björn sieht Nina in die Augen. Mit jedem Wort, das sie spricht, wird ihre Laune besser und ihre Angst verschwindet.

„Auf dem Bürgersteig stand ein Auto mit laufendem Motor.“

„Verdächtig… Was für ein Auto?“

„Keine Ahnung. Ich bin ein Mädchen, ich brauch' das nicht zu wissen und es tut auch nichts zur Sache.“

„Es hat mich eben interessiert.“

„Also da war dieses blaue Auto.“

Sie lächelt und drückt seine Hand.

„Nur wenige Meter von dem Auto entfernt war ein Zombie gerade dabei den Fahrer des blauen Autos zu essen. Jedenfalls hat es sich so angehört.“

„Woher weißt du, dass der Fahrer des blauen Autos nicht den Anderen aufgefressen hat?“

„Weil Zombies nicht Auto fahren können.“

„Das stimmt.“

„Also schnapp ich mir das Auto und rase dem Zombie davon.“

„Er braucht es ja nicht mehr.“

Sie lächelt und zeigt zustimmend auf Björn.

„Aber ich habe den klassischen Red Shirt Fehler gemacht und nicht im Auto nach Zombies geschaut.“

„Scheiße, das solltest du besser wissen.

Es ist immer noch einer im Auto.“

„Ich, siegestrunken mit Vollgas unterwegs, bis plötzlich etwas nach mir greift.“

Björn schluckt. „Was hast du gemacht?“

„Ich bin voll in die Eisen gegangen und der Zombie ist auf das Handschuhfach geknallt. Aber ich wusste, dass er noch nicht genug hat. Ich habe die Tür aufgerissen und mich auf die Straße plumpsen lassen. Im letzten Moment, denn seine blutigen Hände griffen schon nach mir.“

„Hast du ihm noch einen Spruch gedrückt?“

Sie setzt sich ganz gerade hin und sagt stolz: „Zu langsam. Und dann habe ich die Tür zugetreten.“

Björn applaudiert.

„Du bist so cool.“ Sie geben sich fünf.

„Ich finde es sehr fair von dir, dass dein Kill count noch auf null ist.”

„Mit fair hat das nix zu tun. Ich war sicher, dass ich eine Horde Zombies vor deinem Haus weg mähen muss.” Sie lächeln sich an.

„Ich hatte eben so eine Angst.“

„Man denkt immer, dass man vorbereitet ist… Äh apropos 'vorbereitet'. Es wäre vielleicht cleverer gewesen, bei jemanden Unterschlupf zu suchen, der Vorräte hortet.“

„Ich möchte gerade nirgendwo anders sein.“

So nicht. Björn springt auf.

„Du weißt, ich geh zweimal einkaufen und hab trotzdem nur die Hälfte. Im Ernst, wenn wir auf meine Vorräte angewiesen sind, könnten wir bei strenger Rationierung, zwei Tage überleben. Morgen früh gehen wir Vorräte besorgen.“

Björn ist ganz in seinem Element.

„Es gibt keine Regeln mehr. Wir müssen uns natürlich gut vorbereiten. Oh… Wir sollten einen Nachrichtenkanal einschalten.“

Björn nimmt die Fernbedienung und schaltet das Gerät ein. Schnell findet er einen Kanal der Nachrichten zeigt. Jetzt hört er Sirenen von Polizei und oder Krankenwagen ganz in der Nähe.

„Es hat begonnen!“ Er dreht sich zu Nina um, doch sie ist eingeschlafen.

Jetzt gibt es nur noch uns beide auf der Welt.

Björn ist glücklich.

Tassilo holt seinen Seesack und duscht sich.

Er zieht sich frische Klamotten an und geht zurück in den Wohnraum. Ihm kommt ein Mann in Zivil mit Arztkoffer aus dem anderen Waschraum entgegen.

Sie nicken sich kurz zu und er verlässt den Raum durch die Garagentür. Er trug eine Plastiktüte mit Kims blutiger Kleidung. Tassilo betritt den anderen Waschraum. Anders als bei den Herren ist hier alles umgebaut worden. Überall stehen medizinische Apparate, Computer und Monitore.

Es sieht aus, als würden hier Superhelden ihre Wunden lecken. Katlyn steht vor einem Bett, das eher an eine offene Kryoschlafkabine erinnert. Sie hat nasse Haare und trägt einen Bademantel. Er nähert sich langsam und sieht, dass Kim in der Kryokabine liegt. Nichts an ihr erinnert mehr an das blutige Monster, jetzt sieht sie endgültig wie ein Porzellanengel aus. Obwohl er keine Kabel sieht, scheinen alle Monitore über Kims Zustand aufzuklären. Katlyn hält den linken Arm vor sich und tippt mit der rechten Hand auf ihr Armband. Es ist eine Art riesige Smartwatch.

„Ich dachte sie wäre an den Knien verletzt.“

„Ihr geht es gut. Komm.“ Sie nimmt seine Hand und sie gehen in den Wohnraum.

„Setz dich irgendwo.“

Tassilo entscheidet sich für ein großes rotes Sofa.

Katlyn geht zum Kantinenkühlschrank und kommt mit zwei Bierflaschen zurück.

„Danke“, sagt Tassilo und greift nach einer der Flaschen, doch sie zieht die Flasche weg.

„Ach so, du wolltest auch eins. Ich hab' mir zwei geholt, damit ich nicht so oft aufstehen muss.“

Er erinnert sich an den Spruch. Den hat sie ihm am Tag, an dem sie sich kennengelernt haben, an der Saftbar, gedrückt.

Er packt sie an den Hüften und zieht sie zu sich auf das Sofa. Sie tippt auf ihr Armband. Die Neonröhren springen aus und ein warmes indirektes Licht taucht den Raum in ein angenehmes Gelb. Sie liegt in seinem Arm und öffnet die Bierflaschen. Sie stoßen an. Dann hält Katlyn die Flasche am ausgestreckten Arm vor sich.

Tassilo erinnert sich und tut es ihr gleich. Dann rufen beide: „Hopp, hopp, rin in der Kopp!“

Sie lachen und küssen sich. Tassilo fühlt sich jetzt als wären sie nie getrennt worden.

„Du hast mir so gefehlt.“

„Du mir auch.“ Sie greift in die Tasche ihres Bademantels, holt eine Schachtel Zigaretten raus, zündet zwei an und gibt Tassilo eine. Er liegt jetzt der Länge nach auf dem Sofa und Katlyn sitzt auf seinen Oberschenkeln. Sie zieht an ihrer Zigarette.

„Ich weiß, du hast Fragen und ich wünschte heute wäre anders gelaufen und wir wären zu Hause und so, aber...“ Sie öffnet ihren Bademantel ein kleines Stück weiter.

„Fragen? Ich hab' keine Fragen. Ich hab' alles, was ich mir je erhofft habe.“

Nina erwacht auf Björns Sofa. Sie schaut sich um.

Er hat sie zugedeckt und sitzt schlafend auf dem Boden, an das Sofa gelehnt. Der Fernseher zeigt eine Simulation der Milchstraße. 2:47 Uhr wird am oberen Bildschirmrand eingeblendet.

Was ist passiert? Habe ich wirklich einen Zombie gesehen? Sie steht auf und geht zur verbarrikadierten Haustür.

Habe ich eben mit Natascha gesprochen? Warum bin ich immer so ein Freak? Ich bin Björn noch eine Entschuldigung schuldig und muss mich jetzt schon wieder entschuldigen. Ich muss hier raus. Nina bekommt Panik. Sie reißt ein Fenster auf, öffnet die Fensterläden und schaut in die Nacht. Der Mond taucht die Welt in ein dezentes Blau. Die Luft ist frisch, nicht kalt. Nichts Verdächtiges.