2,99 €
Das Buch handelt von einer Zeit, in der es fast keine Kinder mehr gibt und der Fortschritt zum Stillstand gekommen ist. Es erzählt von den Ängsten und Problemen der Menschen in dieser schweren Zeit aber auch von Hoffnung Liebe und Zuversicht. Mit Hilfe von Sole, einem Mädchen, dass er aus einer prekären Lage befreit hat, gelingt es dem Romanhelden Peter zu nächst die sich breitmachende Lethargie der Menschen zu heilen. Das Problem der Kinderlosigkeit besteht weiter, während die Staaten beginnen zu zerfallen. Es herrscht auf einmal Anarchie. Bald schon bringen Isabella und der Hund "Tapfer" etwas frischen Wind in die kleine Familie. Die Familie wächst immer weiter und zusammen mit Kami, Lowanna, Lars, Banjora und Lisa kämpfen sie gegen die ständig wachsenden Gefahren in einer untergehenden Zivilisation. Immer öfter ist es der Kampf ums nackte Überleben. Egal wie schlimm es ist, Peters immerwährende Zuversicht, sein Improvisationstalent und die Liebe zueinander lassen sie nicht aufgeben. Sie schaffen es, sich weltweit zu vernetzten und bauen eine Allianz gegen den Untergang der Menschheit auf. Werden sie die Gefahren und Nöte dieser Zeit überstehen? Können Liebe, Zuversicht und Mut den Untergang der Menschheit verhindern?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 339
Veröffentlichungsjahr: 2022
Die letzten Kinder: Kampf gegen das Ende
Kapitel 1
Heute im Jahr 2098 ist es richtig schlimm geworden. Die Menschheit hat sich verändert, aber nicht zum Besseren. Es gibt kaum noch neue Ideen. Es gibt keinen Fortschritt mehr. Und das schlimmste, es gibt auch keine Babys mehr.
Ich hätte mir das früher nicht vorstellen können. Ich schrieb Bücher über die schönen Dinge des Lebens. Aber im Moment kann ich nichts Schönes mehr im Leben entdecken. Und so schreibe ich dieses Buch, das wahrscheinlich vom Untergang der Menschheit handelt.
Aufgefallen ist es vor etwa 60 Jahren, immer, weniger Kinder wurden geboren. Keiner konnte sich erklären, warum. Die Menschen waren nicht krank. Doch sie hatten keinen Antrieb mehr, sie wollten nichts mehr entdecken, nichts mehr erforschen, nicht einmal auf Sex hatten sie mehr Lust. Ich selbst war zu dieser Zeit Journalist für die Süddeutsche Zeitung. Ich ging Wandern, Bergsteigen und wenn ich Muse hatte, schrieb ich Gedichte und Geschichten. Ab und zu machte ich auch ausgiebige Motorradtouren. Das Leben war schön!
Man setzte zu dieser Zeit zunehmend auf künstliche Befruchtung, um den Fortbestand der Menschheit zu gewährleisten.
Doch die künstlich gezeugten Babys starben kurz nach ihrer Geburt oder sie wurden schon als etwas geboren, was keiner haben wollte. Es war zu schlimm, um das hier genauer zu erläutern. Die Forscher und Biologen versuchten immer wieder neue Sachen, um dem Geburtenrückgang ein Ende zu setzen. Aber alle Versuche blieben erfolglos.
Natürlich war auch ich über solche Nachrichten erschüttert, da meine Familienplanung bereits abgeschlossen war, ergab sich für mich persönlich kein direktes Problem. Bei jungen Männern und Frauen hingegen sah das ganz anders aus. Sie hatten Angst vor der Zukunft. Mich würde das sicher nicht mehr tangieren, dachte ich damals, es war ein Irrtum!
Das erste Mal, dass mir diese Veränderung mancher Menschen ziemlich schockartig bewusst wurde, war am 13. Oktober 2045.
Auf einer Bergwanderung zum Geißhorn im Tannheimer Tal hörte ich auf über 2000 Meter einen merkwürdigen Gesang. Es klang sehr melancholisch und traurig, dann plötzlich wieder fröhlich und lebhaft. Ich wusste, der die das singt, geht es nicht gut. Ich hielt Augen und Ohren offen. Aber ich konnte nur ahnen, woher der Gesang kam. Vom Grat ging es südwärts über eine Geröllflanke, hier war Aufmerksamkeit und Trittsicherheit gefragt, für mich kein Problem, ich hatte vor einem halben Jahr in jedes Knie eine Knorpelaufbauspritze bekommen und war solches Terrain gewohnt.
Ich sah Schleifspuren im Geröll, sie waren sicher nicht frisch, eher ein paar Tage alt. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, den sie führten, genau in die Richtung, aus der der Gesang kam. Ich hielt kurz inne und überlegte, was ich tun soll. Vielleicht war da jemand verletzt und brauchte Hilfe. Andererseits hat heutzutage jeder ein Smartphone und kann Hilfe rufen. Funklöcher gibt es schon seit über 20 Jahren nicht mehr. Aber der Akku könnte leer sein, doch dann würde sie „Hilfe“ rufen und nicht singen? Ich war etwas verwirrt. Da mir eine Kante den Blick versperrte, beschloss ich, mich abzuseilen. Ja, ich war so ein Typ, der immer alles dabeihatte. Normal braucht man hier kein Seil auch keine Rettungsdecke, kein Messer und kein Feuerstahl. Blasenpflaster und Verbandszeug trug ich auch bei jeder Bergtour mit, auch wenn ich es nicht brauche kann es ja jemand anderen helfen. Ich suchte in diesem lockeren Gestein ziemlich lange, nach einem geeigneten Punkt, um das Seil zu fixieren. Doch nach einiger Zeit fand ich einen Block, der sich nach unten verjüngte und ziemlich festzusitzen schien.
Ich begann, mich abzuseilen. Als ich über die Kante kam, bot sich mir ein seltsames Bild. Eine junge Frau saß am Ende eines Geröllfeldes, direkt am Übergang zu einer Steilwand. Sie saß da und sang.
Als ich näherkam, konnte ich erkennen, dass sie sehr viele Schürfwunden an den Armen und am Rücken hatte.
Ich wollte sie nicht erschrecken, also räusperte ich mich, obwohl sie mich schon längst bemerkt haben musste.
Der Abstieg über das Geröllfeld hatte zahlreiche kleine Steine ins Rutschen gebracht, das konnte man nicht überhören. Sie wandte den Kopf zu mir und lächelte mich an. „Hallo, schöner Mann“, sagte sie zu mir. Ich wollte ihr das nicht ganz glauben, denn ich war sicher 60 Jahre älter als sie. Ich bat sie das Seil zu greifen und von der Kante weg, ein Stück zu mir zu kommen. Sie sagte „warum, es ist doch so schön hier“.
Also fragte ich, ob ich mich neben sie setzen dürfte. „Ja, warum nicht, dann können wir diese Schönheit zu zweit genießen“. Als ich neben ihr saß, sah ich wie schlimm ihre Verletzungen wirklich waren. Sie hatte Abschürfungen am ganzen Körper, ihre Klamotten waren total zerfetzt, der Sturz durch das Geröllfeld hatte deutliche Spuren hinterlassen. Ihr rechter Fuß zeigte nach innen, vermutlich war der Knöchel gebrochen. Das komische war, keine der Wunden blutete. Entweder saß sie schon sehr lang hier oder sie war stark dehydriert – vermutlich beides, denn ihren Rucksack konnte ich etwa 50 Meter tiefer erkennen. Ich wählte sofort den Notruf. Sie fragte: „Was machst du?“. „Ich hole Hilfe“ Sie: „Brauchst du Hilfe?“ Ich: „Ich nicht, aber du“.
Darauf sagte sie: „Ich brauche keine Hilfe, ich sitze hier an einem der schönsten Orte auf Gottes Planet, mit einer Aussicht, die nicht zu toppen ist.
Und wenn ich hier sterbe, es gibt keinen schöneren Ort zum Sterben.“ Jeglicher Versuch ihr Lebensmut zuzusprechen war erfolglos. Sie sagte: „Was ist denn meine Zukunft? Was bleibt von mir? Ich werde keine Kinder haben, es wird nicht einmal jemand merken, wenn ich weg bin.“ Ich war ziemlich erschrocken als ich das hörte und zudem war ich scheinbar in einem dieser angeblich nicht mehr existierenden Funklöcher, kein Notruf möglich.
Doch ich begann, sie zu verstehen. Mir selbst war es nicht mehr wichtig, was nach meinem Tode geschieht. Ich habe keine eigenen Kinder, warum? Keine Ahnung, nicht zur rechten Zeit am richtigen Fleck? Anfangs wollte ich mein Leben leben und mich nicht mit einer Familie belasten. Dann kam eine Zeit, in der ich mich nach einer Familie sehnte. Irgendwann lernte ich eine liebe Frau kennen, doch da war ich fürs Windeln wechseln bereits zu alt.
Ich fragte die Verunglückte, ob sie Schmerzen hat, sie antwortete: „Der größte Schmerz auf dieser Welt ist schon gekommen und niemand kann ihn mir nehmen, aber ich bin glücklich hier, geh weiter und kümmere dich um dein Leben“. Ich fragte: „Willst du wirklich hier und jetzt sterben?“. Sie: „Hier schon, aber ich habe sicher noch ein paar Stunden.
Vielleicht überlebe ich die Nacht und sehe morgen noch einen herrlichen Sonnenaufgang, schöner kann man doch nicht sterben, oder? Ich fragte: Und was spricht gegen weiterleben?
Sie: „Wozu? Noch kann ich es mir aussuchen, wo, wann und wie ich sterbe. Wenn ich gelähmt in einem Pflegebett liege, kann ich das nicht mehr.
Ich: Aber du hast noch so viel Zeit, ich bin 60 Jahre älter als du und sitze hier neben dir, du hast noch viel Zeit diese Entscheidung zu treffen. „Zeit, Zeit, Zeit wofür? Es war immer mein Traum mindesten vier Kinder großzuziehen, die weitertragen, was meine Eltern, Großeltern und Urgroßeltern einst begonnen haben. Da ist nichts mehr für das es sich lohnt zu leben!“
Ich fragte sie nach ihren Namen und sie sagte:“ Wenn ich dir meinen Namen nenne, wirst du ewig darüber nachdenken, was aus mir geworden ist. Ich verrate dir lieber, was aus mir wird. Irgendwann, wenn die letzten Kräfte mich verlassen, werde ich nach vorn kippen und diesen Abhang herunterstürzen. Dann bin ich hoffentlich tot.“
Ich nahm sie in den Arm, was sie keineswegs störte, langsam setze die Dämmerung ein und ich wusste, es ist Zeit zu gehen. Ich zog ihr meinen Pulli an und legte zwei Rettungsdecken um sie. Sie schimpfte und wehrte sich. Ich sagte „Das brauchst du, um morgen den Sonnenaufgang zu erleben.“ ein restliches Wasser und den Traubenzucker gab ich ihr auch. Sie schaute mich traurig an und ich sagte: „Ich bin noch nicht bereit kampflos von dieser Welt zu verschwinden, es wäre schön, wenn du mit mir kommst. Doch diese Entscheidung kann ich nicht für dich treffen.
Ich umarmte sie und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Dann schaltete ich meine Stirnlampe ein und begann den Abstieg. Im Dunklen war es heikel, zumindest der erste Teil, wo es über Geröll ging. Nach circa 40 Minuten gelang es mir die Bergwacht zu alarmieren, ich drang noch darauf einen Psychologen mitzunehmen, aber irgendwie war mir klar, dass sie sie nicht lebend bergen werden. Gegen 23 Uhr erreichte ich den Vilsalpsee. Ich war fertig, ich wusste nicht einmal den Namen dieser Frau. Ich wollte ihr so gern helfen und wusste doch ganz genau, dass keiner das konnte.
Das ließ mich nicht mehr los. Ich hatte einige gute Kontakte zu den Bergrettern und fing an zu horchen. Ich weiß, gerade bei einem tödlichen Ausgang, sagen die nichts.
Zwei Wochen später traf ich einen an diesen Einsatz beteiligten Bergretter. Wir kannten uns schon lange. Bei einem Bier sagte er etwas zu mir, etwas, was mich in einen Zwiespalt trieb.
Als wir die Verletzte erreichten, sagte sie zu uns: Ihr könnt nichts mehr für mich tun, alles, was es zu tun gab, hat schon dieser Mann schon erledigt, grüßt ihn von mir und dankt ihm.“ Sie schickte die Rettungskräfte zurück, sie würde springen, wenn sie näherkämen.
Aber in Wirklichkeit wartete sie nur auf den Sonnenaufgang, denn den hatte ich ihr versprochen.
Als auch der letzte Zentimeter der Sonne über den Horizont gekrochen war, schaute sie sich noch einmal um und gab den Bergrettern ihr schönstes Lächeln. Dann ließ sie sich ohne Emotionen einfach in den Abgrund stürzen. Sie konnte nur noch tot geborgen werden.
Kapitel 2
Die Medizin scheint ohnmächtig. Wobei die Pharmaindustrie bereits einen Impfstoff entwickelt hatte, der gegen jedes erdenkliche Virus wirkt. Dieser Impfstoff war in der Lage, die Hülle aller Viren zu zerstören. Ohne Hülle war ihre Tarnung verloren und das Immunsystem machte mit dem Rest kurzen Prozess. Es gab keine Grippe, keine Erkältungen oder ähnliches mehr. Viele warnten, sie meinten, dass durch die Impfung unser Immunsystem verkümmere.
Am 10.06.2046 startete ich meine lang ersehnte Motorradtour. Beladen mit Zelt, Schlafsack, einigen Lebensmitteln und zwei 20 Liter Benzinkanistern ging es Richtung Italien. Ich ging es langsam an, denn Benzin war teuer und auch nicht immer zu bekommen. Außerdem waren die Straßen in einem schlechten Zustand, es wurde nur noch das Nötigste repariert.
Am Reschenpass war die Straße eine einzige Katastrophe. Es hatten sich zahlreiche Risse in Längsrichtung gebildet. Teilweise bis zu 30 cm breit und ca. 20 cm tief.
Da will man mit dem Motorradreifen nicht hineinkommen! Am Reschensee denke ich: „Irgendetwas fehlt“. Der Kirchturm, welcher einst mitten im See stand, ist verschwunden. Hier musste einst das Dorf Graun dem Stausee weichen oder sagen wir besser es wurde unter oder in ihm begraben. Und noch etwas fehlt. Heute ist Sonntag und Bilderbuchwetter. Doch ich sehe keinen einzigen Menschen am See.
Ich beschließe hier zu rasten und vielleicht eine Runde um den See zu gehen. Allerdings mache ich mir Sorgen um mein Motorrad und das Benzin. Wäre ziemlich doof, plötzlich ohne Maschine und / oder Benzin dazu stehen. Also beschloss ich beim Motorrad zu bleiben. Ich setzte mich auf eine alte morsche Bank, meine 60 Kilogramm hielt sie sicher gerade noch aus. Die Sonne im Gesicht, den See vor Augen und den Wind im Haar. Jetzt wollte ich mir eine der letzten gönnen. Tabakwaren durften seit 5 Jahren nicht mehr verkauft werden. Aber ich hatte noch einige Zigaretten gehortet.
Als ich da so saß, meine Zigarette rauchte und einfach den schönen Tag genoss, kitzelte mich etwas am Bein. Ich wollte es verscheuchen da ich dachte, es wäre ein Insekt.
Aber meine Hand spürte etwas Größeres.
Als ich unter die Bank schaute, erstarrte ich, vor Überraschung, Schreck oder was auch immer. Ich weiß es nicht mehr. Unter der Bank lag ein Kind, ein Mädchen höchsten 10 Jahre alt und hielt meinen Fuß fest.
Da mein Italienisch sich auf ein Vokabular von höchstens zehn Worten begrenzte, löste ich ihre Hand und wollte zu Motorrad gehen, um mein Smartphone zu holen. Ich brauchte einen Übersetzer, um mich mit ihr zu verständigen. Doch als ich aufstand, hielt sie meinen Fuß mit beiden Händen fest. Ich hielt kurz inne, ich erinnerte mich daran, was ich früher mit meinem Hund gemacht habe, wenn er verängstigt war. Ich habe ihm beim Einschlafen immer leise und ruhig gesagt: „alles gut“. Wenn er gestresst war, habe ich nur diese Worte gesagt und meistens wurde es dann etwas besser. Wenn das nicht reichte, rief ich ihn zu mir, kraulte ihn, streichelte ihn und sagte „alles gut“, hat meistens funktioniert.
Ich löste vorsichtig ihre Hände, kniete mich vor sie, schaute in ihre wunderschönen leuchtenden blauen Augen, legte meine Hand auf ihre und sagte „Alles Gut“.
Sie sah mich an und ich sah einen Versuch von einem Lächeln in ihren Augen. Ich war berührt. Meine Seele war berührt. Als ich meine Hand in Richtung ihres Gesichtes bewegte, zuckte sie zurück.
Ich sagte leise und sanft „Alles Gut“ und begann ihr mit der rechten Hand durch ihr langes blondes Haar zu streichen. Meine linke Hand hielt noch immer die Ihre. Sie schien Vertrauen zu fassen. Ich dachte noch kurz: „Was machst du, du behandelst sie jetzt wie einen Hund.“ Und in mich hinein grinsend dachte ich: Wenn jeder seine Mitmenschen so gut behandeln würde, wie ich es mit meinem Hund getan habe, wäre diese Welt eine bessere“.
Was war passiert mit diesem Mädchen, dass es so verängstigt war? Sie kroch unter der Bank hervor und klammerte sich an mich. Das war schon fast keine Umarmung mehr, sondern ein Erquetschungsversuch, ich genoss es.
Der Smalltalk über die Handy-App funktionierte nicht besonders gut, aber sie genoss es bei mir zu sein. Eines musste ich erst noch verstehen. Sie hatte gesagt, sie hat keine richtigen Eltern und dafür würden sie alle hassen.
Ich glaube auch die Wörter Missgeburt und Teufelskind gehört zu haben. Eigentlich wollte ich mit ihr ins Dorf, um Hilfe zu organisieren, doch sie hatte scheinbar panische Angst vor dem Dorf. Und wenn ich eins und eins zusammenzählte, verstand ich sie sehr gut.
Italien ist immer noch streng katholisch, wenn ich es richtig deute, ist dieses Mädchen durch künstliche Befruchtung entstanden.
Wenn das so ist, passt sie wahrlich nicht ins Weltbild der Italiener. Ich bemühte nochmals die Übersetzer-App und fragte sie, wo und bei wem sie aufgewachsen sei.
Sie schaute zu Boden und schwieg. Ich nahm ihre Hand und sagte „ich muss es wissen“. Sie sah mir in die Augen und sagte: „sie sind tot“. Ich fragte einfach gestorben, ein Unfall, was ist passiert? Sie sagte tot ist tot, der Rest ist egal.
Ich fragte, ob sie Angst vor den Leuten im Dorf hätte und sie sagte „sie werden mich töten“. Ich nahm sie an die Hand und ging zum Motorrad. Als Sozius wäre sie sicher ein Problem, sie ist sicher noch nie Motorrad gefahren. Ich kramte meinen Yoga Gurt heraus und setzte sie zwischen mich und Tank. Mit dem Yoga-Gurt schnallte ich sie an mir fest.
Wir kamen nicht weit, schon nach kurzer Zeit stand ein Mann schreiend und gestikulierend auf der Straße. Ich fuhr direkt auf ihn zu und er sprang zur Seite. Kurze Zeit später war ein wilder Mob hinter uns her. Die Straße war nicht mehr wirklich befahrbar, wir waren so langsam, dass der Mob beständig näherkam. Ich bog auf einen Waldweg ab, da konnte man noch schneller vorankommen. Wir fuhren einen Berg herauf, doch irgendwann wurde die Steigung zu groß für das Touren-Motorrad. Das Hinterrad drehte durch und rutschte weg. Wir kamen unsanft zum Liegen.
Das viele Gepäck fing unseren Sturz zum Glück auf, sodass sich keiner verletzte. Jetzt war guter Rat teuer.
Würden uns die Dorfbewohner bis hierher verfolgen? Dann müssten wir zu Fuß weiter fliehen. Ein Vorteil für die Dorfbewohner, sie kennen sich hier aus, ich nicht.
In diesem Moment fiel mir auf, dass ich nicht mal den Namen des Mädchens kannte. Ich zeigte mit dem Finger auf mich und sagte Peter, dann zeigte ich auf sie. Sie sagte „bambino diavolo“. Zu Deutsch „Teufelskind“.
Ich fragte wie die Leute, die sie aufgezogen hatten, sie nannten und sie sagte „Bastardo „. Ich war erschüttert, was für eine Kindheit hatte dieses Mädchen durchgemacht. Als ich versuchte, das Motorrad in diesem steilen und rutschigen Gelände aufzurichten, gelang es mir zunächst nicht. Die Kleine stemmte sich mit Leibeskräften gegen das Motorrad, gerade so als würde ihr Leben davon abhängen, es aufzurichten. Und nach vielen Versuchen gelang es schließlich. Ich fuhr oder besser rutschte an eine flachere Stelle.
Gut, wenn man immer alles dabei hat, was man nicht braucht. Denn jetzt brauchte ich es. Ich band mein Kletterseil durch das Hinterrad wie eine Art Schneekette. Zwischendurch lauschte ich immer wieder, ob ich Stimmen oder Schritte hören konnte, aber alles war ruhig und es waren auch keine Lichter zu sehen. Ich fragte Sole, so hatte ich innerlich ihren neuen Namen definiert, ob sie sich in diesen Bergen auskenne.
Der Übersetzer sagte mir „ja ich kenne mich hier aus, aber wer ist Sole? Ich sagte, du bist Sole, du bist meine Sonne. Sie lächelte. Sie beschrieb mir einen Weg durch die Berge, der auch mit dem Motorrad machbar wäre und sagte „Du fährst gut, aber du musst noch besser fahren“. Ich wollte heute noch so weit wie möglich weg von Reschen, doch im Dunklen, mit dem Motorrad durch unbekanntes Terrain war heikel. Sie zeigte mir einen schmalen Weg an der Flanke des Hanges entlang. Wir hatten sicher eine Stunde Vorsprung vor dem Mob, falls sie uns überhaupt noch folgten.
Ich beschloss noch zwei Stunden zu fahren. Sole lief an den schwierigen Stellen vor und warnte mich vor Gefahrenstellen. Mittlerweile war es tiefste Nacht, die Stille würde und beschützen. Jetzt hört man jedes kleinste Geräusch. Ich errichtete einen Wall aus Steinen und entzündete darin ein Feuer. So konnte man es nicht weit sehen.
Ich erklärte ihr, dass ihr neuer Name Sole ist, sie lächelte und gab mir einen Kuss auf die Wange. Als ich ihr ein Stück Brot anbot, lehnte sie ab und zeigte auf mich. Ich zog ihr T-Shirt ein Stück hoch und fasste um ihren Bauch, mit den Händen formte ich den Umfang ihres Bauches nach. Das Gleiche tat ich bei mir. Dann brach ich ein Drittel des Brotes ab und gab es ihr. Sie nahm es dankbar an. Da ich damit rechnete, dass wir vielleicht doch recht schnell aufbrechen müssen, habe ich kein Zelt aufgebaut.
Ich habe einige große Steine ins Feuer gelegt und anschließend eingegraben. Darauf kam dann der Biwaksack plus Schlafsack.
Sie hielt mich die ganze Nacht fest, als hätte sie Angst, ohne mich aufzuwachen. Am nächsten Morgen gab es ein spärliches, aber energiereiches Frühstück. Quark mit Nüssen und Haferflocken.
Nach 11 Kilometern kamen wir auf einen etwas breiteren Waldweg, ich war fertig, dieses Gelände ist nichts für ein Motorrad, das mit Gepäck und Fahrer fast 300 Kilogramm wiegt.
Sole hatte immer noch Angst. Nach weiteren 7 Kilometern versteckte ich das Motorrad zwischen ein paar Felsen und legte mich hin. Ich konnte nicht mehr, ich musste ausruhen. Ich spürte wie Sole meine Hand streichelte und schlief ein.
Was war los? Etwas zog mich am Arm, ich hörte Stimmen und Hundegebell. Zum Fliehen war es zu spät, suchten sie uns, wir hatten doch so viel Vorsprung? Oder hatte dieser Mob andere mobilisiert, um uns abzufangen?
Ich legte noch ein paar Zweige über das Motorrad. Bevor wir auf die Felsen kletterten, besser gesagt ich kletterte mit Sole auf dem Rücken, zuvor beseitigte ich noch die Spuren vom Motorrad. Aber ich konnte natürlich nicht die gesamte Spur verwischen. Ich leerte all meine Pfeffer-Vorräte am Eingang zu der Felsspalte, in der das Motorrad stand und in der wir aufgestiegen waren.
Das Motorrad wäre in 20 Sekunden einsatzbereit, damit könnten wir den Menschen entkommen, den Hunden vermutlich nicht.
Aber wir hatten Glück, wahrscheinlich war es nur eine Jagd-Gesellschaft, die zufällig hier vorbeikam. Die Hunde schnüffelten kurz in die Felsspalte, doch der Pfeffer tat seine Wirkung. Wir warteten noch eine Stunde, dann fuhren wir weiter.
Nach weiteren 2 Stunden erreichten wir wieder eine Straße. Über den Reschenpass zurückzufahren, kam nicht infrage.
Ich fuhr nach Mals und bog dort Richtung Tubre Taufers ab. Über Guarda kamen wir zurück nach Nauders.
Der kleine Abstecher über die Schweiz war nicht ganz legal, Sole hatte bestimmt keinen Ausweis dabei. Doch Grenzkontrollen gab es hier nur noch selten. Jetzt wurde es Zeit, nach Benzin zu suchen. Der Ausflug in die Berge und die 60 Kilometer Umweg durch die Schweiz haben sich bemerkbar gemacht. Ein Kanister ist schon leer. In Imst bekamen wir schließlich Benzin. 40 Euro pro Liter und trotzdem durfte ich nur den Tank befüllen, der Kanister blieb leer. Normal wäre ich jetzt über das Hahntennjoch gefahren, aber es war schon dunkel und ich wollte nur noch nach Hause. Also fuhr ich Richtung Reute und weiter über die A7.
Um 5 Uhr kamen wir bei mir Zuhause an. Ich konnte kaum noch sitzen.
Auf der Rückfahrt haben wir nur zum Tanken angehalten. Sole tappte etwas eigenartig neben dem Motorrad umher. Sie war das fahren nicht gewohnt und musste erst einmal Blut in ihre Gesäßmuskeln pumpen. Über mein Handy lud ich das Ereignis-Protokoll meiner Überwachungsanlage, es waren nur Routineeinträge darin. Trotzdem blieb ich vorsichtig. Wir versteckten uns und ich schaltete das Licht im Gebäude und auf dem gesamten Grundstück an. Nichts bewegte sich, Geräusche gab es auch nicht. Ich schaltete wieder ab und wir warteten weitere 10 Minuten. Nichts. Im Dunklen gingen wir leise zum Haus.
Im Haus überprüfte ich als Erstes die Alarm- und Überwachungsanlage, alles funktionierte perfekt. Ich gab ihr etwas Wasser und einen Müsliriegel. Ich selbst genehmigte mir jetzt ein Bier, genaugenommen ein halbes, denn danach schlief ich auf der Couch ein.
Morgens fühlte ich, dass etwas nicht stimmte. Sole war nicht da, hatte ich das alles nur geträumt? Da stieg mir der Duft von frischem Kaffee in die Nase. Sie kam mit einer Tasse Kaffee zu mir und war sicher erschrocken als ich auf einmal aufsprang. Gerade in diesem Moment war mir eingefallen, dass ich das Motorrad gestern an der Grundstücksgrenze abgestellt und nicht mehr in die Garage gestellt hatte. Die letzten Meter waren wir ohne Licht gefahren, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, falls Einbrecher da wären. Ich sagte, zu ihr entschuldige bitte und Danke für den Kaffee, ich hole nur schnell das Motorrad. Ich wollte eigentlich, dass sie hier wartet, aber sie wollte partout nicht von meiner Seite weichen.
An dem Motorrad hatte sich keiner zu schaffen gemacht, auch die Kanister und meine Ausrüstung waren noch da. Nachdem ich das Motorrad und die Ausrüstung verräumt hatte, trank ich ein paar Schlucke Kaffee und machte Wurst-Rührei zum Frühstück. Man sah, dass sie sehr hungrig war, ich auch. Kein Krümel blieb auf den Tellern. Ich zeigte ihr das Haus als ich bemerkte wie sie hastig von einem Bein auf das andere trat. Wir waren gerade an der richtigen Stelle und ich öffnete ihr die Badezimmertür.
Während sie sich erleichterte, überlegte ich, wie wir unsere Kommunikation verbessern könnten. Vieles ging mit Blicken und Gesten, aber das konnte kein Dauerzustand sein. Ich würde sicher nicht sehr schnell Italienisch lernen. Als sie fertig war, gab ich ihr ein altes Smartphone, auf dem ich einen Sprachtrainer für Deutsch und eine Übersetzer-App Italienisch-Deutsch-Italienisch installiert hatte. Danach zeigte ich ihr den Rest des Hauses. Wir duschten uns. Danach kochte ich Chili con Carne.
Nach dem Essen brachte ich sie zum Gästezimmer, wir hatten beide noch eine Mütze Schlaf nötig. Als ich ins Schlafzimmer gehen wollte, hielt sie mich fest und ihre Augen sagten, lass mich nicht alleine.
Ich wollte nicht, dass sie mit in meinem Bett schläft.
Ich stellte ein Gästebett ins Schlafzimmer und zeigte, dass sie dort schlafen solle. Sie verstand es vermutlich nicht, aber sie akzeptierte es. Später zeigte ihr ich das Grundstück.
Sie kletterte auf ein paar Bäume, die waren aber schon alt und hatten morsche Äste. Also verbot ich ihr, darauf zu klettern. Ich hatte sicher noch genug Material, um ihr ein Klettergerüst zu bauen. Der Rest des Tages verging recht schnell, mit Fragen und Fragen und nochmals Fragen. Sie wusste die Übersetzer-App perfekt zu nutzen. Ich bekam nur selten eine Antwort auf meine Fragen. Bei allem, was ihre Vergangenheit betraf, gab sie sich sehr verschlossen. Von mir wollte sie einfach alles wissen.
Als ich am nächsten Tag erwachte, roch es nach Kaffee und Rührei. Dann hörte ich eine Stimme: „Papa, Frühstück ist fertig!“. Das konnte nicht sein, das war fast akzentfreies Deutsch, wann hatte sie das gelernt? Über Nacht? Und wieso nannte sie mich Papa? Ok, das Papa schmeichelte mir schon ein bisschen, ich musste Lächeln.
Beim Frühstück fragte ich sie, ob sie die ganze Nacht gelernt oder auch ein bisschen geschlafen hat. Ihre Antwort war: „Ein bisschen geschlafen habe ich“.
Eines ging mir noch durch den Kopf. Was würden die Menschen denken, wenn auf einmal ein Kind auf meinem Grundstück herumspringt?
Ich wohne hier zwar weit ab vom Schuss, doch ab und zu kommt doch jemand vorbei.
Ich muss mir eine glaubhafte Geschichte einfallen lassen. Diese Geschichte muss Sole aber auch kennen. Die Leute hier kannten mich schon ein paar Jahre, also brauchte ich nicht mit einer Enkelin anzukommen. Ich fragte Sole, ob sie eine Idee hätte. Sie meinte gleich, ich bin natürlich deine Tochter. Ich erklärte ihr, dass das keiner glauben würde. Sie begriff es, auch wenn es ihr nicht gefiel. Wir einigten uns darauf, dass sie meine Großnichte sei und sie, solange bei mir blieb, wie ihre Mutter im Krankenhaus lag, da diese einen Unfall hatte. Wir wiederholten es wieder und wieder. Im Gästezimmer hatte ich ihr einen PC eingerichtet, an dem sie weiter Deutsch lernen konnte.
Sie sollte aber auch andere Sachen lernen: Mathematik, Geschichte, Biologie, Informatik, Physik, Englisch und Waffenkunde. Sie wollte das alles nicht. Sie sagte: wozu soll ich das alles brauchen? Ich sagte, du wirst es brauchen, vertraue mir. Sie sagte: Wenn du es unbedingt willst, werde ich es lernen, aber du musst mein Lehrer sein. Ich willigte ein. Schon bald war ich mit meinem doch recht umfangreichem Wissen so ziemlich am Ende. Es war kaum vorstellbar, wie schnell sie lernte. Nach einem halben Jahr sprach sie fast perfekt deutsch. Ihr Englisch war viel besser als meins – ok, das war nicht so schwer, aber sie war erst 10.
Das Einzige, wo sie nicht mitzog, war Waffenkunde. Sie schien Waffen zu hassen. Ich wollte aber, dass sie sich verteidigen konnte. Eines Tages sagte sie zu mir: wozu brauche ich das? Ich sagte: Um dich zu verteidigen. Sie schaute mich an und lachte laut. Dann wurde sie ernst und sagte: Wenn ich mich nicht verteidigen könnte, wäre ich nicht hier. Aber es ist ok: Du zeigst mir wie man mit Waffen umgeht und ich zeige dir wie man sich verteidigt. Mir blieb der Mund offenstehen, sie lachte herzhaft und kitzelte mich am Bauch, sodass ich auch lachen musste.
Abends als ich alleine war, Sole schlief mittlerweile im Gästezimmer, ging mir durch den Kopf, was eigentlich mit mir passiert war. Ich als alter Eigenbrötler, der immer stolz darauf war vollkommen alleine klarzukommen, hatte auf einmal eine Tochter? Ja für mich war sie wie eine Tochter und dieses Gefühl gebraucht zu werden möchte ich nimmer missen.
Ihr Lachen, die strahlenden Augen, ihre neugierigen Fragen, endlich hatte ich wieder eine Aufgabe und was für eine. Ich musste Sole beschützen und lehren. Gleichzeitig musste ich den Wissenschaftlern mitteilen, dass künstliche Befruchtung funktionieren konnte, ohne Sole zu gefährden. Eigentlich eine Mammut-Aufgabe. Ich musste es irgendwie schaffen, zu viel hing davon ab. Vielleicht das Überleben der Menschheit. Mittlerweile war Sole 13 Jahre alt und sie hatte fleißig gelernt.
Sie wusste und konnte mittlerweile viel mehr als viele Erwachsenen. Ich konnte ihr nichts mehr beibringen. Selbst wenn es um Softwareprogrammierung ging, wo ich eigentlich Experte war, war sie schneller, effektiver und vor allem noch kreativer als ich. Sie ließ mich, dies nie so direkt spüren, vermutlich um mich nicht zu verletzen, aber ich wusste, sie ist ein Softwaregenie. Aber auch ich hatte von ihr gelernt: Ihre Verteidigungstechnik. Als sie mir erzählte, wie sie diese Technik gelernt oder besser erfunden hatte, stellten sich bei mir die Nackenhaare auf.
Sie sagte: Als sich mein Vater wieder einmal über mich beugte und sagte, lass uns ein bisschen Spaß haben, tat es wieder so weh. Ich kratzte, biss und schlug nach ihm, aber er hörte nicht auf. Irgendwann verließen mich meine Kräfte und aus dem Kratzen wurde nur noch ein Kitzeln. Ich kitzelte ihn am Bauch und er wich zurück.
Jedes Mal, wenn er über mich kam, kitzelte ich ihn an anderen Stellen. Kitzeln an einer bestimmten Stelle der Innenseite des Oberschenkels führt zu einem starken Schluckauf, an der Innenseite der Handgelenke wird die Erektion gestört, auf der Handinnenseite führt es zu einem kurzzeitigen Reaktions-Stopp des ganzen Körpers, er ist sozusagen erstarrt. Dieses kitzeln wirkt aber nur an einer winzigen Stelle, die muss man genau kennen. Damit konnte ich immer irgendwie verhindern, dass er in mich eindrang.
Auch später, als die Dorfbewohner mich jagten, konnte ich sie mit einer kleinen Berührung außer Gefecht setzen. Ich war geschockt und beeindruckt zugleich. Im Nahkampf konnte man damit jeden noch so körperlich überlegenen Gegner schlagen.
Jetzt war es Zeit ihr zu sagen, was an ihr so besonders war und dass sie so wichtig war um das fort Bestehen der Menschheit zu sichern. Wie sollte ich es ihr beibringen? Sie hatte so viel Schlimmes erlebt. Jetzt ging es ihr gerade richtig gut. Ich konnte es nicht! Ich konnte nicht all ihre Träume mit einem Schlag zerstören. Da kam mir eine Idee. Sie war so klug, vielleicht konnte sie das Rätsel selbst lösen. Ich erklärte ihr, wo das Problem der Menschen lag, sicher wusste sie es bereits. Ich sagte zu ihr: Du musst dich mit Molekularbiologie befassen und dir einen Überblick verschaffen, wie Enzyme, Hormone und all die anderen Sachen im Körper zusammenwirken. Ich versuche, eine Laborausrüstung zu organisieren.
Sie schaute mich mit großen Augen an und sagte: Ich soll die Welt retten, was verlangst du da von mir. Ich bin noch ein Mädchen und sollte spielen und Spaß haben.
Darauf sagte ich: Das sollst du ja auch und es tut mir in der Seele weh, dass du hier keine Spielkameraden hast. Glaub mir, ich suche schon lange nach einer Möglichkeit Kinder zu finden, mit denen du spielen und toben kannst. Bis jetzt leider erfolglos.
Sie unterbrach mich und sagte: Ich weiß, was du alles für mich tust und ich bin dir sehr dankbar dafür. Aber jetzt verlangst du etwas, was ich nicht kann. Ich nahm sie in den Arm und sagte: Du musst die Welt nicht retten, ich traue es dir aber zu, Dinge zu entdecken, welche die Wissenschaftler übersehen haben, weil sie zu eingefahren in ihrem Denken sind. Sie denken nur noch in Formeln und Algorithmen. Du bist offen für alles, vielleicht siehst du das Teil des Puzzles, was alle anderen übersehen haben. Du sollst jetzt auch nicht jeden Tag 10 Stunden forschen. Mach das am besten, wenn dir langweilig ist oder du Lust darauf hast. Sie nahm mich in den Arm und sagte: Du glaubst, das kann ich schaffen? Ich sagte: Nein, ich weiß, dass du es schaffst, wie alles, was du wirklich willst. Sie lächelte mich an und sagte: Ich versuche es. Ich sagte ihr: Ich will dich da wirklich nicht unter Druck setzen, geh es locker an. Ich würde mir nur wünschen, dass du es versuchst. Jetzt muss ich dir noch etwas sagen, das schiebe ich schon lange vor mir her. Ich habe Angst, dich damit zu verletzen.
Du bist mittlerweile der wichtigste Mensch in meinen Leben, ich liebe dich wie eine Tochter. Ich werde nicht zulassen, dass dir jemand weh tut. Und doch muss ich den Wissenschaftlern dieser Welt klarmachen, dass künstliche Befruchtung funktionieren kann. Du bist der Beweis.
Ich werde dich sicher nicht den Wissenschaftlern überlassen, doch selbst wenn sie nur eine Blutprobe von dir hätten, würden sie dich suchen. Wir wären ständig auf der Flucht, doch irgendwann würden sie uns finden. Das kann ich nicht zulassen.
Sie fiel mir um den Hals und flüsterte: Ich werde das Puzzle schon lösen, es wird aber eine Weile dauern. Du hast so viel Zeit wie du brauchst, lass dir Zeit, sonst übersiehst du womöglich ein wichtiges Detail.
Sie fragte: Hast du das auch wirklich so gemeint, wie du es sagtest? Ich fragte: Was meinst du? Dass du mich liebst wie eine Tochter. Ich sagte: ja ich liebe dich und für mich bist du jetzt meine Tochter. Sie klammerte sich an mich und fing an zu weinen. Ich hielt sie und brach ebenfalls in Tränen aus. Jetzt war alles ausgesprochen, ich hatte mich immer vor diesem Gespräch gefürchtet. Ich hatte Angst, sie würde glauben, ich hätte sie nur mitgenommen, um den Fortbestand der Menschheit zu gewährleisten.
Es war nicht leicht, eine Laborausrüstung zu erwerben, ohne aufzufallen. Mittlerweile wurden alle Käufe über das Internet in einer zentralen Datenbank registriert. Ich kannte ein Haus, das ziemlich abgelegen lag, der Besitzer war erst vor einigen Tagen verstorben.
Also gab ich mich als der Verstorbene aus, mit dem Risiko, dass die Ausrüstung Dieben zum Opfer fiel, wenn ich zu spät käme.
Sollte jemand irgendeinen Verdacht hegen und mir eine Falle stellen, wäre es auch gefährlich sofort dorthin zu fahren. Alles lief nach Plan. Ein teurer Plan. Die Laborausrüstung kostete mich fast 30000 Euro, aber sie war vom feinsten.
30000 mag wenig klingen, doch meine finanziellen Reserven waren begrenzt. Dadurch, dass es immer weniger Menschen gab, die mit so einer Ausrüstung etwas anfangen konnten, hätte ich sie eigentlich umsonst bekommen müssen.
Kapitel 3
Die meisten Infektionskrankheiten waren ausgerottet. In ein paar ärmeren Ländern gab es noch gelegentlich Fälle von Pest und Ebola. Es gab noch weitere Fortschritte in der Medizin. Mittlerweile wurden Kindern kurz nach ihrer Geburt Knorpelzellen aus dem Ohr entnommen.
Diese wurden gentechnisch so umprogrammiert, dass sie problemlos in allen Gelenken als Ersatz für aufgebrauchten Knorpel verwendet werden konnten. Die Knorpelzellen wurden im Labor vermehrt und konserviert, sodass jeder für das Alter eine entsprechende Menge Knorpel für notwendige Gelenkprobleme zur Verfügung hatte. Künstliche Gelenke waren nur noch nach schweren Unfällen nötig. Durch ein spezielles Verfahren wurde der konservierte Knorpel direkt in das betroffene Gelenk gespritzt.
Wo er sich durch die genetische Veränderung an den richtigen Stellen festsetzt und innerhalb weniger Stunden seine ursprüngliche Konsistenz und Widerstandskraft erreichte. Auch bei älteren Menschen konnte man dieses Verfahren noch anwenden.
Allerdings brauche es anfangs sehr lange, bis man eine ausreichende Menge Knorpel gezüchtet hatte. Dadurch wurde das ganze sehr teuer und die Krankenkassen übernahmen die Kosten nicht. Im Jahr 2031 entwickelten Wissenschaftler ein künstliches Enzym, das die Knorpelzüchtung revolutionierte. Aus einem winzigen Stückchen Knorpel entstand jetzt innerhalb von ein paar Stunden, eine ausreichende Menge Knorpel um jedes Gelenk zu versorgen.
2050 machten Geologen eine erschreckende Entdeckung. Mittlerweile konnten sie Vulkanausbrüche schon Wochen im Voraus erkennen. Ein neues Berechnungsmodell sollte noch weiter in die Zukunft schauen. So ergab die Berechnung, dass im März 2058 der Yellowstone ausbrechen würde. Die Folgen wären verheerend. Ein Vulkanischer Winter wäre die Folge, die Temperaturen würden um mindestens 10 Grad fallen und das für mehrere Jahre. Es würde kaum noch Sonnenlicht auf der Erde ankommen, sodass fast alle Pflanzen sterben. Ohne Pflanzen haben auch die Tiere keine Überlebenschance und für die Menschen würde es auch eng.
Die Wissenschaft suchte verzweifelt nach Lösungen.
Den Vulkan abzukühlen würde mehr Energie verbrauchen als verfügbar war und auch viel zu lange dauern. Die einzig denkbare Möglichkeit war, die Magmablase, die den Vulkan speist, anzubohren. So könnte man, verhindern, dass sich der Druck im Vulkan erhöht, weil kein neues Magma mehr aufsteigt. Doch das war ein gewaltiges Unterfangen. Die Magmakammer liegt in einer Tiefe von etwa 45 Kilometern, kein Mensch hat je so tief gebohrt. Zudem reichte kein kleines Loch, das Magma würde sofort erkalten und das Loch verschlissen. Es musste ein gewaltiges Loch sein. Niemand war in der Lage, zu berechnen, wie groß es wirklich sein müsste. Es gab Überlegungen das Loch zusätzlich zu beheizen, doch es war schier unmöglich so viel Energie vor Ort bereitzustellen.
Seit den verheerenden Wetterkatastrophen der 2030’er gibt es einen internationalen Krisenstab, indem jedes Land der Welt eingebunden ist. Dieser Krisenstab kann jeden Wissenschaftler, jeden Geologen, jeden Feuerwehrmann und bei Bedarf selbst die Putzfrau von ihrer Arbeit abziehen und für seine Anliegen beschäftigen. Finanziert wird alles aus einem internationalen Krisenfond. Dieser Stab hat sich in der Vergangenheit schon bewährt.
2036 saßen die hellsten Köpfe dieser Welt zusammen an einem virtuellen Tisch und erörterten Möglichkeiten, die nicht endenden Serien von heftigen Wirbelstürmen, die fast täglich irgendeine Region dieser Erde verwüsteten, zu beenden oder zu wenigstens zu dezimieren. Die Wissenschaftler blieben auch nach dem Treffen noch in engem Kontakt. Jede Idee wurde diskutiert. Die meisten waren jedoch nicht umsetzbar. Doch schon 2037 hatte ein Klimaforscher aus Nauru eine einfache, aber brillante Idee. Man könnte die Erdrotation stoppen, so würden die sich die Luftmassen nicht in Bewegung versetzen. Er wusste genau, dass dies nicht möglich war, doch jeder war aufgerufen, selbst die hirnrissigste Idee allen bekannt zu geben.
Ein Physiker aus Nevada wurde von ihm inspiriert und kam auf die Idee starke elektromagnetischen Impulse neben den Wirbelstürmen abzugeben, um die Luftteilchen aus ihrer Kreisbewegung zu reisen. Ihm war klar, dass diese Impulse unsere Infrastruktur stark beschädigen konnten. So ein EMP (electromagnetic pulse) konnte sämtliche Computer beschädigen und somit nicht nur unser Bankensystem lahmlegen. Atomkraftwerke und alles was über Computer gesteuert wird, also einfach alles, könnte versagen.
Hier kam ihm ein deutscher Wissenschaftler zur Hilfe. Er hatte vor ein paar Jahren ein System entwickelt, um elektromagnetische Impulse abzuschirmen.
Alles, was weiter als 10 km von dem EMP entfernt war, wäre damit sicher. Allerdings war der Energieverbrauch sehr hoch.
Ein Wetterforscher aus dem Irak hatte ein System entwickelt, welches Wirbelstürme durch Satellitendaten bereits kurz vor ihrer Entstehung orten konnte. Die ersten 20 Kleinversuche, einen elektromagnetische Impulse im Labor abzuschirmen, endeten im Chaos. Alle Computer im Labor wurden unbrauchbar. Eigentlich kein Problem, denn es gab mindestens 20 eins zu eins Kopien dieser Computer an einem entfernten Ort. Doch die Messungen, die erforderlich waren, um zu ergründen, was falsch lief, waren auch verloren. In nur zwei Tagen wurden 2 Kilometer lange Leitungen für alle Sensoren verlegt.
Die Sensoren selbst wurden wie eine Prüfung ergab durch den EMP nicht beschädigt. Beim nächsten Versuch kam Licht ins Dunkel. Das Energiefeld, welches den EMP abschirmen sollte, brauchte statt der berechneten 0,03 Sekunden, satte 5 Sekunden um sich vollständig aufzubauen. Jetzt könnte man denken, kein Problem, einfach 5 Sekunden eher einschalten, aber die Menge an Energie, die dafür notwendig wäre, ist gigantisch.
Es war geplant, das Schild für 1 bis 2 Sekunden einzuschalten. Selbst dafür konnte man die Energie weder von einem Flugzeug noch von einem Satelliten zur Verfügung stellen.
Man plante in einem Weltraumspaziergang 20 Satelliten zu koppeln, doch diese Menge an Energie konnten auch diese nicht liefern. Doch sie fanden folgendes heraus: Das Abschirmfeld blieb nach dem Abschalten der Energiezufuhr fast 4 Sekunden stabil. Beim Einschalten versuchten sie zunächst mit hoher Energie zu starten und diese dann langsam abzusenken. Sie experimentierten 3 Tage, Tag und Nacht. Am vierten Tag standen die Computer nur noch 100 Meter vom Versuchsort entfernt. Zur Sicherheit waren alle Sensoren doppelt angebracht und die entfernten Computer auch noch im Einsatz.
Die Lösung war nicht berechenbar, aber Versuch macht klug. Bereits 10 Sekunden vor dem EMP wurde der Schirm mit nur 1,5 % Leistung aktiviert, fünf Sekunden vor dem EMP wurde die Leistung kontinuierlich auf 10 % gesteigert und 3,8 Sekunden vor dem EMP schließlich auf 100 %. Es gelang, kein Computer wurde beschädigt. Es folgten weitere Tests mit stärkeren EMP’s und weiteren Entfernungen der Computer, dabei wurde der Energieverbrauch weiter optimiert. Zur gleichen Zeit wurden bereits Vorbereitungen getroffen, um die Systeme für den EMP und das Abschirmsystem in Satelliten zu integrieren. Weltweit bereiteten sich alle auf einen Totalausfall ihrer Computersysteme vor.
Alle Daten und Betriebssysteme wurden auf Festplatten und Bänder kopiert, diese wurden unter tiefen Gesteinsschichten in speziellen EMP-sicheren Behältern abgelegt.