Die Liaison - Maria Matray - E-Book

Die Liaison E-Book

Maria Matray

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Beschreibung

Dieser dokumentarische Roman erzählt die tragische, zwanzig Jahre währende Liaison der Prinzessin Louise von Coburg mit einem kroatischen Oberleutnant. Louise war die Tochter und Erbin von König Leopold II. von Belgien. Queen Victoria war ihre Tante, die österreichische Kronprinzessin ihre Schwester; der deutsche Kaiser und der russische Zar waren ihre Vettern. Romantischer als die «Affaire Mayerling» begann die unmögliche Liaison um die Jahrhundertwende, machte zwanzig Jahre lang in aller Welt Schlagzeilen und verlief dramatischer als der «Fall Dreyfus». Staatsraison und gesellschaftliche Zwänge, Kalkül und Lebensgier, Krieg und Revolution prägen diese Abenteuer- und Leidensgeschichte zweier Menschen, die sich gegen die verkrustete Etikette der europäischen Herrscherhäuser stellten. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Seitenzahl: 543

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Maria Matray | Answald Krüger

Die Liaison

Roman einer europäischen Tragödie

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Inhalt

Um die Jahrhundertwende erregte [...]ILGLGLGLGLGLGLGIIGIIIIVLGLGLVGLGLGVILVIIGLGLGLGVIIILGLGLIXGLXGLGLGLGLGLGLXIGLGLGLGLGLXIIGLGLXIIIXIVLXVGLGLGXVIXVIIGLXVIIIGLGLXIXXXLGLGLGXXIXXIIL

Um die Jahrhundertwende erregte Europa und seine Königshäuser ein Skandal, der in den bizarren Formen, die er annahm, wie wegen der verlogenen Scheinmoral und einer unmenschlichen Härte, mit der man ihn zu vertuschen suchte, nicht seinesgleichen hatte: Die Liaison zwischen der Prinzessin Louise von Coburg, einer Tochter des Königs Leopold II. von Belgien, und dem Grafen Geza von Mattachich, einem k. und k. Ulanen-Oberleutnant.

Im vergangenen Sommer entdeckte ein westlicher Journalist, der in Budapest die Welt-Jagdausstellung besuchte, in einem kleinen Antiquitätengeschäft zwei alte, halbvergilbte handgeschriebene Tagebücher, das eine in französischer, das andere in kroatischer Sprache. Es handelte sich um die Aufzeichnungen eben jener Prinzessin Louise und ihres Liebhabers.

Der Journalist erwarb die beiden Bücher von Janos Berlinger, dem Besitzer des Ladens, für den Gegenwert von 200 Dollars, schmuggelte sie in seinem Wagen aus Ungarn heraus und ließ sie übersetzen. So gut der Ablauf der für diese untergehende Epoche beispielhaften Geschehnisse aus den spärlichen und nicht immer zuverlässigen Daten zu erkennen war, fügte er die Texte ineinander und ergänzte die sehr persönlichen Aufzeichnungen des Paares durch zeitgenössische Presseveröffentlichungen und Dokumente. Dem Ganzen gab er den Titel DIE LIAISON.

I

L

Wien, Oktober 1895. Das Mittagessen verlief mit derselben tödlichen Langeweile wie immer.

Philipp, seine Mutter und ich saßen um den Tisch, der bequem dreißig Personen Platz bietet. Das sicherte jedem die kühle Distanz zum Nachbarn, die unseren Beziehungen trefflich entspricht.

Die Lakaien servierten mit lautloser Perfektion. Ich schreckte jedes Mal zusammen, wenn plötzlich wie aus dem Nichts eine silberne Schüssel an meiner Linken auftauchte.

Ich hasse diesen düsteren prunkvollen Speisesaal, hasse die Portraits der arrogant dreinblickenden königlichen Verwandten mit ihren langen spitzen Coburger Nasen.

Bei Tisch wird nie ein Wort gesprochen. Die alte Prinzessin Clementine ist schwerhörig. So laut zu schreien, daß sie uns versteht, verstieße gegen die Regeln des Anstands. Eine Unterhaltung zwischen Philipp und mir unter Ausschluß meiner Schwiegermutter wäre ebenso unpassend. Außerdem haben wir uns nichts zu sagen.

Ich blickte also wie immer schweigend auf meinen Teller. Als die Prinzessin die Tafel aufhob, küßte ich ihr die Hand und wartete geduldig, bis sie den Raum verlassen hatte. Wie es sich in Gegenwart der Dienstboten gehört, wünschte ich Philipp nun eine ‹Gesegnete Mahlzeit› und ging rasch in meine Zimmer.

 

 

 

Antonia zog mir Kleid und Schuhe aus, lockerte das Korsett und bettete mich auf das Recamier.

Ich betrachtete zum hunderttausendsten Mal die Stuckatur an der Decke, folgte den endlosen Schlangenlinien, die sie beschrieb, und schlief schließlich ein.

Als ich aufwachte, verspürte ich eine leichte Migräne. Aus irgendeinem Grund, ich weiß nicht aus welchem, wählte ich das grüne Samtkostüm, das mir besonders gut steht. Dazu den entzückenden kleinen Filzhut mit Pleureusen, von dem Philipp behauptet, ich sähe darin wie ein Zirkuspferd aus. Was nur beweist, daß er einen miserablen Geschmack hat.

Die Fugger ließ fragen, ob wir Dora und die Gouvernante mitnehmen würden. Ich sagte nein.

Dora ist reizend und nett, und ich habe sie von Herzen lieb, aber sie ist erschreckend kindlich für ihre vierzehn Jahre. Ihr Geplapper geht mir oft entsetzlich auf die Nerven und noch mehr die pädagogischen Auslassungen von Mademoiselle de Rouvignard. Wenn die Rouvignard Dora Vorhaltungen macht, habe ich stets das Gefühl, sie meint im Grunde mich. Ich werde sie demnächst entlassen. Oder besser noch, ich werde den Kammervorsteher bitten, sie zu entlassen und für Ersatz zu sorgen. Vielleicht findet er eine Erzieherin, die manchmal auch lachen kann. Aber selbst wenn er sie fände, würde ihr das Lachen hinter den Mauern des Palais Coburg bald vergehen. Ist sie hübsch, wird Philipp sie verführen. Das wäre mir zwar vollkommen gleichgültig, aber seine Mutter würde es sofort rausbekommen, obwohl sie so taub ist, daß sie kein Wort versteht, und so schlecht sieht, daß sie nicht mehr lesen kann. Ich weiß nicht, ob die Gebrechen ihre Instinkte geschärft haben oder ob die alte Prinzessin einen privaten Spionagedienst unter den Bedienten eingerichtet hat. Jedenfalls passiert in diesem Haus nichts, was sie nicht weiß. Also würde die hübsche lachende Gouvernante, die wir nicht haben, bald durch eine zweite Mademoiselle de Rouvignard ersetzt werden. Deshalb kann ich genausogut das Original behalten. Nur will ich sie nicht in den Prater mitnehmen.

 

 

 

Der Kutscher hatte die Apfelschimmel eingespannt, die Sonne war hinter den Wolken vorgekommen, ich lehnte mich in den Fond der Equipage zurück, die Migräne war vergessen.

Der Herbst ist oft melancholisch, und ich kann ihn nicht leiden.

Aber es war ein heiterer Tag geworden, die Blätter lagen wie ein goldbrauner Teppich auf der Fahrbahn.

Wir überholten die Kutsche der Erzherzogin Elisabeth Amalie. Als unsere Wagen einige Sekunden nebeneinander herrollten und wir uns zunickten, warf die Erzherzogin einen Blick auf meine Pleureusen und erblaßte.

In Wien sind Pleureusen überhaupt noch nicht zu bekommen. Da ich meine Hüte in Paris machen lasse, bin ich der hiesigen Mode natürlich voraus. Das schien die Arme sehr zu kränken.

Viele Freunde und Bekannte waren unterwegs. Graf Carvajal kutschierte sein neues Gig, das er sich in England hatte bauen lassen. Ein elegantes, sportliches Gefährt.

Als wir in die Hauptallee einbogen, bemerkte ich, daß die Spaziergänger stehenblieben und neugierig nach dem Reitweg hinübersahen.

Dort stand, völlig unbeweglich, ein störrischer Rappe mit einem Ulanenleutnant im Sattel. Das Pferd verweigerte den Gehorsam und blockierte die Passage für die anderen Reiter.

Der Leutnant gab ihm hart Peitsche und Sporen, der Rappe stieg ein paar Mal, bohrte aber dann eigensinnig die Hufe in den Sand und rührte sich nicht von der Stelle. Es schien ein junges, feuriges Tier zu sein, das zugeritten wurde. Plötzlich entschloß es sich zu einem Überraschungsmanöver, stieg wieder, galoppierte dann auf die Fußgänger los, die erschreckt auseinanderstoben, raste weiter auf den Fahrweg und nahm geradewegs Kurs auf unsere Equipage.

Der Kutscher brachte geistesgegenwärtig die Apfelschimmel zum Stehen, die Gräfin Fugger schrie vor Angst, und ich genoß das Schauspiel. Wenige Meter vor unserem Wagen gelang es dem Leutnant, das Pferd in die Gewalt zu bekommen.

Ich sah ihn mir an, diesen Leutnant. Er war jung, schlank, Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Als ob er damit das störrische Tier bezwingen könnte, biß er die Zähne so hart aufeinander, daß die Haut über den Backenknochen schneeweiß aussah. Er warf mir einen schnellen, prüfenden Blick zu, und ich dachte, wenn ich ihn jetzt auslache, bringt er mich um. Er könnte das Stigma der Lächerlichkeit nie verwinden.

Nun ließ mein Kutscher die Schimmel laufen und fuhr im Halbkreis um den Rappen herum, der sich mitten auf dem Fahrweg wieder in ein regloses Standbild verwandelt hatte. Nach etwa hundert Metern befahl ich anzuhalten. Ich wollte sehen, wie der Kampf zwischen Reiter und Rappen ausgehen würde.

Der Leutnant lockerte die Zügel. Mit einem Mal schien das Pferd der eigenen Bosheit müde. Gehorsam machte es kehrt und trabte zwischen den Kutschen hindurch an uns vorbei. Ein unterdrücktes Siegerlächeln war auf dem Gesicht des Leutnants zu sehen. Er schielte kurz zu mir herüber und verschwand dann auf dem Reitweg.

 

 

 

Drei Wochen lang war ich jeden Tag im Prater, und immer habe ich den unbekannten Leutnant gesehen. Manchmal ritt ich, manchmal fuhr ich in der Equipage, manchmal kutschierte ich selbst. Manchmal nahm ich sogar Dora und ihre Gouvernante mit. Der Prater ist zwar sehr groß, trotzdem trafen wir uns immer wieder. Der Rappe hat inzwischen Fortschritte gemacht. Er verursachte keine Aufläufe mehr, gehorcht und blamiert seinen Reiter nicht.

Während der ersten Woche warf mir der Leutnant nur verstohlene Blicke zu, von denen er zu glauben schien, daß ich sie nicht bemerkte. Als er dann feststellte, daß ich ihm freundlich zulächelte, salutierte er jedesmal, wenn er vorbeiritt.

 

 

 

Heute abend gingen wir in die Oper, Philipp, seine Mutter, Leopold und ich. Leopold ist für eine Woche von der Kadettenschule beurlaubt. Er sieht arrogant und erwachsen aus. Niemand würde mir einen so großen Sohn zutrauen.

Als Baby war er mein erklärter Liebling, mein kleines Spielzeug. Obwohl es sich nach Philipps Meinung ganz und gar nicht schickte, hielt ich mich stundenlang im Kinderzimmer auf und spielte mit ihm, zum Ärger der Amme und des Kindermädchens. Drei Jahre später war ich wieder in anderen Umständen, Dora kam zur Welt, und ehe ich mich versah, hatte ich Leopold verloren. Sein Vater hatte ihn in Beschlag genommen. Das bedeutet nicht etwa, daß er sich persönlich seiner annahm! So weit ging Philipps Interesse nicht, dazu war er zu bequem. Aber er sorgte dafür, daß der Stammhalter «männlich» erzogen wurde und nicht länger meinen «weiblichen Einflüssen» ausgesetzt war. Philipp bestimmte seine Erzieher, sorgte für einen Platz in der Kadettenschule und für die zukünftige Position im Regiment.

Irgendwann, sehr früh in Leopolds Leben, gelang es Philipp, ihn gegen mich einzunehmen. Ich weiß nicht genau, wann es geschah, noch was er ihm sagte, oder was er gegen mich ins Feld führte. Sicher ist aber, daß Leopold sich bewußt und betont von mir abwandte und daß Philipp keinen Finger rührte, um es zu verhindern.

Plötzlich hatte ich in meinem eigenen Kind einen kleinen Feind. Ich machte verschiedene Versuche, die Entfremdung zu durchbrechen, doch ich begegnete der geschlossenen Front von Vater und Sohn. Ich sagte mir, daß nur Philipp die Schuld traf, trotzdem nahm ich es Leopold übel, daß er so leicht zu beeinflussen war.

Seit dieser Zeit fällt es mir schwer, meinen Sohn aufrichtig zu lieben. Aber er braucht weder mich noch meine Liebe. Vater und Großmutter vergöttern ihn. Alle Betisen und Frechheiten werden ihm verziehen, als charmante kleine Unarten ausgelegt. Er wird auf ein Piedestal gestellt, ist ein Halbgott, nein, ein Gott. Mit nur einem einzigen Makel behaftet: Ich bin seine Mutter. Damit muß er allerdings leben.

Die Melba gastierte als Norma. Da Philipp sich einbildet, musikalisch zu sein, und es außerdem hieß, Kaiser Franz Joseph würde die Oper besuchen, wurde eine Loge bestellt.

Ich genoß die Vorstellung, bewunderte die phantastischen Koloraturen der Australierin, von der man sagt, daß sie Wilhelm II. ausnehmend gut gefalle, und hatte für nichts anderes Augen.

Plötzlich zischte Philipp mir ins Ohr: «Wer ist der Kerl, der dich so unverschämt anstarrt?» Er deutete ins Parkett.

Dort saß mein Leutnant, würdigte die göttliche Melba keines Blickes und sah unverwandt zu mir herauf. Es war nichts Unverschämtes in seinem Blick, nur Bewunderung.

«Ich habe keine Ahnung. Ich sehe den Menschen zum ersten Mal im Leben!» sagte ich. Ich mußte meinen Reiter aus dem Prater verleugnen. Sonst hätte es wieder eine von Philipps unerträglichen Szenen gegeben. Und danach war mir nicht zumute. Aber es machte mir großen Spaß, den kleinen Leutnant in der Oper wiederzusehen.

 

 

 

Nach der Vorstellung soupierten wir im «Sacher». Ich trank viel Champagner und war bester Laune.

Erzherzog Ludwig Victor kam an unseren Tisch. Er gehört zu meinen Verehrern und betet mich an. Auch ich kann ihn gut leiden. Er ist charmant, witzig, auf amüsante Weise boshaft und weiß stets den neuesten Tratsch.

An diesem Abend machte er mir wieder auf recht unverfrorene Weise den Hof. Philipp war wütend, schwieg aber. Um dem Bruder des Kaisers den Mund zu verbieten, ist er viel zu feige.

 

 

 

Der Leutnant hat sich vervielfacht. Es gibt ihn nicht nur im Prater und in der Oper, sondern in ganz Wien. Er steht am Graben, wenn ich mit Dora bei Braun Besorgungen mache, er läuft den Kohlmarkt entlang, wenn ich mit der Gräfin Fugger beim «Demel» ein Eis esse, er spaziert die Seilerstätte hinunter, wenn ich aus dem Palais fahre. Er kennt meine Lebensgewohnheiten besser als ich.

Armer Leutnant, er wird mich bald vermissen. Am Montag reise ich zu meiner Schwester nach Abbazia.

 

 

 

Januar 1896, in der Eisenbahn. Ich frage mich, ob ich Stephanie wirklich liebe oder ob uns nur anerzogene verwandtschaftliche Gefühle verbinden.

Äußerlich ähneln wir uns sehr. Stephanie ist zwar sechs Jahre jünger, aber das sieht man ihr nicht an. Sonst sind wir grundverschieden. Sie glaubt alles, was man uns beigebracht hat über Standesbewußtsein, Ehre, Moral und Etikette. Sie glaubt treu und fest, was ich längst anzweifle. Sie nimmt ernst, worüber ich nur noch lache. Manchmal rührt mich diese Simplizität, aber oft reizt sie mich entsetzlich.

Ich bin ihre Vertraute. Sie hat keine Geheimnisse vor mir. Jedenfalls schwört sie mir das. Ich dagegen habe tausend Geheimnisse, von denen ich ihr keines anvertraue.

Nie habe ich ihr gestanden, daß mich mit Kronprinz Rudolf eine intime Freundschaft verband, ehe er Stephanie heiratete. Rudolf und ich waren beide siebzehn, als wir uns begegneten und sofort ineinander verliebten.

Ich war damals schon über ein Jahr verheiratet. Philipp ist vierzehn Jahre älter als ich. Ich verabscheute ihn vom ersten Tag an - genauer: von der ersten Nacht an -, fand ihn abstoßend, lüstern und berechnend, während Rudolf schön, charmant und liebenswert war.

Rudolf dachte dasselbe von mir, denn es war kein Zufall, daß er schließlich Stephanie heiratete. Ich hatte ihm eines Tages gesagt: «Wenn du wirklich jemanden willst, der mir ähnelt, geh nach Brüssel und sieh dir meine kleine Schwester an!»

Natürlich habe ich Stephanie erst recht verschwiegen, daß unsere Beziehungen nie völlig aufhörten.

Ich denke besonders an die Zeit, als uns das Kronprinzenpaar in Ungarn besuchte. Die ahnungslose Stephanie durfte nicht reiten, der Arzt hatte es ihr verboten. Der keineswegs so ahnungslose Philipp mußte den perfekten Gastgeber spielen und ihr Gesellschaft leisten.

In jenen Tagen gelang es Rudolf und mir ein paar Mal, unser Gefolge von Reitknechten und Jägern abzuschütteln. Dann flüchteten wir in einen kleinen Heuschober. Wir waren längst nicht mehr ineinander verliebt, aber wir hatten Spaß. Nicht nur an uns, sondern auch am Betrug. Es erfüllte mich mit wahrer Wollust, etwas zu tun, was Philipp nicht recht sein konnte, und Rudolf ging es mit Stephanie genauso.

Ich denke auch an die Wochen auf Lacroma.

Franz Josephs Bruder Maximilian hatte sich vor Jahren in die kleine Insel verliebt und das halb verfallene Kloster San Marco für sich und Tante Charlotte ausbauen lassen. Wenn Maximilian nicht vom Ehrgeiz zerfressen gewesen wäre, könnte er noch heute glücklich mit seiner Frau in Lacroma leben, weit genug weg von Wien, um sich nicht über den Bruder ärgern zu müssen. Aber er mußte ja auch unbedingt Kaiser werden! Ausgerechnet bei den Indianern in Mexiko, die ihn partout nicht wollten und prompt umbrachten! Meiner armen Tante Charlotte hat das Abenteuer den Verstand gekostet. Sie ist wahnsinnig darüber geworden. Rudolf liebte und bewunderte Onkel Maximilian, weil der sich mit seinen Plänen gegen Franz Joseph durchsetzen konnte, was Rudolf nie gelungen ist. Jahre nachdem Maximilian in Queretaro erschossen worden war, kaufte der Kronprinz die Insel. Nach Rudolfs Selbstmord überließ Franz Joseph sie den Dominikanern, die das Schlößchen wieder in ein Kloster verwandelten.

In Wien war man ‹über die Gesundheit des Kronprinzen beunruhigt›. Wenn diese Ausrede herhalten mußte, hatte es meist Ärger zwischen dem Kaiser und ihm gegeben. Entweder hatte Rudolf einen seiner unvorsichtigen Artikel in den Zeitungen lanciert oder eine neue skandalöse Liebschaft begonnen. Dann wurde er stets auf Reisen geschickt.

Diesmal bestieg er mit Stephanie in Triest die Jacht Miramar und kreuzte in der Adria. Als sie in Lacroma an Land gingen, erkrankte Stephanie.

Auf Wunsch ihres Leibarztes wurde ein Spezialist aus Wien gerufen, und ich, die besorgte Schwester, eilte an ihr Lager.

Sie hatte hohes Fieber und durfte nur kurze Besuche empfangen. So waren Rudolf und ich viel allein. Aber wir waren beide keine siebzehn mehr, sondern achtundzwanzig.

Vielleicht bedrückte uns die Romantik des alten Klostergemäuers oder der schwere Duft der fast tropischen Blütenpracht. Jedenfalls überfiel uns häufig tiefe Melancholie.

Rudolf verfluchte sein verpfuschtes Leben, seine ungeliebte Frau, die nicht mal imstande war, ihm einen Thronerben zu schenken, und seinen starrköpfigen Vater, der allem Anschein nach zu regieren gedachte, bis Rudolfs beste Jahre vorbei sein würden.

Von solcher Schwermut angesteckt, beklagte auch ich mein Leben und meine unglückliche Ehe. Aber Rudolf hatte kein Verständnis für mich. Die Jahre hatten ihn mehr und mehr zum Egoisten gemacht. Er dachte nur noch an sich selbst, haderte mit dem eigenen Schicksal und hielt nur sich für beklagenswert.

Manchmal schlug seine Stimmung plötzlich um, und der alte Leichtsinn war wieder da, aber mit einem seltsam hektischen Unterton. Dann fürchtete ich mich regelrecht vor ihm und war schließlich erleichtert, als Stephanies Gesundheit mir erlaubte, nach Wien zurückzukehren.

Was mag Stephanie empfunden haben, als Rudolf sich und diese levantinische Schlampe, die Vetsera, in Mayerling umbrachte? Er nahm seine letzte Geliebte mit in den Tod und zeigte so der ganzen Welt, daß er sich nichts aus meiner Schwester machte. Es war eine abgrundtiefe Beleidigung für sie. Ich glaube fast, er hatte es darauf angelegt, Stephanie weh zu tun.

Ich erinnere mich an ein großes Diner bei uns im Palais Coburg, nicht lange vor seinem Tod. Rudolf saß zu meiner Rechten und Stephanie mir gegenüber, glücklicherweise durch die Tischdekoration ein wenig abgeschirmt.

Rudolf hatte seine Frau ein paar Sekunden gedankenverloren angestarrt. Plötzlich zog er eine goldene Zigarettendose aus der Tasche, öffnete sie und hielt sie mir hin. Im Deckel sah ich eine Fotographie der Vetsera.

«Wie gefällt sie dir?» fragte er, ohne die Stimme im geringsten zu dämpfen. «Ist sie nicht schön?»

Es war eine beispiellose Taktlosigkeit. Ich war entsetzt.

«Sie ist sehr schön … die Dose», entgegnete ich und sah schnell zu meiner Schwester hinüber, die harmlos mit Philipp plauderte.

Damals verspürte ich zum ersten und wohl auch einzigen Mal Mitleid mit Stephanie.

G

29. Jänner 1896. War nach längerer Zeit wieder bei Fanny. Nicht sehr erhebend. Als ich ihr das billige Korsett aufschnürte, hab ich mir die kostbaren Dessous der Prinzessin vorzustellen versucht. Am liebsten wär ich wieder gegangen. Aber sie hat mich natürlich doch rumgekriegt. Im Bett ist sie in Ordnung, das Luder. Sonst von Mal zu Mal unerträglicher. Wenn sie den Mund aufmacht, könnt ich schreien. Diese Art Weiber sollten stumm sein und die Betten nie verlassen dürfen.

Zog mich gleich wieder an.

«Hat's dir net g'fallen? War ich vielleicht net liab g'nug?»

Es hat mir gefallen. Weil ich die ganze Zeit an die andere gedacht hab. Aber das konnte ich ihr schlecht sagen.

«Hast eine Neue?»

Schön wär's! Aber ich bin noch keinen Schritt weiter. Ich grüße. Sie grüßt zurück. Mehr nicht.

Halt! Richtig überlegt, bin ich doch schon ein Stück weiter. Ich will nicht Geza heißen, wenn die Art, wie sie zurückgrüßt, nicht bedeuten soll: Nur immer voran so, Herr Oberleutnant! Nicht nachlassen! Nicht aufgeben! Rom wurde auch nicht in einem Tag erbaut!

Himmel, was für eine Frau!

Sie ist das aufregendste und schönste Weib, das ich je gesehen hab. Ganz Wien liegt ihr zu Füßen.

Zum Glück war's deshalb auch kein Problem, rauszukriegen, wer sie ist. Man mußte schon wie ich aus der ödesten Provinz kommen, um sie nicht zu kennen. Es heißt, niemand aus der ganzen Hofgesellschaft gibt annähernd so viel Geld für Garderobe aus wie meine Angebetete, und da sie ihre Kleider zu tragen versteht, sollen die Erzherzoginnen und Prinzessinnen nicht besonders gut auf sie zu sprechen sein. Ganz im Gegensatz zu den Erzherzögen und Prinzen!

Da bin ich gleich beim wichtigsten: Ich hab' aus zuverlässiger Quelle erfahren, daß Ihrer Königlichen Hoheit nicht das geringste Standesbewußtsein im Weg steht, wenn sie sich amüsieren will. Eine gute Nachricht! Es soll mehrere junge Kameraden aus der Suite ihres Gemahls, des k. und k. Feldmarschalleutnants Prinz Philipp von Coburg, geben, die das Vergnügen hatten, es persönlich feststellen zu dürfen.

Jetzt bin ich natürlich erst recht scharf auf sie.

Die Tochter Leopolds II., ein echtes Königskind! Das wär doch mal was anderes als geldgierige Huren oder stupide Hausmeisterstöchter. Die können ausschauen, wie sie wollen, Ackergaul bleibt Ackergaul.

 

 

 

Ich muß rauskriegen, wo sie steckt. Seit einer Woche ist sie verschwunden. Ich reite wie blöd bei einer Mordskälte kreuz und quer durch den Prater, aber meine Prinzessin ist verschollen.

 

 

 

30. Jänner. Klirrender Frost. Trotzdem treibe ich mich drei Stunden in der Seilerstätte rum. Ohne Erfolg.

Halb erstarrt geh ich ins Kaffeehaus in der Johannesgasse. Ich blättere übellaunig in der Presse und lese ganz zufällig: «Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Louise von Coburg hat sich mit ihrer Tochter Dora nach Abbazia begeben. Sie wird dort Ihre Kaiserliche Hoheit Kronprinzessin-Witwe Stephanie besuchen, die seit längerem in Abbazia weilt.»

Im selben Moment weiß ich, daß ich ebenfalls nach Abbazia fahren werde.

 

 

 

Abends. Ich muß meine Kriegskasse auffüllen, bevor ich reise. Sonst komm ich nicht bis Wiener Neustadt. Meine finanzielle Situation ist derzeit leider wieder äußerst desolat.

 

 

 

2. Feber. Seit drei Tagen laufe ich nur hinter Geld her. So schwer war's noch nie. Alles ist stier. Jedenfalls behaupten sie's. Die Lindnerin hat mir fünfzig Kronen aus der Ladenkasse ihres Gatten gegeben, eine gute Seele. Das war immerhin ein Anfang. Fünfundzwanzig Kronen konnt ich dem Ferdl abknöpfen. Ich brauch's für ein Mädel, hab ich ihm gesagt, das Pech gehabt hat. Daraufhin hat sein Kavaliersherz gesprochen. Den Rest hab ich mir beim Juden in der Rotensterngasse geholt. Meinem seligen Vater sei wieder mal Dank. Ich werde zwar ohne seinen Brillantring und ohne Uhr in Abbazia erscheinen, dafür aber mit annähernd fünfhundert Kronen in der Tasche. Das sind keine schlechten Auspizien.

Morgen früh geht's los. Mal sehen, was eine Prinzessin kostet!

L

Abbazia, Mittwoch. Früher konnte ich Stephanies Vorliebe für Abbazia nie ganz verstehen. Ich weiß, es ist in Mode, es gehört zum guten Ton, sich hier zu zeigen. Aber warum soll ich stundenlang in der Eisenbahn sitzen, um dann dieselben Gesichter zu sehen wie in Wien oder Budapest. Landschaftlich ist es zwar recht hübsch, und ich gebe auch zu, daß es am Meer wirklich malerische Spaziergänge gibt, nur ist Abbazia im großen und ganzen doch sehr provinziell und kann sich weder mit Biarritz noch mit Ostende messen.

Trotzdem gefällt es mir diesmal ausnehmend gut.

Stephanie hat die Villa Amalia gemietet, eine Dependance des Hotels «Quarnero», und mich eingeladen, auch dort zu wohnen. Aber ich habe nur Dora, die Gouvernante und mein Gefolge drüben in der Villa untergebracht. Für mich und die Gräfin Fugger nahm ich Appartements im Haupthaus.

Stephanie ist verändert. Sie ist weniger steif, heiterer und sieht besser aus als in den letzten Monaten. Für diese Veränderung muß es einen Grund geben, und ich erwarte, daß sie ihn mir schnellstens mitteilen wird. Sonst hätte ich mich sehr in ihr getäuscht.

Donnerstag. Stephanie ist verliebt.

«Bitte, faß es nicht falsch auf und denk vor allem nicht schlecht von mir, wenn ich dir gestehe, daß ich einen neuen Sinn in meinem Leben gefunden zu haben glaube!» So kompliziert drückt sie sich aus, wenn sie so simple Dinge sagen will. «Ich weiß, was ich meiner Stellung schuldig bin, und ich schwöre dir, daß ich niemals einen Fauxpas begehen werde, aber es macht mir Freude, in den Augen eines jungen Mannes aufrichtige Verehrung lesen zu können. Verstehst du das, Louise?» Dabei sieht sie mich flehentlich an.

Nachdem ich ihr versichert habe, daß ich es verstehe, fährt sie fort: «Er heißt Elemer Lonyay und ist nichts! Überhaupt nichts! Stell dir das vor, ein Graf! Ein ungarischer Graf!» Es klang, als ob sie sagen wollte: ein bosnischer Bergwerksarbeiter.

 

 

 

Der «bosnische Bergwerksarbeiter» kam zum Tee. Er ist ein wohlerzogener, aristokratisch aussehender junger Mann, in dessen Augen ich tatsächlich so etwas wie Verehrung für die Kronprinzessin-Witwe lesen konnte.

Stephanie war entsetzlich nervös. Sie zitterte, ob Graf Lonyay mir gefallen würde.

Es war keineswegs ein Tee unter sechs Augen. Das hätte sie für eine unentschuldbare Verletzung der Etikette gehalten. Unsere Hofdamen waren anwesend und unsere Töchter. Stephanies Erszi und meine Dora mit ihren Gouvernanten. Außerdem einige Offiziere, vermutlich Regimentskameraden des Grafen. Es war also ein formvollendeter Five o'clock tea, eine Veranstaltung, die ich zutiefst verabscheue.

Ich entschuldigte mich früh und ging hinüber ins Hotel.

Ich ließ mich von meiner Kammerfrau entkleiden, schlüpfte in ein Negligé und bestellte schließlich ein leichtes Souper, das ich im Salon einnahm, der eine Terrasse mit herrlicher Aussicht aufs Meer hat.

Als ich zu Bett gehen wollte, erschien Stephanie.

«Warum bist du so früh aufgebrochen? Wie gefällt er dir? Hat er nicht schöne sanfte Augen? Findest du mich ein bißchen närrisch?»

Ich hatte sie selten so erregt gesehen. Ihre Fragen prasselten auf mich nieder. Ich versuchte, alle zu beantworten.

«Er gefällt mir gut, er hat sanfte schöne Augen. Aber es ist wahr, du benimmst dich ein bißchen närrisch.»

Stephanie ließ sich in einen Fauteuil gleiten.

«Ja, ich bin närrisch», gab sie zu. «Graf Lonyay bedeutet mir natürlich in Wahrheit nichts. Du darfst nicht denken, daß ich in ihn verliebt wäre. Bestimmt nicht!» Sie hob zwei Finger zum Schwur. «Bei allem, was mir heilig ist! Ich habe so Entsetzliches durchgemacht mit Rudolf. Ich bin so tief gedemütigt worden … von ihm und der ganzen Wiener Hofkamarilla. Da bin ich eben glücklich, wenn mich jemand wirklich verehrt.» Und wieder fragte sie flehentlich: «Verstehst du das?»

Ja, ich verstand es.

Wir ließen uns einen Lindenblütentee kommen und schwatzten jetzt über harmlose Dinge.

Stephanie erzählte, daß übermorgen eine Redoute im Kursaal stattfinden würde, die wir alle in großer Gesellschaft besuchen sollten. Dann erhob sie sich. Sie umarmte und küßte mich mit einer Wärme, die ich bei ihr nie zuvor wahrgenommen hatte, und verschwand.

Jetzt, wo ich allein bin, fühle ich mich einsam. Ich bin traurig. Warum bloß? Es hat sich in den letzten Stunden nichts verändert. Ich war glücklich, als ich hier ankam, es gefiel mir, die Sonne schien, Abbazia war hübsch. Und plötzlich sehe ich alles grau. Ich möchte am liebsten abreisen. Zurück nach Wien.

Aber wie soll ich Stephanie das erklären? Welchen Grund könnte ich angeben? Keinen. Es gibt keinen.

Zum ersten Mal spüre ich, daß Stephanie jünger ist als ich. Nicht daß sie jünger aussieht! Aber ihr Wesen. Sie hat eine Naivität, die ich nie besessen habe. Und dann diese unglaublich verbohrte Vorstellung von Standesbewußtsein! Kann sie tatsächlich so besessen von ihrer Würde sein, daß sie sich ihren ungarischen Grafen, diesen ‹bosnischen Bergwerksarbeiter›, entgehen läßt? Daß sie sich nur in seiner Verehrung, seiner Anbetung badet, ihn aber sonst in seine Schranken verweist, die irgendwo abgrundtief unter ihr liegen?

Diese Vorstellung erheitert mich. Es ist grotesk, aber ich glaube, daß sie der Wahrheit entspricht. Eben noch wollte ich Stephanie um ihr Glück beneiden, nun weiß ich, daß sie es verspielen wird.

Sie sollte mir eigentlich leid tun.

 

 

 

Freitag. Vormittags unternahm ich mit den Kindern eine Promenade den Strandweg entlang.

Es war stürmisch, und die Wellen brachen sich mit solchem Getöse an den Felsen, daß die Gischt bis zu uns hinaufspritzte. Man konnte sein eigenes Wort nicht verstehen. Wir hatten ursprünglich eine Dampferfahrt nach Lovrana geplant, aber daran war bei diesem Seegang nicht zu denken.

Mittags trafen wir uns mit Stephanie bei «David» am Kurpark, wo wir vorzüglich speisten. Stephanie wollte wissen, was für ein Kostüm ich morgen zur Redoute tragen werde. Sie plante, als Marie-Antoinette zu kommen.

Nur Stephanie kann sich eine Königin, die so tragisch geendet hat, als Maske für einen Kostümball aussuchen. Als ich mich erkundigte, ob sie mit oder ohne Kopf zu erscheinen gedächte, sah sie mich verständnislos an, und Dora fragte mit großen Kinderaugen: «Wieso kann denn Marie-Antoinette mit oder ohne Kopf rumlaufen?»

Mademoiselle de Rouvignard hat meiner Tochter die Französische Revolution vorenthalten. Sie paßt nicht in ihr Weltbild.

Rücksichtslos klärte ich Dora darüber auf, daß die Königin von Frankreich ein Opfer der Guillotine geworden war. Eine Mitteilung, die sie in äußerstes Erstaunen versetzte.

Ich mußte mich aber jetzt ernsthaft mit der Frage beschäftigen, was ich anziehen soll. Ich habe nichts Passendes aus Wien mitgebracht. Auf eine Schwester, die Redouten besucht, war ich nicht vorbereitet.

 

 

 

Freitag abend. Diana, die Göttin der Jagd! Ich werde Diana sein.

Die Gräfin Fugger hat mit Hilfe von Herrn Lederer, dem Besitzer des Hotels, in Fiume einen Ballen zart-rosa Seidenmusselin aufgetrieben, wie geschaffen, um daraus ein entzückend leichtes griechisches Gewand zu schneidern. Der Stoff war gerade aus dem Orient eingetroffen. In einem großen Raum im Souterrain sitzen bereits zehn Näherinnen, die Herr Lederer aus Abbazia und den umliegenden Orten zusammengetrommelt hat, und sticheln sich die Finger wund.

Herr Lederer hat mir auch einen Schuhmachermeister beschafft, einen komischen Kauz, der kaum Deutsch versteht. Er wird mir bis morgen abend ein Paar goldene Sandalen machen, mit Bändern, die bis zum Knie hinauf gebunden werden, außerdem einen vergoldeten Köcher mit Pfeilen und einen Bogen. Der rührige Lederer hat den besten Coiffeur aus Triest herbeordert, denn meine liebe Ilona ist überfordert, wenn es um einen klassischen griechischen Knoten geht.

Ich bin begeistert von der Idee. Dabei sind wir durch puren Zufall auf die Diana gekommen, nachdem wir schon Cleopatra, ein Wiener Waschermadel und die Jungfrau von Orléans in Betracht gezogen und wieder verworfen hatten. Unter den Büchern, die Mademoiselle Rouvignard für Dora nach Abbazia mitgenommen hat, fand sich eine wunderhübsch illustrierte Ausgabe von Schwabs Sagen des klassischen Altertums. Als ich darin das Bild der Diana sah, war mein Entschluß gefaßt. Das Kostüm und die Schuhe werden bestimmt gelingen. Nur über den Schmuck bin ich mir noch nicht im klaren.

 

 

 

Samstag morgen. Auch diese Frage ist gelöst. Auf der einen Schulter wird das Gewand durch eine große Smaragd-Agraffe zusammengehalten sein. Und im Knoten werde ich entzückende kleine Goldpfeile tragen, die mit Brillanten und Smaragden verziert sind. Ich hatte ursprünglich gedacht, mein Haar käme ganz ohne Schmuck besser zur Geltung, aber der Juwelier überzeugte mich, daß die Pfeile dem Charakter der Diana entsprechen. Er hat mir auch ein goldenes Armband gezeigt, in das eine Grecque-Borte ziseliert ist. Ich glaube, es paßt gut zu dem Kostüm. Ich werde es nehmen.

 

 

 

Nachts. Er ist von makelloser Schönheit, wie ein griechischer Gott. Er ist Knabe und Mann zugleich, schmalhüftig, breitschultrig, kräftig, ohne brutal zu sein.

Seine Augen werde ich bis an mein Lebensende nie vergessen. Sie sind ernst, wach, aufmerksam, ihnen entgeht nichts. Dabei ist sein Blick von entwaffnender Reinheit, erwartet alles, ohne zu fordern.

Die Knie zittern mir, wenn ich an ihn denke.

 

 

 

Wie hatte es angefangen? «Königliche Hoheit gestatten, daß ich meinen Regimentskameraden Geza von Mattachich präsentiere?» sagte der kleine Sinzendorff. Und da steht er vor mir, mein Leutnant aus dem Prater, in einem purpurnen Domino.

Während er sich über meine Hand beugt, sage ich: «Wir kennen uns.»

Sinzendorff ist verblüfft. «Fleht mich doch dieser Kerl kniefällig an, ihn Königlicher Hoheit vorzustellen, dabei …» stottert er.

Es war dumm von mir, dies: Wir kennen uns. «Wir sind eine Praterbekanntschaft», sage ich etwas maliziös.

Sinzendorff lacht, als ob ich einen guten Witz gemacht hätte.

«Königliche Hoheit war Zeugin, als ich im Prater einen Rappen zuritt», sagt mein Leutnant.

«Um ein Haar wäre ich nicht seine Zeugin, sondern sein Opfer geworden! Der Gaul raste geradewegs auf mich zu!» Ich sage das etwas spöttisch, aber es irritiert meinen Leutnant nicht.

«Deshalb konnte ich die Gelegenheit heute nicht vorbeigehen lassen, Königliche Hoheit untertänigst um Pardon zu bitten!»

«Es sei Ihnen verziehen, wenn Sie mir noch einmal Ihren Namen sagen.»

«Mattachich», wiederholt er. «Geza Mattachich.»

«Ungar?» frage ich.

«Der Graf ist Kroate», sagt Sinzendorff und klingt nun seinerseits maliziös.

Sein Ton ärgert mich. «Kroatien soll ein sehr schönes Land sein», sage ich ostentativ. «Ich kenne es leider zu wenig.»

«Schön! Einmalig schön!» sagt der Leutnant und sieht mich bewundernd an.

Ich vergesse, daß die Redoute in Abbazia ein klein bißchen lächerlich ist, das Orchester mäßig, die Kostüme verstaubt. Ich wärme mich an dem Blick des Leutnants und warte darauf, daß er mich um einen Tanz bittet.

Wir tanzen nach den Klängen des Kaiserwalzers.

Mein Leutnant führt ausgezeichnet. Es besteht keine Gefahr, daß er auf meine goldenen Sandalen tritt. Ich kann mich ihm vollkommen anvertrauen. Ich tanze leidenschaftlich gern, wenn ich einen guten Partner habe.

«Was machen Sie eigentlich in Abbazia?» frage ich schließlich, nur um irgendwas zu reden.

«Ich bin hier, weil Sie hier sind!»

«Und woher wußten Sie das?»

«Ich weiß alles über Sie. Ich weiß, wann Sie in die Oper gehen, wann Sie bei Rodeck Einkäufe machen, im Prater kutschieren und eben auch, wann Sie nach Abbazia reisen!»

Der Herr von Mattachich unterhält sich mit mir wie mit seinesgleichen. Das bin ich nicht gewohnt. «Reden Sie nicht etwas respektlos daher, Graf?»

«Möglich, Königliche Hoheit», entgegnet er.

 

 

 

Stunden später hüllte Antonia mich in das Negligé, Ilona zog die goldenen Pfeile aus dem Knoten und löste mein Haar. Dann knicksten beide, wünschten eine gute Nacht und ließen mich allein.

Es war ein unerwartet amüsanter Abend gewesen. Stephanie und ich haben viel getanzt. Sie ein bißchen zu oft mit ihrem Grafen Lonyay, ich nur zwei Mal mit meinem Leutnant, der übrigens Oberleutnant ist. Eine Mazurka und einen Walzer.

Der Walzer und der Champagner mußten mir in den Kopf gestiegen sein. Mir war noch immer ganz heiß. Ich zog die Vorhänge zurück und öffnete die Balkontür.

Er stand auf der Terrasse! Obwohl ich ihn in der Dunkelheit nicht gleich erkannte, schrie ich nicht. Dabei bin ich sonst sehr schreckhaft. Er lehnte gegen die Balustrade und sah mich an. Er trug nicht mehr den albernen Domino.

«Auf diesen Augenblick habe ich gewartet», sagte er ruhig und mit einer Bestimmtheit, die jede Nichterfüllung seiner Erwartung ausschloß. Er betrat das Zimmer, ließ die Balkontür ins Schloß fallen und zog die Vorhänge vor. Dann kam er auf mich zu, ganz respektlos und ganz nah. Ein Duft von starkem Männerparfüm und englischem Tabak schlug mir entgegen. Mit einer sanften Handbewegung schob er mein Negligé beiseite und küßte meinen Busen.

Das war eine unerhörte Frechheit! Dafür hätte man ihn auspeitschen müssen. Besser noch aufknüpfen. Ich brauchte nur zu klingeln, zu schreien, um Hilfe zu rufen, und er wäre auf der Stelle arretiert worden.

Ich tat nichts von alledem. Es reizte mich, genauso sicher, genauso impertinent zu sein wie er.

Ich machte mir nicht die Mühe, das Negligé zu schließen, legte mich aufs Bett, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und befahl: «Zieh dich aus!»

Er lächelte und sagte: «Zu Befehl, Königliche Hoheit!» Als ob ich ihn um eine Tasse Tee gebeten hätte.

Dann begann er, sich zu entkleiden, ohne übertriebene Hast, als wollte er mich nur langsam in den Genuß seiner Schönheit kommen lassen.

 

 

 

Irgendwann im Laufe der Nacht sah ich uns im Spiegel. Mich sehr weiß, sehr blond und ihn, im matten Licht der Lampe, dunkel wie ein Sizilianer. Er hat eine sanfte, goldbraune Haut. Meine Augen wanderten von dem Bild im Spiegel zu dem Mann in meinen Armen, der wie ein Knabe aussah.

«Wie alt bist du?» fragte ich.

«Neunundzwanzig.» Schlaftrunken küßte er mich.

Ich erschrak. Es ist neun Jahre her, daß ich neunundzwanzig war. Die Frau, die ich da drüben im Spiegel sah, vom seidenen Lampenschirm gnädig beschattet, ist achtunddreißig Jahre alt und Mutter von zwei Kindern. Als Leopold geboren wurde, war dieser Mann hier ein Kind von elf Jahren. Als Dora zur Welt kam, war er vierzehn.

«Woran denkst du?» fragte Geza, und als ich nicht antwortete, wurde er ungeduldig: «Du mußt mir sagen, woran du denkst!»

«Ich rechne.»

Er setzte sich auf und lachte laut.

«Was ist so komisch?»

«Du rechnest! Das finde ich herrlich. Wenn ein armer kroatischer Oberleutnant rechnet, dann muß er das. Aber nein, die Prinzessin Louise von Coburg rechnet, während sie mit dem armen Oberleutnant im Bett liegt!»

Jetzt mußte auch ich lachen.

«Was hast du gerechnet?» Er umarmte mich, daß mir die Luft verging. «Sag es mir auf der Stelle!»

«Du erdrückst mich …»

«Ja. Ich wiege 69 Kilo. Möchtest du das in Pfund, Deka und Gramm umrechnen?»

G

Abbazia, Sonntag früh. Alles riskiert und alles gewonnen. Die Frau ist es wert, daß man sich ihretwegen den Hals bricht.

Kann leicht passieren!

Ich bin, was die Weiber angeht, beim besten Willen kein heuriger Hase und hätt es für schier unmöglich gehalten, daß mich das alte Spiel noch so aufregen kann. Als ob ich grad heut nacht meine Jungfernschaft verloren hätte!

Ich stand auf ihrem Balkon und wagte nicht, mich bemerkbar zu machen. Das hätte zu leicht das Ende bedeuten können, bevor es angefangen hatte. Ich rührte mich nicht und dachte nur immerzu ganz intensiv: Mach auf! Mach deine Balkontür auf, schönste Louise! Wenn uns diese Nacht nicht zusammenbringt, haben wir unsere Chance für immer verpaßt! Ich war ganz besessen davon. Sie mußte meine Nähe spüren. Sie mußte einfach!

Es ist sechs Uhr früh. Ich bin noch so aufgedreht, als wär ich wahrhaftig zum erstenmal bei einer Frau gewesen. Du bist eben eine echte Königstochter, Louise. Jetzt weiß ich auch genau, was das bedeutet. In jeder Beziehung.

L

Sonntag abend. Ich sollte mit Stephanie und den Kindern zu Mittag speisen, aber ich ließ mich entschuldigen. Bis zwölf Uhr blieb ich im Bett und war unsagbar zufrieden. Ich dachte über nichts nach, freute mich am eigenen Wohlbehagen und frühstückte ausgezeichnet.

Im Morgengrauen hatte Geza den Heimweg angetreten.

Er mußte sich über die Balustrade schwingen, um die Trennwand zur Nachbarterrasse, die zum Zimmer der Gräfin Fugger gehört, klettern, sich an ihrer Balkontür vorbeischleichen und eine zweite Trennwand überwinden, bis er sein eigenes Zimmer erreichte.

Ich blieb noch eine Weile auf der Terrasse und beobachtete in sehr romantischer Stimmung den Sonnenaufgang. Sicherlich war es gefährlicher für Leander, den Hellespont zu durchschwimmen, als für Geza, über die Balustrade zu steigen, aber wie auch immer, es war ein Wagnis, das er für mich unternahm, und es machte mich stolz.

Für den Nachmittag war eine Wagenfahrt mit Stephanie vereinbart. Wir wollten an der hübschen Vrutki-Quelle vorbei nach Veprinac fahren, wo hoch auf einem Felsen eine schöne alte Kirche thront und man im Dorf unter Bäumen eine Jause einnehmen kann.

Ich hatte mit Sicherheit erwartet, daß wir die Kinder und die Gouvernanten oder zumindest die Hofdamen mitnehmen würden. Zu meinem Erstaunen saß Stephanie allein im Landauer, als sie mich abholte. Sie wollte sich also wieder mal aussprechen.

Nachdem wir die letzten Häuser von Abbazia hinter uns hatten und der Kutscher die Fahrt verlangsamte, weil der Weg steil bergauf führte, fing sie an.

«Was soll aus mir werden, Louise? Wie wird mein Leben weitergehen? Ich bin sehr bedrückt, wenn ich darüber nachdenke!»

Ich hatte wenig Lust, mir durch Stephanies Lamentieren die gute Laune verderben zu lassen.

Sie beklagte ihr Los, als trauernde Witwe eines Mannes leben zu müssen, der sie nur gedemütigt und nie geliebt hätte, und beschwerte sich über die unerträglichen Intrigen in Wien, vor denen sie ständig auf der Flucht sei.

Ich hörte nur mit halbem Ohr zu. «Laß uns doch gleich vom Grafen Lonyay sprechen», unterbrach ich sie schließlich und gab mir Mühe, scherzhaft zu klingen. «Darauf willst du doch hinaus!»

Sie errötete. Meine kleine Schwester kann noch erröten. Das ist rührend.

«Ja», gestand sie, «ich habe an den Grafen gedacht. Vielleicht war ich nicht ganz aufrichtig, als ich sagte, daß er mir nichts bedeutet.»

«Ich habe es sowieso keine Sekunde lang geglaubt.»

«Dann verstehst du also, was ich durchmache?»

Stephanie dürstet immer nach Verständnis. Ich wurde ungeduldig. «Du bist doch kein unschuldiges junges Mädchen mehr! Worauf wartest du eigentlich? Wenn dir dein ungarischer Graf Spaß macht, warum gehst du nicht mit ihm ins Bett?!» So offen hatte ich noch nie mit ihr gesprochen. Die Wirkung war ungeheuerlich. Sie starrte mich an, als ob ich sie aufgefordert hätte, nackt die Kärtnerstraße entlang zu laufen. Vor Schreck war sie unfähig, auch nur ein Wort rauszubringen. Ich mußte laut lachen.

«Oh, Louise, du bist abscheulich! Einen Augenblick habe ich tatsächlich geglaubt, du hättest es ernst gemeint», sagte sie erleichtert.

«Vielleicht habe ich es ernst gemeint. Warum eigentlich nicht?» scherzte ich.

Jetzt war sie ihrer Sache ganz sicher. «Nein, nein! Du willst mich nur schockieren.»

Es hat keinen Sinn, mit meiner Schwester über solche Dinge zu reden.

Als wir in Veprinac im Garten der Gastwirtschaft, eingehüllt in Pelzdecken, unseren Kaffee tranken, war Stephanie still und nachdenklich.

«Hast du mal daran gedacht, den Grafen zu heiraten?» fragte ich und fügte etwas spöttisch hinzu: «Die heilige Zeremonie müßte deine Bedenken doch aus dem Weg räumen!»

«Ich gestehe, daß ich daran gedacht habe. Nur wird der Kaiser nie die Einwilligung geben. Und selbst wenn er einwilligt, unser Vater würde es nie und nimmer gestatten!»

Ich versuchte, ihr zu widersprechen, aber sie war nicht zu überzeugen.

«Papa ist es ganz gleich, ob ich unglücklich bin oder nicht. Weißt du, daß er mir verboten hat, wieder nach Brüssel zu ziehen? Ich bat ihn flehentlich, nach Hause kommen zu dürfen. Ich bat Mama, Einfluß auf ihn zu nehmen. Nichts hat genützt. Ich mußte in diesem verhaßten Wien bleiben.»

«Du hättest nicht Mama, sondern eine seiner Freundinnen anflehen sollen. Damals tanzte er doch gerade spanisch, oder?»

Von allen Eskapaden meines Vaters hat seine Beziehung zu der spanischen Tänzerin Cléo de Mérode das unliebsamste Aufsehen erregt. Die Witzblätter der ganzen Welt bemächtigten sich dieses Skandals, und den Namen «Cléopold» wird er nicht wieder los, obwohl die Affäre längst beendet ist.

Es schmerzt Stephanie jedesmal tief, wenn ich vom König von Belgien so respektlos rede. Sie brach daher das Gespräch ab und hielt mir einen Vortrag über die Entstehungsgeschichte der Kirche von Veprinac, die sie vermutlich zuvor im Baedeker gelesen hatte.

Auf der Rückfahrt schmiegte sie sich plötzlich an mich und flüsterte: «Eines Tages werde ich vielleicht doch noch glücklich. Ich muß eben warten. Vielleicht sehr lange. Aber ich bin geduldig. Das verstehst du doch, Louise?»

Ich verstand nur, daß es ihr gelungen war, mir die Laune zu verderben, und daß noch viele Stunden vergehen mußten, bis es wieder Nacht sein würde.

Mittwoch abend. Ein Piano-Virtuose, der sich bemüht, wie Franz Liszt auszusehen, aber nicht wie Liszt spielen kann, produzierte sich im Musikzimmer der Villa Amalia.

Stephanie hatte zwanzig oder dreißig Gäste zu einer musikalischen Soiree gebeten. Wir saßen alle gottergeben und unbequem auf kleinen goldenen Stühlchen, die Herr Lederer für den Anlaß beschafft hatte.

Das Programm war zwischen dem Künstler und Stephanie abgesprochen. Nachdem er sich und uns durch Werke von Anton Rubinstein, Scarlatti und Berlioz gequält hatte, kam er zum Clou seiner Darbietung, der Ungarischen Rhapsodie seines großen Vorbilds Franz Liszt. Ich bemerkte, wie Stephanie und Graf Lonyay Blicke tauschten. Die Ungarische Rhapsodie war vermutlich als Huldigung für ihn gedacht.

In diesem Augenblick tauchte eine Anzahl Offiziere in der Flügeltür zum Salon auf. Ich entdeckte sofort Geza unter ihnen.

Das war gegen die Verabredung! Er hatte mir sein Wort geben müssen, tagsüber unsichtbar zu bleiben. Wir konnten zu leicht ins Gerede kommen, was mir bei Stephanies Begriffen von Standesehre und Moral äußerst unangenehm sein würde.

Ich gestehe, daß es mich glücklich machte, ihn zu sehen, aber gleichzeitig war ich ärgerlich, daß er mein Gebot mißachtet hatte. Schlimmer noch: Wenn er schon kam, warum dann so spät? Man kommt nicht unpünktlich zu einer Einladung der Kronprinzessin-Witwe. Das ist ganz und gar unschicklich!

Zu meiner Verwunderung lächelte Stephanie jedoch dem Grafen Thun, der der Gruppe angehörte, äußerst freundlich zu. Ich erkannte jetzt auch die Rittmeister Zeileisen und Codelli. Und der unvermeidliche kleine Sinzendorff war ebenfalls dabei.

Die Lisztsche Rhapsodie erhielt donnernden Applaus, besonders von den Offizieren an der Tür. Der Virtuose verneigte sich und spielte dann als Zugabe den Rákóczi-Marsch, der alle ungarischen Herzen höher schlagen läßt.

Ich dachte an meine Mutter, die in Ungarn aufgewachsen ist. Sie liebt das Land heiß. Für sie bedeutet es Jugend, Freiheit, Glück. Alles, was sie nicht mehr besitzt, seit sie in Brüssel an der Seite eines Mannes lebt, dessen berüchtigte Liebschaften ihn und damit auch sie zum Gespött ganz Europas machen.

Als die Gesellschaft sich erhob, um in den Salon zu gehen, klärte sich das Rätsel der unpünktlichen Offiziere auf.

Thun salutierte. «Kaiserliche Hoheit, melde untertänigst, die Biester haben bereits ihr Leben gelassen!» schnarrte er.

Auf Stephanies Wunsch waren die Herren nach Fiume geritten und hatten im Fischereihafen das Einlaufen der Boote von der Insel Veglia abgewartet. Dort soll es die besten Langusten geben, behauptet Herr Lederer.

Thun stellte meiner Schwester den Grafen Mattachich vor. «Ohne den Mattachich wären wir nichts geworden, Kaiserliche Hoheit! Die Burschen sprechen alle nur Kroatisch, und der Oberleutnant spricht das Kauderwelsch erstaunlicherweise auch!»

Es paßte mir nicht, daß Stephanie sich herzlich bei Geza bedankte und alle Anwesenden ihn und die andern Offiziere hochleben ließen, als die Köche wenig später ein riesiges Arrangement mit rotgekochten Langusten hereintrugen.

Ich will, daß Geza mein nächtliches Geheimnis bleibt.

 

 

 

Donnerstag. Immer wieder sage ich mir: Du hast mit einem unbedeutenden kleinen Ulanen-Oberleutnant eine ebenso unbedeutende kleine Liaison angefangen, die nur durch die besonderen Umstände von Abbazia möglich war und mit der Abreise von hier ihr Ende finden wird. Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, daß ich nichts anderes im Sinn hatte und nie über die Gegenwart hinaus gedacht habe.

Aber heute, nach zehn Tagen und zehn Nächten, weiß ich, daß jetzt nicht Schluß sein kann! Ich bin noch nicht soweit. Ich bin mit ihm einfach noch nicht fertig.

Wien ist nicht Abbazia. Das Palais Coburg hat keine Terrassen, über die man klettern kann. Dafür hundert wachsame Augen und Ohren, die mich von morgens bis abends bespitzeln.

Wie soll es weitergehen?

Freitag. Geza hat die Lösung gefunden. Ich richte mir einen Stall ein und mache ihn zum Stallmeister. Ich habe jetzt nur fünf Reitpferde in Wien. Das ist lächerlich wenig. In den Stallungen des Palais können nicht mehr untergebracht werden, da dort auch die Kutschpferde stehen. Philipp reitet nicht gern in der Stadt und hält seine Pferde auf Schloß Ebenthal. Die anderen sind auf unseren ungarischen Besitzungen.

Geza meint, ich brauche mindestens fünfzehn Pferde. Das ist völlig richtig. Es müssen also irgendwo Stallungen erworben werden. Am besten in der Nähe des Praters. Wenn wir sie haben, wird Geza die Pferde kaufen, das nötige Personal einstellen und mir Reitunterricht erteilen. Er versteht sehr viel von der Equestrik. Ich selbst war Zeuge, wie fabelhaft er den störrischen Rappen zugeritten hat.

 

 

 

Es gibt noch ein kleines Problem. Geza befindet sich augenblicklich auf Erholungsurlaub wegen des Sumpffiebers, das er sich bei den letzten Sommer-Manövern in Galizien geholt hatte. Er hat viel durchgemacht, aber jetzt geht es ihm schon wieder ganz gut. Niemand weiß das besser als ich.

In zwei Wochen muß er zurück zu seinem Regiment nach Warasdin, um sich vom Militärarzt nachuntersuchen zu lassen. Der schreibt ihn womöglich diensttauglich.

Nun sehe ich nicht ein, warum er ausgerechnet in Warasdin untersucht werden muß. In Wien gibt es doch auch Militärärzte.

Ich werde mit seinem Divisionär, Feldmarschalleutnant Khevenhüller, sprechen. Das ist ein sehr charmanter Herr, der mir beim letzten Hofball große Komplimente gemacht hat.

G

Wien, 4. April. Ich bin Herr über sechzehn Rassepferde, die sich mit den renommiertesten und ältesten Ställen Wiens messen können. Ich bin Herr über fünf Reitknechte und ein weibliches Faktotum von zwei Zentnern Lebendgewicht, das für mich kocht, wäscht, bügelt, putzt. Ich besitze eine kleine, aber äußerst gemütliche Wohnung und bin auf ein weiteres Jahr von der Armee beurlaubt. Außerdem habe ich eine Geliebte, die zu den begehrtesten Frauen der Monarchie zählt: schön, elegant, gebildet, von echt königlichem Geblüt und immens reich. Nicht nur immens reich, sondern auch immens nobel. Was bekanntlich zweierlei Stiefel sind. Sehr wichtige Stiefel nota bene.

Und für das alles zahlt mir die Hofhaltung Seiner Hoheit des Prinzen Philipp von Sachsen-Coburg und Gotha ein respektables Salär, so respektabel, daß ich sicher bin, Louise hat es persönlich festgesetzt. Taktvoll, wie sie ist, leugnet sie das natürlich. Da will ich nicht nachstehen und versichere, daß ich ihr glaube. Das stärkt ihr Selbstbewußtsein. (Obwohl es eigentlich meines stärken sollte.)

Die Pferde haben ein Vermögen gekostet. Aber was heißt in Kreisen, wo Geld keine Rolle spielt, schon Vermögen. Auch für mich sprang eine hübsche Summe raus bei dem Geschäft. Als Provision. Mit bestem Gewissen übrigens, denn ich finde das nur recht und billig. Es ist ja nicht das Geld der Prinzessin, sondern das des Prinzen, der mich einen Schmarren angeht.

Zum ersten Mal hab ich was auf der Bank. Ein erhabenes Gefühl. Der Ring vom seligen Papa und die Uhr sind wieder eingelöst, mein Jude wird mich so bald nicht wiedersehen. Die Zeiten haben sich geändert.

L

Wien. Alles ist nach Wunsch verlaufen. Der Arzt hat festgestellt, daß Geza noch keineswegs geheilt ist, obwohl er lange keinen Anfall mehr gehabt hat. Manchmal verstehen sogar die Ärzte etwas.

Er hat seine Stallungen und sechzehn wundervolle Reitpferde. Er gibt mir täglich Unterricht.

Aber ich bin trotzdem nicht glücklich. Er haust in einer kleinen Mansarde direkt über den Ställen, in der es immer nach Pferden riecht, ganz gleich, wieviel Parfüm ich versprühe. Ich komme mir vor, als schliefe ich mit einem Stallburschen und nicht mit dem schönen Ulanenleutnant Graf Mattachich.

Geza leidet genau wie ich, aber um mir nah zu sein, erträgt er alles. Hier in Wien ist ein gesellschaftlicher Verkehr zwischen uns ein Ding der Unmöglichkeit. Die Abende und Nächte müssen wir also immer getrennt verbringen.

Ich denke mit Sehnsucht an das Hotel Quarnero zurück.

 

 

 

Freitag. Trotz aller Vorsicht beginnt man zu reden. Die Fürstin Levkova, die über ein böses Mundwerk verfügt, hat sich bemüßigt gefühlt, mein plötzliches Interesse am Reitsport auf höchst anzügliche Art zu kommentieren. Da sie eng mit meinem Gemahl befreundet ist, obwohl der sich sonst eigentlich mehr für Damen der Halbwelt zu erwärmen pflegt, dürfte Philipp also Bescheid wissen.

 

 

 

Dienstag. Gestern waren wir im Burgtheater. Man spielte Versprechen hinterm Herd mit Katharina Schratt in der Hauptrolle. Ein abscheuliches Stück in einer abscheulichen Aufführung.

An dem kuriosen Dreieck Elisabeth - Franz Joseph - Schratt imponiert mir die Kaiserin Elisabeth weitaus am meisten. Sie soll Franz Joseph die Geliebte ausgesucht und zugeführt haben, um dadurch ungestört seinem Bett und Wien fernbleiben zu können.

Wenn die Favoritin spielt, wohnt seine Majestät der Aufführung bei. Und wenn Seine Majestät anwesend ist, darf Philipp nicht fehlen.

In der Pause verschwand er, um dem Kaiser seine Aufwartung zu machen. Kaum war er fort, erschien Erzherzog Ludwig Victor in unserer Loge.

Die Prinzessin Auersperg hat mich neulich beiseite genommen. Ich müßte mich unbedingt vor dem Bruder des Kaisers in. acht nehmen, behauptete sie. Ich hätte von ihm nichts Gutes mehr zu erwarten. Er sei wie ausgewechselt.

Ich wollte ihr nicht glauben. Aber gestern konnte ich feststellen, wie recht sie hat.

Ohne von der Gräfin Fugger die geringste Notiz zu nehmen, redete er auf mich ein. Er hätte gehört, ich sei unter die Ulanen gegangen, begann er mit der ihm eigenen Boshaftigkeit und fragte dann, ob ich mir schon eine Uniform machen ließe.

Ich nahm mich zusammen und gab vor, ihn nicht zu verstehen.

«Du nimmst jetzt fleißig Reitstunden», fuhr er impertinent fort. «Komisch, ich glaubte immer, du seist so perfekt in dieser Kunst, daß du keinen Nachhilfeunterricht brauchst! Du bist übrigens nicht die einzige in eurer Familie, die Lektionen bekommt.»

Jetzt wußte ich wirklich nicht, wovon er sprach.

«Philipp hat eine seiner abgelegten Freundinnen beauftragt, euren Sohn Leopold in die Geheimnisse der Liebe einzuführen. Ob sie allerdings mehr von der Sache versteht als die eigene Mutter, bezweifle ich.»

Ich verspürte den unwiderstehlichen Drang, ihn zu ohrfeigen, und ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn Philipp nicht in diesem Augenblick die Loge betreten hätte.

Der Erzherzog tat, als ob nichts geschehen wäre. Völlig harmlos wandte er sich an Philipp: «Louise behauptet, die Schratt sei heute abend noch schlechter als sonst. Ist mein hoher Bruder derselben Meinung?»

Philipp setzte das Gesicht auf, das er immer macht, wenn er nicht weiß, was er sagen soll, und schwieg.

Mit «Küß die Hand, Louise, und vergiß nicht, was ich dir gesagt habe!» verabschiedete sich Ludwig Victor von mir. Philipp schlug er jovial auf die Schulter und sagte: «Mach's gut, mon vieux!»

Damit ging er.

«Kannst du nicht den Mund halten?» fuhr Philipp mich an. «Er wird deine Bemerkung über die Schratt sofort dem Kaiser hinterbringen. Du solltest allmählich wissen, was für ein Waschweib er ist!»

«Seine Kaiserliche Hoheit hat nur gescherzt», verteidigte mich die gute Fugger. «Ihre Königliche Hoheit hat kein einziges abfälliges Wort über Frau Schratt geäußert.»

Nein, über die Schratt wird er dem Kaiser nichts sagen. Aber es gibt andere Dinge, die er erzählen könnte. Und er würde bei Franz Joseph offene Ohren finden, fürchte ich.

 

 

 

Mittwoch. Gestern herrschte große Aufregung im Palais Coburg, und ausnahmsweise war ich nicht der Grund.

Unerwartet und unangemeldet traf Philipps Schwägerin, die Fürstin Maria Luisa von Bulgarien aus Sofia ein. Sie kam in Begleitung ihres jüngsten Sohns, des kleinen Kyrill, ihres Haushofmeisters und einer italienischen Kinderfrau. Außerdem brachte sie zwei Kammerzofen mit, einen Mops, einen Diener und zwanzig Reisekörbe.

Noch bevor die Zimmer für sie hergerichtet waren, hatte sie eine drei Stunden dauernde Unterredung mit unserer gemeinsamen Schwiegermutter. Dabei soll es sehr heftig zugegangen sein. Diese Information stammt von Ilona, die es von einem der Lakaien hat, der den Damen Portwein servierte. Aber vielleicht mußte Maria Luisa nur so laut schreien, weil Prinzessin Clementine schwer hört.

 

 

 

Donnerstag. Heute stattete mir Maria Luisa einen Besuch in meinen Appartements ab.

Sie sieht aus wie eine alte Frau. Ich war erschrocken. Dabei ist sie keine sechsundzwanzig Jahre.

Sicherlich sollte es nur ein Höflichkeitsbesuch sein, aber nach zehn Minuten begann sie zu weinen und schüttete mir ihr Herz aus. Sie hat Ferdinand verlassen und wird nicht mehr zu ihm zurückkehren.

Jetzt begriff ich die Erregung unserer Schwiegermutter. Es war damals schwer genug gewesen, für Ferdinand eine standesgemäße Braut zu finden. Er war kreuz und quer durch die Hauptstädte Europas gereist und hatte sich an jedem Hof einen Korb geholt. Niemand glaubte, daß er sich auf dem bulgarischen Thron halten könnte, auf den er sich so eigenmächtig und eigensinnig gesetzt hatte. Schließlich war es gelungen, den Herzog von Parma zu überreden, ihm seine Tochter zu geben. Wenn Maria Luisa ihn jetzt verläßt, so ist das sehr übel für den ehrgeizigen Sohn einer ehrgeizigen Mutter.

Ich erwartete einen aufregenden Bericht über entsetzliche Orgien, bei denen sie Ferdinand überrascht hat, oder über einen anderen Mann, den sie so heiß liebt, daß sie seinetwegen auf Thron und Gemahl zu verzichten gedenkt. Nichts dergleichen war der Fall.

Der wahre Grund enttäuschte mich. Ferdinand hat seiner Gemahlin vor kurzem erklärt, daß er den Thronfolger Boris, der ganze zwei Jahre alt ist, nach griechisch-orthodoxem Ritus taufen lassen will. Wie alles in Ferdinands Leben ist das natürlich reine Berechnung. Er erfüllt eine Forderung von Zar Nikolaus und hofft, so Rußland zum Freund zu gewinnen. Ob das die Feinde aufwiegt, die er sich dadurch macht, muß er selbst am besten wissen. Der Papst hat bereits mit Bannfluch gedroht, falls der Thronfolger wirklich umgetauft werden sollte. Maria Luisa, die wie wir alle römisch-katholisch ist, war über Ferdinands Plan derart empört, daß sie auf der Stelle befahl, die Koffer zu packen. Sie wollte den Thronfolger vor dem ihm drohenden Schicksal bewahren und nach Wien entführen. Aber Ferdinand muß das geahnt haben. Der kleine Boris war verschwunden. Also nahm sie statt dessen den einjährigen Kyrill und verließ mit ihm Sofia. Sie versicherte mir, sie wolle nie wieder dorthin zurückkehren.

Wahrscheinlich bin ich nicht fromm genug, um Maria Luisa zu verstehen, aber ich frage mich: Sagt sie die Wahrheit, oder ist die ganze Geschichte nur ein Vorwand, um Ferdinand und dem balkanesischen Leben da unten zu entfliehen?

Abends. Zufrieden und bester Dinge kam ich vom Reitunterricht ins Palais zurück. Kammervorsteher Freiherr von Kodolitsch bat mich, sofort die Prinzessin Clementine aufzusuchen.

Ich fand sie in ihrem Boudoir. Philipp war bei ihr.

Meine Schwiegermutter kann bestrickend sein, wenn sie etwas von einem will. Sie umarmte und küßte mich, bewunderte meinen Reitzylinder und bat mich dann, im Interesse der Familie eine kleine Unannehmlichkeit auf mich zu nehmen.

Solcher Liebenswürdigkeit gegenüber bin ich machtlos. Ich versprach, ihren Wunsch zu erfüllen, noch bevor ich ihn gehört hatte. Dann kam sie zur Sache.

Philipp und ich sollten so schnell wie nur möglich, am besten auf der Stelle, nach Sofia reisen. Es ginge darum, einen Skandal, der dem Fürsten von Bulgarien und damit der ganzen Familie drohe, mit allen Mitteln zu verhindern. Philipp müsse seinem Bruder ins Gewissen reden, und meine Gegenwart wäre unerläßlich, um der Reise in den Augen der Welt einen privaten Charakter zu verleihen.

Ich war ihr in die Falle gegangen. Mit ihrer zittrigen, greisenhaften Höflichkeit hatte sie mich überrumpelt. Mir blieb nur übrig, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Als ich das Boudoir verließ, sagte Philipp so leise, daß seine Mutter ihn nicht verstand: «Ich wäre dankbar, wenn du deinen Stallmeister nicht mit auf die Reise nehmen würdest!»

 

 

 

Ich versuche, vernünftig zu sein. Ich sage mir, daß es gut ist, jetzt, wo alles über mich redet, Wien auf eine Zeit zu verlassen. Es ist sogar gut, die Reise gemeinsam mit Philipp zu machen. Aber in Wahrheit kann ich es mir einfach nicht vorstellen, wochenlang ohne Geza zu sein.

G

Louise mußte mit ihrem Gatten zum Fürsten von Bulgarien. Ihrem Schwager. Dort gibt's Krach. Die Frau ist ihm auf und davon, und die ganze Dynastie scheint zu wackeln.

Zum ersten Mal seit Abbazia bin ich Strohwitwer. Ein Opfer Coburgscher Familienpolitik!

Bei Licht betrachtet, sollte mir das ungemein schmeicheln. Ich trete damit in eine Reihe mit unserem Kaiser, dem Fürsten Bismarck und dem inzwischen dahingeschiedenen Zar Alexander III. Alle drei haben den offensichtlich durch nichts zu bändigenden Ehrgeiz von Louises Schwiegermutter hart zu spüren bekommen. Keinem der hohen Herren hat es gepaßt, daß der jüngste Coburg-Prinz auf den bulgarischen Thron gar so versessen war, und sie haben alles getan, um seine Träume (die, wie Louise sagt, in Wahrheit die seiner Mutter waren) zu durchkreuzen. Der Zar wollte partout keinen römisch-katholischen Fürsten in Bulgarien sehen, schon gar nicht einen deutscher Abstammung. Bismarck zeigte größtes Verständnis für die heftigen Proteste aus Petersburg. Dem Zar zuliebe. Er wollte den deutsch-russischen Ausgleich. Alles, was dabei störte, war ihm zuwider. Und Franz Joseph mochte Bismarck um keinen Preis verärgern, was bei einer Unterstützung der ehrgeizigen Pläne Ferdinands unweigerlich passieren mußte. Sogar die Türken und Engländer waren dagegen. Aber all das konnte Louises Schwiegermama nicht zurückhalten, mit der ihr eigenen Energie (und mit ihrem Geld!), an der Karriere des Lieblingssohns weiterzustricken. Nachdem es der Bruder ihres früh verstorbenen Gatten zum König von Portugal gebracht hatte, wollte sie die Welt buchstäblich um jeden Preis mit einem weiteren Herrscher aus der österreichisch-ungarischen Seitenlinie der Coburger beglücken. Sie wollte nicht nur, sie hat es trotz aller Widerstände geschafft. Auch wenn das Fundament des neuen Throns noch leicht ins Wanken zu bringen ist. Wie man grad wieder mal sehen kann!