Die Macht der Liebe - Michelle Zerwas - E-Book

Die Macht der Liebe E-Book

Michelle Zerwas

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Beschreibung

Marinas Leben scheint bis ins Detail durchgeplant zu sein. Gegen ihren Willen haben ihre Eltern einen passenden Ehemann für sie ausgewählt. Die Hochzeit ist organisiert. Alles gegen den Willen ihrer Tochter. Eines Tages tritt Fej in Marinas Leben. Die beiden Frauen verstehen sich nach anfänglichen Schwierigkeiten sehr gut und schon bald verlieben sie sich ineinander. Doch anstatt ihren Eltern reinen Wein einzuschenken, dass sie den für sie ausgewählten Ehemann Eduard auf gar keinen Fall heiraten möchte, führt sie stattdessen mit Fej eine heimliche Beziehung. Ihre Liebe wird immer wieder überschattet von arrangierten Treffen mit Eduard und dem Wissen dass die Hochzeit unaufhaltsam immer näher rückt. Marinas Schweigen hat schreckliche Konsequenzen. Irgendwann schöpft Marinas Mutter Verdacht. Sie spioniert ihrer Tochter hinterher und entdeckt die geheime Liebe zwischen Marina und Fej. Sie beschließt die Beziehung der beiden Frauen zu zerstören und schreckt auch nicht vor einem Mord zurück. Der Mordanschlag den sie auf Fej verüben lässt, geht jedoch schief und trifft stattdessen ihre eigene Tochter Marina.

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Michelle Zerwas

Die Macht der Liebe

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Prolog

Nach dem Gespräch mit ihren Eltern war Marina in ihr Zimmer geflüchtet. Nur zu gerne hätte sie die Zimmertür hinter sich zugeschlagen, doch sie wusste, dass ihre Mutter ein solches Benehmen nicht duldete. Sie flüchtete zu ihrem Lieblingsplatz und ließ sich seufzend auf der breiten Fensterbank nieder. Sie sah aus dem Fenster, konnte aber nicht viel erkennen. Dicke Regentropfen platschten gegen die Fensterscheibe und ließen die Landschaft draußen vor ihren Augen verschwimmen.

Sie wusste nicht, was sie fühlen sollte. In ihr war so viel Wut, Trauer und Hoffnungslosigkeit. Gerade eben hatten ihre Eltern ihr eröffnet möglichst bald ihre Hochzeit zu arrangieren. Das kam zwar nicht ganz überraschend für Marina, denn sie hatte es ja eigentlich immer gewusst, aber nun war es offiziell ausgesprochen worden. Es gab keine Chance mehr die unangenehmen Gedanken einfach beiseite zu schieben, so wie sie es bisher gehandhabt hatte.

Eduard Tennessee von Tebb hieß ihr zukünftiger Ehemann. Marina kannte ihn kaum. Auf einigen Festen und Veranstaltungen hatte sie ihn lediglich gesehen und einige belanglose Worte mit ihm gesprochen. Er war kein schlechter Mensch, aber sie konnte sich unmöglich vorstellen den Rest ihres Lebens mit ihm zu verbringen.

Ihre Gedanken wanderten zu Fej. Bei dem Gedanken an sie, schossen ihr Tränen in die Augen. Ihre Eltern hatten sie vor einem Jahr eingestellt. Eigentlich als Pferdepflegerin, aber Fej bekam die Anweisung sich zusätzlich ein wenig um Marina zu kümmern. Kurzum sie sollte eine Freundin für sie werden, denn sie hatte nie wirklich Freunde gehabt. In ihrem Leben bestand keine Möglichkeit Freundschaften mit „normalen“ Menschen zu schließen und mit den Menschen aus ihrer Gesellschaft konnte sie nichts anfangen.

Privatlehrer sorgten für die nötige Bildung in ihrem Leben. Marina war eine gute Schülerin. Das Lernen machte ihr Spaß und sie vergrub sich immer mehr in ihren Büchern. Sie waren die einzige Möglichkeit aus dem langweiligen Alltag zu fliehen, wenn sie nicht gerade den Pferdestall unsicher machte.

Natürlich versuchten ihre Eltern ständig ihr irgendwelche Freunde zu suchen. Ihre Mutter organisierte eifrig Treffen mit anderen Mädchen ihrer Altersgruppe. Sie kamen alle aus gutem Hause, aber Marina konnte nichts mit ihnen anfangen. Ihre Gespräche drehten sich um Mode, Kosmetik und Männer. Alle konnten es kaum erwarten endlich zu heiraten und jede von ihnen prahlte mit ihrem zukünftigen Ehemann. Marina fühlte sich unwohl in dieser Welt, die so ganz und gar nicht ihrer Vorstellung vom Leben entsprach.

Auch als Marina noch ein kleines Mädchen war, waren ihr diese Treffen zuwider gewesen. Damals steckte man sie in rosa Kleidchen und Lackschuhe und band Schleifen in die Haare. Allein dafür hätte sie ihre Mutter lebenslänglich hassen müssen. Mit ihren „Freundinnen“ sollte sie dann die typischen Spiele eines kleinen Mädchens spielen, wobei sie auf gar keinen Fall ihre Kleider schmutzig machen durften.

Das war alles überhaupt nichts für sie. Mit diesen Spielen konnte sie nichts anfangen. Viel lieber kletterte sie auf die Obstbäume im Park, streifte durch den Wald oder hielt sich im Stall auf.

Irgendwann sah auch ihre Mutter ein, dass sie wohl einen hoffnungslosern Fall groß gezogen hatte. Reichlich spät zwar, aber besser spät als nie.

Dann startete sie den letzten Versuch und stellte Fej ein. Wenn sie gewusst hätte, welchen Skandal sie damit auslöste, hätte sie es wohl niemals getan, denn Marina verliebte sich in Fej. Sie liebte Fej über alles und dachte nicht daran Eduard Tennesse von Tebb zu heiraten.

 

Marina dachte erneut an ihre Kindheit zurück. Eigentlich hatte sie keinen Grund unglücklich zu sein. Sie wohnte in einem wunderschönen Schloss, mit eigenem See und Wald. Viele beneideten sie um ihr Leben, doch Marina wünschte sich nur allzu oft ein ganz normales Mädchen zu sein.

Sie hatte keinen leichten Start ins Leben gehabt. Das hatte ihr ihre Mutter mal erzählt, als sie offensichtlich einen guten Tag gehabt hatte. Ihre Mutter redete nicht gerne über private Dinge und schon gar nicht über die Vergangenheit. „Was vergangen ist, sollte vergangen bleiben“, sagte sie immer.

Sie war zu früh zur Welt gekommen und hatte noch dazu einen Herzfehler gehabt. Gleich nach ihrer Geburt wurde sie operiert. Es war riskant gewesen, aber die Ärzte gingen das Risiko ein, denn nur so erhielt Marina überhaupt eine kleine Überlebenschance. Ihre Mutter hatte nicht damit gerechnet, dass Marina überleben würde. Zu oft hing ihr Leben damals am seidenen Faden. Doch Marina war eine Kämpfernatur. Sie wollte leben und sie schaffte es.

Doch der schwere Start in ihr Leben brachte ihr auch indirekt Glück. Ihre Mutter hatte vor ihrer Geburt geplant sie von Anfang an von einem Kindermädchen betreuen zu lassen, doch die schwere Krankheit ihrer Tochter hatte sie umdenken lassen und so kümmerte sie sich die erste Zeit ganz allein um ihre Tochter. Vielleicht wollte sie aber auch einfach nur allen etwas beweisen, denn damals hatte ihr das niemand zugetraut. Irgendwann wurde es ihr zu viel, sie machte sich auf die Suche nach einem Kindermädchen und wurde schon bald fündig.

Marina konnte dieser Frau damals absolut nichts abgewinnen, da sie ihr das Reiten verbieten wollte. Marina war heilfroh, als sie irgendwann alt genug war und das Kindermädchen nicht mehr brauchte.

All diese Gedanken schossen Marina durch den Kopf. Sie verfiel immer in sehr nachdenkliche Stimmung, wenn sie so am Fenster saß und hinaus sah. Stundenlang konnte sie das tun. Sehr zum Leidwesen ihrer Mutter.

1. Kapitel

An den Tag, als Fej bei ihnen ankam, erinnerte sie sich noch, als sei es erst gestern gewesen. Es war ein von eisiger Kälte beherrschter Tag. Schon morgens wehte ein eisiger Wind, der einem die Tränen in die Augen trieb. Der Himmel war grau und man hatte das Gefühl die Wolken müssten jeden Moment auf die Erde fallen, so voll waren sie mit Schneeflocken.

Genau diese Tage liebte sie so sehr. Nach dem morgendlichen Unterricht saß sie am Nachmittag in ihrem Zimmer auf der breiten Fensterbank und blickte nach draußen. Sehnsüchtig wartete sie auf die ersten Schneeflocken.

Eigentlich war sie mit ihren 17 Jahren aus dem Alter raus, in dem man sich wie ein kleines Kind auf den ersten Schnee des Jahres freute. Aber sie genoss es zutiefst, wenn die kleinen weißen Flocken lautlos zur Erde schwebten. Genauso schön war es aber auch im Sommer, wenn der Regen an die Scheibe prasselte und Gewitterblitze am Himmel zuckten. Stundenlang konnte sie diesen Naturschauspielen zuschauen und dabei über ihr Leben nachdenken oder einfach nur ihren Träumen nachhängen.

Sie merkte beinahe nicht, dass jemand ihr Zimmer betrat. Es war ihre Mutter. Lächelnd kam sie auf ihre Tochter zu und setzten sich neben sie. So saßen sie lange Zeit schweigend da, aber Marina ahnte schon, dass ihre Mutter etwas auf dem Herzen hatte. Natürlich ließ sie sich nichts anmerken und tat so, als habe sie keine Ahnung.

Ihre Mutter räusperte sich. „Ich möchte dich bitten in einer halben Stunde im Stall zu erscheinen. Ich möchte dir unsere neue Pferdepflegerin vorstellen.“

„Ich wüsste nicht, was ich damit zu tun habe. Sonst treffen Vater und du die Personalentscheidungen  doch auch allein.“

„Da hast du völlig Recht, aber diesmal betrifft es dich ja sozusagen direkt.“

Fragend sah sie ihre Mutter an, die auch sofort weiter sprach.

„Nachdem dein Vater und ich in der Vergangenheit nur zu oft versucht haben eine Freundin für dich zu finden, was ja leider ohne Ergebnis blieb, haben wir uns überlegt dir eine Freundin zu suchen, die die gleichen Interessen hat wie du. Sie kommt zwar nicht aus unseren Kreisen, aber wenn das so weitergeht vergisst du noch völlig wie man sich im Umgang mit anderen Menschen zu verhalten hat. Als Einzelkämpfer kommt man meist nicht weit.“

Zuerst einmal war Marina sprachlos. Doch dann erlangte sie ihre Fassung wieder.

„Wie kommt ihr dazu mir eine Freundin zu suchen. Ich wäre selbst dazu in der Lage, wenn ihr mich nicht immer einsperren würdet. Ich darf ja nicht in die Öffentlichkeit zu den „normalen“ Leuten.“

„Wir versuchen nur dich zu schützen. Du hast keine Ahnung wie die Realität aussieht. Man wird dich ausnutzen und alle werden sich nur mit dir anfreunden wollen, weil du Geld hast und aus reichem Hause kommst.“

„Ach und ihr seid der Meinung eine gekaufte Freundschaft ist besser, ja?“

Ihre Mutter hatte anscheinend genug von dem Gespräch. Sie erhob sich und bevor sie das Zimmer verließ, sagte sie: „Wir meinen es nur gut mit dir und ich verlange von dir, dass du in einer halben Stunde im Stall erscheinst.“

Nun war Marina wirklich wütend. Warum musste sie immer das tun, was ihre Eltern von ihr verlangten und warum endete jedes Gespräch mit ihrer Mutter im Streit?“

Sie hatte sich geschworen sich dieses eine Mal nicht von ihrer Mutter herum kommandieren zu lassen. Sie hatte ihr eigenes Leben und das musste ihre Mutter endlich einsehen.

Doch letztendlich siegte doch die Neugier und Marina wollte wissen, wen ihre Eltern da mal wieder angeschleppt hatten. Immerhin verbrachte sie die meiste Zeit des Tages im Stall. Deshalb war es wohl nur von Vorteil, wenn sie sich die neue Pferdepflegerin mal ansah. Es konnte sie ja niemand dazu zwingen sich tatsächlich mit ihr anzufreunden.

Sie schlüpfte in ihre Reithose, zog einen schicken Pullover an, der ihre Taille betonte und zwängte sich dann in die frisch geputzten Reitstiefel. Nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel, machte sie sich auf den Weg.

Sie trödelte absichtlich, um wenigstens einige Minuten zu spät zu kommen. Ein wenig Rebellion ihren Eltern gegenüber musste schon sein.

Als sie den Stall betrat unterhielten sich ihre Eltern mit einer jungen Frau, die nicht viel älter zu sein schien als sie selbst.

Ihre Mutter kam sofort auf Marina zu, als sie ihre Tochter sah. Sie tat so, als hätte es ihren Streit vorhin nicht gegeben. Marina jedoch konnte das alles nicht so schnell vergessen.

„Darf ich dir Fej vorstellen? Sie wird ab heute unser Gestüt mit ihrer Arbeitskraft unterstützen. Es wäre wirklich wünschenswert, wenn ihr euch ein wenig anfreunden würdet.“

Die letzte Bemerkung ihrer Mutter war Marina zutiefst peinlich. Was sollte Fej denn nun von ihr denken? Womöglich dass sie nicht in der Lage war sich selbst Freundinnen zu suchen. Fej musste sie für ziemlich komisch halten.

Fej war ihr vom ersten Moment an sehr sympathisch. Sie hatte kurze blonde Haare, blaue Augen und war unwahrscheinlich schlank.

Im Nachhinein wurde ihr klar, dass sie sich wohl damals auf den ersten Blick in Fej verliebt hatte. Sie wollte es sich wohl nur zu dieser Zeit nicht eingestehen.

Ihre Eltern verließen wenig später den Stall. Ihre Mutter blieb ohnehin nie länger als nötig dort. Sie wollte mit Pferden nichts zu tun haben. Auch ihren Vater interessierten Pferde nicht wirklich. Für ihn war es das Wichtigste, dass sie genug Gewinn abwarfen.

Fej und Marina standen sich schweigend gegenüber.

„Ich will dich nicht von der Arbeit abhalten“, sagte Marina und verließ eilig den Stall.

Was hätte sie mit Fej reden sollen? Einerseits hätte sie sich gerne mit ihr unterhalten, denn die Liebe zu Pferden verband sie, aber andererseits nahm sie es ihren Eltern immer noch übel, dass sie ihr quasi eine Freundin gekauft hatten. Diese Wut ließ sie wohl, ohne dass sie es wollte, an Fej aus.

An diesem Tag ging sie nicht mehr in den Stall, auch wenn es ihr schwer fiel. Shantih, ihre sechsjährige Araberstute wartete sicher darauf von ihr bewegt zu werden.

Shantih war ihr Ein und Alles. Sie war auf dem Gestüt geboren. Marina hatte damals sogar zwei Wochen im Stall übernachtet, nur um bei diesem Ereignis dabei sein zu können. Ihre Mutter hatte sich darüber so sehr aufgeregt, dass sie beinahe einen Nervenzusammenbruch erlitten hätte, aber Marina hatte sich davon nicht beirren lassen. Dieses eine Mal in ihrem Leben hatte sie ihren Dickkopf durchgesetzt. Es war aufregend gewesen bei einer echten Pferdegeburt dabei zu sein.

Am nächsten Morgen überredete sie ihren Vater ihr Shantih zu schenken. Sie war alt genug, um ein eigenes Pferd zu besitzen. Aus dem Ponyalter war sie längst heraus.

Nach einigem Zögern willigte ihr Vater schließlich ein. Shantih gehörte somit Marina.

Sie beschäftigte sich intensiv mit Shantih. Jede freie Minute verbrachte sie bei ihr im Stall. Schon nach kurzer Zeit folgte sie ihr beinahe wie ein Hund. Sie beide verband schon früh eine sehr tiefe Freundschaft. Wer brauchte schon menschliche Freunde, wenn er die Liebe eines Tieres erhält?

Da sie Shantih die ersten drei Jahre nicht reiten konnte, ritt sie fast täglich auf einem anderen Pferd. Sie wollte sich mit keinem dieser Tiere richtig anfreunden, da sie nie sicher sein konnte welches Pferd ihr Vater als nächstes verkaufte. Es war trotzdem eine tolle Zeit. Sie stellte sich jeden Tag neuen Herausforderungen und neuen Pferden. In dieser Zeit lernte sie eine ganze Menge dazu, was ihr später zugute kam, als sie begann Shantih einzureiten.

Bis heute waren Shantih und sie unzertrennlich. Sie war sehr temperamentvoll, aber Marina war eine gute Reiterin und kam sehr gut mit ihr zurecht.

 

2. Kapitel

Am nächsten Morgen wäre sie am liebsten sofort zu Shantih in den Stall gegangen, aber ihr blieb keine Zeit. Beim morgendlichen Frühstück wurde sie von ihrer Mutter tadelnd angesprochen. Sie wollte wissen aus welchem Grund sie am gestrigen Tage so schnell wieder aus dem Stall verschwunden war, wo hingegen sie doch sonst nie genug Zeit dort verbringen konnte. Marina redete sich damit heraus, dass sie noch eine dringende Hausarbeit machen musste, die ihr Privatlehrer heute sehen wollte.

Damit gab sich ihre Mutter halbwegs zufrieden, denn die Schule stellte sie vor alles andere. Dennoch betonte sie. „Ich möchte, dass du dich mit Fej ein wenig anfreundest. Es ist wichtig im Leben Freunde zu haben. Ich habe schließlich auch meine Freunde.“

Angewidert dachte sie an die Freundinnen ihrer Mutter. Eingebildete und hochnäsige dumme Gänse. Für Marina war es immer ein Horrorszenario, wenn sie zu Besuch kamen. So wollte sie unter keinen Umständen enden.

„Du willst also unbedingt, dass Fej und ich Freundinnen werden? An mir soll es nicht scheitern, aber glaubst du allen Ernstes, dass es Fej reichen wird mit mir auszureiten oder vornehm mit mir das Abendessen einzunehmen. Fej lebt in einer ganz anderen Welt. Würdest du mir erlauben mit Fej in eine Disco zu gehen oder auf irgendwelche Partys? Würdest du mir erlauben mit ihr in ein öffentliches Schwimmbad oder ins Kino zu gehen? Würdest du das alles hinnehmen? Du, die mich nie in die Öffentlichkeit lässt und mich immer nur unter Aufsicht meine Schritte machen lässt. Eine Freundschaft kann nicht lange überleben, wenn sie immer wieder auf diese Art und Weise eingeengt wird.“

Darüber dachte ihre Mutter nun doch angestrengt nach. Marina glaubte, sie hatte über derlei Dinge bisher nicht nachgedacht.

„Darüber ließe sich ja noch sprechen, wenn es so weit ist“, wich ihre Mutter dieser Frage aus.

„Ich möchte aber gerne jetzt eine Antwort darauf haben und nicht erst wenn es deiner Meinung nach so weit ist.“

Endlich mischte sich auch mal ihr Vater ein. „Ich finde, du solltest in dieser Sache klarer Stellung beziehen, Theresa.“

Ihre Mutter gab klein bei, was Marina nicht erwartet hatte, da sie meist nicht auf Vater hörte. „Eventuell würde ich es dir erlauben. Natürlich nur wenn ich vorher genügend Sicherheitsvorkehrungen treffe.“

Wütend sprang Marina von ihrem Stuhl auf. „Du willst mich dann also überwachen lassen, ja? Verstehst du nicht, dass ich das nicht möchte? Ich will frei sein. Ich will mich endlich frei bewegen können, meine eigenen Entscheidungen treffen und meine eigenen ganz persönlichen Erfahrungen machen.“

Ihre Mutter sah sie wütend an. Doch bevor sie ihr widersprechen konnte, sagte Marina: „Ihr entschuldigt mich jetzt bitte. Mein Unterricht beginnt gleich.“

Sie hatte nur noch wenige Minuten, bis ihr Unterricht begann. Sie bezweifelte, dass sie sich konzentrieren konnte. Dafür war sie im Moment viel zu aufgewühlt. Dennoch bemühte sie sich wenig später Herrn Ewerz interessiert zuzuhören.

Doch kaum hatte er sich von ihr verabschiedet, machte sie sich auf den Weg in den Stall. Sie musste endlich mit Shantih ausreiten, ihren Kopf wieder frei bekommen und da konnte nur ein anständiger Galopp helfen.

Ohne von jemandem gesehen zu werden, schlüpfte sie zu Shantih in die Box. Erleichtert schlang sie ihre Arme um den Hals des Pferdes und atmete den geliebten Pferdegeruch ein.

Als sie später Shantih auf der Stallgasse angebunden hatte, um sie zu putzen und zu satteln, kam Fej auf sie zu.

„Hallo Marina, wie geht’s dir?“

„Gut“, antwortete Marina ausweichend.

„Wenn du ausreiten möchtest, würde ich dich sehr gerne begleiten. Natürlich nur wenn du nichts dagegen hast.“

„Ehrlich gesagt, wäre ich lieber allein. Ich möchte meine Ruhe haben. Im Übrigen musst du dich nicht verpflichtet fühlen Zeit mit mir zu verbringen. Selbst wenn wir uns anfreunden, wir werden diese Freundschaft niemals unbeschwert genießen können. Du und ich, wir leben in zwei verschiedenen Welten.“

Mit dieser Aussage hatte sie Fej wohl sehr getroffen. Denn ohne etwas zu sagen verließ sie gekränkt den Stall. Das wiederum tat Marina auch wieder leid. Im Moment ging eben alles was sie anfasste in ihrem Leben schief.

Schnell sattelte sie Shantih. Sie musste endlich raus hier. Marina schlug den Weg zum Waldsee ein. Den ganzen Weg galoppierte sie ziemlich rasant. Shantih machte das jedoch nichts aus. Sie konnte sich endlich mal richtig austoben.

Immer wieder musste Marina herunterhängenden Ästen ausweichen, um nicht vom Pferd gefegt zu werden. Es war ganz schön gefährlich und leichtsinnig so durch den Wald zu reiten, das wusste sie. Es kam, wie es kommen musste. Als sie fast am Ziel war, erschrak Shantih aus unerfindlichen Gründen. Sie machte einen Satz zur Seite und Marina fiel bei vollem Galopp vom Pferd.

Shantih blieb nach wenigen Metern stehen und sah sich nach ihrer Reiterin um. Marina brauchte einen Moment um sich wieder aufzurappeln. Ihr war ein wenig schwindelig und ihr Herz raste wie wild.

Sie lehnte sich gegen einen Baum, schloss die Augen und atmete erstmal tief durch. Plötzlich hörte sie eine Stimme.

„Marina, bist du verletzt?“

Sie blickte auf und sah Fej. Besorgt sprang sie vom Pferd und war auch sofort neben ihr.

Egal was sie vorhin im Stall zu ihr gesagt hatte, nun war Marina froh Fej bei sich zu haben.

„Was machst du hier?“, fragte sie immer noch mit zitternder Stimme.

„Du hast eben im Stall so unglücklich und zugleich aufgebracht ausgesehen und ich dachte, ich könnte dir vielleicht helfen. Manchmal hilft es, wenn man über seine Probleme spricht.“

„Du kannst mir dabei auch nicht helfen“, sagte Marina. „Wir werden niemals Freundinnen werden. Meine Mutter wird immer zwischen uns stehen.“

Noch immer schwankend lief sie auf ihr Pferd zu. Fej wollte ihr helfen, doch wieder stieß Marina sie von sich weg.

„Bitte Fej, lass mich einfach in Ruhe. Glaub mir, es ist besser, wenn wir uns gar nicht erst einander annähern.“

„Ich verstehe dich nicht, Marina. Was geht uns deine Mutter an?“

„Du hast überhaupt keine Ahnung“, rief Marina und merkte wie ihr die Tränen in die Augen schossen.

Sie schwang sich in den Sattel und trieb Shantih an. Diesmal jedoch war sie etwas vorsichtiger und wählte ein langsameres Tempo.

Wieder tat es ihr leid, dass sie Fej einfach so stehengelassen hatte. Im Grunde mochte sie Fej. Sie konnte sich selbst nicht erklären warum sie so abweisend zu ihr war.

Als sie Shantih abgesattelt hatte, legte sie sich sofort ins Bett, denn es ging ihr immer noch nicht gut. Zu dem Schwindelgefühl kamen nun auch Kopfschmerzen und eine leichte Übelkeit hinzu. Wahrscheinlich hatte sie eine leichte Gehirnerschütterung.

Als sie nicht zum Abendessen erschien, kam ihre Mutter ins Zimmer.

Als sie von den Beschwerden ihrer Tochter erfuhr, zählte sie sofort eins und eins zusammen und wollte wissen, ob sie einen Reitunfall gehabt hatte.

Marina konnte es nicht leugnen, denn sie war eine sehr schlechte Lügnerin.

„Warum hat mir niemand von den Angestellten im Stall etwas gesagt“, ereiferte sich ihre Mutter.

„Weil niemand etwas davon weiß“, sagte sie mit schwacher Stimme. „Es ist bei einem Ausritt im Wald passiert.“

Ihre Mutter rief sofort Dr. Berga an, der sofort kam. Er stellte eine leichte Gehirnerschütterung fest, wie Marina bereits selbst vermutet hatte und verordnete ihr einige Tage Bettruhe.

 

Als sie am nächsten Morgen erwachte, fühlte sie sich wieder richtig gut. Doch als sie aufstehen wollte, kehrten ihre Kopfschmerzen zurück. Stöhnend ließ sie sich wieder in ihre Kissen zurück sinken.

Wenig später betrat Johanna das Zimmer. Sie trug ein Tablett in den Händen und schloss hinter sich die Tür mit dem Ellbogen.

„Guten Morgen, Marina. Was machst du bloß für Sachen?“

„Reiten ist eben nicht ganz ungefährlich“, erwiderte diese schwach.

„Ich habe dir ein kräftiges Frühstück gemacht. Danach fühlst du dich ganz bestimmt besser.“

„Ich kann nichts essen. Ich kann ja nicht mal aufstehen.“

Johanna ließ sich nicht beirren. Sie stellte das Tablett auf die Kommode neben dem Bett ab und trat dann entschlossen neben sie.

Sie bat Marina darum sich im Bett aufzusetzen. Johanna stopfte noch ein paar weitere Kissen in ihren Rücken und stellte das Tablett auf dem Bett ab.

„Das ist echt total lieb von dir“, bedankte sie sich bei der Köchin. „Aber mir ist wirklich nicht nach Essen zumute.“

Johanna bedauerte das zutiefst. Doch bevor sie noch etwas sagen konnte, öffnete sich schon wieder die Tür. Ihre Mutter und Fej betraten das Zimmer.

„Ich habe dir Besuch mitgebracht, aber nun entschuldigt mich bitte. Ich habe gleich einen Termin.“ Und schon war sie wieder verschwunden, ohne sich nach dem Zustand ihrer Tochter zu erkundigen.

Johanna stand vom Bett auf. „Ich muss zurück in die Küche, sonst gibt es Ärger mit der Hausherrin.“

Bevor sie ging, deutete sie auf das Tablett. „Beeile dich mit dem Essen sonst wird alles kalt. Es wäre schade drum. In einer halben Stunde komme ich zurück und dann möchte ich keinen Krümel mehr auf den Tellern vorfinden.“

Nun waren Fej und Marina allein.

„Ich habe gehört, dass es dir nicht gut geht“, meinte Fej. „Und da dachte ich, ich schaue mal nach dir. Ich hätte dich gestern niemals alleine zurück reiten lassen dürfen.“

„Das ist lieb von dir. Du hättest mich gestern aber ohnehin nicht aufhalten können. Das hätte mein Sturkopf nie zugelassen.“

Fej lächelte. Nach längerem Schweigen meinte sie: „Wenn ich dich störe, kann ich auch wieder gehen.“

„Nein, bleib bei mir. Du kannst dich auch zu mir setzen, wenn du magst.“ Denn Fej stand immer noch mitten im Zimmer, wie bestellt und nicht abgeholt.

Fej setzte sich dorthin, wo eben noch Johanna gesessen hatte.

„Was ist jetzt mit deinem Frühstück? Du musst doch bei Kräften bleiben. Shantih vermisst dich übrigens jetzt schon.“

„Ich kann nichts essen. Mir ist immer noch total schlecht.“

„Ich glaube aber, es würde dir gut tun. Wenn jemand mich doch bloß mal mit einem solchen Frühstück verwöhnen würde.“ Fej geriet ins Schwärmen. „Außerdem, was glaubst du was Johanna sagt, wenn du nichts isst?“

Fej hielt Marina einen Käsetoast hin. „Komm schon, wenigstens ein klein wenig kannst du doch essen.“

Marina biss ein Stück ab und begann langsam zu kauen.

„Ich schaffe das niemals alles“, meinte Marina.

„Wenn du magst, helfe ich dir gerne. Ich habe heute schon ganz schön geschuftet und da ich heute Morgen beinahe verschlafen hätte, hatte ich nicht so viel Zeit zum frühstücken.“

Es dauerte nicht lange und sie hatten alles aufgefuttert. Fej gab erst Ruhe, als Marina von allem wenigstens eine kleine Menge gegessen hatte.

„Du warst echt eine große Hilfe“, sagte Marina lächelnd.

„Immer wieder gerne. Du brauchst mir nur Bescheid zu sagen. Wenn es ums Essen geht, kann ich nicht widerstehen.“

„Das sieht man dir aber nicht an“, platzte es aus Marina heraus.

„Das liegt wohl an der täglichen körperlichen Anstrengung.“

Erneut herrschte langes Schweigen zwischen ihnen, bis Fej fragte: „Hast du das eigentlich ernst gemeint? Ich meine, dass es besser ist, wenn wir so wenig wie möglich miteinander zu tun haben? Das wäre wirklich schade, denn ich mag dich sehr gern.“

„Ich mag dich auch Fej und es tut mir sehr leid, was ich gestern zu dir gesagt habe. Es ist alles nicht so einfach.“

„Ich verstehe was dich bedrückt. Deine Mutter ist zwar ein wenig seltsam, aber ansonsten doch sehr nett.“

„Das meine ich auch nicht. Wir beide dürften uns niemals frei in der Öffentlichkeit bewegen. Selbst wenn wir nur gemeinsam ins Kino gehen wollen, haben wir mindestens ein dutzend Bodyguards an der Backe.“

„Irgendwie kann man die Besorgnis deiner Mutter doch verstehen. Sie möchte nicht, dass dir etwas passiert.“

Plötzlich kam ihr ein Gedanke, der sie schon eine ganze Weile beschäftigte.

„Darf ich dich was fragen?“

„Nur zu.“

„Ich möchte aber, dass du ganz ehrlich zu mir bist.“

Fej nickte und sah sie erwartungsvoll an.

„Bist du nur so nett zu mir, weil meine Eltern es von dir verlangen oder magst du mich wirklich?“

Fej dachte eine Weile nach, bevor sie ihr eine Antwort gab. Offensichtlich suchte sie nach den richtigen Worten.

„Deine Mutter hat zwar zu mir gesagt, dass ich mich bemühen soll, dich als Freundin zu gewinnen, doch mir ging es in erster Linie um den Job mit den Pferden. Und ganz ehrlich. Ich hatte damit gerechnet eine reiche, eingebildete und total verwöhnte, hochnäsige junge Frau vorzufinden. Als ich dich dann kennen lernte, war ich positiv überrascht. Kurz gesagt: Wenn du solch eine hochnäsige Kuh wärst, würde ich mich keine Sekunde mit dir abgeben und genauso hätte ich das dann auch deiner Mutter gesagt, auch auf die Gefahr hin meinen Job sofort wieder zu verlieren. Du siehst also, ich mag dich wirklich und ich möchte dich besser kennenlernen.“

Durch Fejs Antwort sah Marina sie nun in einem ganz anderen Licht. Sie glaubte ihr.

Als Johanna ins Zimmer kam, war sie richtig begeistert. Sie wandte sich an Fej. „Ich glaube du hast einen sehr guten Einfluss auf Marina.“

Fej lächelte geschmeichelt und wurde sogar ein wenig rot. Johanna nahm schnell das Tablett und wuselte aus dem Zimmer.

„Ich glaube, ich gehe jetzt auch mal wieder“, meinte Fej. „Sonst bekomme ich noch Ärger, weil ich meine Arbeit vernachlässige.“

Fej wollte schon das Zimmer verlassen.

„Fej, kommst du später noch mal zu mir? Ich möchte gerne noch ein wenig mit dir plaudern.“

Fej lächelte. „Ich komme so schnell ich kann. Versprochen.“

Als Fej die Tür hinter sich schloss, fühlte sie sich fast ein wenig verlassen. Sie beschloss, noch ein wenig zu schlafen, denn in ihrem Kopf war immer noch ein bohrender Schmerz.

 

Sie musste ziemlich lange geschlafen haben, denn als sie erwachte, saß Fej an ihrem Bett.

„Bist du schon lange da?“, fragte Marina erschrocken.

„Seit einer halben Stunde ungefähr. Wie geht es dir denn?“

„Schon wieder besser“, antwortete sie zögernd. „Jedenfalls sind die Kopfschmerzen weg.“

„Dann bist du ja hoffentlich bald wieder auf den Beinen.“

„Hast du dich um Shantih gekümmert?“

„Natürlich, ich habe mich sogar ganz intensiv um sie gekümmert. Ich war sogar kurz mit ihr auf dem Reitplatz. Ich bin mir aber sicher, dass sie dich sehr vermisst.“

„Wie ließ sie sich denn reiten?“

„Shantih ist ein wundervolles Pferd und sie war recht umgänglich. Wenn doch bloß alle Pferde so wären. Hast du sie schon lange?“

„Ich war dabei, als Shantih geboren wurde und seitdem gehört sie mir. Ich habe sie selbst ausgebildet und sehr viel Zeit mit ihr verbracht.“

„Wie alt ist Shantih?“

„Sechs Jahre. Ich habe sie bekommen, als ich elf Jahre alt war und mit vierzehn habe ich langsam mit ihrer Ausbildung begonnen.“

„Das erlebt man auch nur selten, dass ein 14-jähriges Mädchen ein Pferd einreitet. Also ich finde, das ist dir sehr gut gelungen.“

„Danke. Ich habe ja auch schon mit dem Reiten angefangen, als ich kaum laufen konnte. Obwohl mein damaliges Kindermädchen alles versucht hat, um mich von den Pferden fern zu halten, weil sie das Reiten zu gefährlich für mich fand.“

„Ich glaube, du lässt dir so schnell nichts verbieten, hab ich Recht?“

„Das siehst du ganz richtig. Wenn ich etwas will, dann kämpfe ich auch dafür.“

Danach herrschte wieder eine ganze Weile Schweigen zwischen ihnen.

„Fej?“

Fej sah sie an. „Wenn es mir wieder besser geht, würdest du dann mal mit mir ausreiten?“

„Nichts lieber als das.“

„War es eigentlich immer dein Wunsch mit Pferden zu arbeiten?“, fragte Marina.

„Ja, eigentlich schon. Mein Vater hat ein Gestüt. Ich bin auch mit Pferden aufgewachsen. Ich war vermutlich mehr im Pferdestall als sonst irgendwo. Für mich stand immer fest, dass ich irgendwann einmal als Pferdepflegerin, Reitlehrerin und Trainerin arbeiten möchte. Nach dem Schulabschluss habe ich bei meinem Vater auf dem Gestüt meine Ausbildung absolviert. Meine Mutter war alles andere als begeistert, aber was konnte sie schon groß machen? Na ja, und jetzt arbeite ich eben hier.“

„Warum bist du nicht auf dem Gestüt deines Vaters geblieben? Das wäre doch ideal für dich gewesen.“

„Das ist eine lange Geschichte.“ Fej wandte sich ein wenig von Marina ab. Offensichtlich wollte sie nicht darüber reden.

„Du musst es mir nicht erzählen. Ich wollte dir wirklich nicht zu nahe treten.“

„Ist schon okay. Es fällt mir nur ein wenig schwer darüber zu reden und ich habe Angst vor deiner Reaktion.“

„So schlimm kann es nicht sein“, versicherte Marina ihr.

Fej zögerte noch einen Moment, dann begann sie langsam zu erzählen.

„Kurz nach meiner Ausbildung lernte ich ein Mädchen kennen. Ich verliebte mich in sie. Es dauerte sehr lange bis ich endlich mit ihr zusammen war, da sie sich lange gegen ihre Gefühle gewehrt hat. Als wir dann endlich zusammen gekommen sind, erzählte ich meinen Eltern davon. Sie waren total geschockt. Ich gab jedoch die Hoffnung nicht auf, dass meine Eltern irgendwann meine Freundin akzeptieren würden. Doch es wurde immer schlimmer. Ich stritt mich immer häufiger mit ihnen. Darunter litt dann auch die Beziehung zu meiner Freundin. Letztendlich haben wir uns dann getrennt und ich bin von zu Hause ausgezogen. Das ist jetzt zwei Jahre her und während dieser Zeit hatte ich keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern.“

„Du bist also…lesbisch?“, fragte Marina zögernd.

„Ich wusste, dass du damit ein Problem hast“, sagte Fej und sprang auf. Sie wollte das Zimmer verlassen und hatte auch schon die Türklinke in der Hand.

„Fej, bitte warte! Ich habe kein Problem damit. Warum sollte es mich stören, dass du lesbisch bist?“

„Die meisten Menschen haben ein Problem damit.“

„Ich nicht“, bekräftigte Marina. „Weißt du, ich habe mir bis jetzt noch nie Gedanken darüber gemacht. Ich war noch nie verliebt.“

Fej hatte sich anscheinend wieder beruhigt und setzte sich wieder zu ihr.

„Du warst noch nie verliebt?“

„Nein, wie und wo sollte ich denn jemanden kennenlernen? Ich bin immer nur auf unserem Anwesen. Ich darf das Grundstück alleine überhaupt nicht verlassen.“

„Aber du stehst auf Männer?“

„Ich glaube schon. Ich weiß nicht. Meine Eltern werden meinen zukünftigen Ehemann aussuchen.“

Fej riss erschrocken und ungläubig die Augen auf. „Das ist doch nicht dein Ernst. Ich dachte, so etwas gibt es heutzutage nicht mehr. Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter.“

„Ich habe Angst davor, denn ich kann mit den meisten Menschen aus unseren Kreisen nicht das Geringste anfangen.“

„Ich würde das nicht mit mir machen lassen. An deiner Stelle würde ich mir meinen Partner selbst aussuchen wollen.“

„Noch ist es ja nicht so weit“, meinte sie.

„Ich finde das ziemlich krass“, setzte Fej hinzu.

„Lass uns von etwas anderem reden. Ich werde wirklich ungern daran erinnert.“

„Wann darfst du denn dein Krankenlager wieder verlassen?“, wechselte Fej geschickt das Thema.

„Der Arzt hat mir drei Tage Bettruhe verordnet.“

„Na ja, die Zeit werden wir schon irgendwie rum kriegen. Ich werde mich um dich kümmern.“

„Um Shantih musst du dich aber auch kümmern.“

„Natürlich. Es wird euch beiden an nichts fehlen. Das verspreche ich dir.“

Kurz darauf stand Fej auf. „Ich werde mich jetzt auf den Weg nach Hause machen. Ich bin total müde.“

„Schade…, es war echt schön mit dir zu quatschen.“

„Ich werde morgen sofort zu dir kommen, noch bevor ich in den Stall gehe.“

„Dann komm gut nach Hause.“

„Und du schlaf gut.“ Bevor Fej die Tür hinter sich schloss, lächelte sie ihr noch ein letztes Mal zu.

Marina war fast ein wenig traurig, dass sie nun weg war. Am liebsten hätte sie Fej zurück gerufen.

Sie konnte lange nicht einschlafen, weil sie über Fej nachdachte. Ihre Erzählung hatte sie zum Nachdenken angeregt. Bis jetzt hatte sie noch nie darüber nachgedacht, was sie eigentlich wollte. Sie hatte sich um das Thema „Liebe“ noch nie Gedanken gemacht. Sie fragte sich, ob das noch normal war. Immerhin war sie mittlerweile siebzehn Jahre alt Warum war sie noch nie verliebt gewesen?

Sie dachte an einige junge Männer, die man ihr auf irgendwelchen Bällen, Geburtstagen und Hochzeiten vorgestellt hatte. Bei niemandem hatte ihr Herz schneller geschlagen. Sie fand auch keinen von ihnen wirklich anziehend. War sie etwa auch lesbisch und hatte bisher nichts davon gewusst? Sie musste unbedingt Fej fragen, wie sie es gemerkt hatte.

Marina versuchte einzuschlafen, doch immer wieder hatte sie Fej vor sich. Sie schlich sich in ihre Gedanken und Marina hatte keine Ahnung, was mit ihr los war. 

 

3. Kapitel

Fej hielt ihr Versprechen. Ganz früh am nächsten Morgen erschien sie in Marinas Zimmer. Marina war schon wach, obwohl sie die halbe Nacht nicht geschlafen hatte.

„Guten Morgen, wie geht es dir?“

Sie wollte aufstehen, doch das ließ Fej nicht zu. Sanft drückte sie Marina in die Kissen zurück. „Du bleibst liegen, so lange der Arzt es für notwendig hält.“

„Du bist ja richtig besorgt um mich.“

„Ich will bloß, dass du schnell wieder fit bist, damit du dich wieder selbst um dein Pferd kümmern kannst und ich dadurch weniger Arbeit habe.“ Sie meinte es nicht ernst, das sah Marina in ihren Augen, die schalkhaft blitzten.

„Wie hast du eigentlich gemerkt, dass du lesbisch bist?“, platzte es aus Marina heraus.

„Habe ich dich jetzt etwa auf dumme Gedanken gebracht?“

„Nein, überhaupt nicht, aber als du gestern weg warst, habe ich über einige Dinge nachgedacht, vor allem über mein Liebesleben.“

„Und zu welchem Schluss bist du gekommen?“

„Ich weiß nicht so genau. Ich war noch nie verliebt, aber wenn ich an die Männer denke, die ich kenne, fühle ich überhaupt nichts. Nicht mal annähernd finde ich sie anziehend.“