Die magische Welt Rialar - Reise nach Süden - Edgar Deschle - E-Book

Die magische Welt Rialar - Reise nach Süden E-Book

Edgar Deschle

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Beschreibung

Nachdem Reavaer die Welt Rialar verlassen musste um als richtiger Welten-Wächter der Exi, einem Dimensions-springenden Volk ausgebildet zu werden, kommt er nach etlichen Jahren wieder zurück. Allerdings erscheint er an einem ihm unbekannten Ort. Reavaer muss sich zurechtfinden, treue Verbündete suchen, mit denen er sich gegen so manche Bewohner durchsetzen muss, Machthaber bezwingen und mysteriöse Anomalien erforschen. Dazu muss er all sein Wissen und Erfahrungen einsetzen, welche er auf seinen Reisen lernt. Die Welt Rialar ist noch immer so rau und unbarmherzig zu seinen Bewohnern, wie er sie kennen gelernt hatte. Doch Reavaer weiß, dass nicht jeder seiner Verbündeten das ist, was sie zu sein scheinen. Und auch nicht jeder wird mit seiner Vision als Wächter einverstanden sein.

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EPUB
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Seitenzahl: 336

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2024 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99146-727-4

ISBN e-book: 978-3-99146-728-1

Lektorat: Solaire Hauser

Umschlagabbildungen: Prillfoto, Artitcom, Elizaveta Mironets, Sakkmesterke, Ivan Kmit, Dana Rothstein | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Die Rückkehr

Zwei Gestalten betreten wie aus dem Nichts einen düsteren Raum. Eine der beiden Personen geht zielsicher zu dem im Raum stehenden Kleiderschrank und wirft sich einen Mantel über. Danach geht die Person zum Fenster. Mit einem festen Druck auf die Fensterläden springen diese auf. Die Morgensonne flutet das Zimmer und scheint Kit, die vor dem Fenster steht, direkt ins Gesicht. Die weibliche Exi dreht sich zurück zu Reavaer, ihre braune Mähne glitzert in der Sonne. „Nun bist du zurück auf Rialar. Wie fühlst du dich?“, fragt Kit Reavaer, der gerade selbst zum Schrank unterwegs ist, um sich etwas anzuziehen. Im ersten Moment antwortet Reavaer nicht, sondern sieht sich die Kleidungsstücke im Schrank an. „Ich hatte schon vergessen, wie die Luft hier in der Nase knistert“, merkt er schließlich an, ohne auf die Frage von Kit einzugehen. Reavaer sucht sich zum Anziehen eine landestypische Tunika mit leichter Stoffhose aus. Beides befestigt er mit einem Gürtel um die Hüfte. Darüber zieht er noch einen schweren Mantel an. „Ich habe den Moment so lange herbeigesehnt, bis ich hierher zurückkomme, dass er sich jetzt unwirklich anfühlt.“ Verträumt wendet Reavaer seinen Blick an Kit vorbei aus dem Fenster. Er sieht sich kurz die mittelalterliche Szenerie auf der Straße an. Schließlich geht er zur Tür, doch anstatt diese zu öffnen, streicht er mit der Hand über den hölzernen Rahmen. „Du und deine Rührseligkeit. Komm, gehen wir endlich raus, damit du dich wieder einleben kannst.“ Mit diesen Worten ergreift Kit die Initiative und geht ebenfalls zur Tür, greift nach dem Knauf und öffnet diese. Beim Hinausgehen greift sie nach Reavaers Arm und zieht ihn mit hinaus. Zusammen gehen sie durch das spärlich eingerichtete Haus, bis sie bei der Eingangstür sind.

Mit einem Ruck ist die Eingangstür offen und Kit zieht ihren zögerlichen Kollegen weiter auf die Straße nach draußen. Sofort kommen Reavaer die Erinnerungen zurück ins Gedächtnis. Sowohl die Architektur, die zum größten Teil aus geschmolzenem Stein besteht, die Geräusche, als auch der Geruch des Windes bringen ihm die Gewissheit, dass er wieder zurück ist.

„Es hat sich nichts verändert … soweit ich das von hier aus erkennen kann. Aber es hat sich etwas verändert, oder? Immerhin war ich einige Jahre weg“, vermutet Reavaer erwartungsvoll. „Die Welt ist im Grunde dieselbe. Die einzigen Veränderungen sind sozialer Natur“, wird Reavaer von Kit informiert „Dann bin ich gespannt, was die Zeit in meiner Abwesenheit hervorgebracht hat“, murmelt Reavaer vor sich hin, während er zum Himmel schaut. Dann wendet er sich zurück zu Kit. „Dann will ich dich nicht weiter von deinen Pflichten abhalten“, meint er kurz angebunden zu Kit. „Bist du sicher? Willst du keinen weiteren Zwischenstand?“, entgegnet Kit. Reavaer legt den Kopf schief. „Wo bleibt denn da der Spaß, wenn ich von dir alles erfahre?“, meint er in süffisantem Ton. „Soll ich dir wenigstens sagen, wo sich deine Bekannten befinden?“, hakt Kit noch mal nach. „Nein, gar nichts. Ich möchte diese Seite wie zum ersten Mal neu entdecken“, bestätigt Reavaer vehement. „Und noch etwas: Schick keine Exi mehr auf diese Seite. Ich bin nun offiziell der Beschützer dieser Seite und möchte hier von nun an keine ungebetenen Gäste haben“, fordert er nachdrücklich. „Dir ist aber klar, dass ich immer noch deine Vorgesetzte bin“, möchte Kit klarmachen, wer das Sagen hat. „Bei Notfällen kann man immer darüber reden. Mir geht es nur darum, dass niemand hier ein und aus geht, ohne dass ich es weiß“, möchte Reavaer seinerseits klarstellen, woraufhin Kit schwer schnaubt. „Gut, niemand betritt diese Seite ohne dein Wissen“, willigt sie ein. Daraufhin wendet sich Reavaer wieder der Straße zu. Er beobachtet die Maginar auf der Straße. Dann setzt er sich in Bewegung und folgt den Leuten, die geschäftig aussehen. In dieser Richtung vermutet er den Marktplatz. Die ersten Schritte auf dem golden glitzernden Glanzstein macht er vorsichtig. Es könnte sein, dass er von dem Glanzstein als Fremdling wahrgenommen wird, da er so lange weg war. Als der Glanzstein sich nicht unter seinen Füßen verfärbt, entspannt er sich und geht die Straße entlang. Nach einer Weile merkt er, dass Kit ihm folgt. „Was machst du noch hier? Ich dachte, du bist vielbeschäftigt?“, wundert er sich über die Freizeit seiner Vorgesetzten. „Nun, ich dachte, wenn ich noch eine Weile bleibe, passiert noch was Aufregendes. Dann hätte ich einen Grund, dir etwas über die Schulter zu schauen“, gesteht Kit ihre Sensationsgier. „Ich habe nicht vor, hier großes Aufsehen zu erregen, geschweige denn etwas radikal zu ändern. Es wird so schnell nicht aufregend werden“, muss er sie enttäuschen. „Das werden wir noch sehen. Es wäre das erste Mal, dass in deiner Nähe nichts passiert“, gibt sie verschmitzt zurück. Abgesehen von dem geschäftigen Treiben auf dem Marktplatz ist die Stimmung in der Stadt ruhig und gelassen. Das sonnige Wetter hat viele Bewohner aus dem Haus gelockt. Auf den Straßen und dem Marktplatz sind überwiegend Maganar unterwegs, die das Wetter genießen. Da Reavaer kein Geld für den Markt hat, geht er am Rand des Marktplatzes entlang.

„Was wird das? Wo willst du hin?“, möchte Kit wissen, während sie Reavaer hinterherläuft. „Ich beschaffe mir meine Informationen. Ich frage die Bewohner“, gibt Reavaer zurück, während er sich zu Kit umdreht und rückwärts geht. „Nun mach mal halblang. Mir ist klar, dass du für Infos mit Leuten reden wirst. Ich will wissen, wohin du gehst?“ Reavaer möchte gerade antworten, springt stattdessen einen Schritt zur Seite und dreht sich in einer fließenden Bewegung um die eigene Achse. Im nächsten Moment läuft ein junger Mago’o über die Stelle, an der Reavaer zuvor gestanden hat. Bevor Reavaer reagieren kann, ist er dem Kleinen mit dem Rücken zugewandt. Der Kleine kann gerade noch vor Kit anhalten und schaut zu ihr hinauf.

„Roano, warte doch auf mich!“, hört man eine Maga rufen. Der Mago’o kichert jedoch nur und läuft weiter. Als die Maga bei Reavaer und Kit ankommt, ist sie ganz außer Atem. „Verzeiht sein Ungestüm. Er hat zu viel Energie.“ Sie sieht sich bereits nach dem Kleinen um. „Nichts passiert“, antwortet Reavaer nur kurz angebunden, denn die besorgte Mutter läuft weiter ihrem Nachwuchs hinterher. Kit und Reavaer schauen einander an und zucken mit den Schultern. Reavaer dreht sich dann wieder um, damit er in die Richtung sieht, in die er geht. Nach wenigen Schritten entdeckt er das Haus am Marktplatz, das er gesucht hat. „Schau, wir sind da.“ Kit schaut zu dem Haus, das Reavaer meint und sieht das Amtshaus des Bürgermeisters. „Hm, na gut, und was willst du da?“ Kit hat einen abwertenden Ton, als sie nachfragt. „Ich möchte der Stadt meine Dienste für Informationen anbieten. Das ist die einzige Währung, die ich im Moment habe. Du bist doch nicht sauer, weil ich deine Infos nicht brauche?“, fragt er letztendlich vorsichtshalber. „Hmpf“, schnaubt Kit, und schaut weg. Reavaer geht daraufhin wortlos zur Tür des Amtshauses.

Problematischer Führungsstil

Er klopft einmal an die Tür und lässt sich dann selbst hinein. Im Inneren sitzt eine junge Maga hinter einem Schreibtisch. „W-was kann ich für Sie tun?“ Die Maga schaut nervös zwischen den beiden hin und her. „Grüße, mein Name ist Reavaer. Ich würde dem Bürgermeister …“ Während er das sagt, sieht er sich in dem Raum die Einrichtung an. „… oder der Bürgermeisterin gerne meine Dienste anbieten. Meine Spezialität ist es, bei Problemen aller Art zu helfen.“ Reavaer verbeugt sich leicht, als er sein Angebot vorträgt. „Oh, Ihr helft bei Problemen?“ Die Maga, die so aussieht, als wäre sie erst vor Kurzem erwachsen geworden, schaut Reavaer verträumt an. Reavaer wiederum steht mit seinem ausdruckslosen Gesicht vor ihr und legt den Kopf schief. Kit kann sich während der kurz anhaltenden Stille das Grinsen nicht verkneifen. „Oh verzeiht, mein Name ist Alnea“, stellt sich die junge Maga vor, nachdem sie von ihrem Tagtraum erwacht ist. „Dann will ich euch bei der Bürgermeisterin ankündigen.“ Sie steht auf und macht sich auf den Weg in das Büro der Bürgermeisterin. Sie klopft und geht hinein. Reavaer und Kit warten an der Tür und nachdem Alnea wieder heraus kommt, lässt sie die beiden hinein. Sie selbst bleibt draußen und geht zurück zu ihrem Schreibtisch. Im Büro stehen Kit und Reavaer vor einer streng dreinblickenden Maga in feinsten Gewändern. „Hallo, ich bin Keran. Die Bürgermeisterin dieser Stadt. Ich hörte, Ihr wollt uns eure Hilfe anbieten?“, stellt sich die Bürgermeisterin vor und sieht Kit dabei die ganze Zeit an. „Mein Name ist Reavaer. Ich würde gerne meine Hilfe für besondere Probleme anbieten. Wenn es etwas in der Stadt gibt, das aufgeklärt oder aus der Welt geschafft werden soll, bin ich die richtige Person dafür“, bietet Reavaer gleich der Bürgermeisterin an. Diese macht einen genervten Eindruck und wendet sich Reavaer zu. „Die Stadt hat keine Probleme, die Hilfe von irgendwelchen Magonar erfordern. Wenn Ihr euch nützlich machen wollt, helft den anderen Magonar dabei, Steine zu tragen. Die legen sie dann nebeneinander, oder stapeln diese, mir einerlei. Nun lasst uns allein, wir Maganar haben Wichtiges zu besprechen.“ Reavaer sagt kein Wort. Er sieht zu Kit, sie schaut zu Reavaer und wendet sich dann wieder Keran zu. Reavaer verlässt daraufhin das Büro. Er geht zurück zu Alneas Arbeitsplatz. Sie sitzt an ihrem Tisch und sieht Reavaer an. „War sie wieder abweisend?“, vermutet die junge Assistentin. „Das kann man so sagen, ist sie immer so zu Magonar?“, fragt Reavaer, woraufhin Alnea schwer seufzt. „Sie weigert sich, Magonar andere Aufgaben zu geben als schwere körperliche und gefährliche Arbeit. Sie sagt, das ist das Einzige, wozu sie gut sind.“ Alnea pausiert kurz und schaut in den Gang, um sicherzugehen, dass die Bürgermeisterin nicht mithört. „Sie hatte schon früher kein Interesse an Magonar, aber seit sie Bürgermeisterin ist, wurde es richtig schlimm“, erzählt sie weiter. Reavaer nickt daraufhin, vor sich hin grübelnd. „Mein Angebot für das Helfen bei Problemen steht noch. Wenn die Bürgermeisterin meine Dienste nicht benötigt, dann vielleicht Ihr?“ Alnea schaut verdattert zu Reavaer, als dieser nun ihr das Angebot unterbreitet. „Aber ich kann doch nicht … Ich kann nicht hinter dem Rücken der Bürgermeisterin …“, versucht sie sich stammelnd herauszuwinden. „Eure Stadt hat Probleme, die eure Bürgermeisterin nicht sehen will. Wenn nicht bald etwas unternommen wird, könnte euch Schlimmeres blühen. Jemand MUSS etwas unternehmen!“ Den letzten Satz spricht Reavaer energischer aus. „Ihr müsstet auch nicht mehr tun als mir einige Fragen zu beantworten. Eure Antworten werden die Bezahlung für meine Dienste sein.“ Alneas verwunderter Gesichtsausdruck weicht einem verdächtigenden Blick. „Ihr wollt für Eure Dienste nur Antworten von mir? Was sollen das dann für Fragen sein, wenn Ihr auf Geld verzichtet? Ich hoffe doch nicht, dass sich bestätigt, was die Bürgermeisterin über Euresgleichen denkt?“ Die junge Maga lehnt sich jetzt in ihrem Stuhl zurück und verschränkt trotzig die Arme. Reavaer geht daraufhin direkt an die Tischkante, kniet sich nieder und schaut ihr auf derselben Höhe in die Augen. „Das müsst Ihr selbst herausfinden. Empört könnt Ihr sein, WENN sich der Verdacht bestätigt“, kontert Reavaer auf ihre Verdächtigung. Es herrscht Stille. Er sieht ihr die ganze Zeit in die Augen, ohne zu blinzeln. Langsam weicht die verteidigend verschränkte Haltung der Unsicherheit. Die Arme gleiten wie zähe Flüssigkeit allmählich herunter. Sie dreht den Blick verunsichert weg.

Die Stille wird von dem Öffnen der Tür des Bürgermeisterbüros unterbrochen. Reavaer steht von seiner hockenden Position vor dem Tisch auf, als Kit zurück zum Eingangsbereich kommt. Alnea und Reavaer schauen erwartungsvoll zu Kit. „Was ist?“, fragt Kit nichtsahnend. „Hast du etwas erreicht bei der Bürgermeisterin?“, möchte Reavaer wissen, in der Annahme, Kit hätte der Bürgermeisterin gut zugeredet. „Oh, nein, ich habe ihr meine Meinung gesagt. Das hat sie nicht so gut aufgenommen. Sie könnte demnächst etwas ungehalten sein, um es vorsichtig auszudrücken. Alnea, du solltest dir den restlichen Tag frei nehmen“, berichtet Kit. Alnea seufzt enttäuscht, während Reavaer nachdenklich dreinblickt. „Das macht nichts. Ich denke, ich habe eine Aufgabe für mich gefunden. Gehen wir etwas spazieren. Du wolltest mir doch noch meine Fragen beantworten, oder?“, wendet sich Reavaer an Alnea und hält die Eingangstür auf, damit alle hinauskönnen. Kit geht direkt hinaus, nach kurzem Zögern und einem weiteren tiefen Seufzer steht Alnea auf und verlässt das Gebäude ebenfalls. „Zu meiner ersten Frage: Wo würdet ihr gerne langgehen?“, beginnt Reavaer, nachdem alle draußen sind. Alnea verdreht die Augen und zeigt auf eine Seitenstraße, abseits des Marktplatzes. Reavaer dreht sich dann in die Richtung und geht los. Die anderen beiden folgen. Doch nach nur wenigen Schritten verlangsamt er seine Geschwindigkeit und wendet sich an Alnea. „Wie heißt diese Stadt?“, fragt er als Nächstes. Alnea gibt genervte Geräusche von sich, ohne zu merken, dass sie nun vorausgeht und die Gruppe führt. „Die Stadt heißt Ardin. Wie habt Ihr sie überhaupt gefunden, wenn Ihr nicht mal ihren Namen kennt?“, fragt sie wiederum ungehalten. „Indem ich nicht nach Namen, sondern nach Notwendigkeiten suche. Und es ist momentan notwendig für mich, hier zu sein“, gibt Reavaer kryptisch zurück. „Äh, Ihr meint wegen der Bürgermeisterin?“, vermutet die junge Maga. „Vielleicht wegen der Bürgermeisterin, vielleicht wegen etwas Wichtigerem. Das weiß man nie bis die Dinge wieder in Ordnung sind.“ Reavaer sieht sich aufmerksam um, während die Gruppe durch die Straßen geht. „Gibt es noch etwas Besonderes über diese Stadt zu wissen?“, fragt Reavaer weiter. „Das ist eigentlich keine richtige Stadt. Der Ort ist im Grunde nicht groß genug und hat nicht genug Einwohner, um als Stadt zu gelten. Nur die Bürgermeisterin bezeichnet Ardin als Stadt. Es gefällt ihr wohl besser als das Oberhaupt eines Dorfes zu sein“, erzählt Alnea ausgelassen. „Hmm!“, kommt es von einer neugierig zuhörenden Kit. Reavaer und Alnea drehen sich zu Kit und schauen sie erwartungsvoll an. „Eines ist klar. Bürgermeisterin Keran hat nur einen Kopf auf ihren Schultern, damit sie ihre Nase hochhalten kann. Warum werft ihr sie nicht aus dem Bürgermeisterhaus und setzt jemanden hin, der sich um die Belange des Dorfes kümmert?“, schlägt Kit ungefiltert vor. „Aber … Ein Bürgermeister dient, bis er … ähm, sie nicht mehr dazu fähig ist.“ Alnea scheint überfordert zu sein mit solch neuartigen Ideen. „Sie hat grundsätzlich recht. Es gilt zwar noch das Vorgehen zu ermitteln, mit dem ein neuer Bürgermeister das Amt antreten kann, aber für die Details bin ich zuständig.“ Alnea ist noch immer überfordert von der Idee und schweigt. „Fällt Euch eine Person im Dorf ein, die allgemein beliebt ist?“, wendet sich Reavaer an die junge Maga. Diese muss nicht lange überlegen. „Ja, ihr Name ist Sari …“ Alnea möchte Luft holen, um weiterzusprechen. Stattdessen ergreift Reavaer das Wort. „Sie arbeitet im Heiler- und Pflegehaus und war Eure frühere Vorgesetzte. Bevor Ihr zum Dienst im Amtshaus des Bürgermeisters berufen wurdet?“ Reavaer macht eine Pause. „Verzeiht, dass ich Euch ins Wort gefallen bin, aber habe ich recht?“, entschuldigt sich Reavaer dafür, dass er Alnea unterbrochen hat. Sie wiederum sieht ihn schockiert an. „Das stimmt, woher wisst Ihr das alles?“, will die junge Maga sofort wissen. Reavaer zeigt daraufhin mit dem Finger hinter sie. Alnea dreht sich um und sieht das Heiler- und Pflegehaus. „Das war nur geraten, weil Ihr uns instinktiv zu den Heilern geführt habt. Jeder kennt und mag diese, da die Bewohner früher oder später ihre Dienste in Anspruch nehmen“, argumentiert Reavaer. Kit steht neben den beiden und grinst vor sich hin. Alnea atmet auf. „Das alles habt Ihr herausgefunden anhand dessen, dass ich euch hergebracht habe?“, fragt sie immer noch verwundert, aber entspannt. „Deshalb habe ich Euch führen lassen. Wenn ich etwas über eine Person herausfinden will, beobachte ich ihr natürliches Verhalten“, gibt Reavaer seine Methode preis. „Dann wollen wir sie fragen“, sagt Reavaer nur noch kurz bevor er zur Türe des Heiler- und Pflegehauses geht, diese öffnet und für Alnea und Kit offenhält. Alnea schaut kurz zu Kit und betritt dann das Pflegehaus, gefolgt von Kit und Reavaer.

Im Inneren werden die drei Zeugen davon, wie völlig überforderte Heilerinnen viel zu viele verletzte Magonar behandeln müssen. Die Patienten liegen teilweise auf Laken, die auf dem Boden ausgebreitet sind, da alle Betten belegt sind. Die Heilerinnen schauen kurz, wer hereingekommen ist. Als sie keine verletzen Personen an der Tür sehen, machen sie sich weiter daran, die Patienten zu versorgen. „Ist sie hier?“, fragt Reavaer Alnea, als sie noch hinter der Tür stehen. Sie schüttelt den Kopf. „Wahrscheinlich ist sie hinten bei den Schwerverletzten“, vermutet die junge Maga und geht zu einer Tür weiter hinten. Dabei achten die drei darauf, die Heilerinnen nicht zu behindern. Alnea klopft an und öffnet dann die Tür. Im nächsten Raum liegen Magonar, die es schwerer erwischt hat als die im Vorraum. Sie haben offene Wunden und starke Quetschungen. Manche stehen an der Schwelle zum Unleben. Um diese kümmern sich ältere und erfahrenere Heilerinnen. „Grüße, Sari, hier ist jemand, der dich sprechen will“, spricht Alnea eine der Heilerinnen im Hinterzimmer an. Diese sieht von ihren Patienten auf. „Alnea, sei gegrüßt. Leider habe ich keine Zeit. Meine Aufmerksamkeit wird hier dringend gebraucht“, gibt die Heilerin zurück. „Es ist wichtig und muss nicht lange dauern. Alnea kann hier für Euch übernehmen. Dann hat sie auch einen Grund, warum sie nicht im Amtshaus des Bürgermeisters sein kann“, richtet Reavaer das Wort an Sari. Er wird von beiden angeschaut und schließlich nickt Alnea. Daraufhin steht Sari auf und lässt Alnea den Patienten weiter behandeln. „Dann lasst uns reden, aber nicht hier.“ Sari führt die beiden zu einer Hintertür und sie verlassen das Heiler- und Pflegehaus. Nun stehen sie auf dem Hinterhof, wo einige eingewickelte Unlebende sind, die noch darauf warten, zur Unlebenwacht gebracht zu werden. „So wie es da drinnen zugeht, steht es nicht gut um das Dorf“, stellt Reavaer fest. „Das ist leider unser Alltag. Die Bürgermeisterin möchte unbedingt das Dorf vergrößern. Es sollen mehr Häuser gebaut werden. Jedoch sollen nur Magonar diese bauen. Sie sagt, diese schmutzigen Arbeiten seien etwas für schmutzige Magonar. Wir Maganar sollen uns um die Organisation und den Wohlstand kümmern. Ihr sind die persönlichen Schwächen und Stärken der Bewohner gleich. Deshalb kommt es, dass sich viele Magonar verletzen, die ein ungünstiges Element beherrschen oder gar keine Ahnung von Hausbau haben“, erklärt Sari ausschweifend. Es ist offensichtlich, dass sie frustriert ist und sich die Situation von der Seele reden will. „Das alleine wäre schon schlimm. Doch die Maganar haben es auch nicht besser. Sie müssen ebenfalls Berufe ausüben, die nicht zu ihnen passen. Wenn auch noch die Magonar fehlen, müssen sie auch die Magi’inar alleine erziehen“, fügt Reavaer noch hinzu. „Das stimmt, die Bewohner bleiben zwar tapfer, aber es ist keine Besserung in Sicht.“ Sari klingt hoffnungslos. „Ich könnte Euch etwas anbieten, das die Situation verbessert.“ Sari schaut angesichts Reavaers Angebot verwundert auf. „Wie soll diese Verbesserung aussehen?“, möchte die erfahrene Heilerin wissen. „Dieser Ort braucht einen neuen Bürgermeister.“ Sari muss lachen über Reavaers Strategie. „Hahaha! Ihr wollt Keran das Bürgermeisteramt wegnehmen und sie durch einen Mago ersetzen? Das wird sie niemals akzeptieren!“ Ihre Laune bessert sich, doch nur aus Unglauben. „Dann keinen Mago, sondern eine Maga, die viel beliebter ist als Keran und sich um die Belange aller Bewohner kümmert. Sowohl Alnea als auch ich sind der Meinung, dass Ihr die beste Person dafür seid.“ Als Reaktion auf diese Aussage von Reavaer schaut Sari nun ungläubig drein. „Ich? Bürgermeisterin? Dafür habe ich doch gar keine Zeit! Ich werde bei den Heilern gebraucht!“, argumentiert sie. „Das ist richtig, aber nicht mehr so dringend, wenn sich weniger Magonar verletzen. Alnea könnte bei den Heilern aushelfen. Mit der Zeit wird die Arbeit für das Heiler- und Pflegehaus wieder wie vor der Zeit von Bürgermeisterin Keran“, gibt Reavaer zurück. Sari sieht jedoch nicht überzeugt aus. „Warum ausgerechnet ich? Ich habe keine Ahnung, was man als Bürgermeister tun muss“, beschwert sich Sari, nach einem schweren Seufzen. „Die Leute brauchen jemanden, den sie kennen und schätzen als Oberhaupt. Mit der Organisation wird Alnea bestimmt Zeit finden, Euch zu helfen, sie ist jetzt schon die rechte Hand der Bürgermeisterin. Es ist nur für die Zeit, in der die Wunden des Dorfes heilen müssen.“ Mit der letzten Metapher ändert sich etwas in Sari und sie nickt vor sich hin. „Wie wollt Ihr es schaffen, dass Keran ihr Amt niederlegt?“ Sari möchte mehr über sein Vorgehen wissen. „Das wird nicht schwer. Ich warte, bis sie wieder eine dumme Entscheidung trifft, und stelle sie deswegen zur Rede. Für ignorante Leute ist die Zeit nur leicht, wenn niemand sie hinterfragt. Wenn das passiert, müsst Ihr mir einfach nur zustimmen und dann werden wir sehen, wen die Leute lieber im Bürgermeisteramt sehen wollen“, erklärt Reavaer möglichst einfach. Sari kann sich ein Kichern nicht verkneifen. „Na, wenn das wirklich so einfach sein sollte, werde ich Euch unterstützen. Wie ist eigentlich Euer Name?“, fragt die Heilerin amüsiert. „Oh, wie unhöflich von mir. Ich bin Reavaer. Ich kümmere mich um Probleme, wenn ich sie sehe. Und im Moment kümmere ich mich um die Bürgermeisterin“, stellt er sich und seine Absicht vor. „Das klingt, als wäre es was Persönliches“, stellt die Heilerin fest. „Nein, zumindest möchte ich es nicht zu etwas Persönlichem machen. Die Bürgermeisterin war bei unserem Treffen nicht besonders nett, aber darüber könnte ich hinwegsehen, wenn sie eine ansonsten gute Bürgermeisterin wäre. Aber nachdem ich die Situation im Heilerhaus gesehen habe, bin ich entschlossen, sie abzusetzen.“ Nach der Aussage von Reavaer schaut Sari nachdenklich drein. „Was wird dann aus ihr? Sie wird es nicht verkraften können, so sehr abgelehnt zu werden.“ Sari klingt wehmütig bei ihren Bedenken. „Das wird sie aber müssen. Sie kann schon froh sein, nicht für die Unlebenden und Verletzten verantwortlich gemacht zu werden. Außerdem ist nicht sicher, ob sie begreifen kann, welchen Schaden sie den Bewohnern zugefügt hat.“ Diese Aussage von Reavaer versteht Sari nicht. Sie kann sich nicht vorstellen, wie jemand so wenig Mitgefühl für eine bestimmte Gruppe von Maginar haben kann. „Ich denke, es ist alles Wichtige gesagt. Haltet Euch bereit auf mein Zeichen und unterstützt mich, dann wird alles gut“, beendet Reavaer das Gespräch, als er Saris niedergeschlagenen Gesichtsausdruck sieht. Er geht zurück zur Hintertür und hält diese für die Heilerin offen, damit sie zurück zu ihrer Arbeit kann. Sie geht hinein und widmet sich wieder ihrer Aufgabe. Reavaer geht hinterher und sieht sich nach Kit um. Er findet sie nicht im Heilerhaus, nur Alnea, die sich mit um die Verletzten kümmert. „Sari hat eingewilligt, Keran abzusetzen und selbst Bürgermeisterin zu werden. Bitte unterstütz sie, wenn es so weit ist“, spricht er sie an, während sie vor einem Verletzten kniet. Alnea sieht zu ihm auf und nickt stumm. Reavaer setzt seinen Weg zum Eingang des Heilerhauses fort. Er verlässt das Haus und findet Kit draußen an der Wand lehnend vor. „Verzeih, dass du so lange warten musstest. Nun müssen wir nur noch warten, bis sich die Gelegenheit ergibt, die Bürgermeisterin abzusetzen.“ Kit schnaubt bei seinem Kommentar. „Wieder warten? Besteht dein ganzer Plan nur aus Reden und Warten?“, lamentiert Kit. „Nein, ein echter Plan besteht aus mehr. Das hier sind nur Vorbereitungen für einen kleinen Aufruhr. Nichts weiter.“ Reavaer setzt sich in Richtung des Marktplatzes in Bewegung.

Neue Handelspartner

Am Marktplatz angekommen verschafft sich Reavaer einen Überblick über die ganzen Stände und ihre Waren. Kit, die ihm folgt, sieht inzwischen gelangweilt aus. Als die beiden durch den Marktplatz schlendern, sieht Reavaer den kleinen Mago’o, der zuvor fast in ihn hineingerannt wäre. Die Mutter des Kleinen betreibt einen Stand. „Grüße, Roano war dein Name, wenn ich mich recht erinnere?“, spricht er den Kleinen an. Der Mago’o schaut daraufhin nach oben zu Reavaer und nickt nur. „Wie laufen die Geschäfte?“, fragt Reavaer weiter an den Kleinen und seine Mutter gewandt. Die Standbetreiberin möchte gerade antworten, als ihr Sohn das Wort ergreift. „Schlecht, es kommen keine Wanderer, die einkaufen und Geschichten erzählen“, bringt er es auf den Punkt. „So ist es. Wir bekommen nur spärlich Besucher und reisende Händler, weil, naja, manche von ihnen hier … anders behandelt werden. Für uns haben wir gerade genug zu essen durch die Höfe in der Nähe“, gibt die Mutter von Roano weiter Auskunft. Reavaer sieht daraufhin nachdenklich auf den Verkaufsstand. „Möchtet ihr vielleicht etwas kaufen?“ Die Maga möchte auch gleich ein Geschäft machen. Reavaer reagiert nicht, doch Kit geht zum Stand und kauft einige Möhren. Sofort fängt sie an zu knabbern. Das knackende Geräusch reißt Reavaer aus seinen Gedanken. „Es würde nicht schaden, wenn es hier etwas Besonderes zu handeln gäbe. Dieser Markt ist trostlos und abwechslungsarm“, bemerkt Reavaer, als er sich bei den Ständen umsieht. Es gibt fast nur Gemüsestände, einen Fleischstand, dessen Waren sehr teuer sind, und einen Werkzeugstand, der nur wenige Waren hat. „Mein Mago war ein geschickter Händler, er hätte sicher Ideen für neue Ware gehabt. Leider hat ihn das Unleben ereilt“, gibt die Händlerin notgedrungen preis. „Vermutlich, weil er als Bauarbeiter oder Wächter eingesetzt wurde, ohne die richtigen Fähigkeiten zu besitzen“, vermutet Reavaer, da Sari so etwas erwähnt hat. Die Händlerin nickt betroffen. „Verzeiht, ich habe Euren Namen nicht mitbekommen, ich bin Reavaer, das ist meine Begleiterin Kit“, stellt er sich der Händlerin vor. „Oh, ich bin Doromi, meinen Sohn Roano kennt ihr ja schon.“ Reavaer sieht zwischen den beiden hin und her und spürt plötzlich eine stechende Hitze auf seiner Haut, die der Sonne zugewandt ist. Er dreht sich um und stellt fest, dass die Sonne heißer scheint als noch Momente davor. Daraufhin bekommt er das Gefühl, beobachtet zu werden. Hastig dreht er sich suchend in alle Richtungen. Entdecken kann Reavaer jedoch keine Person, die heraussticht und ihn ausspähen könnte. Je mehr er sich umsieht, desto weniger intensiv scheint die Sonne, bis sie wieder ihre normale Intensität hat. Als Reavaer jedoch keine Gefahr erkennen kann, gibt er die Suche auf und wendet sich zurück zur Händlerin. Sowohl Doromi und ihr Sohn als auch Kit schauen Reavaer argwöhnisch an. „Ist alles in Ordnung?“, wird er von der Händlerin hinter dem Stand gefragt. „Jetzt wieder, ich hatte nur ein seltsames Gefühl. Doch es ist wieder in Ordnung“, beruhigt er die Umstehenden. „Wie dem auch sei, ich habe einen Plan, wie wir die Situation im Dorf verbessern können. Dazu müssen wir die Bürgermeisterin absetzen. Und dabei könntet Ihr mir helfen“, gibt Reavaer seinen Plan preis. Die Händlerin macht eine erschrockene Miene. „Die Bürgermeisterin einfach so absetzen? Ist das möglich?“, wundert sie sich. „Möglich ist alles. In diesem Fall ist es sogar notwendig, damit sich die Lage im Dorf bessert. Dazu brauche ich Eure Hilfe, sonst könnte Roano dasselbe Schicksal ereilen wie seinen Vater.“ Angsterfüllt schaut die Mutter nun zu ihrem Sohn. „Dann will ich euch helfen! Was soll ich tun?“ Sie willigt ohne zu zögern ein. „Noch gar nichts. Wenn ich anfange, die Fehlentscheidungen der Bürgermeisterin in der Öffentlichkeit zu kritisieren, dann seid Ihr an der Reihe, auch Eure Erfahrungen mitzuteilen.“ Sie wundert sich, nickt jedoch. „Wenn Euch das hilft, bringe ich alle närrischen Entscheidungen von ihr ans Licht, von denen ich weiß“, bietet sie an. Reavaer legt den Kopf ein wenig schief. „Es wird dem Dorf helfen, und hütet Euch vor Übertreibungen oder gar Flunkereien. Wir wollen den Leuten auf ehrliche Art die Augen öffnen“, stellt er noch mal klar. Da er nun weitere Hilfe gegen die Bürgermeisterin bekommen hat, schaut sich Reavaer wieder auf dem Markt um. Doch dieser ist fast leer. Als Reavaer sich umsieht, kann er sehen, wie die Leute am Stadttor stehen und hinausspähen. Gepackt von Neugier, was es dort Spannendes zu beobachten gibt, gehen Reavaer und Kit in Richtung Stadttor. Da es ohnehin keine Kunden gibt und alle anderen Stände unbesetzt sind, folgen Roano und seine Mutter ihnen. Reavaer und Kit kommen dank Kits Fähigkeit mit Leichtigkeit unbemerkt nach vorne.

Dort bietet sich ihnen ein bizarres Bild. Eine Gruppe von sechs Spinnen-Magrennar steht am Straßenrand in einiger Entfernung vom Stadttor. Sie nähern sich nur langsam und unsicher. Sie stehen und gehen aufrecht, sind sehr aufgeregt und achtsam. Die Bewohner des Dorfes sind genauso aufgeregt wie die Spinnen vor der Stadt. Es wird geflüstert und gerätselt. „Hm! Das ging schneller als erwartet“, kommentiert Reavaer amüsiert. Er erntet einige fragende Blicke für seine Reaktion. Reavaer tritt zwei Schritte aus der Menschenmenge nach vorne und dreht sich zurück zu dieser. „Bitte bewahrt Ruhe, das sieht nicht wie ein Angriff aus. Diese Magrennar sind nur neugierig oder möchten euch etwas mitteilen. Ich werde zu ihnen gehen und herausfinden, was sie wollen, bitte tut nichts, was sie verschrecken könnte!“, teilt er der Menge mit. Dann wendet er sich an Kit. „Pass bitte auf, dass den Leuten nichts passiert und keine Panik ausbricht.“ Sie nimmt seine Anweisungen grummelnd an. Reavaer wendet sich zurück zu den Magrennar und geht los, um zu sehen, was sie wollen. Auf halbem Weg hört er Rufe von hinten. „Roano, komm zurück, das ist gefährlich!“ Reavaer blickt zurück. Der Mago’o, den er bereits kennt, kommt auf ihn zugerannt. Seine besorgte Mutter möchte hinterher, wird aber von Kit beruhigt. Reavaer winkt der Mutter beschwichtigend zu, als Roano zu ihm aufschließt. „Ha, ich wollte schon immer etwas Aufregendes erleben! Das wird mein erstes Abenteuer!“ Der Kleine behält die Spinnen-Magrennar im Auge, als er sich der Geschwindigkeit von Reavaer anpasst. „Das wird tatsächlich ein Abenteuer. Ich kann nicht wirklich sagen, wie das hier ausgeht. Hast du keine Angst?“, fragt Reavaer Roano. „Warum? Sollte ich Angst haben?“, wundert sich der Kleine. „Nein! Keine Angst, entschuldige, ich wollte dir keinen Unsinn beibringen. Du brauchst vor neuen Dingen keine Angst zu haben. Das Einzige, was du brauchst, ist Vorsicht und Besonnenheit.“ Roano kann mit dem Rat nichts anfangen. „Wie mache ich das? Was ist der Unterschied?“, fragt er neugierig. „Hm, na gut, stell dir vor, du bist in einer für dich gefährlich scheinenden Situation. Das Schlimmste in so einer Situation wäre, wenn dich deine Angst lähmen würde. Das passiert, wenn deine Gedanken so durcheinander sind, dass du nicht weißt, was du tun sollst. Sie blockieren sich sozusagen. Wenn du aber besonnen im Angesicht der Angst deine Gedanken erst mal sortierst, kannst du reagieren. Beispielsweise wenn du angegriffen wirst, dich erst einmal nur auf das Ausweichen vor den Angriffen zu konzentrieren und den Feind zu beobachten anstatt irgendwie abzuwägen, was du sonst tun könntest.“ Auf Reavaers Erklärung überlegt Roano kurz. „Wenn ich wieder laufen möchte, aber Mutter mich einfangen und bei sich haben will, dann kann ich auch nur flüchten.“ Der Kleine muss von seinem eigenen Beispiel kichern. „Hm! Ja, so in etwa.“ Reavaer kann seine Amüsiertheit über dieses Beispiel nicht in seinem Gesicht zeigen, doch in seiner Stimme schwingt diese mit. „Wir sind fast da. Um die Magrennar nicht zu erschrecken oder zu verärgern, tu bitte, was ich tue und wenn ich dir eine Anweisung gebe, führst du diese sofort aus“, stellt Reavaer klar kurz bevor die beiden vor den Spinnen-Magrennar stehen. Die Spinnen laufen aufgeregt hin und her. Dabei steht ihr Oberkörper aufrecht, sie gehen nur auf zwei Beinpaaren. Die anderen zwei Beinpaare stehen nach vorne ab und dienen als Greifwerkzeuge. Sie machen Klicklaute, die fast an eine hektische Konversation erinnern. Schließlich tritt einer der Magrennar vor und macht Klickgeräusche in Reavaers Richtung. „Weißt du, was die wollen?“, fragt Roano an Reavaer gewandt. „Hmm, sie verhalten sich, als ob sie ein Anliegen an uns richten wollen. Etwas, das sie ihre Feindseligkeit den Maginar gegenüber vergessen lässt. Aber was dieses Anliegen sein soll, keine Ahnung“, antwortet Reavaer, weiter die Augen auf die Spinnen gerichtet. Der eine Spinnen-Magren klickt weiter auf ihn ein. Doch nach einer Weile legt Reavaer den Kopf schräg. Dann hört das Klicken auf und der Magren ist erst mal still. Er kratzt sich mit einem seiner spitzen Spinnenbeine am Kopf. Dem Magren wird klar, dass er mit seinem Klicken nichts erreicht. So überlegt dieser kurz und schaut zurück zu seinen Artgenossen. Schließlich dreht sich die Spinne vor ihnen um und geht zu einer anderen Spinne und nimmt dieser etwas ab. Zurück bei Reavaer präsentiert ihm die Spinne etwas. Es ist weiß, glatt und gefaltet. Reavaer greift danach und befühlt es ein wenig. Die Beschaffenheit ist weich und flauschig. Reavaer nimmt die Hände wieder vom Material weg und überlegt kurz. Dabei sieht er, wie der Spinnen-Magren eine Geste macht. Er hält das Bein, über das das weiße Material gelegt ist, nach vorne und das Bein auf der anderen Seite zurück und tauscht dann die Positionen. Das leere Bein ist ausgestreckt und das mit dem Material zurück. „Ah! Ich verstehe!“, ruft Reavaer fast schon. Alle Magrennar und auch Roano sehen ihn an. Reavaer nickt zu der Spinne vor ihm und nimmt dann das weiße Material von dessen Bein und kniet sich hinunter zu Roano. „Fühl mal, das ist feiner Stoff, den die Spinnen anscheinend selbst gemacht haben. Wie gefällt es dir?“, fragt er den Mago’o. „Das fühlt sich gut an. Die Spinnen können so was Feines machen?“, wundert sich Roano. „Richtig, und sie wollen mit der Stadt Handel treiben. Sie bieten diesen Stoff für irgendetwas, das sie aus dem Dorf wollen. Deine Mutter sagt doch, dass kaum Händler vorbeikommen. Wenn sich verbreitet, dass ihr so speziellen Stoff verkauft, würde das Dorf mehr besucht werden.“ In Roano steigt die Begeisterung auf, während Reavaer ihm seine Idee erklärt. „Mutter sagt dasselbe. Wenn wir ein besonderes Produkt hätten, würden wir mehr Luxon verdienen und dem Ort würde es besser gehen. Denkst du, das klappt?“, bestätigt Roano trotz seines jungen Alters. „Ja, aber wir müssen geschickt vorgehen. Zuerst müssen wir den Bewohnern die Angst vor den Spinnen-Magrennar nehmen und danach den Magrennar als Handel das geben, was sie vom Dorf wollen und ihre Freundschaft gewinnen“, erläutert Reavaer sein Vorgehen. Roano nickt zustimmend. Reavaer steht wieder auf und gibt dem Magren seinen Stoff zurück. Dann macht er zwei Schritte rückwärts auf die Straße. Roano folgt ihm, beide lassen die Spinnen nicht aus den Augen. Daraufhin macht Reavaer einladende Gesten und zeigt auf die Straße und die Stadt. Der Anführer der Spinnen scheint nichts mit den Gesten anfangen zu können, möchte aber trotzdem folgen. Jedoch zappelt er vor der Straße und traut sich nicht, diese zu betreten. Vorsichtig streckt er ein Bein aus und setzt es auf die Lichtsteine, die sich sogleich lila färben. Daraufhin zieht der Magren sein Bein erschrocken wieder zurück. „Hier hat jemand schlechte Erfahrungen gemacht. Wir müssen wohl nachhelfen, aber vorsichtig“, fordert Reavaer Roano auf. Reavaer geht wieder zum Magren am Rande der Straße und greift eines seiner freien vorstehenden Beine. An diesem zieht er den Magren sanft zu sich. Roano tut es ihm gleich. Viel Widerstand macht die Spinne nicht. Nach einigen Schritten müssen die beiden noch mal ziehen. So gehen Roano, Reavaer und die Spinne Hand in Spinnenbein in Hand Richtung Dorf. Die Lichtsteine unter der Spinne leuchten hell in einer lila Farbe auf und die übrigen Magrennar laufen mit etwas Abstand neben der Straße her.

Da sieht Reavaer auch schon Jäger auf sie zulaufen. Es sind allesamt Magonar, diese werden wohl zuerst an die Front geschickt. Als Antwort streckt Reavaer seinen Arm mit der Handfläche nach oben aus. Er hält die Hand locker und macht eine Bewegung, als würde er einen faustgroßen Ball aus dem Handgelenk in die Luft werfen. Im nächsten Moment sind die Jäger erstarrt. Ihre Arme, Beine und teilweise ihre Oberkörper sind im Lauf in Eis gehüllt worden. Die Magonar sind erschrocken und möchten sich befreien, doch können sie das Eis nicht mit Magie oder Körperkraft zerstören. Als Reavaer mit seinen Begleitern an den Magonar vorbeigeht, sagt er zu ihnen: „Keine Sorge, wenn alles erledigt ist, kommt ihr wieder frei. Geduldet euch solange.“ Dann wendet er sich zurück zum Stadttor. „Warst du das etwa?“, fragt Roano, als sie die teilweise vereisten Jäger passieren. „Richtig, ich bin im Moment nicht in der Stimmung für einen großen Kampf oder eine Diskussion“, macht Reavaer klar, während er schon die nächste Welle an Jägern erblickt. Diesmal sind es Maganar, die angreifen. Es sind weniger, nur eine Handvoll. Allerdings wirken sie ihre Magie schon aus der Ferne. Um sie auch zu vereisen, ist es zu spät. Ihre Feuer- und Erdangriffszauber sind schon im hohen Bogen auf dem Weg zu ihm. Reavaer macht als Antwort eine wischende Bewegung mit seinem freien ausgestreckten Arm. Sofort formt sich eine grobe, unregelmäßige Wand aus Eis vor der Gruppe und den Spinnen am Straßenrand. Die Angriffszauber explodieren und schlagen auf die Eiswand ein. Die Spinnen-Magrennar am Wegesrand ziehen sich verschreckt zurück. Auch die Spinne auf der Straße, die geführt wird, möchte wegrennen, wird aber von den beiden nicht losgelassen. So bleibt der Magren nur stehen und beobachtet Reavaer und Roano, wie diese unbeeindruckt von den Angriffen stehen bleiben und sogar weiter zur Stadt vorrücken wollen. Erst als sich der Rauch von den Explosionen verzogen hat und alles wieder ruhig ist, gibt die Spinne dem Zug der beiden nach und folgt ihnen weiter zum Dorf. Die Eiswand ist an manchen Stellen gebrochen und gesplittert, schwebt aber noch vor der Gruppe her, während sie zum Stadttor gehen. Als die Jägerinnen neue verheerende Angriffszauber vorbereiten wollen, lässt Reavaer seine Eiswand nach vorne auf sie zuschnellen. Die Wand trifft sie nicht wie ein Einschlag, sondern umschließt sie unregelmäßig wie zuvor die Magonar. Nun sind die Maganar genauso gefesselt und unbeweglich. Alle Gefahren auf dem Weg zum Dorf sind gebannt. Die Bewohner stehen verunsichert hinter dem Stadttor, als die beiden mit der Spinne wenige Schritte vor der Menge anhalten. Reavaer bemerkt eine wütende Bürgermeisterin Keran in der zweiten Reihe. „Geh und hol deine Mutter“, weist Reavaer Roano an. Dieser nickt und geht zur Menge, um seine Mutter zu überzeugen, zu Reavaer und der Spinne zu kommen. Die Händlerin Doromi kommt ihm auf halbem Wege entgegen und fällt ihm um den Hals. „Geht es dir gut? Bist du verletzt?“, fragt sie ihn hastig, während sie seinen Zustand von oben bis unten prüft. „Alles gut, wir haben etwas gelernt und er hat die Jäger ganz einfach abgewehrt“, berichtet Roano über das Erlebte. „Aber was wichtiger ist! Die Spinnen haben anscheinend ein Angebot für uns. Komm, sieh es dir an.“ Roano zieht seine Mutter zu den Spinnen. Sie möchte lieber nicht zu dem Spinnen-Magren, doch ihr Sohn zieht sie entschlossen hinter sich her. Die Händlerin steht unsicher vor der Spinne und kann dieser kaum ins Gesicht sehen. „Und was passiert nun?“, möchte sie wissen, während ihr Fluchtinstinkt ihr sagt, dass sie sich schnellstens in Sicherheit bringen soll. Doch sie vertraut Roano und seiner Zuversicht. Reavaer handelt als Nächstes, indem er mit dem Finger auf den Stoff zeigt, der über den hervorstehenden Beinen der Spinne hängt. Dann zeigt er auf die Händlerin, danach in die Stadt und wieder zurück zur Spinne. Diese versteht anscheinend, was gemeint ist, denn sie nickt hastig und hopst freudig mit klickenden Lauten. Der Magren kommt näher zu der Händlerin und überreicht ihr den gefalteten Stoff. Sie nimmt diesen vorsichtig entgegen. „Was ist das?“, wundert sie sich, als sie das unbekannte Material fühlt. „Wenn aus Spinnenfäden Stoff gewoben wird, dann nennt man das ErgebnisSeide