Die Macht der ersten 1000 Tage - Dr. med. Matthias Riedl - E-Book
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Die Macht der ersten 1000 Tage E-Book

Dr. med. Matthias Riedl

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Beschreibung

 Spannendes Infotainment auf Basis der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in Sachen Epigenetik: Dr. Matthias Riedl, Ernährungsmediziner mit über 30 Jahren Erfahrung, hilft allen, die endlich verstehen wollen, wie sich Ernährungspräferenzen prägen, und die mit diesem Wissen den Weg in ein gesundes, schlankes Leben finden wollen.    Der Autor erläutert, was Ernährung eigentlich mit uns macht und zeigt auf, warum es evolutionär für uns vorteilhaft ist, Ernährungsvorlieben auszuprägen und diese einst sogar überlebenswichtig für uns waren. Dabei gibt er einfache Hilfestellung, sich von (ungesunden) Vorlieben zu emanzipieren und dennoch mit Genuss gesund und schlank zu bleiben.    Das Buch richtet sich somit an alle, die wissen wollen, wie sie der Prägungsfalle in Sachen Ernährung entkommen. Die wissenschaftlich fundierten Fakten werden ergänzt durch einen Praxisteil, der zeigt, wie eine Umprägung tatsächlich gelingen kann.  

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Seitenzahl: 340

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Impressum

© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020

© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020

Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.

Projektleitung: Nadine Widl

Lektorat: Dr. Peter Schäfer, Gütersloh

Covergestaltung: independent Medien-Design GmbH, Horst Moser, München

eBook-Herstellung: Lena-Maria Stahl

ISBN 978-3-8338-7461-1

1. Auflage 2020

Bildnachweis

Coverabbildung: Kellie French/Stocksy United

Fotos: Kellie French/Stocksy United, Andreas Sibler

Syndication: www.seasons.agency

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Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung des Verfassers dar. Sie wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Dieses Buch hilft Ihnen …

… für eine gute gesundheitliche Basis des eigenen Kindes zu sorgen.

… auf Probleme mit Übergewicht besser zu reagieren.

… zwischen wirklichem Hunger und „Lustessen“ zu unterscheiden.

… stressbedingtes Essen zu vermeiden.

… die eigenen Essgewohnheiten – und die der ganzen Familie – umzuprogrammieren, ohne auf gesunde Fette, Süßes und genussvolle Mahlzeiten zu verzichten.

WOZU EIN BUCH ÜBER FRÜHKINDLICHE ERNÄHRUNGSPRÄGUNG?

Die geheime Welt der menschlichen Prägung ist eines der faszinierendsten Forschungsgebiete, die ich als Ernährungsmediziner zu ergründen versuche. Dieses Forschungsgebiet beantwortet nämlich viele Fragen, die sich die meisten von uns stellen. Wie etwa: »Warum essen wir, wie wir essen?« Oder: »Wieso begeistert sich das eine Kind – und der eine Erwachsene – für Gemüse, während das andere Currywurst und Pommes fürs kulinarische Glück braucht?« Und natürlich auch: »Warum scheitern Diäten so zuverlässig – und wie kann eine dauerhafte Ernährungsumstellung wirklich gelingen?« Antworten auf all diese Phänomene erhält, wer mir in die so spannende Welt unserer frühkindlichen Prägung folgt. Bevor ich Sie aber dahin entführe, lassen Sie mich vorab kurz erklären, für wen ich dieses Buch geschrieben habe. Was ich mit den folgenden Seiten erreichen will. Und was nicht.

Zum einen richtet sich der Band an Eltern. An jene also, die sich im Idealfall neun Monate auf ihren Nachwuchs freuen – und danach fassungslos vor diesem Wunder stehen, wenn es als greifbares Wesen in ihr Leben tritt. So unglaublich zart und schutzbedürftig wirkt dieser Winzling, wenn wir ihn zum ersten Mal in den Armen halten. So unglaublich weich ist seine Haut, so unendlich faszinierend sind die kleinen Fingerchen und Zehen – und kein Parfum der Welt vermag uns ähnlich zu begeistern wie dieser typische Babyduft, der ihn umgibt. Vom ersten Moment an, in dem wir die Tochter oder den Sohn sehen, ist eines klar: Wir wollen alles, wirklich alles tun, um dieses wundervolle Menschlein zu beschützen. Dafür sorgen, dass es gesund ins Leben startet – und gesund auch durch die nächsten Jahre, die nächsten Jahrzehnte kommt. Kurz: Solange wir selbst am Leben sind, bis zu unserem letzten Atemzug, bleiben wir – Eltern. Ihnen möchte ich helfen, sich diesen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen – ihrem Kind also den bestmöglichen Start ins Leben zu bescheren.

Wie dies gelingen kann, wie vielfältig die Chancen sind, Kindern gerade in den ersten 1000 Tagen auf der Welt die Grundlage für ein gutes Leben zu schaffen, und wie groß die Wirkmacht von Eltern dabei ist – genau das wird dieses Buch aufzeigen. Denn die Wissenschaft weiß heute bereits sehr genau – und belegt es beinahe stündlich mit immer neuen Studien: Wenn Eltern all die Möglichkeiten nutzen, ihr Kind auf »gesund« zu prägen, lebt dieses sehr wahrscheinlich nicht nur länger. Sondern es geht dann fitter durchs Leben, ohne lästige, einschränkende Beschwerden – etwa durch Diabetes oder Rheuma. Diese Erkenntnisse im Hinblick darauf, wie die ersten 1000 Tage unsere Zukunft beeinflussen, haben selbst mich als Ernährungsmediziner verblüfft – obwohl ich seit Jahrzehnten davon überzeugt bin, dass Lebensstil und dabei insbesondere die Ernährung darüber mitentscheiden, welche Qualität das Leben hat, das wir führen.

Dieses Wissen möchte ich unbedingt mit Eltern teilen. Denn als zweifacher Vater kenne ich den Drang, das innere Bedürfnis, gerade am Anfang alles richtig machen zu wollen. Ich weiß, wie ahnungslos Eltern oft vor Fragen stehen, auf die es vermeintlich keine Antwort gibt – etwa die, wie ich Kinder dazu bekomme, etwas Grünes, Rotes oder Gelbes zu essen – anstelle von Nudeln pur. Und ich habe selbst erlebt, wie man als Eltern danach giert, zu erfahren, wie es »richtig geht«. Genau das wird dieses Buch erklären.

Damit richtet es sich neben den Eltern natürlich auch an Großmütter und -väter, Patentanten und -onkel und auch an Freunde der Eltern. An alle eben, die im Leben eines Babys und Kleinkindes eine Rolle spielen und dafür Sorge tragen wollen, dass dieses so putzige, zugleich so von den »Großen« abhängige Wesen alles bekommt, was es braucht, damit es langfristig gesund durchs Leben gehen kann.

Die dritte Gruppe, für die ich dieses Buch geschrieben habe, umfasst Menschen, die dem Strampler seit Jahrzehnten entwachsen sind: Erwachsene, die regelmäßig an Diäten scheitern – und sich einfach nicht erklären können, warum sie immer wieder in die Jo-Jo-Falle tappen. Oder die an Krankheiten wie Diabetes oder Rheuma leiden und es trotz besseren Wissens nicht schaffen, Ernährungsmuster zu verändern, die solchen Krankheiten oft zugrunde liegen. Also beispielsweise nicht vom Käse und Schweinebraten lassen können, obwohl beides rheumatische Entzündungen befeuert und damit die Symptome verschlimmert. Denn all das lässt sich eben nicht einfach mit mangelnder Disziplin erklären – sondern mit den Auswirkungen frühkindlicher Prägung. Menschen sind nicht einfach »willensschwach« oder »schuld«, wenn sie erst zu-, dann ab- und danach wieder zunehmen. Oder einfach nicht gesünder durchs Leben gehen können. Viele – auch Ernährungsberater! – wissen schlicht nicht, worauf sie als Kind programmiert wurden, und gehen eine Ernährungsumstellung deshalb falsch an.

Wer die folgenden Seiten liest, wird also verstehen, warum er als Erwachsener isst, wie er isst. Und damit endlich den Schlüssel in der Hand haben, der ihm das Geheimnis aufschließt, warum einige von uns sich scheinbar mühelos mit einem Stück Schokolade zufriedengeben können, während andere regelmäßig die 100-Gramm-Tafel vernaschen, um den Süßjieper zu befriedigen.

Das Beste daran: Wer im ersten Schritt versteht, nach welchen Mechanismen Prägung funktioniert, welchen Einfluss Evolution und Eltern haben, erkennt, warum so viele von uns so gern das Falsche und von allem zu viel essen. Im zweiten Schritt gilt es dann, unserer ganz persönlichen Prägung nicht nur auf die Spur zu kommen, sondern sie auch zu verändern. Sich also auf »gesund« umzuprogrammieren – und das in jedem Alter.

Denn wäre es anders, wäre nach den ersten 1000 Tagen unsere Zukunft festgelegt, wären wir in Gänze auf »gesund« oder »krank« geprägt – die meisten von uns würden längst tot umgefallen sein oder mindestens malade im Bett liegen. Schließlich wussten unsere Eltern noch nichts von den Chancen, die dieses Zeitfenster bereithält – und konnten sie also auch nicht für uns ergreifen. Stattdessen sind sie in die Prägungsfalle getappt: Sie haben den meisten von uns, die heute erwachsen sind, Süßes als Belohnung gegeben, Essen als Mittel zum Trost genutzt. Und damit den Grundstein für Verhaltenssüchte gelegt, unter denen heute so viele leiden und die den Griff ins Süßigkeitenfach so verführerisch machen wie den Griff ins Gemüsefach beschwerlich. Die Folgen, die mit falscher Prägung einhergehen, lassen sich heute an den Zahlen jener leicht ablesen, die etwa unter Übergewicht, Schlaganfall oder Diabetes leiden.

Wer diese Zusammenhänge einmal verstanden hat, wird verständnisvoller auf sich und sein Ernährungsverhalten schauen. Und wissen, wie er die Wahrscheinlichkeit erhöhen kann, als Übergewichtiger Kilos zu verlieren – und das endlich, endlich dauerhaft. Um sich so aus eigener Kraft ein paar mehr gesunde Lebensjahre zu schenken und eine Lebensqualität, die sich Menschen mit Problemen von Adipositas bis Herzinfarkt häufig kaum mehr vorstellen können, geschweige denn erhoffen.

Und schließlich gibt es noch eine letzte Gruppe, die ich mit diesem Buch erreichen möchte: Verantwortliche in Politik und Verwaltung, in Krankenkassen und Schulen, in Vereinen und Organisationen. Sie alle sollten darüber Bescheid wissen, wie »frühkindliche Ernährungsprägung« unsere Gesundheit auf Jahrzehnte hin beeinflusst. Denn: Die richtige Prägung von Kindern und die Umstellung beziehungsweise »Umprogrammierung« von Erwachsenen zu ermöglichen und zu fördern, ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Wenn nicht jeder Zugang zu gesunden Nahrungsmitteln hat, wenn nicht Konzerne verpflichtet werden, nahrhaftere Lebensmittel zu produzieren und die Zahl energiereicher, prozessierter, langfristig krank machender Produkte zu reduzieren – dann wird all das Wissen von Ernährungsmedizinern nichts nützen. Genau das aber, Chancengerechtigkeit und die Möglichkeit, sich mit all seinen Talenten und Fähigkeiten frei zu entfalten und ein so gutes Leben wie irgend möglich zu führen, sollte doch das höchste Ziel unserer Gesellschaft sein.

Aus alldem ergibt sich im Umkehrschluss, was dieses Buch genau nicht will: Druck machen. Schuldgefühle auslösen oder gar verstärken, die Schwangere, Eltern und Übergewichtige oder Kranke so häufig plagen. Vor einigen Jahren las ich einen Artikel im Fachmagazin »Nature«, der einige Studien zitierte zur Frage, wie der Lebensstil werdender Mütter die Gesundheit des Nachwuchses mitbestimmt – und die Überschrift trug: »Gebt die Schuld nicht den Schwangeren«. Genau darum geht es. Leben ist keine Frage von Schuld, sondern immer auch zum guten Teil schlicht Lotto. Der eine hat mehr Glück, wenn die Gene für reine Haut, dicke Haare und die Begabung für Mathematik verteilt werden. Wieder ein anderer gewinnt vielleicht sogar den Jackpot, wird Model wie Claudia Schiffer oder Weltveränderer wie Bill Gates. Deshalb können wir Selbstvorwürfe oder Schuldgefühle getrost fahren lassen. Worum es mir geht, sind Möglichkeiten, diesem Zufallsprinzip, diesem Prinzip Lotto durch persönlichen Einfluss entgegenzutreten! Wenn wir über die Chancen Bescheid wissen, die in unserer Prägung verborgen liegen, haben wir alle die Gelegenheit, die Wahrscheinlichkeit auf den Jackpot zu erhöhen. Denn ja, die Gene sind gegeben – welche aber angeknipst werden, darüber können wir zum großen Teil mitentscheiden, wie die folgenden Kapitel zeigen werden.

Kurz – es geht mir um Aufklärung. Ein Beispiel: Hätte uns niemand darüber aufgeklärt, dass Autofahren mit Sicherheitsgurt die Wahrscheinlichkeit, einen Unfall zu überleben, erhöht – wir hätten noch heute keine Anschnallpflicht. In dieser Weise möchte ich mit dem vorliegenden Buch so vielen Menschen wie möglich verdeutlichen, wie viel es bringen kann, sich und die Kinder in Sachen Ernährung und Lebensstil anzuschnallen. Um gesünder durch eine Welt des Überflusses zu kommen, auf die wir evolutionsbiologisch nicht vorbereitet sind.

Ich bin mir sicher: Wer dieses Buch gelesen hat, wird verständnisvoller auf sich blicken – und in der Lage sein, souveräner mit Anschuldigungen von außen umzugehen, von Menschen, die weniger wissen und Gesundheit allein zur Frage der Disziplin machen, indem sie Erkenntnisse zur frühkindlichen Prägung ausblenden. Und: Sie werden den Automatismen und konsumistischen Reflexen widerstehen, die unsere Überflussgesellschaft prägen – und uns zur Geisel eines allgegenwärtigen, vermeintlich alternativlosen Wachstums machen.

Ich hoffe, Sie haben Lust bekommen, mir in die faszinierende Welt der menschlichen Prägung zu folgen – und werden anschließend, wenn Sie das Buch weglegen, den Wunsch verspüren, einige spannende Erkenntnisse in Ihren Alltag einzubringen. Um Ihren Kindern den besten Start ins Leben zu garantieren – oder Ihr eigenes Leben ins richtig Gute zu drehen, ob Sie nun 30 Jahre alt sind, 40 oder 50.

Und jetzt: los!

WIE PRÄGUNG MÖGLICH WIRD

Wer verstehen will, wie Evolution und Eltern jeden Menschen in der Frühphase seines Lebens überhaupt prägen können, muss zunächst begreifen, warum das Zeitfenster der ersten 1000 Tage so bedeutsam ist. Muss erkennen, wie Hunger, Sättigung und Geschmack funktionieren, wie sich Geschmacksvorlieben ausbilden – und welche Rolle dabei das sich entwickelnde Gehirn und Glückshormone spielen. Denn nur, wer all das weiß, kann die Klaviatur der hirnchemischen Prozesse spielen, auf der jede Form von Prägung beruht. Und kann mit diesem Wissen den Nachwuchs auf eine gesunde Ernährungsweise programmieren – oder aber versuchen, eigene Fehlprägungen zu überwinden …

DER START INS LEBEN – WARUM ER SO BEDEUTSAM IST

Die ersten 1000 Tage unserer Menschwerdung, also die Zeit zwischen der Zeugung und dem zweiten Geburtstag, ähneln einem Spurt, den wir über viele Monate hinweg durchhalten: Aus einer einzelnen Eizelle entwickeln wir uns zum Kind, das herumlaufen und hüpfen kann, seine Eltern imitiert und mehrere Dutzend Wörter kennt. Nie wieder, da sind sich alle Wissenschaftler einig, geschieht so viel so schnell in unserem Leben.

Das macht die ersten 1000 Tage zu einem einzigartigen Zeitfenster. Einem, das voller Chancen steckt – aber auch Risiken. Denn die Bedingungen, unter denen ein Kind heranwächst, bestimmen kurzfristig und langfristig seine Entwicklung und Gesundheit. Die Stimme der Eltern. Die Nährstoffe, die es zunächst über die Nabelschnur und später am Esstisch erhält. Die Art, wie Mutter und Vater mit ihm kommunizieren, es knuddeln, es trösten. Die Frage, ob Eltern rauchen oder nicht – und inwieweit sie als Vorbild taugen. Jedes, wirklich jedes Detail aus der Umwelt eines Kindes beeinflusst, wie gut sich körperliche Prozesse ausbilden können – von der Entwicklung des Gehirns über die Verdauung und den Stoffwechsel bis hin zum Immunsystem.

Der richtigen Ernährung kommt dabei die Schlüsselrolle zu: Schließlich bilden Essen und Schlafen jene Fixpunkte, um die sich in den ersten 1000 Tagen eines Menschenlebens das meiste dreht. Neugeborene schlafen bis zu 18 Stunden täglich, nach einem halben Jahr auf der Welt immer noch elf – die beiden typischen, mitunter eineinhalb Stunden langen Nickerchen nicht mitgerechnet. Und in der Wachzeit dazwischen? Da geht es zunächst vor allem darum, den Energiebedarf zu decken. Selbst dann, wenn das Kind zu laufen beginnt und langsam, aber sicher mehr Spaß am Spielen als am Essen hat. Auch dann bleibt die Rolle der Nahrung doch noch immer zentral.

Deshalb soll es auf den folgenden Seiten auch nicht in erster Linie darum gehen darzustellen, wie sich der Körper in den ersten 1000 Tagen entwickelt, wie sich etwa das Herz-Kreislauf-System ausbildet oder die Verdauung. Wichtiger scheint mir zu erklären, wie sich grundsätzliche Prozesse entwickeln, die für unsere Ernährung und damit für den bestimmenden Faktor unserer Prägung zentral sind – wie sich also Geschmackssinn und der Hunger-Sättigungs-Regelkreis entfalten und welche Rolle das Gehirn dabei spielt. Denn all das zusammen bildet die Grundlage, um zu begreifen, wie genau Prägung funktionieren kann. Wie es sein kann, dass die Evolution uns bestimmte Geschmacksvorlieben aufdrückt – und die Eltern darüber mitbestimmen, was Kinder sich später als Erwachsene auf den Teller packen und welche Funktion Essen für sie hat.

Ein Grund, warum Eltern eine solche Macht haben: In den ersten 1000 Tagen auf der Welt sind Menschen so formbar wie nie wieder in ihrem Leben. Sicher, die Gene geben so einiges vor – etwa, welche Augenfarbe wir haben. Aber schon über unsere Körpergröße entscheiden nicht sie allein. Wie bei einem Stück Knete, das sich kraftvoll oder eher schwach in die Länge ziehen lässt, bestimmen Umweltfaktoren mit, inwieweit wir unsere theoretisch mögliche Größe auch ausbilden. Und wieder ist die entscheidende Variable dafür die Ernährung in den ersten Monaten.

Im Hinblick auf unser Gehirn haben Neurowissenschaftler für diese Formbarkeit einen eigenen Begriff geprägt: den der sogenannten Plastizität. Damit bezeichnen sie etwa die Eigenschaft von Nervenzellen, ihren Aufbau und ihre spezielle Vernetzung untereinander flexibel an das anpassen zu können, was ein Mensch braucht – um etwa Sprachen zu lernen sowie Bewegungsabläufe und Verhalten abzuspeichern. Diese grandiosen Vernetzungen und die Regenerationskraft von Nervenzellen sind bei Heranwachsenden besonders ausgeprägt. Das zeigt sich etwa bei jungen Schlaganfallpatienten, bei denen beispielsweise Lähmungen häufig fast völlig verschwinden. Auch im späteren Leben, bis zu unserem Tod, sind diese Prozesse noch aktiv – anders als Forscher lange vermutet hatten. Damit versetzen uns neurologische Netzwerke in die Lage, so gut wie möglich mit speziellen Gegebenheiten zurechtzukommen. Doch so stark wie in den ersten 1000 Tagen ist die Plastizität unseres Gehirns nie wieder.

Die folgenden Seiten werden zeigen, wie sich all das entwickelt und miteinander zusammenhängt: Hunger und Sättigung, Appetit und Geschmacksvorlieben. Jene Mechanismen also, die stets im Mittelpunkt stehen, wenn es um die frühkindliche Prägung geht und die Frage, ob ein Kind auf »gesund« programmiert wird – oder ungesunde Ernährungsmuster vermittelt bekommt.

HUNGER, SÄTTIGUNG UND GESCHMACK – WAS IST DAS?

Um zu verstehen, wie Hunger, Sättigung und Geschmack funktionieren, ist zunächst ein kurzer Blick auf unsere Entwicklung im Mutterleib nötig, mit einem Fokus auf der Entwicklung des Gehirns – denn dieses steht im Zentrum all jener Phänomene.

Die faszinierende Geschichte der Hirnentwicklung beginnt in der dritten Lebenswoche: Aus dem Zellhaufen, der einmal ein Mensch sein wird, bildet sich ein Embryo heraus – und die wichtigsten Organe fangen an, sich zu entwickeln. Allen voran das Gehirn: Die meiste Energie, die ein werdender Mensch im Mutterleib zur Verfügung hat, verwendet er darauf, dieses Zentralgestirn im Orbit der Organe auszubilden – stets im Austausch mit Skelett und Muskeln etwa. Ab der siebten Woche beispielsweise beugen Embryos erstmals spontan Rückgrat und Kopf – zum Beleg, dass die Nerven- mit den Muskelzellen kommunizieren, um sich fortan im gegenseitigen Wechselspiel weiterzuentwickeln.

Ab der neunten Woche dann sind sämtliche Organe angelegt: Ein Mensch ist nun etwa so groß wie eine Kirsche – und heißt nicht mehr Embryo, sondern Fötus. Als solcher ist er ein echter Hochleistungssportler: Was immer ein Fötus neu kann, trainiert er eifrig. Weil Gehirn und Muskeln dadurch rasant wachsen, bringt er am Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels schon so einiges fertig: Beispielsweise ist ein Fötus in der Lage, seine Finger zu bewegen, am Daumen zu lutschen oder mit der Nabelschnur zu spielen.

Der Lohn der Mühen: Mit Beginn des vierten Monats hat der Fötus die kritischste Phase seines Lebens überstanden! Wären genetische Störungen aufgetreten, hätten sich Zellen etwa fehlerhaft geteilt, so wäre es zu einer Gelbkörperschwäche gekommen oder einer Infektion – und die Natur hätte einen Abgang des Winzlings ausgelöst, einen sogenannten Abort. Bis zu 40 Prozent aller Schwangerschaften enden auf diese Weise, schätzen Experten. Schafft es ein Fötus aber in die 13. Woche, dann hat die Natur entschieden: »Aus diesem Wesen kann ein gesundes Kind werden.« Die Sterblichkeit sinkt ab diesem Zeitpunkt enorm – nach der 16. Lebenswoche überstehen 95 Prozent aller Föten die beiden weiteren Schwangerschaftsdrittel.

Kommt ein Baby schließlich auf die Welt, verfügt sein Gehirn bereits über so viele Nervenzellen wie das eines Erwachsenen: fast 90 Milliarden. Allerdings sind diese noch nicht ausgewachsen – und auch die meisten Verbindungen zwischen den Zellen, die aufwendige Strukturen miteinander bilden, müssen noch entstehen. Was für eine Aufgabe das ist, macht eine weitere Zahl klar: Jede einzelne Nervenzelle kann zwischen 1000 und 10 000 Verbindungen besitzen, sogenannte Synapsen, die sie mit weiteren Neuronen verknüpft.

Und so wächst das Gehirn auch nach der Geburt rasant weiter! Wann immer eine Mutter ihr Baby berührt, ein Sonnenstrahl seine Augen trifft, ein Lachen sein Ohr oder der Duft von Zimt seine Nase – jeder Reiz geht direkt ins Gehirn und lässt dort Synapsen entstehen. Ebenso jede Bewegung: Ob ein Säugling Milch trinkt, die Arme den Eltern entgegenstreckt, sich nach einigen Wochen auf der Welt auf den Bauch rollt oder, noch später, zu krabbeln und zu brabbeln beginnt – jede wiederholte Bewegung lässt das Hirn weitere Verknüpfungen ausbilden. Insgesamt bis zu 700 pro Sekunde!

Direkt sehen können Eltern diese Entwicklung zwar nicht – doch was die Zunahme von Masse und Struktur im Gehirn bewirkt, lässt sich von außen prima beobachten. Nicht nur am Kind selbst, sondern ebenso deutlich an den elterlichen Gesichtern, die nun regelmäßig vor Stolz strahlen dürfen. Zum Beispiel, wenn ihr Kind mit etwa drei Monaten »weiß«, dass es ein Mobile in Bewegung versetzen kann, wenn es mit den Füßen strampelt und es dabei anstößt. Oder wenn es im Alter von etwa fünf Monaten nach den ersten Dingen greift – und vier Wochen später anfängt, durch die Wohnung zu robben.

Mit dem ersten Geburtstag erfolgt dann die nächste Umbenennung: Das »Baby« heißt nun »Kleinkind«. Als solches beginnt es bald – der zu diesem Zeitpunkt bereits ausgefeilten Kommunikation zwischen Gehirn und Muskeln sei Dank –, die Welt um sich herum im breitbeinigen Watschelgang zu erkunden. Und, langsam, langsam, Dinge nicht mehr nur anzuschauen, sondern aus dem, was es sieht, eine innere Vorstellung abzuleiten – etwa, was Größe und Form angeht. Und so testet ein Kleinkind mit wachsender Begeisterung, welche Förmchen wo hineinpassen, woraus sich Türme stapeln lassen – und was sich wie ein- und ausräumen lässt. Ein paar Monate später schließlich kann es sicher Formen wie Kreise und Dreiecke unterscheiden und Dinge nach verschiedenen Eigenschaften wie Farbe, Größe und Material sortieren.

Schauen Eltern am zweiten Geburtstag des Kindes auf ihren Nachwuchs, können sich die meisten kaum mehr vorstellen, dass dieser 1000 Tage zuvor nicht mehr war als eine unsichtbare Ansammlung weniger Zellen. Denn inzwischen läuft das Kleinkind relativ sicher, kann feste Nahrung kauen, das Lieblingskuscheltier füttern – also die Mutter nachahmen –, sich lästige Dinge wie die Socken selbst ausziehen und, wenn es eine begabte Plaudertasche ist, bereits Zwei-Wort-Sätze bilden. Vor allem aber kann es klar artikulieren, wenn es Hunger hat, kann deutlich machen, was es an Essen mag und was nicht.

Deshalb wird es nun Zeit, sich einmal genauer anzuschauen, was Hunger und Geschmack eigentlich sind – und wie beides im Zusammenspiel mit der Gehirnentwicklung entsteht …

HUNGRIG? SATT? SO FUNKTIONIERT’S

Magengrummeln, Leere im Bauch, Verlangen nach Essen: Von alldem spürt ein Fötus im Mutterleib noch nichts – dank der permanenten Versorgung über die Nabelschnur empfindet er keinen Hunger. Doch das ändert sich in dem Moment, in dem die direkte Verbindung zur Mutter gekappt wird. Das Gute: Babys kommen mit einem System zur Welt, von dem viele Erwachsene nur träumen – einem perfekt austarierten Regelkreis, der steuert, wann ein Baby Hunger hat und wann es satt ist. Die Schaltzentrale dieses Systems liegt im Gehirn, genauer im Hypothalamus – der Hirnanhangsdrüse.

Hunger entsteht also nicht im Bauch, sondern im Kopf. Sobald im Hypothalamus hormonelle Signale ankommen, die etwa einen niedrigen Blutzuckerspiegel anzeigen – vermittelt über Sinneszellen, sogenannte Rezeptoren, in Leber und Magen –, herrscht Alarmstufe Rot! Schließlich ist unser Gehirn das Organ mit dem höchsten Energieverbrauch. Deshalb regelt es nun alle körperlichen Prozesse herunter, die nicht unbedingt nötig sind, und schüttet spezielle Stoffe aus, die Forscher gern Hungerhormone nennen – wie etwa das Neuropeptid Y. Sie lösen dieses unbändige Verlangen aus, genau jetzt auf der Stelle etwas zu essen. Und den Drang, konsequent auf die Suche danach zu gehen. Was bei Babys so viel bedeutet wie: »Losschreien! Jetzt!«

Ähnlich funktionieren die Prozesse, die zum umgekehrten Gefühl führen, zur Sättigung. Erkennen Rezeptoren in der Magenwand, dass der Füllstand steigt, schütten sie bestimmte Hormone aus, die das Sättigungszentrum im Hypothalamus stimulieren. Das Gleiche geschieht, wenn Rezeptoren im Darm erkennen, dass dieser gerade viel Essen verdaut hat, die Versorgung mit Nährstoffen also gesichert ist – dann erreichen weitere Signalstoffe das Sättigungszentrum. Beides veranlasst dieses, seinerseits spezielle Botenstoffe auszuschütten, die dem Körper vermitteln: »Es reicht! Essen einstellen.«

Bei Babys funktioniert der Hunger-Sättigungs-Regelkreis in einer Perfektion, nach der sich Erwachsene oft sehnen. Ebenfalls meisterlich ausgeprägt: ihr Geschmacks- und Riechsinn. Und das hat gute Gründe …

WARUM BABYS ECHTE FEINSCHMECKER SIND

Erblickt ein Säugling das Licht der Welt, kann er sich kaum bewegen und auch nicht viel sehen. Wenn es aber ans Riechen und Schmecken geht, sind Babys echte Meister. Diese beiden Sinne gehören evolutionsbiologisch zu den ältesten: Wer überleben will, muss seit jeher zwischen essbar und ungenießbar unterscheiden können – da hilft es enorm, zu erschmecken, wenn etwas sauer ist, also möglicherweise verdorben, oder Fäulnis am Geruch zu erkennen. Neugeborenen indes dienen Riechen und Schmecken eher dazu, ihre Eltern wahrzunehmen – und so eine enge Bindung zu ihnen aufbauen zu können.

Und so entwickelt sich unser Geschmackssinn bereits im Mutterleib bis zur Perfektion. Während des zweiten Schwangerschaftsmonats bildet sich die Zunge mit den Geschmacksknospen aus – ab dem dritten sind sie mit dem Nervensystem des Gehirns verbunden und funktionieren. Zwischen fünftem und siebtem Monat ist ein Fötus buchstäblich ein Feinschmecker: Dann ist die Zahl der Geschmacksknospen am höchsten!

Der Sinn des Ganzen: Schon jetzt kann die Mutter ihren Nachwuchs auf die Nahrung prägen, die ihr selbst guttut. Dies geschieht über das Fruchtwasser: Ab dem vierten Schwangerschaftsmonat trinkt ein Fötus davon mindestens 200 Milliliter pro Tag. Inzwischen ist wissenschaftlich belegt, dass sich der Geschmack von Fruchtwasser ändert, je nachdem, was die Schwangeren häufig essen. Auf diese Weise erfährt der Fötus sehr früh die verschiedenen grundsätzlichen Geschmacksqualitäten, die wir mit der Zunge wahrnehmen – also süß, sauer, salzig, bitter und umami. Und kann genetisch angelegte Geschmacksvorlieben schon im Mutterleib ausbilden, wie inzwischen wissenschaftlich bewiesen ist. So zeigt sich etwa die Abneigung gegenüber Bitterem sehr früh: Geben Forscher eine bittere Flüssigkeit ins Fruchtwasser, stellen Föten das Trinken nicht nur sofort ein – ab der 26. Schwangerschaftswoche verziehen sie dazu wie Erwachsene auch den Mund und kneifen die Augen zusammen. Süßen die Forscher dagegen das sowieso süßlich schmeckende Fruchtwasser zusätzlich, trinken Ungeborene mehr.

Indes: Ohne unseren Riechsinn würde ein Geschmack auf lange Sicht fad bleiben. Um zu erfahren, wie entscheidend unsere Nase für die Frage ist, wie etwas schmeckt, genügt es, sich bei der nächsten Mahlzeit einmal die Nase zuzuhalten. Milchreis mit Zimt und Zucker wird schlicht süß schmecken – aber nicht nach dem Gewürz. Und Pizza irgendwie salzig – aber sicher nicht nach Tomaten, Kräutern oder dem spezifischen Aroma des darübergestreuten Käses. Das erlaubt erst der Riechsinn: Sobald wir etwas schlucken, steigen die Aromastoffe des Lebensmittels in die Nasenhöhle mit der Riechschleimhaut. Diese weist zehn bis 30 Millionen Zellen auf – mit Sinneshaaren, die wiederum eine spezifische Version von Duftrezeptoren tragen. Dadurch sind wir in der Lage, Millionen unterschiedlicher Gerüchte wahrzunehmen.

Essen wir also ein Vanilleeis, wird die Geschmacksqualität »süß« zusammen mit Informationen zur Textur sowie dem spezifischen Duftprofil über elektrische Reize ins Hirn gefunkt. Und erreicht dabei sehr schnell die Amygdala – ein Areal im sogenannten limbischen System des Gehirns. Dieses System verarbeitet Gefühle, lenkt Triebe, bewertet Situationen emotional – und sorgt dafür, dass wir diese wiedererkennen können. Außerdem ist das limbische System verantwortlich für die Ausschüttung von Endorphinen: Hormonen, die wie eine Art körpereigene Droge wirken – und beispielsweise Empfindungen wie Schmerz und auch Hunger mitregulieren.

Das limbische System funktioniert dabei wie eine Art riesiger Speicher: In ihm legen wir nicht nur den Geschmackseindruck an sich ab – sondern zugleich auch das Gefühl, das der Geschmack in uns ausgelöst hat, sowie die Umstände, unter denen wir diesen erfahren haben. Das Spannende: Begegnet uns ein Duft oder ein Geschmack wieder, wird er im Bündel abgerufen. Das erklärt beispielsweise, warum uns der weihnachtliche Duft frisch gebackener Plätzchen umstandslos in Omas Küche zurückversetzt und sich ein wohliges Gefühl der Geborgenheit in uns breitmacht. Und warum Menschen, die einmal eine verdorbene Bratwurst gegessen haben und sich danach übergeben mussten, vom Grillgeruch schlecht werden kann …

Außerdem wichtig: Während unser Gehirn optische, akustische und haptische Signale zunächst in einem evolutionsgeschichtlich weitaus jüngeren Areal des Gehirns, der Großhirnrinde, verarbeiten muss, ehe sie an das limbische System weitergeleitet werden, haben Sinneseindrücke von Nase und Zunge einen direkten Draht zu diesem Bereich. Wir nehmen Düfte und Geschmäcker also sehr schnell wahr. Das hat enorme Vorteile: Es erlaubt uns beispielsweise, den Geruch von Rauch in der Wohnung auf der Stelle mit »Gefahr« zu verbinden und rasch zu fliehen – und ermöglicht einem Baby, sich zu beruhigen, wenn es der Mutter nahekommt, deren individuellen Duft einatmet und ihren Herzschlag spürt.

Das komplexe Schmeck- und Riechsystem funktioniert bei Föten nachgewiesenermaßen bereits ab der 28. Schwangerschaftswoche. Dann reagieren die Ungeborenen erstmals auf Gerüche.1 Ab diesem Zeitpunkt sind sie damit in der Lage, Geschmack in dem Sinn zu erfahren, wie wir ihn als Erwachsene wahrnehmen: als eine Kombination von Aromen und grundsätzlichen Geschmacksqualitäten, die wir über Zunge und Nase erkennen und die den spezifischen Charakter unterschiedlicher Lebensmittel und Gerichte ausmachen – von Paprika bis Pesto.

Weil Schmeck- und Riechsinn so früh ausgebildet sind, bleiben einem Fötus beinahe drei Monate Zeit, um bereits im Mutterleib spezifische Geschmacksprägungen zu erfahren – und abzuspeichern. Wie gut das funktioniert, konnten Forscher sehr konkret nachweisen. So gaben sie für eine Studie Müttern im letzten Schwangerschaftsdrittel regelmäßig Anis zu essen.2 Deren Neugeborene reagierten – kaum auf der Welt – positiv darauf, wenn sie einen mit Anisöl getränkten Wattebausch unter die Nase gehalten bekamen. Kinder von Müttern, die keinen Anis gegessen hatten, reagierten dagegen negativ. Das Gleiche gilt auch für andere Lebensmittel: Isst die Mutter während der Schwangerschaft beispielsweise viel Knoblauch, mag das Kind diese Nahrungsmittel später sehr wahrscheinlich auch.3 Das erklärt, warum Kleinkinder hierzulande kaum ein Curry zum Frühstück essen würden – Kleinkinder in Indien dies dagegen oft mögen und stattdessen wohl bei einem Salamibrot schmal gucken würden.

Über den Sinn dieser frühen Geruchs- und Geschmacksprägung sind sich Wissenschaftler weitgehend einig. Die abgespeicherten Wahrnehmungen dienen Neugeborenen und Babys dazu, sich in der neuen Umgebung geborgen zu fühlen, die für sie nicht nur fremd, sondern zudem sinnlich nur beschränkt erfahrbar ist. Während wir als Erwachsene beispielsweise 80 Prozent aller Informationen über die Augen aufnehmen, können Neugeborene nur extrem unscharf sehen: Es sind vor allem Hell-Dunkel-Kontraste, die sie wahrnehmen. Dazu reicht ihre Sehkraft gerade einmal so weit, um beim Stillen das Gesicht der Mutter zu erkennen. In dieser Welt voller Unsicherheiten versprechen bekannte Gerüche und Geschmäcker Sicherheit und Orientierung: So riecht beispielsweise Muttermilch ähnlich wie Fruchtwasser – das macht es dem Baby leicht, die Brust zu finden und Muttermilch als Nahrung zu akzeptieren.

Kein Wunder, dass die Geschmacksprägung nach der Geburt in rasantem Tempo weitergeht: Nun ist es die Muttermilch, die dem Säugling eine Vielzahl an Aromen vermittelt – je nachdem, was die Mutter isst. Diese Geruchs- und Geschmackseindrücke bereichern das Gehirn und gewöhnen das Kind damit an das Spektrum von Nahrungsmitteln, das in der Familie häufig auf den Tisch kommt. Sobald die Beikost die Milch ergänzt und später ersetzt, verfestigen und erweitern sich diese Prägungen zusätzlich – stets nach dem Motto: Was für die Erwachsenen gut ist, kann für mich nicht schlecht sein.

All diese Ausführungen machen klar: Geschmäcker und Düfte weisen Babys und Kleinkindern ihren Platz in der Umgebung zu, bieten Sicherheit und das Gefühl von Geborgenheit. Aus diesem Grund ist unsere Fähigkeit, Gerüche und Geschmäcker zusammen mit Gefühlen und den Umständen der Situation als Erinnerungsbündel abzuspeichern, in den ersten 1000 Tagen am stärksten ausgeprägt. Was wiederum verdeutlicht, wie wichtig die Ernährung für die Frage ist, wie gut ein Kind auf »gesund« oder »ungesund« geprägt wird. Denn unser Archiv an Geschmäckern ist mitentscheidend dafür, welches Essen wir später lieben: je vielfältiger die Erinnerungen, desto vielfältiger und damit gesünder unsere Ernährung.

WARUM WIR EWIG BABYS BLEIBEN SOLLTEN – UND HUNGER NICHT GLEICH HUNGER IST

Wie wir gesehen haben, kommen Babys in Sachen Geschmack und Nahrungsaufnahme als Großmeister zur Welt. Vieles müssen sie lernen – ihr Hunger-Sättigungs-Regelkreis jedoch funktioniert perfekt, und ihr Geschmacks- und Geruchssinn ist so gut entwickelt, dass sie niemals Verdorbenes oder Giftiges essen würden. Denn das schmeckt sauer oder bitter – beides Geschmacksqualitäten, die Babys erkennen und ablehnen.

Ernährungsmediziner sind sich deshalb sicher: Würden wir ewig in diesem Entwicklungsstadium verharren – niemand hätte Probleme mit Übergewicht. Denn kein Baby wird sich je überfuttern! Stattdessen leben – und essen – Menschen in der Frühphase konsequent nach den zwei Primärbedürfnissen, mit denen sie auf die Welt kommen: satt sein – und zufrieden! Die Signale, wann dieser Zustand erreicht ist, nehmen Babys und Kleinkinder sehr genau wahr. Ein Kind etwa, das gestillt wird, hört auf zu saugen, wenn es satt ist – und schläft dann meist ein, als Beleg für die Zufriedenheit.

Diese Fähigkeit, nur dann zu essen, wenn wir hungrig sind, kann uns bis ins Erwachsenenalter erhalten bleiben. Jedoch nur dann, wenn Eltern die entsprechenden Hunger- und Sattsignale ebenfalls wahrnehmen – und sie vor allem akzeptieren. Den fein austarierten Regelkreis also nicht stören. Genau das jedoch passiert schnell, etwa wenn Mütter ihr Baby wecken und es an die Brust legen, weil sie denken, das Kleine hätte zu lange nichts gegessen. Oder aber Väter dem Kleinkind später einen Cracker hinhalten, um es damit dazu zu bringen, sich jetzt ohne Geschrei anziehen zu lassen (warum dies ungesunden Ernährungsmustern den Weg bahnt, erklärt das Kapitel zur idealen Prägung ab >).

Doch selbst wenn Eltern sich so angemessen wie möglich verhalten und den Hungerkreislauf nicht stören: Die Gehirnentwicklung der Kinder schreitet mit jedem Monat voran – und damit tritt zwangsläufig eine zweite Form von Hunger auf den Plan. Denn sobald Kleinkinder in der Lage sind, eigene Entscheidungen zu treffen, Unwillen oder Begehrlichkeiten – meist lautstark – kundzutun, beginnt das Essverhalten, sich zu verändern. Es ist dann nicht mehr allein das Primärbedürfnis, satt zu sein, das darüber entscheidet, was und wie viel wir essen. Vielmehr kommen Sekundärbedürfnisse dazu, wie etwa Appetit und Lust am Essen. Ein Kind isst dann nicht mehr allein deshalb, um seinen Körper mit Energie zu versorgen. Sondern auch, weil ein Eis beispielsweise extrem gut schmeckt. Weil es Genuss bedeutet, ein spezifisches Wohlgefühl auslöst, das wir immer wieder fühlen wollen. Auf dem Rücken des Genusses kommen also Verlangen und Appetit in unser Leben geritten – der sogenannte hedonistische Hunger.

Passenderweise spielen sich die dazugehörigen Prozesse nicht mehr im Hunger- und Sättigungszentrum ab – sondern im Belohnungszentrum sowie in Hirnarealen, die für Entscheidungen und Motivation zuständig sind. Diese Bereiche unseres Nervensystems gehören zu den ältesten überhaupt: Wir teilen sie mit sämtlichen Wirbeltieren, mit Fischen, Vögeln und natürlich auch den Säugetieren, denen wir selbst angehören. Wenn ein Kind losläuft, um sich ein Stück Kuchen vom Tisch zu stibitzen, sind in seinem Kopf die gleichen Areale aktiv, die etwa einen Fisch in die Lage versetzen, sich zu entscheiden, ob er lieber vor dem Hai flüchten oder sich dem Fressen widmen soll. Sobald wir uns also entscheiden, ob und was wir essen, nutzen wir eine Hardware, die sich evolutionär vor Hunderten Millionen Jahren entwickelt hat.

Außerdem wichtig: Den hedonistischen Hunger müssen wir lernen – mit dem anderen kommen wir auf die Welt. Der Lehrmeister dabei ist ein körpereigener Stoff, der beispielsweise auftritt, wenn wir das erste Mal ein Eis essen. Um zu verstehen, wie wir uns das Verlangen nach der kalten Süßigkeit aneignen, lassen Sie mich vorab ein anderes Beispiel anbringen. Stellen wir uns ein Baby vor, das zum ersten Mal erfolgreich nach seinem Fuß gegriffen hat. Der Körper wird diesen Erfolg belohnen, indem er Dopamin ausschüttet – eines der vier Glückshormone, die uns Wohlgefühl vermitteln. Das Baby fühlt sich also gut, wird dieses Wohlgefühl mit dieser spezifischen Bewegung verknüpfen und gemeinsam abspeichern. Und weil es sich natürlich immer wieder gut fühlen will, wird es wie von selbst die Bewegung wiederholen: Damit hat das Dopamin seine Funktion als positiver Verstärker erfüllt. Denn dieses Glückshormon ist vor allem dazu da, um uns dabei zu helfen zu lernen, Ziele zu erreichen, uns weiterzuentwickeln.

Dieses Beispiel lässt sich beinahe eins zu eins aufs Essen übertragen – denn auch hier, bei der Ausprägung von Essgewohnheiten, spielt Dopamin die entscheidende Rolle. Sobald der erste Löffel Vanilleeis auf der Zunge eines Kindes schmilzt oder ein Stück Schokolade, schüttet das Belohnungszentrum im Gehirn extrem viel Dopamin aus – und verschafft uns damit ein herrliches Wohlgefühl. Weil sich das Kind also prima fühlt, wenn es das Eis isst, wird sein Gehirn diesen Geschmackseindruck mit dem Prädikat »wertvoll« und damit »erstrebenswert« versehen und abspeichern. Kaut ein Kind dagegen auf einem Stück Gurke herum, fließt wenig bis gar kein Dopamin.

Warum das so ist? Mithilfe des hedonistischen Hungers will uns das Gehirn dazu bringen, möglichst oft und möglichst viel hochkalorische Nahrung zu uns zu nehmen. Evolutionär betrachtet ein äußerst sinnvolles Prinzip! Denn über Jahrhunderttausende hinweg waren Fett und Zucker absolute Mangelware, und der Hungertod bildete eine der größten Bedrohungen: Wer also ordentlich zulangte, wenn denn einmal viele Früchte am Baum hingen oder ein großes Tier in die Falle gegangen war, erhöhte seine Chancen, zu überleben, und damit zugleich die Wahrscheinlichkeit, sich fortzupflanzen und seine Gene weiterzugeben. Gurke dagegen versprach weniger Energie und bot damit nur einen geringen Überlebensvorteil.

Dopamin ist also der Schlüsselbotenstoff, wenn es darum geht, uns Geschmacksvorlieben einzuprägen. Und er spielt auch eine Schlüsselrolle bei der Frage, warum wir oft essen, obwohl wir gar keinen Hunger haben: schlicht, weil das gute Gefühl, das hochkalorisches Essen auslöst, negative Emotionen wie Stress oder Traurigkeit niederringen kann – wenn auch nur kurzfristig. Das erklärt im Ansatz, warum der evolutionäre Vorteil, den Dopamin als Lehrmeister lange versprach, zur Falle wird in einer Zeit wie der heutigen, in der statt Mangel Überfluss herrscht.

Nun, da klar ist, was in den ersten 1000 Tagen unseres Lebens passiert, wie Hunger, Sättigung und Geschmack funktionieren, ist es an der Zeit, einen genaueren Blick auf die Frage zu werfen, warum wir essen, wie wir essen. Was also genau über unsere Prägung entscheidet. Welche Rolle die Evolution auf der einen und unsere Eltern auf der anderen Seite dabei spielen, werden die nächsten Kapitel zeigen.

EVOLUTION – DER PRÄGUNG ERSTER TEIL

Süßjieper, Heißhunger, die Chipstüte, die sich wie von selbst leert: Bei alldem hat die Evolution ihre Finger mit im Spiel. Sie hat uns über Jahrmillionen hinweg Gene und Mechanismen eingeprägt, die mitbestimmen, welches Essen wir lieben und welches eher nicht – und warum wir mitunter einfach nicht aufhören können zu essen, obwohl wir längst satt sein müssten. Das folgende Kapitel wird erklären, wie unsere Ernährung sich über die Zeit verändert hat und die Grundlage dafür bildete, dass wir wurden, was wir sind. Zudem soll es aufzeigen, woran wir unser evolutionäres Erbe im Alltag bemerken können – und warum es neben der Evolution in Zeitlupe eine Evolution im Zeitraffer gibt, die unser Essverhalten und unsere Gesundheit noch stärker bestimmt.

DIE GENE – DIE BASIS ALLER PRÄGUNG

Wir kommen nackt auf die Welt, ohne die Fähigkeit zu flüchten – oder gar bewusst zu denken. Aber: Vom ersten Moment an, den wir leben – ob im Mutterleib oder schließlich an der Luft, im Bettchen, im Kinderwagen, auf dem Spielplatz –, »weiß« unser Körper, wie er sich entwickeln muss, was er dafür an Nahrung braucht – und wie er sie bekommen kann.

Dieses »Wissen« ist in unserem Erbgut gespeichert, unserer DNA. Als riesige Moleküle im Zellkern speichert die DNA eine Art Bauplan für uns Menschen, mit allen Informationen, die die Zelle braucht, um Baumaterial zu bilden, aus dem sich unser Körper zusammensetzt. Ganz ähnlich wie bei einer Geheimsprache, in der einzelne Abschnitte bestimmte Informationen tragen, lässt sich auch die DNA in sogenannte »Sequenzen« aufteilen: die Gene. Sie kodieren über spezifische molekulare Strukturen Informationen, aus denen im Zellplasma unter anderem Eiweiße und andere Substanzen entstehen, die den Betrieb des Körpers gewährleisten. Mit ihren beinahe ungezählten Formen und Funktionen bilden diese Proteine die Grundbausteine des Lebens. So bestehen etwa Herz, Gehirn und Haut hauptsächlich aus speziellen Eiweißen, andere wiederum sind als Enzyme dafür verantwortlich, Nahrung aufzuspalten – oder beschleunigen chemische Reaktionen im Körper.